André Hahn

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Last Statements

Sehr verehrter Herr Präsident! Lieber Erich Iltgen! Am Ende einer Wahlperiode darf man auch aus der Opposition heraus der CDUFraktion einmal recht geben.
Herr Kollege Iltgen! Sie waren 19 Jahre lang Präsident dieses Hohen Hauses. Das ist auch ein in der deutschen Parlamentsgeschichte sehr langer Zeitraum. Sie haben den Landtag im In- und Ausland, wie ich finde, sehr gut vertreten. Sie haben, wie in Ihrer Tätigkeit als Moderator des Runden Tisches im Bezirk Dresden – Herr Flath hat darauf hingewiesen – auch hier im Landtag versucht, die Leitung – bei allen Schwierigkeiten – überparteilich durchzuführen und das Parlament in seiner Arbeit zu unterstützen und es zu repräsentieren. Dass es hin und
wieder bei der Auslegung der Geschäftsordnung auch zu Differenzen kommt, ist völlig normal. Ich denke, das ist im Parlamentsbetrieb so. Es ist nicht völlig vermeidbar.
Es gäbe viele positive Dinge, die noch zu sagen wären, aber ich möchte diese kurze Erklärung nicht weiter auswälzen. Sie haben vielleicht schon deshalb einen kleinen Tapferkeitsorden verdient, dass Sie es 15 Jahre mit mir als Fraktionsvorsitzendem und parlamentarischem Geschäftsführer ausgehalten haben.
Ich will auch sagen: Sollte im Eifer des Gefechts mal das eine oder andere Wort zu stark gewesen sein, will ich mich gern auch in diesem Rahmen noch einmal dafür entschuldigen. Ich denke, Herr Präsident, Sie haben unser Land würdig vertreten. Sie haben sich um das Gemeinwohl verdient gemacht, und dafür möchte ich Ihnen, auch im Namen der Linksfraktion, sehr herzlichen Dank sagen.
Ich möchte natürlich auch den beiden Vizepräsidenten Frau Dombois und Herrn Gunther Hatzsch sehr herzlich für ihr Engagement und ihren Einsatz danken.
Ganz zum Schluss, das wird Sie nicht wundern, ist es mir auch ein Bedürfnis, mich für die Fraktion bei unserer 1. Vizepräsidentin Regina Schulz zu bedanken.
Liebe Regina, wir haben in der Fraktion damals darüber beraten, wer dieses Amt wohl ausfüllen könnte. Du hast die Gabe, erst zuzuhören und dann zu reden. Auch das war ein wichtiger Grund. Du hast das Parlament würdig vertreten. Du hast in der Öffentlichkeit den Landtag in Vertretung des Präsidenten immer gut repräsentiert. Es ist ganz sicher für alle nicht einfach, diesem Parlament vorzustehen. Du hast das – wie die anderen – in sehr guter Form getan. Ich möchte dir im Namen der Fraktion dafür hier noch einmal sehr herzlich danken. Ihnen allen, uns allen wünsche ich weiterhin viel Glück und Erfolg!
(Anhaltender Beifall des ganzen Hauses – Dr. André Hahn und Andrea Roth, Linksfraktion, überreichen dem Präsidenten Erich Iltgen und der 1. Vizepräsidentin Regina Schulz Blumen.)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie Ihre letzte Rede dazu nutzen,
Rechenschaft abzulegen über Soll und Haben, über Versprochen und Gehalten. Stattdessen haben Sie eine mehr oder weniger nette Wohlfühlrede gehalten, in der Sie fast alle Probleme unseres Landes ausgeblendet haben.
Es kam kaum etwas zum Thema Arbeitslosigkeit, nichts über die zunehmende Armut unter Kindern oder älteren Bürgerinnen und Bürgern und nichts zu den politisch Verantwortlichen und den absehbaren Folgen des Zusammenbruchs der Sachsen LB. Ich nenne so etwas selektive Wahrnehmung der Wirklichkeit.
Bezeichnend für den Zustand der Koalition ist auch der Umstand, dass sich die Staatsregierung offenkundig nicht einmal auf eine gemeinsame Bilanz der nun zu Ende gehenden Wahlperiode einigen konnte. Deshalb sprachen sowohl Herr Tillich als auch Herr Jurk. Ich weiß nicht, ob es so etwas in Deutschland schon einmal gegeben hat. Im Landtagspräsidium angekündigt war eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Davon gibt es bekanntlich nur einen in diesem Land.
Wenn der Ministerpräsident verhindert ist, kann und soll sein Stellvertreter agieren. Herr Tillich war aber offenkundig nicht verhindert, weshalb es nicht nachvollziehbar ist und allen parlamentarischen Regeln zuwiderläuft, dass auch noch Herr Jurk das Wort ergreift, bevor die Opposition auf den Regierungschef reagieren kann.
Kollege Jurk, ich sage meine Meinung: Ich finde, das ist schlechter Stil, vielleicht aber auch nicht völlig unverständlich, weil die Sozialdemokraten nach dem jüngsten Abschneiden bei der Europawahl offensichtlich ihre Felle davonschwimmen sehen.
Aber, Herr Kollege Jurk, Anbiederung bei der CDU, wie Sie es zu Beginn Ihrer Rede praktiziert haben, ist mit
Sicherheit der falsche Weg, um ein eigenständiges Profil zu zeigen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! CDU und SPD haben im November 2004 einen Koalitionsvertrag unterzeichnet, der zwar circa 85 großzügig beschriebene Seiten mit überwiegend vagen Formulierungen umfasst, aber nur vergleichsweise wenig konkrete und abrechenbare Aussagen enthält.
Ich habe mit viel gutem Willen dann doch 98 Punkte gefunden, in denen die Koalition Veränderungen in Sachsen erreichen wollte. Umgesetzt wurden davon lediglich 26 Punkte. Fast drei Viertel der zwischen CDU und SPD verabredeten Vorhaben wurden also nicht oder nur unvollständig realisiert. Nach fünf Jahren Regierungszeit ist das, wie ich finde, eine ziemlich erbärmliche Bilanz.
Ich habe weder Zeit noch Lust, die gesamte Liste der gebrochenen Versprechen im Detail durchzugehen. Erinnert sei nur an die einzige konkrete Aussage von Stanislaw Tillich nach seiner Wahl zum Ministerpräsidenten. Herr Tillich versprach, den Betreuungsschlüssel an Kitas von 1 : 13 auf 1 : 12 zu senken. Als wenige Monate später der Landeshaushalt beschlossen wurde, war davon keine Rede mehr, obwohl ein solcher Schritt überfällig gewesen wäre.
Eines aber dürfte durch diese Fakten deutlich geworden sein: Eine Fortsetzung der derzeitigen Koalition von CDU und SPD ist aus vielerlei Gründen für unser Land nicht wünschenswert.
Sachsen braucht eine andere, eine bessere Regierung. Da nun schon die Kollegen der FDP-Fraktion klatschen, will ich hinzufügen: Schwarz-Gelb wäre mit Sicherheit die schlechteste aller möglichen Alternativen.
Wir als Linke werden jedenfalls alles tun, um ein solches Sozialabbaubündnis zu verhindern.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sachsen ist ein stolzes Land. Vor 15 Jahren stand der Freistaat mit seinem Wirtschaftswachstum von 13 % deutschlandweit an der Spitze. Natürlich konnte es auf diesem Niveau nicht ewig weitergehen, aber der wirtschaftliche Aufholprozess kam viel zu früh zum Erliegen.
Seit dem Jahre 1997 hat sich der ökonomische Rückstand zu den alten Bundesländern kaum verändert. Auch und gerade deshalb hat seit der Wiederbegründung des Freistaates rund eine Dreiviertelmillion überwiegend junger
Menschen Sachsen in Richtung Westen verlassen. Sachsen ist das Bundesland mit dem höchsten Altersdurchschnitt, den niedrigsten Tariflöhnen und den Regionen mit den meisten armen Kindern.
Im vergangenen Jahr war Sachsen auf dem vorletzten Platz der Wirtschaftsentwicklung in der Bundesrepublik. Im Osten trug der Freistaat sogar die rote Laterne. Die Pleite des größten Arbeitgebers der Landeshauptstadt, Qimonda, ist da ein Menetekel für das gesamte Land. Ihre Politik, Herr Tillich, ist auf der ganzen Linie gescheitert.
Ich habe das ganz bewusst an Sie gerichtet, weil Sie immer so tun, als hätten Sie mit alledem nichts zu tun und seien eher mit so zukunftsträchtigen Projekten wie der Patenschaft für eine Giraffe im Leipziger Zoo befasst. Sie, Herr Tillich, gehören dieser Staatsregierung seit zehn Jahren an, seit dem Jahre 1999, als Sie jenen Fragebogen ausfüllten, dessen Antworten Sie heute auf Biegen und Brechen geheim halten wollen. In dieser langen Zeit sind Sie mit nichts – weder angenehm noch unangenehm – aufgefallen. Ihre Politik in der Bundesrepublik gibt es ebenso wenig wie Ihre politische Biografie in der DDR. Beides ist ein Phantom, dessen kritische Berührung bei Ihnen nichts als Unverständnis auslöst.
