Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 84. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages. Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Herr Winkler, Frau Schütz, Frau Klinger und Herr Dr. Friedrich.
Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat folgende Redezeiten für die Tagesordnungspunkte 3 bis 9 festgelegt: CDU 122 Minuten, Linksfraktion 94 Minuten, SPD 59 Minuten, NPD, FDP und GRÜNE je 45 Minuten, fraktionslose MdL je 7 Minuten und die Staatsregierung 94 Minuten.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, auf der Ihnen vorliegenden Tagesordnung den Tagesordnungspunkt 16, Kleine Anfragen, zu streichen.
Meine Damen und Herren! Mir liegt ein als dringlich bezeichneter Antrag der Linksfraktion in der Drucksache 4/9257, Einstweilige Sicherung des historisch gewachsenen Netzes sorbischer Schulen und unbedingter Erhalt der sorbischen Mittelschule Panschwitz-Kuckau, vor. Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit festzustellen. Wenn das geschieht, würde der Antrag noch auf die Tagesordnung der heutigen Sitzung genommen werden. Ich bitte um Einbringung und Begründung der Dringlichkeit. Herr Kosel, bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ziel des Dringlichen Antrages der Linksfraktion ist die einstweilige Sicherung des historisch gewachsenen Netzes sorbischer Schulen und der unbedingte Erhalt der sorbischen Mittelschule Šula Ćišinskeho in Panschwitz-Kuckau. Abgesehen davon ist dieser Antrag auch inhaltlich dringlich – denn schließlich soll jetzt nach Crostwitz die zweite von ursprünglich ohnehin nur vier sorbischen Mittelschulen im Kreis Kamenz geschlossen werden, dies auch noch, wie neueste Unterlagen belegen, auf der Grundlage falscher, überholter Schülerzahlen –; so liegt hier vor allen Dingen eine zeitliche Dringlichkeit gemäß § 54 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages vor.
Diese geschäftsordnungsmäßige Dringlichkeit ergibt sich daraus, dass, wie es der oben genannte § 54 Abs. 3 Satz 3 der Geschäftsordnung fordert, eine rechtzeitige Entscheidung des Landtages über diesen Antrag im üblichen Verfahren nicht mehr zu erreichen ist, denn bis zur nächstfolgenden Plenarwoche vom 24. bis 28. September 2007, in der dieser Antrag bei heutiger Ablehnung der Dringlichkeit frühestens behandelt werden könnte, wäre die begehrte einstweilige Sicherung des historisch gewachsenen sorbischen Schulnetzes und insbesondere der Erhalt der sorbischen Mittelschule Panschwitz-Kuckau nicht
mehr zu erreichen, da das Kultusministerium die Aufhebung dieser Schule bereits zum 31. Juli 2007 verfügt hat.
Auch die Petition zum Erhalt der sorbischen Mittelschule in Panschwitz-Kuckau vermag nach der nunmehr vorliegenden ablehnenden Beschlussempfehlung nicht mehr als Grundlage für den Erhalt des sorbischen Mittelschulstandortes angesehen werden können.
Von daher war es zwingend nötig, das Parlament durch einen parlamentarischen Antrag mit dieser Angelegenheit zu befassen. Dabei ist es allein über eine heute stattfindende Debatte und Beschlussfassung zu diesem vorliegenden Antrag der Linksfraktion noch möglich, eine Sachentscheidung des Parlaments zu erreichen, bevor durch das Kultusministerium Fakten geschaffen werden, die außerdem – auch dies ist ein Argument für die Dringlichkeit – dem für Ende 2007/Anfang 2008 aufgrund des Landtagsbeschlusses Drucksache 4/5514 zu erstellenden langfristigen Konzept der Staatsregierung für das sorbische Schulwesen teilweise die infrastrukturelle Grundlage entziehen würde. Denn, meine Damen und Herren, wie soll das gehen: erst die sorbischen Schulen schließen und danach ein Konzept zum sorbischen Schulnetz erarbeiten? Nur durch die heutige Entscheidung über den vorliegenden Antrag, meine Damen und Herren, kann weitgehend irreparabler Schaden vom sorbischen Schulnetz und von den Grundlagen der von uns gemeinsam beschlossenen Erarbeitung eines langfristigen Konzeptes für dieses Schulnetz abgewendet werden.
Nehmen wir daher diese Verantwortung wahr. Ich bitte Sie, der Dringlichkeit unseres Antrages zuzustimmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als Reaktion auf die Entwicklung der Schülerzahlen und nach Prüfung aller Alternativen hat das Kultusministerium bereits im Mai 2005 die Aufhebung der sorbischen Mittelschule in Panschwitz-Kuckau beschlossen. Nachdem in den Vorjahren keine Klassenstufen mehr eingerichtet wurden, wird der Schulbetrieb nun am 31. Juli dieses Jahres beendet. Der Schulträger Landkreis Kamenz hat diesem Verfahren zugestimmt. Es gab auch keine Klagen. Selbst der Petitionsausschuss stellte fest, dass der in Rede stehenden Petition nicht abgeholfen werden kann. Der Berichterstatter, Herr Kosel, war übrigens ein Mitglied der Linksfraktion.
