Entsprechend § 2 Abs. 3 der Geschäftsordnung werden neu in den Landtag eintretende Abgeordnete von mir in der ihrer Berufung folgenden Sitzung des Landtages durch Handschlag verpflichtet. Das ist heute der Fall. Ich begrüße sehr herzlich unser altes und neues Mitglied Frau Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS, die für Frau Abg. Katja Kipping nachgerückt ist. Ich darf Sie zu mir nach vorn bitten.
(Die Anwesenden erheben sich. – Präsident Erich Iltgen verpflichtet Dr. Monika Runge, Linksfraktion.PDS, durch Handschlag. – Beifall)
Meine Damen und Herren! Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Frau Nicolaus, Frau Weihnert, Herr Dr. de Maizière.
Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Gibt es seitens der Fraktionen Anträge zur Tagesordnung? – Wenn das nicht der Fall ist, bitte ich Sie vorzumerken, dass ich die Tagesordnung um einen Punkt erweitern lassen werde. Als letzten Tagesordnungspunkt werden wir den Einspruch des Abg. Nolle zu einem Vorgang des gestrigen Tages behandeln. Das ist laut Geschäftsordnung möglich. Ich bitte das zu beachten.
Meine Damen und Herren! Ich bitte weiterhin zur Kenntnis zu nehmen, dass der Tagesordnungspunkt „Kleine Anfragen“ zu streichen ist, da keine Kleinen Anfragen vorliegen.
Damit werden wir die vorliegende Tagesordnung – mit der Erweiterung um einen Punkt – heute so abarbeiten. Wenn es keinen Widerspruch gibt, gehe ich davon aus, dass das so beschlossen ist.
Die Verteilung der Gesamtredezeit hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU-Fraktion 39 Minuten, Linksfraktion.PDS 26 Minuten, SPD-Fraktion 14 Minuten,
NPD-Fraktion 17 Minuten, FDP-Fraktion und GRÜNEFraktion jeweils 12 Minuten, Staatsregierung 20 Minuten.
Als Antragsteller haben zunächst die Fraktionen der CDU und der SPD das Wort. Die weitere Reihenfolge in der ersten Runde lautet: Linksfraktion.PDS, NPD-Fraktion, FDP-Fraktion, GRÜNE-Fraktion; Staatsregierung, wenn gewünscht.
Meine Damen und Herren! Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte, dass die Fraktion der CDU das Wort nimmt. Herr Albrecht, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema unserer Aktuellen Debatte wäre geeignet, im positiven Sinne ein wenig Weihrauch zu verblasen; denn wir können mit positiven
Zahlen aufwarten. Allerdings gibt es durchaus Anhaltspunkte – auch darauf möchte ich in meinem Redebeitrag eingehen –, die es uns, gerade was die Zukunft und die Konsequenzen aus dem Bericht betrifft, als ratsam erscheinen lassen, die Dinge konsequent auszuwerten.
Sachsen geht mit den umfassenden Solidarleistungen aller Deutschen zum Aufbau Ost verantwortungsvoll um. Das ist die zentrale Botschaft, die wir auch an dieser Stelle verkünden können. Das ist wichtig für diejenigen, die uns bei der Bewältigung der Schwierigkeiten in den vergangenen 15 Jahren geholfen haben. Ich denke, das sollte man in den Mittelpunkt rücken. Der Fortschrittsbericht 2004 zum Aufbau Ost bekräftigt dies positiv. Diese
Grundaussage ist gerade deshalb wichtig, weil mit dem Berichtsjahr 2004 der Solidarpakt I abgeschlossen wurde und damit die Schlussbilanz für die Jahre ab 1995 erstellt wird.
Wenn wir auf die Durchschnittszahlen schauen, haben wir Grund zur Freude; denn im vergangenen Jahrzehnt, über den gesamten Berichtszeitraum, konnte Sachsen eine Übererfüllung von 133 % bei den so genannten Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen nachweisen. Lassen Sie uns deshalb von dieser Stelle aus ein deutliches Signal in Richtung Berlin setzen: Wir Sachsen sind in der Vergangenheit mit den uns anvertrauten Geldern sorgsam umgegangen und werden dies auch in Zukunft gewährleisten. Gebt uns dazu die nötige Handlungsfreiheit und sichert die strategischen Felder des Aufbaus Ost finanziell ab! Um nur einiges Wichtiges zu nennen: die Gemeinschaftsaufgabe „Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, Erhalt des Beihilfestatus für Ziel-1Regionen, die Investitionszulage und die überproportionalen Beihilfen für Straßen- und Schienenmodernisierung.
Meine Damen und Herren! Die Freude über das Erreichte darf allerdings den Blick auf die durchaus Besorgnis erregende Entwicklung der letzten Jahre nicht verstellen. Seit dem Jahre 2000 ist unsere Nachweisquote zur zweckentsprechenden Verwendung kontinuierlich gesunken, von damals 150 % auf nunmehr 94 %. Für das Jahr 2004 musste auch der Freistaat erstmals bekennen, dass 6 % der Zuweisungen – das sind etwa 150 Millionen Euro – fehlverwendet wurden. Mit diesem Geld haben der Freistaat bzw. seine Kommunen konsumtive Ausgaben statt Investitionen finanziert.
Noch deutlicher wird diese Entwicklung, wenn man die eigenfinanzierten Investitionen auf Landesebene betrachtet. Diese sind seit 1995 um 44 % oder 1,4 Milliarden Euro gesunken. Die laufenden Ausgaben sind dagegen um 8 % oder eine knappe Milliarde Euro gestiegen – bei nahezu unveränderten Einnahmen.