Das Statistische Landesamt hat vor wenigen Tagen bekannt gegeben, dass im I. Quartal dieses Jahres 17 400 Menschen weniger einen Arbeitsplatz hatten als ein Jahr zuvor. Die Statistiker stellen fest – ich zitiere –: „Der Rückgang der Erwerbstätigenzahlen gegenüber dem Vorjahr war in allen Wirtschaftsbereichen zu beobachten.“
Ich zitiere das, weil diese in Ihrer Region, Herr Ministerpräsident, ansässige Behörde nun wirklich nicht im Verdacht steht, der Regierung am Zeug flicken zu wollen. Schließlich gedenken wir alle noch voller Freude jener Mitteilung dieses Amtes, dass auch das Wetter in Sachsen seit der friedlichen Revolution besser geworden sei.
Trotzdem wird gerade in Zeiten wie diesen kein Schönwetter-Ministerpräsident gebraucht, der sich lieber beim Semperopernball vergnügt als dort an den Werkstoren vor Ort zu sein, wo in Sachsen Arbeitsplätze bedroht sind. Eigentlich, Herr Tillich, wissen Sie doch aus eigener Lebenserfahrung, wie es nicht funktioniert. Kurz bevor die DDR in sich zusammenfiel, teilten Sie anlässlich eines Gaststättenwettbewerbs mit, es gehe darum – ich zitiere –, „unmittelbar nach den Kommunalwahlen und in Vorbereitung des 40. Jahrestages der DDR vor allem jene Initiativen zu würdigen und über Veränderungen zu berichten, die sich bei der weiteren Vervollkommnung der sozialistischen Demokratie im Bürgerinteresse vollzogen haben“.
Das Problem, Herr Tillich, ist nicht Ihre Vergangenheit, die Ihnen niemand vorgeworfen hat, auch wenn Sie das wider besseres Wissen gebetsmühlenartig behaupten,
nein, das Problem ist, dass Sie immer noch so reden – –
Herr Tillich, das Problem ist, dass Sie immer noch so reden und denken wie damals; jedoch wenden Sie Ihre Schönfärbemasche jetzt eins zu eins auf eine andere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung an.
Mit so viel Anpassung kann man zwar immer irgendwie Karriere machen, aber mit Sicherheit kein Land voranbringen. Besonders in Krisenzeiten, in denen über die Zukunft der Menschen entschieden wird, brauchen die Sachsen echte Macher und eben keine Mitläufer. Von Ihnen sind die notwendigen Signale auch heute in Ihrer Regierungserklärung nicht ausgegangen.
Als hätte es noch eines letzten Beweises bedurft, dass der noch amtierende Ministerpräsident nicht ganz von dieser Welt ist, haben Sie, Herr Tillich, ihn neulich geliefert und einen sogenannten Gesellschaftsvertrag mit sich selbst abgeschlossen. In der DDR hätte man wenigstens noch ein paar Vorzeigewerktätige herbeigerufen. Sie aber brauchen für Ihre Inszenierung nur Ihren ParteiGeneralsekretär und den Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion, falls Letzterer nicht gerade damit beschäftigt ist, Ihnen in den Rücken zu fallen. Beim erbärmlichen Tauziehen um die missglückte Rettung von Qimonda – ich nenne nur das Stichwort Nachtragshaushalt – haben wir ja vorgeführt bekommen, wie es aussieht, wenn eine regierungstragende Fraktion aufhört, die Regierung zu tragen.
Wissen Sie, seinerzeit haben wir Kurt Biedenkopf durchaus kritisch begleitet, wie es sich für eine ordentliche Opposition gehört. Aber wir haben immer seine Handlungskraft respektiert, auch und gerade über die Grenzen Sachsens hinaus. Als die Weiterentwicklung der traditionsreichen sächsischen Autoindustrie auf dem Spiel stand, legte sich Biedenkopf zum Wohle Sachsens frontal mit der EU-Kommission an. Nun, da der HightechStandort der sächsischen Chip-Industrie ins Wanken geriet, beschwerte sich ein Vertreter der EU-Kommission via sächsische Presse, dass er bisher von der hiesigen Staatsregierung gar nichts gehört habe. Mit solcher Leisetreterei lässt sich in einer globalisierten Welt kein Blumentopf mehr gewinnen, Herr Ministerpräsident!
Wenn Sie in Ihrer Rede davon gesprochen haben, dass der Datenverkehr in Sachsen schneller vorangeht als anderswo, dann blenden Sie auch hier die Realitäten offenbar gänzlich aus. Sachsen steht bei der Versorgung mit dem schnellen Internet noch immer auf dem drittletzten Platz unter den deutschen Ländern. Praktisch bedeutet dies, dass zurzeit noch 56 % der Sachsen keinen Zugang zum schnellen Internet haben.
Der Schwäche der Regierung Tillich lässt sich auch dadurch nicht abhelfen, dass Herr Zastrow Minister spielt, was für die meisten von Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, sowieso eine Schreckensvorstellung ist. Zumindest darin sind wir uns ausnahmsweise einmal einig.
Das Grundübel der Gegenwart sind die verheerenden Auswirkungen der von neoliberaler Politik entfesselten Kräfte der Finanzmärkte. Da wäre eine Partei, die am fanatischsten für die totale Freiheit des Marktes gekämpft hat und kämpft, in jeder Regierung – egal auf welcher Ebene – völlig deplatziert.
Regierungen müssen jetzt im Sinne einer Wiederherstellung von sozialer Sicherheit regulieren. Das macht USPräsident Obama, auf den Sie, Herr Tillich, verwiesen haben, gerade in seinem Land vor. Die Zeit der neoliberalen Deregulierer ist endgültig vorbei.
Ja, natürlich, es gibt Bereiche des öffentlichen Lebens, die überreguliert sind, Stichwort: ausufernde Bürokratie. Ihr „Paragrafenpranger“, meine Damen und Herren von der Staatsregierung, war ein Flop. Die werbewirksam in der Bevölkerung geweckten Hoffnungen auf Bürokratieabbau in Sachsen wurden bitter enttäuscht. Unterm Strich ist das Ergebnis der Aktion nahe null.
Erschreckend unreguliert ist dagegen die Lage der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Sachsen. Zigtausende haben zurzeit keine Personalvertretung, weil CDU und SPD im Widerspruch zum Koalitionsvertrag kein neues Personalvertretungsgesetz zustande gebracht haben.
Sie hätten ja, wenn Sie denn schon meinten, unseren Gesetzentwurf für ein modernes Dienstrecht ablehnen zu müssen, wenigstens der kleinen Gesetzesnovelle zustimmen können, mit der wir Tarifvertrag und Gesetze in Einklang bringen wollten.
Aber nein, meine Damen und Herren, lieber nahmen Sie sehenden Auges einen ungesetzlichen Zustand in Kauf und schufen rechtsfreie Räume auf Kosten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, als dass Sie zu einem Vorschlag der Linken mal die Hand heben würden, so vernünftig er auch sein mag. Diese Blockadehaltung, meine Damen und Herren, schadet unserem
Land, und sie ist im Übrigen auch durch nichts zu rechtfertigen!
Die Staatsregierung verschickt ja derzeit täglich Pressemitteilungen, in denen auf immer neue Veranstaltungen und Bildungsangebote anlässlich 20 Jahre Herbst ’89 hingewiesen wird. Allenthalben rühren Sie, zusammen mit Spitzenpolitikern der Koalitionsfraktionen, die Werbetrommel für mehr Bemühungen um ein vertieftes Verständnis der DDR, damit insbesondere die Jugend die richtigen Konsequenzen für die Gestaltung einer freiheitlichen, zukunftsorientierten Gesellschaft ziehen möge.
Wir waren und sind jederzeit gern bereit, uns auch weiterhin aktiv dort einzubringen. Wir wissen natürlich, dass die CDU offenkundig darauf keinen Wert legt.
Aber, Herr Ministerpräsident, Ihr Umgang mit der eigenen Vergangenheit auf der einen Seite und den Linken in der Gegenwart auf der anderen Seite lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Sie haben wirklich nichts begriffen und sind daher auch denkbar ungeeignet, die Zukunft Sachsens zu gestalten!
Stellen wir uns nur für einen Moment einmal vor, was hier im Landtag und in den Medien los wäre, wenn sich anhand von Dokumenten herausgestellt hätte, dass ich noch einen Monat nach dem Fall der Mauer an Enteignungen beteiligt gewesen wäre, die später als klassisches DDR-Unrecht wieder kassiert wurden. Herr Flath würde rund um die Uhr Interviews geben und die Welt vor mir warnen. Und CDU-Generalsekretär Kretschmer würde sich mit Rücktrittsforderungen regelrecht überschlagen.
