Protocol of the Session on April 22, 2005

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 16. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages. Ich habe heute zu Beginn wieder eine angenehme Aufgabe zu erfüllen; ich tue das gern. Wir haben ein Geburtstagskind unter uns: Herr Hermann Winkler von der CDU-Fraktion hat Geburtstag. Ich wünsche Ihnen alles Gute, Gottes Segen und gute Zusammenarbeit.

(Beifall)

Meine Damen und Herren! Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Frau Roth, Frau Mattern, Herr Dr. Gerstenberg, Herr Baier, Frau Kagelmann und Herr Eggert. Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für

die Tagesordnungspunkte 3 bis 8 folgende Redezeiten festgelegt: CDU-Fraktion 53 Minuten, PDS-Fraktion 41 Minuten, SPD-Fraktion 26 Minuten, NPD-Fraktion 26 Minuten, FDP-Fraktion 20 Minuten, GRÜNEN-Fraktion 20 Minuten; Staatsregierung, wenn gewünscht, 41 Minuten. Die Redezeiten können entsprechend dem jeweiligen Bedarf der Fraktionen auf die Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Ich bitte in der Ihnen vorliegenden Tagesordnung die Punkte 3 und 5 zu streichen, da wir die 3. Lesungen bereits behandelt haben.

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Anträge zu unserer heutigen Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung für unsere heutige Beratung als verbindlich.

Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Haltung des Sächsischen Landtages zum Antidiskriminierungsgesetz

Antrag der Fraktion der PDS

2. Aktuelle Debatte: Bildungsabbau in Sachsen?

Antrag der Fraktion der SPD

Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU-Fraktion 36 Minuten, PDS-Fraktion 31 Minuten, SPD-Fraktion 17 Minuten, NPD-Fraktion 12 Minuten, FDP-Fraktion

12 Minuten, GRÜNEN-Fraktion 12 Minuten; Staatsregierung, wenn gewünscht, 20 Minuten.

Wir kommen damit zu

1. Aktuelle Debatte

Haltung des Sächsischen Landtages zum Antidiskriminierungsgesetz

Antrag der Fraktion der PDS

Zunächst hat die Fraktion der PDS das Wort. Es folgen die CDU-Fraktion, die SPD-Fraktion, die NPD-Fraktion, die FDP-Fraktion, die GRÜNEN-Fraktion und die Staatsregierung, wenn gewünscht.

Die Debatte ist eröffnet. Herr Wehner, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Prof. Milbradt, eines vorab an Ihre Adresse: Wenn Sie ein Gesetzesanliegen wie das Antidiskriminierungsgesetz vor allem wegen seines ideologischen Kerns ablehnen, weil die Freiheit des Einzelnen Opfer einer Moraltyrannei würde, offerieren Sie ein Verständnis in Gleichstellungsfragen, das weder von Sachkenntnis noch – das ist weitaus schlimmer – auch nur von einer Ahnung von den Inhalten und Wirkungen des mit Ver

fassungsrang ausgestatteten Benachteiligungsverbots geprägt ist.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Die PDS-Fraktion begrüßt ausdrücklich, dass der rotgrüne Gesetzentwurf über die in den EU-Richtlinien vorgeschriebenen Regelungen hinausgeht.

(Vereinzelt Beifall bei der PDS)

Haben Sie den Mut, meine Damen und Herren, und setzen auch Sie sich dafür ein, dass nicht nur EG-Richtlinien zur Bekämpfung von Benachteiligungen endlich fristgerecht umgesetzt werden, sondern vorausschauend eine Regelung auf den Weg gebracht wird, welche sehr bald europa- und weltweit gebotener Standard sein wird! Das Antidiskriminierungsgesetz ist ein klares Sig

nal an die Gesellschaft, dass Diskriminierung nicht akzeptabel ist.

Mit Ihrer Einlassung vom 07.03.2005, Herr Ministerpräsident, dass mit dem Antidiskriminierungsgesetz die Vertragsfreiheit eingeschränkt würde, haben Sie im Gegensatz zu uns eben nicht die Vielfalt der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, sondern nur eine von zu einem Vertragsabschluss gehörenden mindestens zwei Vertragsparteien im Auge: den regelmäßig ohnehin bessergestellten Anbieter von Leistungen wie Arbeit, Geld, Wohnraum usw. In unserem Verständnis einer von zwei Seiten geprägten Vertragsfreiheit leistet das Gesetz ganz im Gegenteil zu Ihrer Meinung geradezu einen Beitrag zur Ausübung von Vertragsfreiheit.

Richtig: Es kommt auf die Betrachtungsweise an. Aber welche Interessen halten Sie denn für schutzwürdiger?