Auch wenn ich uns zugute halte, dass wir den Schuldenzuwachs abgebremst haben, muss dieser Rückgang von Investitionen als Alarmsignal gewertet werden. Schauen wir auf die Kommunen, so wird diese Einschätzung unterstrichen: Während unsere Gemeinden und Landkreise 1996 noch 51 % zum Nachweis der zweckentsprechenden Verwendung von Solidarpaktmitteln beitrugen, ist dieser Anteil im vergangenen Jahr auf 20 % gesunken. Wir sollten und müssen deshalb alles tun, um die kommunale Investitionskraft wieder zu stärken. Ich denke, hierzu leisten die investiven Schlüsselzuweisungen des Finanzausgleichsgesetzes einen unverzichtbaren Beitrag. Ich empfehle, die Politik der goldenen Zügel, die den investiven Schlüsselzuweisungen innewohnt, wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken.
Was ist zu tun? Ich denke, die niedrigen Steuereinnahmen sind leider kein vorübergehendes Phänomen. Auch das konnten wir in den letzten Tagen aus Berlin wiederholt hören. Es ist eine dauerhafte strukturelle Niveauverschiebung nach unten. Bei den momentanen Haushaltslöchern
in Berlin ist es auch absurd anzunehmen, dass von etwaigen Mehreinnahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung – wenn sie denn kommt – für den sächsischen Haushalt tatsächlich etwas abfällt. Nein, diese Entwicklung seit 2001 mit gesunkenen Einnahmen, den steigenden laufenden Ausgaben und den drastisch zurückgehenden Investitionsausgaben ist ein Fingerzeig. Der einzig vernünftige und auch gegenüber unseren Kindern und Enkeln verantwortbare Weg heißt, die konsumtiven Ausgaben des Landes zu begrenzen. Dies geht nur, wenn wir auch mit unbequemen durchgreifenden strukturellen Maßnahmen reagieren. Nur so wird es gelingen, Spielräume zu schaffen und den Aufbau Ost auch bei uns weiterzuführen. Deshalb meine drei Wünsche oder Empfehlungen an die Staatsregierung:
Zweitens. Sorgen Sie dafür, dass gleichzeitig auch tatsächlicher Bürokratieabbau stattfindet, damit der „Paragrafenpranger“ wirklich seine Funktion erfüllt.
Drittens und letztens, Herr Präsident: Haben Sie einen langen Atem, um die Notwendigkeit der Funktionalverwaltungsreform allen Beteiligten zu verdeutlichen, und den Mut, notwendige Entscheidungen auch durchzuziehen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Dieser Fortschrittsbericht ist ein sehr positiver, aber auch ein sehr schonungsloser und ein sehr ehrlicher Bericht. Das Positive hat mein Kollege Herr Albrecht hier schon hervorgehoben. Ich möchte mich ein bisschen auf das „schonungslos“ und „ehrlich“ konzentrieren.
Es ist klar, die Nachweisquote für die Sonderbedarfszuweisungen wurde knapp verfehlt. Im Übrigen, wenn wir die Nettokreditaufnahme nicht gehabt hätten, hätten wir sie erfüllt. Das nur am Rande.
Da komme ich auch schon zu den Zahlen. Die Transferleistungen von 105 Milliarden Euro Korb I und 51 Milliarden Euro Korb II sind als Grundlage für die nächsten 15 Jahre zu planen. Allerdings zeigt dieser Bericht auch, wo die Risiken in diesem Bereich sind. Darauf möchte ich eingehen.
Erstens. Das Stichwort „Demografie“: Es ist nun einmal so, Geburtenminus plus Abwanderung entspricht Überalterung und Einnahmenverlusten. Wir werden Ende 2020 vielleicht noch 3,5 bis 3,8 Millionen Sachsen sein. Bei diesen Sachsen wird das Durchschnittsalter bei 49 Jahren liegen und ein hoher Anteil davon werden Rentner sein.
Das bedeutet fiskalisch, bis 2020 haben wir in unserem Haushalt rund 3,5 bis vier Milliarden Euro weniger. Um das noch einmal zu verdeutlichen: Das bedeutet jedes Jahr 250 Millionen Euro weniger im Haushalt, gerechnet ab nächstem Jahr.
Was sind die Gründe? Der erste Grund ist das Geburtendefizit. Drei Viertel des Rückganges betreffen das Geburtendefizit. Man muss klar erkennen – das stellt der Bericht heraus –: Darauf haben wir keinen Einfluss; darauf haben wir mittel- und langfristig so gut wie keinen Einfluss.
Das zweite Problem ist die Abwanderung junger Menschen. Grund A: Fehlender Arbeitsplatz; Grund B: Es wandern die gut Ausgebildeten ab. Dort haben wir eine Chance, etwas zu tun. Ich komme in meinem zweiten Teil darauf zurück. Hier beträgt im Übrigen die Rückkehrquote für gut Ausgebildete zwei Drittel.
Auch darauf geht der Fortschrittsbericht sehr dezidiert ein. Die Einnahmen brechen schneller weg als erwartet. Die Ausgaben sinken zwar, erreichen fast Westniveau, aber die Einnahmen brechen weg, insbesondere die Steuereinnahmen. Man sieht das ganz deutlich an den beschriebenen Beispielen des Personalabbaus. Trotz Stellenabbau, Wegfall Urlaubsgeld, Kürzung Sonderzahlungen steigen die Personalausgaben und trotzdem ist festzustellen, dass 20 000 Stellen seit 1995 abgebaut wurden.
Beispiel 2: Das Problem der Zusatzversorgungssysteme kostet zurzeit rund 700 Millionen Euro. Das sind entsprechend 25 % im Übrigen unserer Sonderbedarfszuweisungen nominal und das, trotzdem der Freistaat Sachsen – –
(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS: Hier sind wir doch immer objektiv! – Unruhe bei allen Fraktionen)