Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 7. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages. Zuerst habe ich eine sehr angenehme Aufgabe. Ein Mitglied des Landtages hat Geburtstag, Frau Uta Windisch. Wir gratulieren Ihnen ganz herzlich zum Geburtstag, wünschen Ihnen alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen.
Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Frau Kagelmann, Frau Mattern und Frau Roth. Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung zu unserer Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Tagesordnungspunkte 2 bis 5 CDU 69 Minuten, PDS 53 Minuten, SPD 33 Minuten, NPD 33 Minuten, FDP 25 Minuten, GRÜNE 25 Minuten und die Staatsregierung 53 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden. Meine Damen und Herren! Ich bitte in der Ihnen vorliegenden Tagesordnung folgende Streichung vorzunehmen. Den Tagesordnungspunkt 12, Kleine Anfragen, bitte ich zu streichen, da keine Kleinen Anfragen vorliegen. Meine Damen und Herren! Mir ist ein als dringlich bezeichneter Antrag der Fraktion der NPD, Drucksache 4/0523, vorgelegt worden. Er lautet: „Sofortige Suspendierung der Vorstände der Sächsischen Landesbank Michael Weiss und Rainer Fuchs sowie der Vorstandsvorsitzenden der Mitteldeutschen Leasing AG Andrea Braun bis zur Klärung aller durch das Urteil des OLG Dresden am 11.1.2005 erhobenen Vorwürfe des Verdachts auf Prozessbetrug, Urkundenfälschung und Anstiftung zur Falschaussage.“ Der Landtag hat die Möglichkeit, gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit festzustellen. Dann müsste der Antrag noch auf dieser Sitzung abschließend behandelt werden. Voraussetzung für eine Dringlichkeit ist, dass im üblichen Verfahren eine rechtzeitige Entscheidung im Landtag über den Antrag nicht mehr erreichbar ist. Ich bitte um Einbringung des Antrages und Begründung der Dringlichkeit. Herr Leichsenring, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Dringlichkeit unseres Antrages ergibt sich schon aus der Tatsache, dass das Gericht am 11.1. sein Urteil im Fall Sächsische Landesbank gefällt hat, so dass ein „normaler“ Antrag nicht mehr in den Geschäftsgang einzubringen war. Deswegen haben wir uns entschlossen, den Antrag auf diesem Wege einzubringen. Nach dem Urteil des Oberlandesgerichts vom 11. Januar 2005 ist nunmehr davon auszugehen, dass die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen das Vorstandmitglied
der Sächsischen Landesbank Rainer Fuchs und andere Vorstandsmitglieder wieder aufnehmen wird. Eine entsprechende Anzeige liegt auch schon vor, Aktenzeichen 209 JS 5908/04. Ich denke, wenn es schon so weit ist, dass die Anzeige vorliegt und damit zu rechnen ist, dass die staatsanwaltlichen Ermittlungen aufgenommen werden, dann ist es besser für das Image der Bank, wenn die Betreffenden aus der Schusslinie genommen und durch den Verwaltungsrat suspendiert werden.
Für die deutschen Landesbanken schlägt Mitte des Jahres die Stunde der Wahrheit. Die anderen Geldhäuser haben sich darauf systematisch vorbereitet, die Landesbank Sachsen leider nicht, weil hier ein Skandal den anderen jagt.
Ja. – Ich denke, das hatte ich bereits getan. Die Dringlichkeit wird insbesondere zeitlich mit der Verkündung des Urteils am 11. Januar begründet. Wer die Geschäftsordnung kennt, weiß, dass am 11.1. nachmittags, als das Urteil gesprochen wurde, kein Antrag mehr auf den normalen Geschäftsweg zu bringen war. Danke schön.
Zur Dringlichkeit: Gemäß § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung ist ein Antrag immer dann dringlich, wenn im üblichen Verfahren nach § 53 Geschäftsordnung eine rechtzeitige Entscheidung des Sächsischen Landtages über den Inhalt des Antrages in der nächsten Landtagssitzung nicht erreichbar ist. Der vorliegende Antrag mit der Forderung der sofortigen Suspendierung ist eine selbst konstruierte Dringlichkeit, die eine unmittelbare Behandlung in der heutigen Sitzung nicht notwendig macht. Daher ist der Antrag in der Drucksache 4/0523 im Sinne von § 53 Abs. 3 der Geschäftsordnung nicht dringlich. Die Dringlichkeit wird daher abgelehnt.
Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Meine Damen und Herren, damit bringe ich die Dringlichkeit des Antrages zur Abstimmung. Wer der Dringlichkeit des NPD-Antrages in der Drucksache 4/0523 zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einigen Stimmen dafür ist das mehrheitlich abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie, ob es weitere Anträge zur heutigen Tagesordnung gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die Ihnen vorliegende Tagesordnung für den heutigen Beratungsverlauf als beschlossen.