Einige Abgeordnete dieses Hauses meinen, mit dem Antidiskriminierungsgesetz würde quasi eine übermäßige Bürokratie das Wirtschaftswachstum abwürgen. Nun, meine Damen und Herren, nach dem Wortlaut des Artikels 1 des Grundgesetzes hat der Staat gerade darauf hinzuwirken, dass Benachteiligungen aufhören. Herr Petzold von der CDU-Fraktion, statt eines lauten Aufschreis hätte ich mir von Ihnen eher ein konsequentes Eintreten für die Belange der Benachteiligten erhofft.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Es sollte sich doch inzwischen auch bis zu Ihnen herumgesprochen haben, dass die von Ihnen bediente Mär von Wirtschaftsfeindlichkeit gesetzlicher Antidiskriminierungsregelungen doch wohl wirklich nur ein Ammenmärchen ist, das unter anderem in den irischen Sagenschatz eingegangen ist. Schauen Sie einmal über den Kanal, nach Irland! Sie könnten zumindest zur Kenntnis nehmen, dass Irland bereits seit längerem über eine fortschrittliche Antidiskriminierungsgesetzgebung verfügt, ohne dass sich dadurch die Wirtschaftslage verschlechtert hätte.

Außerdem: Es können doch nicht alle Grundwerte der Gesellschaft, zu denen der Schutz vor Benachteiligungen aller Art gehört, einer falsch verstandenen Wirtschaftsund Wachstumshörigkeit geopfert werden.

(Beifall bei der PDS, den GRÜNEN und des Abg. Karl Nolle, SPD)

Es gibt dann noch die Auffassung, meine Damen und Herren, unbestimmte Rechtsbegriffe und Beweiserleichterungsregelungen würden das Ende des Rechtsstaates bedeuten und es sei mit einer Prozessflut zu rechnen. Was soll denn diese Panikmache? Gerade solche Regelungen sind Usus deutschen Rechts, wie wir anhand von Vorschriften über Sittenwidrigkeit oder im Arbeitsrecht sehen können. Übrigens: Die Mehrheit der im Bundestag angehörten Rechtsexperten schlussfolgerte, dass es nicht zu einer Prozessflut kommen wird.

Meine Damen und Herren, werden wir konkret! Gestatten Sie mir ein Beispiel: Stellen Sie sich vor, an einem Geschäftseingang steht ein Schild, auf dem zu lesen ist: „Für Rollstuhlfahrer Zutritt verboten!“ Die Empörung hierüber wäre sicherlich und zu Recht hoch – hoffentlich! Doch es kümmert niemanden, wenn zu diesem Geschäft

eine oder zwei Treppenstufen zu überwinden sind. Meine Damen und Herren! Für Rollstuhlfahrerinnen und Rollstuhlfahrer ist die Wirkung dieselbe; eines Schildes bedarf es da nicht mehr.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN)

Lassen Sie mich abschließend noch einmal festhalten: Die Behauptung, Diskriminierung gäbe es gar nicht im großen Maße, sie sei gewissermaßen kein Alltagsgeschäft, entspricht nicht den Tatsachen. Tag für Tag werden Menschen wegen ihrer Behinderung oder ihres Alters, wegen ihres Geschlechts, ihrer ethnischen Herkunft, ihrer sexuellen Identität oder ihrer Religionszugehörigkeit benachteiligt, und zwar überall: im Wohnbereich, im Arbeitsleben, im sozialen Lebensumfeld. Nicht die Diskriminierung ist die Ausnahme, sondern die ungestörte Möglichkeit der Teilhabe aller ist es. So gesehen tut ein Antidiskriminierungsgesetz mehr als Not. Die Verhinderung oder Beseitigung von Benachteiligungen, das ist der ideologische Kern, Herr Ministerpräsident, zu dem sich der Landtag heute im Rahmen der Aktuellen Debatte eine Meinung bilden soll und bilden muss, wenn er sich und seine Verfassung, insbesondere Artikel 18, ernst nimmt.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall bei der SPD)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Schowtka.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unter dem Motto „in dubio pro libertate“ haben die GRÜNEN den größten Skandal in der bundesdeutschen Außenpolitik eingeleitet.

(Beifall bei der CDU)

Aus Gründen der Weltverbesserung wurden die Schleusen für illegale Einwanderung, für Schwarzarbeit und Zwangsprostitution geöffnet.

(Beifall bei der CDU)

Wider jeden Sachverstand soll nun das bundesdeutsche Recht umgeschrieben werden, nur deshalb, weil die GRÜNEN wieder die Welt verbessern wollen, diesmal aber unter dem Motto „in dubio pro illibertate“, im Zweifel für die Unfreiheit, für staatliche Bevormundung der Bürgerinnen und Bürger. Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.

Um es zu Anfang ganz klarzustellen: Selbstverständlich ist meine Fraktion gegen jedwede Diskriminierung

(Beifall bei der CDU – Lachen bei der PDS)

etwa aus Gründen des Alters, der Religion, der Weltanschauung oder der sexuellen Orientierung. In einer aufgeklärten, toleranten Gesellschaft hat die Benachteiligung aus solchen Gründen keinen Platz. Aber damit ist schon das Entscheidende gesagt.