Herr Tillich, der seine Biografie inzwischen x-mal umgeschrieben hat und noch immer nicht bei der Wahrheit angekommen ist, spricht gern mit heutigen Vokabeln über die alten Zeiten. Also tue ich ihm jetzt ausnahmsweise einmal den Gefallen, mit Blick auf seine Person ebenso zu verfahren. Dann kann ich nur sagen: Sie, die sächsische CDU, ziehen mit einem ehemaligen sozialistischen VizeLandrat in die kommende Landtagswahl, als wäre das die normalste Sache der Welt, und malen zugleich das Schreckgespenst einer drohenden Linksregierung an die Wand. Das, meine Damen und Herren von der CDU,
ist einfach nur absurd, und das gilt ganz besonders für Sie, Herr Bandmann!
Im Übrigen bin ich mir ziemlich sicher, dass Sie mit dieser auf die Spitze getriebenen Doppelmoral am 30. August Schiffbruch erleiden werden.
Vorher werden wir einen Wahlkampf haben, auf den ich mich schon jetzt freue. Insbesondere die CDU wollte die Erinnerung an 20 Jahre friedliche Revolution parteipoli
tisch instrumentalisieren, um mit Horrorszenarien uns gegenüber ihre eigene Macht zu verewigen. Nun kehrt die eigene Parteipropaganda wie ein Bumerang gegen sie selbst zurück.
Sie gebärden sich hier als neue Staatspartei. Wer im Kreisarchiv Kamenz zum DDR-Unrecht des heutigen sächsischen Ministerpräsidenten recherchiert, wird der Staatskanzlei gemeldet. Schämen Sie sich eigentlich nicht für solche innerbehördlichen Anweisungen?
Das erinnert uns an die jahrelang gepflegte, zweifelhafte Berichtspflicht sächsischer Staatsanwaltschaften, die nach „ganz oben“ Meldung machen mussten, wenn sie gegen „hohe Tiere“ ermittelten. Wenn jemand bis heute in diesem Freistaat keine Lehren aus der friedlichen Revolution gezogen hat, dann sind es die Machtzirkel der sächsischen CDU, die fast nahtlos an den Allmachtsanspruch der SED anknüpfen.
Gott sei Dank aber haben wir in diesem Land noch genügend unabhängige Richter und couragierte Verwaltungsmitarbeiter, sodass Ihren Anmaßungen immer wieder Grenzen gesetzt werden. Ich darf an Ihre Serie von Niederlagen vor dem sächsischen Verfassungsgerichtshof erinnern, die daraus resultieren, dass Sie viel zu oft mit der Landesverfassung auf Kriegsfuß stehen und sich an der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung vergreifen.
Es ist DIE LINKE, die mit ihren Verfassungsklagen immer wieder für Ordnung sorgen muss. Das tun wir gern, denn im Gegensatz zu Ihnen haben wir aus unseren Fehlern und unserer Rolle in früheren Zeiten gelernt.
Es ist auch nicht so, Herr Bandmann, dass wir Ihre Skandale bräuchten, um bei den Bürgerinnen und Bürgern Zustimmung zu finden. Wie ich schon mit allgemein anerkannten Zahlen belegt habe, ist Ihre Politik in eine Sackgasse geraten und nicht mehr zum Vorteil, sondern zum Schaden Sachsens und seiner Menschen.
Unser alternativer Haushaltsansatz war und ist besser als der von Ihnen beschlossene Staatshaushalt. Unser alternatives Landesentwicklungskonzept war besser als Ihr Landesentwicklungsplan,
der ganze Regionen von der Entwicklung abgehängt hat. Im Übrigen werden wir als Drittes noch in diesem Sommer einen Aktionsplan für die Belebung der sächsischen Wirtschaft auf den Tisch legen. Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Tillich, der es auf dem Höhepunkt der QimondaKrise nicht einmal geschafft hat, rechtzeitig einen EUKommissar anzurufen, schauen wir dabei über den Teller
rand Sachsens hinaus und mobilisieren Sachverstand mit neuen Ideen für unser Land.
Meine Damen und Herren! In der Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und SPD heißt es: „Die Koalitionspartner werden politischem Extremismus mit Entschlossenheit begegnen und eine demokratische politische Kultur fördern und vorleben.“ Wenn Sie das tatsächlich getan hätten, wären wir sicherlich die Ersten, die Sie dafür loben und Ihnen eine erfolgreiche Arbeit bescheinigen würden.
Wie aber sieht denn die Realität aus? Ich will gar nicht über die demokratische politische Kultur in Sachsen oder hier in diesem Landtag reden, die Sie vorleben wollen. Wie diese Kultur aussieht, haben die Bürgerinnen und Bürger bei diversen Skandalen in den letzten Jahren erfahren müssen; ich komme gleich noch darauf zu sprechen.
Was den Extremismus betrifft, dem mit Entschlossenheit begegnet werden sollte: Die NPD sitzt inzwischen leider in jedem Kreistag; sie ist in rund 70 Stadt- und Gemeinderäten vertreten, Dutzende von Nazikonzerten in Sachsen jedes Jahr und eine weiterhin steigende Zahl an Straftaten.
Im Koalitionsvertrag heißt es weiter: „Das Mittel des Organisationsverbotes wird überall da angewandt, wo es erforderlich und geeignet ist.“ Beim „Sturm 34“ haben Sie es angewandt – zögerlich, halbherzig und viel zu spät –; nach Dutzenden schweren und schwersten Straftaten haben Sie erst gehandelt.
Herr Ministerpräsident, meine Damen und Herren! Wer die Lippen spitzt, sollte auch pfeifen können. Ein Verbot nützt nur dann etwas, wenn es auch konsequent umgesetzt wird. Wie rechtfertigen Sie es eigentlich, dass bei Neonazidemonstrationen Mitglieder des „Sturm 34“ noch immer gemeinsam als Gruppe auftreten können? Man darf es dann eben nicht bei einem Verbot belassen, sondern muss solche Gruppen auch mit den Mitteln des Rechtsstaates konsequent bekämpfen. Warum sind Sie zum Beispiel immer noch nicht aktiv geworden für ein Verbot des Vereins „Gedächtnisstätte“ in Borna? Holocaustleugnung ist kein Kavaliersdelikt; aber Sie haben sogar erst einmal zwei Jahre gebraucht, um festzustellen, dass es sich überhaupt um einen rechtsextremen Verein handelt.
Erfolgreiche Politik sieht anders aus. Ich kann Ihnen für diesen Politikbereich nur empfehlen, einmal den Blick nach Brandenburg zu werfen. Dort regieren ebenfalls SPD und CDU, aber das dortige Landesprogramm „Tolerantes Brandenburg“ verdient wirklich diesen Namen. Dort belässt man es nicht bei einem reinen Fördermitteltopf. Lernen Sie doch wenigstens mal von den eigenen Parteifreunden, wenn Sie schon nicht von uns lernen wollen! Lernfähigkeit ist im Übrigen eine Grundvoraussetzung für erfolgreiche Politik.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, ich sagte es schon: Wir brauchen Ihre Skandale nicht, aber wir
werden Ihnen auch Ihre Vertuschungsmanöver nicht durchgehen lassen. Die Sachsen LB war nicht das Opfer der globalen Krise, sondern einer irrsinnigen Spekulationsstrategie, die Sie, meine Damen und Herren von der CDU, politisch zu verantworten haben.
Was haben Sie uns in diesem Haus für die Einsetzung des Landesbank-Untersuchungsausschusses im Jahr 2005 beschimpft! Fakt jedoch ist: Seither sind zwei komplette Bankvorstände, ein Finanzminister und ein Ministerpräsident zurückgetreten.
Herr Tillich aber, der auch bei diesem brisanten Thema immer so tut, als habe er mit nichts etwas zu tun, wollte als Nachfolger des Finanzministers noch nicht einmal einen Rechnungshofbericht zu diesem Thema haben. Inzwischen liegt dieser Rechnungshofbericht jedoch vor und er bestätigt im vollen Umfang die Ergebnisse des von der Linken eingesetzten Untersuchungsausschusses. Mittlerweile fordert der Rechnungshof sogar, Schadenersatzansprüche gegen ehemalige Verwaltungsräte geltend zu machen.
Herr Tillich, mit Totschweigen werden Sie die Milliardenschäden, die der Landesbankcrash den sächsischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zugefügt hat, nicht aus der Welt schaffen können. Sie waren am Kabinettstisch mit dabei, so wie Sie damals auch beim Rat des Kreises mit dabei waren. Sie tragen politische Mitverantwortung für den Milliardenschaden bei der Landesbank und auch für stattgefundene Enteignung 1989.