Die Verteilung der Gesamtredezeit hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 18 Minuten, PDS 18 Minuten, SPD 6 Minuten, NPD 6 Minuten, FDP 6 Minuten, GRÜNE 6 Minuten, Staatsregierung 10 Minuten, wenn gewünscht. Wir kommen damit zur Debatte selbst, beantragt von der Fraktion der PDS, Umsetzung von Hartz IV in Sachsen. Ich erteile der PDS-Fraktion das Wort. Herr Dr. Pellmann, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Hartz-IV-Gesetz gilt bekanntlich seit 1. Januar, und glaubt man den öffentlichen Verlautbarungen, so sei der Start gelungen, so könne man davon ausgehen, dass sich die Sache schon in geordneten Bahnen entwickeln werde. Wir haben, meine Damen und Herren, eine etwas andere Wahrnehmung. Diese speist sich aus vielen Beratungen, keinen Rechtsberatungen, sondern Beratungen als Hilfe zur Selbsthilfe. Sie speist sich aus einer Telefonhotline, auf der innerhalb von acht Stunden 130 Anrufer begrüßt wurden, und sie speist sich aus vielen Informationen, die wir sachsenweit erhalten haben. Insofern möchte ich Sie zunächst an unserer Wahrnehmung teilhaben lassen.
Zum Ersten: Die Bescheide, die wir gesehen haben, sind in den meisten Fällen widerspruchsrelevant, weil für die Betroffenen nicht nachvollziehbar ist, wie die Ämter zu entsprechenden Entscheidungen gekommen sind. Beispielsweise bei denen, die keine Leistungen erhalten, steht eine Null, aber nach SGB X §§ 33 und 35 haben selbstverständlich die Antragsteller das Recht auf Klarheit und Nachvollziehbarkeit der Bescheide. Ich bin gespannt, wie die eingelegten Widersprüche beschieden werden.
Zum Zweiten: Stichwort Bedarfsgemeinschaft. Hier herrscht ein wirkliches Durcheinander. Ich muss ehrlich sagen, bei einigen Fällen sträubt sich mir das Gefieder. Einige Beispiele. Ein 56-jähriger Herr, der bei mir in der Sprechstunde war, trägt vor, dass er deshalb keine Leistungen erhält, weil seine Mutter – über 80 – eine etwas zu hohe Rente hat. Wir haben festgestellt, dass beide seit langem einen eigenen Haushalt führen. Nun frage ich Sie: Soll dieser Herr erst so lange auf eigene Leistungen warten, bis seine Mutter nicht mehr ist?
Ein zweites Beispiel, auch selbst erlebt: Ein Vater bezahlt – nicht von Hartz IV betroffen – 300 Euro für seine dreizehnjährige Tochter. Nun lebt die Tochter inzwischen in einer Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter ihres neuen Lebenspartners. Selbstverständlich werden nach der Lage, wie sie sich bei Hartz IV darstellt, diese 300 Euro als Einkommen der gesamten Bedarfsgemeinschaft zugerechnet. Ich will bewusst überspitzen: Heißt das etwa, dass der Mann, dem zunächst die Frau ausgespannt wurde, nun auch noch für den Nachfolger mit Unterhalt bezahlen muss? Das kann doch wohl nicht sein!
Meine Damen und Herren! Wir erleben immer wieder – das ist das Dritte, was ich darstellen will – die so genannte 58er-Regelung. Die 58er-Regelung bedeutet, dass ältere Arbeitnehmer unterschrieben haben, nicht mehr vermittelt werden zu wollen, aber dafür im Gegenzug den vollen Bezug der Arbeitslosenhilfe bis zum Eintreten ins Rentenalter zu bekommen. Sie fallen jetzt auch unter Arbeitslosengeld II. Das nenne ich einen eklatanten, staatlich sanktionierten und staatlich gewollten Vertragsbruch.
Das nehmen wir nicht hin. Ich kann jetzt schon sagen, wir werden klagen. Einige sind bereits unterwegs. Wir werden diese unterstützen.
Ein weiteres Beispiel, das ich hier nennen möchte: Es wird immer wieder behauptet, Sozialhilfeempfängerinnen und -empfängern würde es sogar besser gehen. Da sage ich, das ist eine glatte Lüge, denn wer wüsste nicht, dass es de facto keine einmaligen Leistungen mehr gibt. Wenn der Kühlschrank kaputt ist oder die Waschmaschine ihren Dienst versagt, kann man nicht mehr zum Sozialamt gehen und eine neue holen. Dann muss man sie aus der Regelleistung bezahlen.
Die letzte Beispielbemerkung zu den so genannten Kosten der Unterkunft, von Wohnung ist gar nicht die Rede: Hier haben wir einen Flickenteppich, weil jede Kommune selbst nach Kassenlage entscheidet. Auch wir wissen heute nicht, ob es nicht doch zu Massenumzügen kommt. Uns sind viele Beispiele bekannt, denen das droht. Ich sage, gegen diese Zersplitterung, gegen diesen Flickenteppich war die deutsche Kleinstaaterei des 18. und 19. Jahrhunderts regelrecht fortschrittlich.