Bei dieser langen Vorgeschichte wäre es ein Leichtes gewesen, bis zum 25. Juni 2007, 12:00 Uhr, einen regulären Antrag nach § 53 Abs. 5 Satz 1 der Geschäftsordnung zur Beratung anzumelden. Sie haben das nicht getan. Es handelt sich somit gemäß dem Gutachten des Juristischen Dienstes wieder einmal um einen Fall von selbst kons
truierter Dringlichkeit, der wir unsere Zustimmung verweigern werden. Im Übrigen hat bereits das Präsidium in seiner letzten Sitzung die Dringlichkeit des Antrages nicht feststellen können.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion teilt die inhaltliche Dringlichkeit. Die Mittelschule PanschwitzKuckau wird Ende des Monats geschlossen werden, und der letzte Rettungsversuch, die Petition zum Erhalt dieser sorbischen Mittelschule, ist gescheitert. Wenn das Kriterium unzureichende Schülerzahl angeführt wird, muss man in dem Zusammenhang bedenken, dass beispielsweise Radibor ein rechtskräftiges Urteil hat und seine 5. Klasse mit neun Schülern einrichten konnte, Räckelwitz hat ebenfalls neun Schüler für eine Eingangsklasse.
Der formalen Dringlichkeit werden wir uns nicht in den Weg stellen. Ein Teil meiner Fraktion wird sich enthalten und die anderen werden zustimmen. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Lehmann vermengt wieder Äpfel und Birnen, wenn er über faule Eier spricht.
(Volker Bandmann, CDU: Diese Diffamierung weisen wir zurück! Immer diese Diffamierungen von Ihnen! – Gelächter bei der Linksfraktion)
Ich wollte zu drei Punkten erwidern und zeigen, dass der Kollege Lehmann Unrecht hat, wie es so häufig der Fall ist.
Erstens ist der Verweis auf den Petitionsausschuss, Herr Kollege Lehmann, eine absolute Frechheit. Der Petitionsausschuss, das wissen Sie, erarbeitet Vorlagen für das
Plenum, und der Berichterstatter ist nicht derjenige, der die inhaltliche Ausrichtung der Petition festlegt, sondern diese beschließt der Petitionsausschuss mit Mehrheit. Die Linksfraktion hat abweichendes Stimmverhalten zu diesem Punkt angezeigt und auch zu Protokoll gegeben. Insofern ist diese Bemerkung völlig daneben.
Zweitens. Wenn Sie auf ein Gutachten des Juristischen Dienstes abstellen, dem Sie sich, in letzter Zeit immer mehr, aber ansonsten in vielen Fragen, in dessen Position nicht angeschlossen haben, dann muss ich Ihnen sagen – Herr Kollege Lehmann, Sie sollten zuhören –, dass die Frist der ordnungsgemäßen Einreichung von Anträgen abgelaufen ist. Damit ist nach der Geschäftsordnung auf anderem Wege vor Schließung der Schule keine Befassung des Landtages mehr möglich. Deshalb ist der Dringliche Antrag geboten.
Drittens ist aus unserer Sicht von Bedeutung, dass das sorbische Volk einen besonderen Status in der Verfassung hat. Wenn eine sorbische Schule geschlossen zu werden droht, dann ist das ein Fall, dem sich der Sächsische Landtag wegen dieses Minderheitenschutzes heute sofort annehmen muss.
Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt über die Dringlichkeit des Antrages der Linksfraktion, Drucksache 4/9257, Einstweilige Sicherung des historisch gewachsenen Netzes sorbischer Schulen und unbedingter Erhalt der Mittelschule Panschwitz-Kuckau, abstimmen. Wer der Dringlichkeit dieses Antrages zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und Stimmen dafür ist die Dringlichkeit mehrheitlich abgelehnt.
Ich frage, ob es weitere Anträge zur Tagesordnung gibt. Wenn das nicht der Fall ist, dann gilt die vorliegende Tagesordnung von Ihnen als bestätigt.
Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, Linksfraktion 31 Minuten, SPD und NPD je 12 Minuten,
Als Antragstellerin spricht zunächst die Linksfraktion, danach CDU, SPD, NPD, GRÜNE, FDP und Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte, dass die Linksfraktion das Wort nimmt. Frau Bonk, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das sächsische Schulwesen versagt. Damit will ich nicht die Leistungen Einzelner schmälern, aber 10 % verlassen die Schule ohne Abschluss, 60 % der Förderschüler sind im Förderschwerpunkt „Lernen“, die Ganztagsangebote bleiben im Rohr stecken, keine Sozialpädagogen stehen den Schulen zur Verfügung und ein ähnliches Schicksal droht den Schulpsychologen.
Nun, meine Damen und Herren, versagt das sächsische Schulwesen auch in der Einführung des längeren gemeinsamen Lernens. Rund um die Wirrnisse der Beantragung von Gemeinschaftsschulen, angesichts der Steine, die den Schulen in den Weg gelegt wurden, und der enttäuschenden Ergebnissen für das nächste Jahr hat meine Fraktion heute diese Aktuelle Debatte auf die Tagesordnung gesetzt. Die gesellschaftlichen Mehrheiten für das längere gemeinsame Lernen sind längst da. Über 80 % der Sächsinnen und Sachsen wollen das längere gemeinsame Lernen und auch in diesem Parlament gibt es eine rechnerische, eine strategische Mehrheit, und zwar ohne Stimmen vom rechten Rand, für das gemeinsame längere Lernen, wenn nicht in einer unglücklichen Koalition die CDU die Verankerung dieses längeren gemeinsamen Lernens mit aller Macht verhindern würde.
Das längere gemeinsame Lernen steht für einen gesellschaftlichen Wandel, für die Abkehr von der Klassenbildung, für mehr Zugangsgleichheit im Schulwesen, mehr individuelle Förderung und Freiheit in solidarischer Gemeinschaft. Es ist der Kern einer Bildungsreform, die wir fordern, und darum verfolgen wir die Einführung des längeren gemeinsamen Lernens in meiner Fraktion mit aller Macht.
Länger gemeinsam zu lernen ist der strategisch notwendige Schritt, den die Schullandschaft in den nächsten zehn Jahren machen wird, und ich bin fest davon überzeugt, dass das so kommen wird.