Man sieht daran übrigens, dass der von Ihnen angerichtete bzw. mit zu verantwortende Schaden leider durch die friedliche Revolution, an der Sie keinen Anteil hatten, nicht kleiner geworden ist. Bei der Landesbank geht es um Milliarden. Ich habe von Qimonda schon gesprochen; auch beim sächsischen Mikroelektronikleuchtturm stehen Milliarden auf dem Spiel. Man spricht davon, dass rund 12 Milliarden Euro in Silicon Saxony geflossen sind, davon 3 Milliarden Euro aus Steuergeldern. Dieses Erbe von Kurt Biedenkopf haben Sie durch Unvermögen und Untätigkeit in höchste Gefahr gebracht.
Wir brauchen im Übrigen auch nicht Ihren Skandal um die rund 15 600 Seiten Verfassungsschutzakten zu mutmaßlichen kriminellen Netzwerken. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, waren es, die den Verfassungsschutz auf die Organisierte Kriminalität losgelassen haben, und Sie wurden erst durch das von uns herbeigeführte Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtes dazu gezwungen, davon abzulassen. Ihr Innenminister Buttolo sah dann gleich die Mafia an der Macht und dass sie das Land übernehmen würde, bevor der damalige Ministerpräsident Milbradt die Parole von der „heißen Luft“ ausgab.
Sie, die CDU, blockierten ein Jahr lang die Arbeit des von Linken, FDP und GRÜNEN eingesetzten Untersuchungsausschusses, bevor das Verwaltungsgericht Ihnen erneut den Weg in die Demokratie weisen musste und entschied, dass die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses in hohem öffentlichem Interesse sei. Die sächsische CDU ist keine Expertin für innere Sicherheit, sondern sie ist zunehmend zu einem Sicherheitsrisiko geworden.
Dass Sie nun nach dem vorläufigen Ende des Untersuchungsausschusses immer noch die Fakten ignorieren wollen, kann ich nur bedauernd zur Kenntnis nehmen. Als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission bin ich bei Androhung hoher Strafen leider zum Schweigen verpflichtet; aber ich bin mir sicher, die Wählerinnen und Wähler werden sprechen – mit dem Stimmzettel, der Ihnen für diese Skandale und für Ihr Agieren die Quittung ausstellt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir wollen gern reden – heute und in Zukunft – über Projekte, die das Land wirklich voranbringen würden, zum Beispiel über das längere gemeinsame Lernen für alle Kinder statt verfrühter sozialer Auslese.
Das ist soziale Auslese, Herr Kollege Kupfer, genau das ist es! Wir wollen über tatsächliche Lernmittelfreiheit und über das kostenlose Mittagessen für alle Kita-, Schul- und Hortkinder reden. Wir haben solide durchgerechnete Gesetzentwürfe vorgelegt,
die bei entsprechendem politischem Willen finanzierbar sind – wie übrigens alle unsere Vorschläge ohne zusätzliche Neuverschuldung.
Wissen Sie, meine Damen und Herren von der CDU: Dass ausgerechnet Sie, die Sie eine komplette Landesbank versenkt haben, jetzt im Bundesrat für eine Schuldenbremse votiert haben, ist wirklich nur ein schlechter Witz.
Das wird Ihnen im Wahlkampf noch viel Spott und Hohn einbringen; dessen können Sie sicher sein.
Im Übrigen, Herr Ministerpräsident, hätte ich wenigstens hier Verantwortung von Ihnen erwartet. Sie setzen mit dieser Entscheidung mittelfristig auch die Eigenständigkeit unseres Landes aufs Spiel. Andere Ministerpräsidenten klagen vor dem Verfassungsgericht gegen diese Entscheidung. Sie übernehmen Verantwortung für ihr
Land, wenn ich beispielsweise an Schleswig-Holstein denke.
Wir brauchen also in Sachsen endlich – das betrifft insbesondere auch den noch amtierenden Ministerpräsidenten – einen Politikwechsel von der Symbol- zur Sachpolitik. Oder anders gesagt: Linke Realpolitik ist allemal attraktiver als konservative Sprechblasen.
Zum Jahreswechsel sprachen Sie, Herr Ministerpräsident, vom „Schwung holen“. Nun wollen Sie „mit vereinten Kräften die Talsohle durchschreiten“, wie Sie vergangene Woche aus der Staatskanzlei verlautbaren ließen.
Ich verstehe ja, dass Sie in Ermangelung eigener politischer Akzente nun versuchen, aus dem Konjunkturpaket – das Sie nicht erfunden haben, sondern lediglich mehr schlecht als recht verwalten – politischen Honig zu saugen. Aber verschonen Sie uns doch bitte mit dieser Pathos-Produktion, die im Sommer 2009 ebenso peinlich ist, wie sie es im Sommer 1989 war.
Mir, meine Damen und Herren, ist nicht bange um die sächsische Wirtschaft. Wir haben ein hochproduktives verarbeitendes Gewerbe, einen gut entwickelten Dienstleistungssektor, eine effektiv arbeitende Landwirtschaft, ein innovatives Handwerk und einen modernen Handel.
Die Sachsen forschen leidenschaftlich gern und daher erleben wir regelmäßig technologische Neuerungen „Made in Saxony“. Sachsen ist seit Jahrhunderten spitze – mal in der Welt, mal in Europa, mal in Ostdeutschland. Insofern können wir uns nicht Ihrer Selbstgenügsamkeit anschließen, wenn Sie mit stolz geschwellter Brust darauf hinweisen, dass Sachsen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR an der Spitze steht. So weit waren wir auch schon unter Erich Honecker. Aber das kann doch wohl kein Maßstab für die Beurteilung der heutigen Politik sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Mir ist auch nicht bange um die Bildung in Sachsen als Schlüsselrohstoff für den Wohlstand der Zukunft. Sächsische Elternhäuser sind überdurchschnittlich bildungsinteressiert und -orientiert. Das kommt der Lernmotivation der Kinder zugute. Diese sächsischen Eltern haben – gemeinsam mit den Lehrerinnen und Lehrern, die trotz doppelter Ausbeutung durch überdurchschnittlich viele Pflichtstunden und unterdurchschnittliche Bezahlung mit vollem Engagement dabei sind – das Verdienst am PISAErfolg der Schülerinnen und Schüler.
Wer auf die Idee kommt, mit dem PISA-Erfolg habe eine Staatsregierung etwas zu tun, die über tausend Schulen geschlossen hat und sich über Jahre die bundesweit niedrigsten Pro-Kopf-Ausgaben pro Schüler leistete, der hat Probleme beim Erfassen der Wirklichkeit und würde wohl selbst beim PISA-Test durchfallen.
Auch zum Bildungsbereich, Herr Tillich, haben Sie in Ihrer Rede vorhin wesentliche Dinge einfach weggelassen: angefangen von den Zugangsbeschränkungen für Kindertagesstätten bis hin zu den Tausenden Schülern, die Jahr für Jahr die sächsischen Schulen ohne jeden Abschluss verlassen. Die Erzieherinnen, die heute draußen vor dem Landtag streiken, demonstrieren im Übrigen auch gegen Ihre Politik, Herr Ministerpräsident.
Mir ist dennoch nicht bange um Sachsen, weil hier seit 150 Jahren der Fortschrittsmotor der Industriegesellschaft steht – in wirtschaftlicher und technologischer, aber zunehmend auch in sozialer Hinsicht. Die Arbeiterbewegung, die Mieterbewegung, auch die Schreberbewegung – alles sächsische Erfindungen.
Was im 19. Jahrhundert in Sachsen fortschrittlich war, ist auch heute nicht überholt. Im Gegenteil, selten war die soziale Frage so aktuell wie jetzt, in der Zeit des Scheiterns des Turbokapitalismus. Aber wir müssen als Landespolitik den Rahmen dafür setzen, dass der sächsische Geist des Fortschritts die zum 21. Jahrhundert passenden Formen annehmen kann und dass das Soziale nicht verloren geht.
Da reicht es eben nicht, wie es die sächsische CDU mit ihrem Wahlprogramm tut, einfach zu behaupten, dass die Kirchen auch im 21. Jahrhundert Träger unserer Kultur seien. Die Kirchen gehören zu unserer Kultur, und ich bin nicht zuletzt durch die Anteilnahme am Engagement meiner Frau mit dem christlichen Gemeindeleben in Sachsen durchaus verbunden. Sachsen ist auch ein christliches Land, und das ist gut so. Zugleich aber gebietet es der Respekt vor den drei Vierteln der Bevölkerung, die sich als religiös ungebunden verstehen, auch die Trennung von Staat und Kirche endlich ernst zu nehmen. Die Leute wollen nicht statt der lästigen „Rotlichtbestrahlung“ früherer Zeiten ständig – mal unterschwellig, mal offensiv – missioniert werden. Ich denke nur an den Streit um den Bildungsplan für die sächsischen Kitas. Die sächsische Leitkultur ist seit dem 19. Jahrhundert eine weltliche, säkularisierte, stark geprägt vom naturwissenschaftlichen Denken. Eine sächsische Spezialität ist die regionale Vielfalt, verbunden mit weltanschaulicher Toleranz. Ich meine, das soll und das muss so bleiben.