Das ist der letzte Satz. – Ich lade Sie ein, denn wir werden auch künftig dieses Haus mit Hartz IV und den Auswirkungen beschäftigen. Einige Anträge haben wir bereits im parlamentarischen Verfahren. Ich freue mich schon heute auf die Diskussion, denn sie ist bitter nötig.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Pellmann, ich bin eigentlich schon entsetzt, dass Sie nicht den großen Rahmen gespannt haben – aber das haben Sie natürlich bewusst getan –, warum Hartz IV notwendig ist. Sie haben Einzelbeispiele herausgegriffen. Ich möchte jedoch
für meine Fraktion deutlich machen, dass wir sehr wohl die Ängste der Menschen teilen, weil es etwas ganz Neues ist, was auf die jeweiligen Empfänger von Arbeitslosengeld II zukommt. Das ist gar keine Frage. Wir wollen es auch an dieser Stelle nicht verniedlichen. Was mir gefehlt hat – vielleicht kommen wir noch dazu: Wo ist denn Ihr Konzept von der PDS-Fraktion, um diesen Dingen entgegenzuwirken? Wir sind uns unserer Verantwortung sehr wohl bewusst und stellen uns auch der Verantwortung. Wir müssen etwas tun,
um das soziale Geflecht zu erhalten, der Sozialstaatsrelevanz gerecht zu werden, dass die guten Sozialstaatsbedingungen weiterhin für diejenigen erhalten bleiben, die über Jahre keine Arbeit hatten oder erhalten haben.
An der Stelle muss man auch deutlich machen, wie die ganze Sache zusammenhängt und wie sie sich im Freistaat Sachsen darstellt. Das lässt sich nicht in fünf Minuten einfach darbringen. Ich denke, dazu wird die Ministerin noch im Detail Ausführungen machen.
Wir haben sechs optierende Kommunen, also Landkreise und Kommunen nehmen die Aufgabe mit Unterstützung der Arbeitsagentur selbst wahr, bearbeiten die Anträge selbst. Dann haben wir Arbeitsgemeinschaften „Arge“. Das sind 23 an der Zahl. Dort sind Beschäftigte des Landratsamtes oder der Kreisfreien Städte an die Arbeitsverwaltung abgestellt.
Sicherlich gab es bei der Antragsbearbeitung das eine oder andere Problem. Hier fällt mir gerade die Arbeitsagentur in Görlitz ein, die sehr großen Nachholbedarf hatte und hat. Ich hoffe, dass das natürlich in naher Zukunft noch behoben wird. An dieser Stelle muss man aber auch sagen, dass viele zwischen Weihnachten und Neujahr in den Agenturen gearbeitet haben, keinen Urlaub hatten und länger gearbeitet haben, um die Anträge alle bearbeiten zu können. An der Stelle sollten wir uns einmal bei denjenigen bedanken, die dies ermöglicht haben.
Sicherlich ist es kein Spaziergang für diejenigen, die Hartz-IV-Empfänger sind. Das eine oder andere wird sich auch erst in der Perspektive klären lassen.
Ich will hier noch einmal den großen Rahmen spannen. Wir leben als Deutschland ja nicht einfach im luftleeren Raum. Wir leben in einer Wirtschaftsgemeinschaft, in einer Europäischen Gemeinschaft und wir wissen, dass wir auch – teilweise selbst verursacht – wirtschaftlich nicht gerade gut dastehen. Wir sind das Schlusslicht gesamteuropäisch gesehen.
Somit müssen wir auch die geringen finanziellen Ressourcen, die vorhanden sind, so verteilen, dass alle davon partizipieren können. Es nützt uns nichts, wenn wir hier auf Einzelbeispielen herumhacken, sondern unsere Aufgabe ist es, gerade mit Hartz IV Langzeitarbeitslosen wieder eine neue Chance zu geben. Das ist nicht einfach.
Arbeitsplätze können wir auch nicht aus dem Ärmel schütteln. Das will niemand verschweigen. Aber es darf ja auch ausgesprochen werden, dass wir unter den neuen Bundesländern schon Spitze sind, was das Schaffen oder die Erhaltung von Arbeitsplätzen betrifft. Wir stehen wirtschaftlich gut da. Das haben wir unserer Regierung zu verdanken. Wir führen diesen Weg in der Koalition fort. Darauf können wir alle gemeinsam stolz sein.
Nein, ich möchte erst einmal fortfahren. Das können wir vielleicht später noch tun. Natürlich dürfen wir auch einiges nicht vergessen. Die Ein-Euro-Jobs sind eine neue Möglichkeit für die Langzeitarbeitslosen, den einen oder anderen Job wiederzuerlangen. Ich will auch bewusst darauf reflektieren, weil mancher Langzeitarbeitslose keine Tagesstruktur mehr hat. Was bedeutet das? Die Menschen haben einfach keine soziale Anerkennung mehr,