Sachsen braucht als Lebenselixier den Geist der Moderne. Was die Biedenkopf-CDU dazu beigetragen hat, konnte die Milbradt-CDU nicht mehr weiterentwickeln, und die
Tillich-CDU setzt es mit ihrem Provinzialismus aufs Spiel.
Herr Ministerpräsident, es reicht nicht, gut tanzen zu können und bei der Auswahl der Anzüge auf der Höhe der Zeit zu sein. Man muss auch Ideen haben für dieses Land. Man muss Vorstellungen davon haben, wie es weitergeht, und man muss Programme haben, in denen mehr Zukunft als Vergangenheit drin ist. Dann wird es auch wirtschaftlich wieder aufwärts gehen – sozial sowieso.
Sachsen, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist in der Tat ein stolzes Land. Sorgen wir dafür, dass es auch wieder ein starkes Land wird! Nehmen wir den Ballast der abgewirtschafteten sächsischen CDU von seinen Schultern und erheben wir uns gemeinsam zu neuer Freiheit und mehr Gerechtigkeit!
Herzlichen Dank.
Mal sehen. Herr Kollege Zastrow – da Sie eben von Wort und Tat gesprochen haben, möchte ich Sie gern fragen, ob Sie uns die Bundesländer nennen können, in denen die FDP mitregiert und wo Sie die Rente ab 67 für Minister eingeführt haben.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Änderungsantrag liegt Ihnen vor. Herr Finanzminister, ich habe bei Ihrer Rede ein wenig an die Buddenbrooks denken müssen. Vielleicht erinnern Sie sich noch, dass dort unter anderem gesagt worden ist: „Tue emsig deine Geschäfte, aber tue sie so, dass du bei Nacht noch ruhig schlafen kannst.“
Die Geschäfte, die die Landesbank gemacht hat, waren eigentlich dergestalt, dass keiner der Verantwortlichen auch nur eine Nacht hätte ruhig schlafen dürfen.
Insofern war das, was Sie ausgeführt haben, eben nicht das Lehrenziehen aus dem Scheitern, und die Verantwortlichen sind immer noch nicht zur Rechenschaft gezogen worden – weder politisch, noch die Schadenersatzforderungen betreffend. Deshalb ist es wohl so, wie es bei vielen Anträgen von uns ist: Sie werden aus Prinzip abgelehnt.
Hier aber wundere ich mich schon über die Koalition. Bei Beratenden Empfehlungen des Rechnungshofes wird sonst immer alles zustimmend zur Kenntnis genommen. Der Bericht des Stasi-Unterlagen-Beauftragten wird natürlich sehr zustimmend zur Kenntnis genommen.
Aber jetzt, wenn es um einen Bericht geht, der gravierendes Versagen der Staatsregierung zusammenfasst, aufdeckt und dokumentiert, wollen Sie natürlich nicht zustimmen, weil Sie wissen, dass Sie die Verantwortung für dieses Desaster tragen.
Wir wollen aber, dass der Landtag zustimmt. Deshalb steht auch im ersten Punkt, dass die Unterrichtung zustimmend zur Kenntnis genommen wird und dass sich der Landtag die Feststellungen zu eigen macht. Sie haben gesagt, wir müssen die Lehren ziehen. Das ist der Punkt 1, den wir hier fordern.
Zum Punkt 2 hat Kollege Rößler erklärt, die CDU würde diesem Punkt 2 deshalb nicht zustimmen, weil das im Haushalts- und Finanzausschuss alles regelmäßig getan werden würde.
Ich stelle fest – vielleicht können Sie es noch richtigstellen –, dass bisher im Haushalts- und Finanzausschuss in keinem einzigen Fall die Geltendmachung von rechtlich durchsetzbaren Ansprüchen auf Schadensersatz gegenüber dem aus Sicht des Rechnungshofes verantwortlichen Personenkreis in Staatsregierung, Staatsministerien und Vorstand, Verwaltungsrat, Kreditausschuss der Sachsen LB zur Sprache gekommen ist. In keinem einzigen Fall sind bisher Schadensersatzansprüche geltend gemacht worden.
Insofern geht es hier um den Auftrag des Landtages, diese Schadensansprüche geltend zu machen. Genau das ist Gegenstand des Punktes 2. Da das bisher nicht geschehen ist, ist auch dieser Punkt dringend notwendig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Unruhe in der Koalition und die hektische Betriebsamkeit zu Beginn dieser Sitzung zeigen mir, dass wir mit unserem Antrag absolut richtig liegen.
Ich füge hinzu: Es ist schlechter parlamentarischer Stil, dass, wenn die Opposition eine Sondersitzung des Landtages erzwingt, die Antragsteller ihren Antrag nicht einmal hier einbringen und begründen können, bevor die Staatsregierung spricht.
Wir haben uns hier in diesem Hohen Haus bereits vor ziemlich genau drei Monaten mit Qimonda und den dort bedrohten Arbeitsplätzen
in einer Aktuellen Debatte auf Antrag der Linksfraktion beschäftigt. Wer damals schwieg, war der Ministerpräsident, der es seinem sozialdemokratischen Wirtschaftsminister überließ, das Gesicht der Staatsregierung irgendwie zu wahren.
Ich sage das ganz bewusst zu Beginn dieser Landtagssondersitzung auf Antrag der Linksfraktion und der GRÜNEN zu unserem gemeinsamen Antrag „Fortbestand des Chipherstellers Qimonda am IT-Standort Dresden sichern!“. Herr Tillich war schon in der ersten, heißen Phase des Kampfes um die Rettung des größten Dresdner Arbeitgebers und Herzstücks von Silicon Saxony nicht präsent. Genauer gesagt: Er ließ es sich unter anderem bei der Bergparade in Annaberg-Buchholz oder auch bei Würstchen und Kräuterlikör auf der Grünen Woche in Berlin gut gehen,
während sich der Wirtschaftsminister redlich um eine Lösung bemühte, wenn auch bis heute leider ohne Erfolg.
„Wir haben den Durchbruch geschafft“, verkündete Wirtschaftsminister Jurk drei Tage vor Heiligabend. Er meinte damit ein Rettungspaket von Sachsen, Portugal und Infineon für Qimonda. Was da passend zu Weihnachten beschert wurde, musste mitten im Januar mit der Insolvenz von Qimonda wieder einkassiert werden.
Wenn Herr Jurk nun dieser Tage, also ein Vierteljahr später, mitteilte, der Durchbruch sei noch nicht geschafft, ist das vor dem Hintergrund des letzten Dezemberfiebers an voreiligen Erfolgsmeldungen geradezu tragikomisch. Angesichts von 3 000 akut bedrohten Arbeitsplätzen verliert sich die Restkomik aber rasch und macht einer schlichten Tragödie Platz.
Ich habe Herrn Jurk sein Engagement für Qimonda nie abgesprochen. Das habe ich auch draußen auf der Demo ausdrücklich gesagt. Leider hat sich der sozialdemokratische Wirtschaftsminister inzwischen aber offenbar von der christdemokratischen Ideologie anstecken lassen und
warnte vor einem VEB Qimonda, den es natürlich nicht geben könne.
Das wiederum ist nun wirklich komisch, Herr Eggert; denn ich habe noch nie aus dem Munde eines SPD- oder CDU-Politikers gehört, dass sich in Wolfsburg das Zentrum des VEB VW befindet, nur weil das Land Niedersachsen seit Jahrzehnten Anteile an VW hält.
Sie, Herr Staatsminister Jurk, wissen sehr genau, was im Schreiben des Münchner Insolvenzverwalters Dr. Jaffé vom 9. März steht. Sie haben dazu eben gesprochen. Schließlich ist es auch der Spitze Ihres Ministeriums zugegangen. Den gewählten Abgeordneten wurde dieses Schreiben durch die Regierung einmal mehr vorenthalten. Wir als Linke haben es nur auf informellem Weg bekommen.
Transparenz gegenüber dem Parlament sieht mit Sicherheit anders aus!
Sie, Herr Tillich, und Sie, Herr Jurk, wissen, dass in besagtem Brief des Insolvenzverwalters eine Beteiligung Sachsens als die – ich zitiere – „einzig verbliebene Möglichkeit“ gesehen wird, „um eine Zerschlagung und Einzelverwertung der Vermögenswerte vermutlich nach Asien zu verhindern.“ Doch selbst dieser dramatische letzte Appell an die Sächsische Staatsregierung hat noch nicht zur Auflösung der Blockade zwischen CDU und SPD geführt.
Der Wirtschaftsminister sagte, er könne sich unter bestimmten Voraussetzungen eine staatliche Beteiligung vorstellen. Der Ministerpräsident, der ja aus Angst vorzugsweise nicht selbst spricht, ließ über seinen Pressesprecher mitteilen, dass das kein Thema sei.
An die Adresse von Herrn Tillich und der CDU sage ich ganz deutlich: Wir haben Ihre Belehrungen nicht nötig, dass der Staat nicht der bessere Unternehmer ist. Das hat die Sächsische Staatsregierung mit dem Ruin und dem kostspieligen Notverkauf der sächsischen Landesbank erst vor Kurzem unfreiwillig am praktischen Beispiel bewiesen. Der dabei laut Rechnungshof unmittelbar angerichtete Schaden beträgt etwa das Doppelte der Summe, die derzeit als möglicher Anteil des Freistaates Sachsen an Qimonda in der Diskussion ist. Sie wissen alle, dass darüber hinaus durch das Landesbankfiasko auch noch ein Risiko von 2,75 Milliarden Euro auf dem Landeshaushalt lastet, ohne dass dadurch ein einziger Arbeitsplatz gesichert wurde.
Meine Damen und Herren! Bei der heute anstehenden Entscheidung geht es, wie gesagt, unmittelbar um 3 000 Arbeitsplätze, mittel- und langfristig sogar um das Schicksal Zehntausender Beschäftigter in der sächsischen Mikroelektronik und damit um das industrielle Rückgrat einer Schlüsseltechnologie. Deshalb steht auch der Nut
zen von 3 Milliarden Euro Steuergeldern auf dem Spiel, die in „Silicon Saxony“ gesteckt worden sind, weil Kurt Biedenkopf bildungspolitisch nicht so kleinkariert war wie sein offenkundig überforderter Nachnachfolger Tillich.
Bei allem Respekt vor einem Experten für Insolvenzrecht, der uns gestern in der „Sächsischen Zeitung“ ganz im Sinne der CDU unter der Überschrift „Die Sanierung von Qimonda oder Märklin ist keine Staatsaufgabe“ belehren wollte, ohne dass in dem Text Qimonda auch nur ein einziges Mal erwähnt wurde, sage ich in aller Deutlichkeit: Wir reden heute nicht über Unterwäsche, Porzellan oder Spielzeugeisenbahnen, um die es in diesem „SZ“Beitrag ging; wir reden über einen strukturbestimmenden Betrieb des technologischen Innovationspotenzials der sächsischen Wirtschaft.
Wir als Linksfraktion haben daher von Anfang an verlangt, eine vorübergehende staatliche Beteiligung als Option ernsthaft zu prüfen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es sind seit 1990 nach Angaben des Dresdner Amtes für Wirtschaftsförderung alles in allem allein in Dresden 12 Milliarden Euro am Mikroelektronikstandort investiert worden. Das dadurch vor allem in der Region Dresden-Freiberg existierende Geflecht an HightechUnternehmen ist europaweit einzigartig. Wenn Sachsen seiner schon Jahrhunderte währenden Tradition treu bleiben will, ökonomisch an der Spitze mitzuspielen, darf dieser zentrale Pfeiler der Wirtschaft des Freistaates nicht demontiert werden.
Ich könnte heute auch durchaus manch Kritisches zur Bundes- und Europapolitik anmerken, denn auch die dort Verantwortlichen haben sich in Sachen Qimonda nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Das ändert aber nichts daran, dass sich die Sächsische Staatsregierung nach Angaben von Herrn Verheugen erstmals im Januar und überaus zaghaft an die EU-Kommission gewandt hat, viel zu spät und viel zu leise.
Herr Tillich mag sich als langjähriger ehemaliger Europaabgeordneter und sächsischer Europaminister auf dem diplomatischen Parkett geschmeidig bewegen können, hinsichtlich politischer Entscheidungen aber ist er ein absolutes Leichtgewicht, das weder in Brüssel noch in Berlin im sächsischen Interesse irgendetwas zu bewegen vermag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die laufende Legislaturperiode zu Ende geht, kann ich insbesondere die Koalition nur dringend davor warnen, in
Sachen Qimonda weiter nichts zu tun und stattdessen Trostpflästerchen zu verteilen.
Als sich zum Jahreswechsel die Lage des Unternehmens immer weiter zuspitzte, lancierten die schwarzen und die gelben Wirtschaftspolitiker in Sachsen die vermeintlich Trost spendende Prognose, dass die Insolvenz doch durchaus neue Chancen eröffnen würde. Das hat sich nun eindeutig als Trugschluss erwiesen, nicht zuletzt deshalb, weil die Staatsregierung den nötigen Eigenanteil an Aktivität bei der Lösungssuche im Rahmen des Insolvenzverfahrens nicht geleistet hat.
Nun soll es eine Transfergesellschaft richten, wie der Ministerpräsident draußen vor den Demonstranten erklärt hat. Ich habe persönlich Verständnis für jeden Arbeitnehmer, der nach diesem Strohhalm greift, wenn er ihm als Alternative zur sofortigen Arbeitslosigkeit angeboten wird.
Man sollte aber nicht vergessen – das möchte ich hier noch einmal ausdrücklich betonen –, dass das Bundesarbeitsgericht zum Thema Transfergesellschaften festgestellt hat, diese seien – Zitat – „auf das endgültige Ausscheiden aus dem Betrieb gerichtet“.
Man kann sich in der Politik nicht endlos Zeit erkaufen, um aus der Verantwortung zu flüchten, auch deshalb, weil die betroffenen Menschen die ihnen aufgebürdete Unsicherheit nicht endlos ertragen können.
Eine Transfergesellschaft wäre also keine Lösung, sondern nur der nächste Schritt ins endgültige Aus. Nein, Herr Jurk und Herr Tillich, wir wollen Ihnen die Entscheidung nicht überlassen, wir wollen heute eine Entscheidung im Landtag, nicht als eine scheinbar perfekte Lösung, sondern als verbindliches Signal des Freistaates Sachsen, dass er seiner industriepolitischen Verantwortung endlich gerecht wird.
Da die Koalitionsabgeordneten ja manchmal Probleme damit haben, Oppositionsanträge richtig zu lesen, lese ich Ihnen noch einmal den entscheidenden Satz des Antrags von DIE LINKE und GRÜNEN vor: „Die Staatsregierung wird aufgefordert, im Wege einer zeitlich befristeten Übergangslösung eine unmittelbare oder mittelbare Minderheitsbeteiligung des Freistaates Sachsen an Qimonda oder an dessen Nachfolgeunternehmen für den Fall vorzusehen, dass das Unternehmen mit seinem Forschungs-, Entwicklungs- und Produktionsbereich am IT-Standort Dresden als wichtiger Teil dieser europäischen Schlüsseltechnologie erhalten werden kann.“
Das und nichts anderes ist das Thema, Herr Tillich und Herr Jurk. Es geht uns also weder um Kombinat oder VEB, sondern um eine intelligente industriepolitische Lösung, wie sie in vergleichbaren Situationen weltweit guter und bewährter politischer Brauch ist.
Was allerdings kein guter Brauch ist, sind Ihre koalitionsinternen Ränkespiele, meine Damen und Herren von CDU
und SPD. Es ist doch längst kein Geheimnis mehr, dass sich hochrangige Mitarbeiter der Staatskanzlei gegenüber CDU-Abgeordneten oder sogar Journalisten damit brüsten, dass sie den SPD-Wirtschaftsminister Jurk nicht nur in Sachen Qimonda am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Ist diesen Leuten das Schicksal von Tausenden Beschäftigten und deren Familien eigentlich völlig egal? Ich will endlich wissen, ob es zutrifft, wie aus sogenannten gut informierten Kreisen im Regierungsviertel berichtet wird, dass ein im Grundsatz positives Antwortschreiben von Wirtschaftsminister Jurk an den Insolvenzverwalter Jaffé in der Staatskanzlei hängengeblieben ist. Hat Staatskanzleichef Beermann wirklich den ihm vorgelegten Briefentwurf des Wirtschaftsministers zurückgewiesen und gravierende Änderungen verlangt? Wo sind wir hier in Sachsen eigentlich hingekommen?
Wer hat denn in diesem Land eigentlich das Sagen? Wer hat die Richtlinienkompetenz – der Chef der Staatskanzlei oder vielleicht doch irgendwie der Ministerpräsident?
Sehr geehrter Herr Tillich, Hören Sie endlich mit Ihrem Versteckspiel auf! Sie können sich nicht länger vor der Verantwortung drücken.
Ich fordere Sie nachdrücklich auf, Herr Ministerpräsident: Treten Sie heute hier endlich an dieses Pult und beziehen Sie eindeutig Position!
Wollen Sie Qimonda retten, oder nehmen Sie wegen Ihrer generellen Ablehnung staatlicher Beteiligung aus rein ideologischen Gründen den Verlust Tausender Arbeitsplätze billigend in Kauf? Auf diese Frage erwarte ich von Ihnen heute endlich eine klare Antwort.
Sagen Sie dem Landtag, ob Sie, Herr Tillich, Ihre ablehnende Haltung zur staatlichen Beteiligung vielleicht doch noch geändert haben, wie Herr Jurk eben behauptete! Sie haben ja die Chance, das hier klarzustellen.
Doch auch dem Wirtschaftsminister kann ich zwei unangenehme Fragen nicht ersparen. Wie lange, Herr Jurk, wollen Sie sich eigentlich noch von der CDU demütigen lassen? Wie lange wollen Sie noch an einem Koalitionspartner festhalten, der mit dem ganzen Gewicht einer von viel zu langer Machtausübung verkalkten Partei bei allen wichtigen Weichenstellungen auf der Bremse steht?
Selbst der noch parteilose Finanzminister bekam schon die Trägheit des CDU-Machtapparates zu spüren, als er
im Januar einen Nachtragshaushalt zur Rettung von Qimonda in Aussicht stellte.
Prompt sahen CDU-Fraktionsvorsitzender Flath und im Hintergrund wohl auch der gescheiterte Altministerpräsident Milbradt, wie man hört, die Stunde gekommen, die Regierung an die Leine zu nehmen. Der Nachtragshaushalt war schon tot, bevor die Mitarbeiter von Finanzminister Unland auch nur die erste Zahl aufgeschrieben hatten.
Wir als Linke sind seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von Qimonda nicht untätig geblieben, sondern haben aufgezeigt, wo es langgehen könnte – nicht weil wir so ungewöhnlich schlau wären, sondern weil wir im Unterschied zur Koalition über die Grenzen des eigenen Landes hinausschauen.
Wir haben zum Beispiel auf Frankreich hingewiesen, wo es gelungen ist, eine von der EU genehmigte staatliche Unterstützung für den Halbleiterhersteller ST in Höhe von 457 Millionen Euro hinzubekommen. Auch das ist nunmehr schon wieder fünf Wochen her, ohne dass die Sächsische Staatsregierung und die Koalition von CDU und SPD aus dem Knick gekommen wären.
Wir haben in unserer Argumentation wiederholt deutlich gemacht, dass es letztlich nicht einfach um Subventionen für ein einzelnes gefährdetes Unternehmen geht, sondern im Kern um eine genehmigungsfähige Förderstrategie für die Mikroelektronik insgesamt.
Was mich an der bisherigen landespolitischen Debatte so erschüttert, Herr Ministerpräsident, ist ihre wirtschaftspolitische Provinzialität. „Silicon Saxony“ steht in einem unerbittlichen globalen Konkurrenzkampf mit Mitbewerbern, unter denen sich kein einziger befindet, bei dem nicht irgendein Staat seine Hand mit im Spiel hat. Statt sich bewusstseinsmäßig endlich auf die Herausforderungen dieser Weltliga einzustellen, wiederkäuen Sie, Herr Tillich, den Katechismus der reinen Marktwirtschaft, wie er Ihnen vielleicht vor 1989 in Potsdam gelehrt wurde.
Selbst als Linker ist man geneigt, Ihnen zuzurufen: Hallo, aufwachen! Wir sind 20 Jahre weiter. Die Welt hat sich in dieser Zeit ein bisschen mehr gewandelt als die Klosterkirche in Panschwitz-Kuckau, und als Ministerpräsident sollte man schon über den nächsten Kirchturm hinaus denken.
Ich bitte Sie also ebenso schlicht wie herzlich, uns nicht mit längst erledigten Uraltdebatten zu nerven. Landtagsabgeordnete einer Partei wie der Linken, unter denen sich überdurchschnittlich viele Kommunalpolitiker, Selbstständige, Freiberufler und Unternehmer befinden, brauchen keine Nachhilfe in Sachen Marktwirtschaft.
Wir als Linksfraktion in Sachsen reihen uns nicht in die Schlange der CDU-, CSU- und SPD-Politiker ein, die zurzeit überall dort in Deutschland nach Schutzschirmen für Unternehmen rufen, wo es Probleme gibt, ohne darüber zu reden, wie sie entstanden sind.
Wir als Linke wollen einen Schutzschirm für die Menschen, und dazu gehört neben der Gewährleistung menschenwürdiger Sozialstandards auch die Stützung der Produktionsketten, die in Zukunft den Wohlstand für die gesamte Gesellschaft erwirtschaften sollen.
Natürlich weiß ich aus der Erfahrung der letzten Jahre: Komplexes Denken ist nicht gerade eine Stärke der sächsischen CDU.
Deshalb suchen Sie ja auch in Uraltfeindbildern Zuflucht, die Ihnen eine einfachere Welt verheißen als jene Welt, die tatsächlich existiert. Damit sind Sie aber auch nicht in der Lage, größere Zusammenhänge zu begreifen – als jene Zusammenhänge, die heute zur Debatte stehen.
Deshalb sage ich es in größtmöglicher Schlichtheit, damit auch Sie es verstehen: Wir sind für Hightech, weil wir gegen Niedriglöhne sind.
DIE LINKE will eine Wirtschaft, die so modern wie irgendwie möglich ist. Wir wollen eine hochproduktive Wertschöpfung auf höchstem technologischem Niveau. DIE LINKE will Innovation und Dynamik – ganz im Geiste erfolgreicher sächsischer Industrietraditionen. Wir wollen all dies nicht als Selbstzweck, sondern weil wir in einer schrumpfenden und älter werdenden Gesellschaft jetzt die Weichen stellen müssen, langfristig die ökonomischen Grundlagen des modernen Sozialstaates zu sichern.
Ganz ohne Risiko aber ist bekanntlich auch in der Politik nichts Wegweisendes zu schaffen. Wäre Kurt Biedenkopf in den Neunzigerjahren so ängstlich gewesen wie Stanislaw Tillich heute,
dann hätten wir jetzt in Sachsen weder Chip- noch Autofabriken.
Natürlich hat es damals auch Kritik gegeben.
Aber es gab damals auch Beteiligungen des Freistaates, wenn Sie sich erinnern, und es war insbesondere im Zusammenhang mit den VW-Investitionen ein ganz anderes Auftreten Sachsens gegenüber der EU zu vernehmen, das den damaligen sächsischen Ministerpräsidenten sogar zum Helden einer „Spiegel“-Titelseite gemacht hat. Man braucht kein Prophet zu sein, um
vorherzusagen, dass Stanislaw Tillich eine solche Titelseite wohl nie erreichen wird.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigen Tagen erhielt der Landtag die Stellungnahme der Staatsregierung zu einem Antrag der Koalitionsfraktionen CDU und SPD zum Thema „Aktivitäten der Staatsregierung zum Erhalt des IT-Standortes Dresden unter besonderer Berücksichtigung des Erhalts der Arbeitsplätze“. In ihrer Stellungnahme empfiehlt die Staatsregierung – ich zitiere –: „den Antrag in der vorliegenden Form nicht zu beschließen und gegebenenfalls zu aktualisieren.“
Angesichts dieser von Staatsminister Jurk unterschriebenen Bescheinigung für die Koalition, dass ihre Politik in puncto Mikroelektronik im Allgemeinen und bei Qimonda im Besonderen überholt ist, empfehle ich Ihnen wärmstens die Annahme des heute vorliegenden Antrags der Linken und der GRÜNEN, denn dieser Antrag ist auf der Höhe der Zeit.
Als Argumentationshilfe möchte ich Ihnen das Fazit der Stellungnahme des Wirtschaftsministers ans Herz legen. Herr Jurk stellte fest – Zitat –: „dass Qimonda einen zentralen Stellenwert für das Cluster einnimmt und durch vielfältige infrastrukturelle und projektbezogene Vernetzungen erhebliche Wirkungen auf Zulieferstrukturen, aber auch auf Unternehmen wie Infineon und das neu entstandene GLOBALFOUNDRIES ausübt.“ Das ist exakt der Grund, warum unser Antrag richtig und notwendig ist.
Allen Abgeordneten des Landtags liegt ein Brief des 1. Bevollmächtigten der IG Metall Dresden und des Betriebsratsvorsitzenden von Qimonda vor, in dem anlässlich der heutigen Sondersitzung klar die Forderung nach einer Sicherung der Fortführung des Unternehmens erhoben wird. Außerdem haben sich unterdessen drei Dutzend renommierte Forscher, darunter der Nobelpreisträger Klaus von Klitzing, an die Bundeskanzlerin gewandt, um zu erreichen, dass auch der Bund seinen Anteil Verantwortung für Qimonda übernimmt. Letzteres sollte doch eigentlich kein Problem sein; schließlich heißt der Chef im Kanzleramt Thomas de Maizière, der sich bekanntlich als sächsischer Politiker definiert und in Meißen als Direktkandidat in den Bundestag gewählt werden will. Es wäre gut, wenn sich Herr de Maizière künftig nicht vorrangig um die regelmäßige Aktualisierung seines Autokennzeichens und medienwirksame Auseinandersetzungen mit Mitgliedern der Bundesregierung kümmerte, sondern um das, was für Sachsen wirklich wichtig ist.
Und in Sachsen steht eben jetzt der Erhalt von Qimonda ganz oben auf der Agenda. In dem Schreiben der Wissenschaftler heißt es: „Jeder Tag zählt.“ Dem können wir nur beipflichten, und deshalb war und ist diese Sondersitzung des Landtags zwingend notwendig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich hoffe, in einem sind wir uns alle einig: Die Zukunftsfähigkeit der Technologie von Qimonda ist unbestritten. Die Energieeffizienz der Qimonda-Chips taugt für einen strategischen Wettbewerbsvorteil, wenn die heutige Chance nicht vertan wird. Betriebsrat und IG Metall verweisen zu Recht darauf, dass ein Investorenkonzept in greifbare Nähe gerückt ist. Portugal hat seine Bereitschaft zum Engagement gezeigt. Sachsen ist jetzt am Zuge, den entsprechenden deutschen Anteil an der Rettung Qimondas zu organisieren.
Worauf ich heute definitiv keine Lust habe, ist, noch einmal dem Schwarze-Peter-Spiel beizuwohnen, das in den vergangenen Monaten von der Koalition versucht wurde. Es macht nämlich nicht nur keinen Spaß, sondern es ist obendrein auch noch lächerlich.
Sie, Herr Tillich, Sie, Herr Jurk, und Sie, meine Damen und Herren von CDU und SPD, regieren in Dresden und in Berlin – im Land und im Bund. Maßgebliche Politiker auf europäischer Ebene gehören Ihren Parteien an. Frau Merkel kündigte vor einigen Jahren einmal an, „durchregieren“ zu wollen. Das klang damals erschreckend; aber in diesem Fall wäre es ein Segen für Sachsen, wenn Sie in Sachen Qimonda endlich einmal für ein paar Stunden auf allen Ebenen durchregieren würden, statt uns mit immer neuen Fotos Hände schüttelnder Herren und unverbindlichen Presseerklärungen zu versorgen. Diese braucht nämlich niemand.
Deshalb sage ich: Springen Sie doch endlich einmal über Ihren Schatten. Stimmen Sie, meine Damen und Herren, dem vorliegenden Antrag zu. Ich bin sicher: Nicht nur die Familien der Qimonda-Beschäftigten werden es Ihnen danken. Die sächsische Wirtschaft würde durch einen solchen Impuls der politischen Entschlossenheit auch einen starken psychologischen Ansporn erhalten, der in schwierigen Zeiten viele Menschen beflügeln könnte, gemeinsam neue Wege zu wagen.
Deshalb bitte ich Sie ganz herzlich: Tun Sie es einfach, meine Damen und Herren von CDU und SPD – und natürlich auch alle anderen Kollegen der demokratischen Fraktionen hier in diesem Haus! Heute geht es nicht in erster Linie um Fördermittel, auch nicht um Bürgschaften oder Darlehen; heute geht es um ein klares industriepolitisches Signal, und dieses Signal muss auf Beteiligung gestellt werden.
Wir alle haben die Chance, Sachsen dadurch weiterzubringen. Wir sollten diese Chance entschlossen nutzen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das, was der Ministerpräsident hier vorgetragen hat, waren nette, wohlfeile Worte. Aber er ist im Kern die Antwort wieder schuldig geblieben. Sie, Herr Ministerpräsident, sagen: Ein Investor muss das Fundament legen. – Das Problem besteht doch darin, dass sich kein Investor finden wird, wenn nicht der Freistaat vorher eindeutig seine Bereitschaft signalisiert, auch durch eine Beteiligung für das Unternehmen und den Standort zu garantieren. Das ist die entscheidende Frage, und dazu haben Sie nichts gesagt.
Herr Präsident, ich möchte gern noch etwas zu den Ausführungen von Martin Dulig und Stefan Brangs sagen. Das war eine ziemlich schwache Vorstellung und teilweise einfach peinlich.
Wenn Sie uns wegen der Einberufung einer Sondersitzung kritisieren, dann hätten Sie vielleicht auch dem Landtag und der Öffentlichkeit mitteilen können, wann Sie das letzte Mal einen Dringlichen Antrag der Opposition auf die Tagesordnung gelassen haben. Das ist Jahre her! Sie wissen ganz genau, dass das nicht passiert.
Wir haben gehandelt, als der Insolvenzverwalter erklärt hat, zum 1. April die Schotten dicht zu machen. Darauf haben wir reagiert, weil eine Sondersitzung die letzte Möglichkeit war, zu einer Entscheidung des Landtages zu kommen.
Ich verstehe auch nicht, Herr Flath, wenn Sie sagen, für eine Entscheidung sei es jetzt zu früh. Wie lange wollen Sie denn noch warten? Am 31. März, in zwölf Tagen, gehen bei Qimonda die Lichter aus. Insofern müssen wir eine Entscheidung treffen. Deshalb ist auch der Antrag jetzt genau zum richtigen Zeitpunkt erfolgt.
Herr Flath, Sie haben weiter gesagt – mit einem etwas verunglückten Bild –, der Staat sei so etwas wie ein Schiedsrichter und müsse sich heraushalten. Ich sage: Der Staat ist handelnder Akteur und hat auch einen wirtschaftspolitischen Auftrag. Auch der Sächsische Landtag hat den Auftrag, sich in einer solchen Frage zu positionieren.
Im Übrigen gab es in der gesamten Debatte nur einen einzigen Redner, der den Ministerpräsidenten als „Pro
vinzpolitiker“ bezeichnet hat – das waren Sie, Herr Kollege Flath. Wenn Sie nachlesen, werden Sie feststellen, dass ich in meiner Rede von der „wirtschaftspolitischen Provinzialität“ des Ministerpräsidenten gesprochen habe. Das ist dann doch noch ein kleiner Unterschied.
Schließlich und letztlich: Ich glaube, wir brauchen eine klare Entscheidung. Wir brauchen ein politisches Signal, dass der Freistaat Sachsen bereit ist, bei Qimonda Verantwortung durch eine Minderheitsbeteiligung zu übernehmen.
Ich teile die Position von Frau Hermenau, dass sich der erste Punkt erledigt hat. Wir brauchen also nur über Punkt 2 abzustimmen, und zu diesem bitte ich alle ganz herzlich um Ihre Zustimmung.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Sport in den letzten Legislaturperioden hier im Sächsischen Landtag thematisiert worden ist, dann ging es im Wesentlichen um Haushaltsdebatten oder es ging um parlamentarische Initiativen der LINKEN bzw. der PDS. Denn wir waren es, die mehrfach Große Anfragen zu diesem Thema eingebracht haben.
Wenn nun die Staatsregierung erstmals seit 19 Jahren eine Regierungserklärung zur Situation des Sports in unserem Land abgibt, dann gibt es dafür grundsätzlich zwei Erklärungsmuster. Entweder hat die Regierung inzwischen wirklich verstanden, wie wichtig, wie bedeutsam der Sportbereich für die Entwicklung der Gesellschaft, für soziale Integration oder auch für die Gesundheitsvorsorge in Sachsen ist.
Oder aber die Staatsregierung hat durch die jüngsten Veröffentlichungen des Landessportbundes plötzlich begriffen, dass die mehr als eine halbe Million Sporttreibenden in diesem Land auch ein erhebliches Wählerpotenzial darstellen und es deshalb von Vorteil sein könnte, wenn man diese Klientel kurz vor der Landtagswahl noch einmal öffentlichkeitswirksam in einer Landtagssitzung bedient.
Selbst wenn ich annehme, dass der heraufziehende Wahlkampf bei der Entscheidung zur heutigen Fachregierungserklärung überhaupt keine Rolle gespielt hat – was mir zugegebenermaßen schwerfällt –, muss ich wirklich feststellen, dass ich selten einen derart substanzlosen Beitrag gehört habe, wie ihn Staatsminister Wöller heute geboten hat.
Außer Allgemeinplätzen war nicht viel zu hören. Konkrete Aussagen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Sport waren absolute Fehlanzeige. Und, Herr Kollege Wöller, Ihre Bemerkung in Richtung von Karl Nolle war schlichtweg eine Unverschämtheit.
Selbstverständlich.
Staatsminister.
Also, dass Herr Wöller Staatspräsident werde, davor möge man uns behüten.
Unabhängig davon habe ich das auch so gehört. Ich habe aber verstanden, dass Herr Wöller hier ein Zitat gebracht hat. Ich fand allerdings dieses Zitat an dieser Stelle wirklich sehr unpassend.