Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 6. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages. Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Frau Kagelmann, Frau Mattern und Herr Morlok. Meine Damen und Herren, die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium festgelegt:
für die Tagesordnungspunkte 1 sowie 13 bis 17 CDU 96 Minuten, PDS 72 Minuten, SPD 42 Minuten, NPD 42 Minuten, FDP 30 Minuten, GRÜNE 30 Minuten und die Staatsregierung 72 Minuten. Die Redezeiten können wie immer entsprechend dem Bedarf der Fraktionen auf die einzelnen Tagesordnungspunkte verteilt werden.
Meine Damen und Herren, gibt es zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung weitere Anträge? – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die Ihnen vorliegende Tagesordnung als verbindlich. Wir kommen damit zum
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Thema: „Verletzung der Überwachungspflicht der ehemaligen und aktuellen Vertreter der Sächsischen Staatsregierung im Verwaltungsrat der SachsenLB bei den Vorgängen um die SachsenLB-Tochter MDL AG unter besonderer Berücksichtigung der in den Prüfberichten von Deloitte & Touche aus dem November 2004 sowie von Ernst & Young aus dem April 2003 erhobenen Vorwürfe“
Dieser Antrag liegt entsprechend Artikel 54 der Verfassung des Freistaates Sachsen in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Sächsischen Landtages vor. Ich gehe davon aus, dass die Antragstellerin ihr Begehren begründen will. Wird dazu das Wort gewünscht? – Bitte schön.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Präsident! Die NPD-Fraktion fordert diesen Untersuchungsausschuss, um den Sachverhalt der politischen Verantwortlichkeit und Aufsichtspflicht zu klären. Ich möchte Ihnen die Notwendigkeit und die Zielrichtung unseres Antrages erläutern.
Sachsen hat die einzige Landesbank in Mitteldeutschland. Die Sächsische Landesbank hat einen einzigartigen Bekanntheitsgrad. Leider ist die Sächsische Landesbank nicht berühmt, sondern eher berüchtigt. Wann gab es letztmalig positive Meldungen von der SLB? Das ist sicherlich schon lange her, aber in letzter Zeit mussten wir viele negative Meldungen erfahren. Eine Hiobsbotschaft kommt hier nach der anderen. Auch in Bankenkreisen wird schon ein Imageschaden beklagt. Wenn eine Misswirtschaft wie im Falle der SLB auftaucht, dann ist das auch ein Imageschaden für den gesamten Finanzplatz Sachsen. Sowohl die Medien als auch Spitzenmanager wie zum Beispiel Jürgen Geisinger sprechen bereits von einem Vertrauensverlust in Sachsens wichtigstes Geldhaus.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sächsische Landesbank ist für die Zukunftsfähigkeit Sachsens von hoher wirtschaftspolitischer Bedeutung. Darum geht es uns heute. Wir fragen nach der politischen Verantwortung. Wir wollen wissen, ob und wie der Freistaat seiner Aufsichtspflicht nachkommt. Wir wollen wissen, in wel
chem Umfang Sachsen wirtschaftspolitisch handlungsfähig ist, genau: ob sich die politischen Gremien zuständig fühlen und ob die politischen Gremien überhaupt handlungs- und verantwortungswillig sind.
In der Medienberichterstattung um die Sächsische Landesbank gab es außer unseren eigenen wenige Stellungnahmen aus der Politik. Wir sind der Sache nachgegangen. Wir waren bei den Gerichtsverhandlungen. Nun frage ich Sie: Warum interessiert das die Vertreter der anderen Parteien nicht?
Die SLB ist Mehrheitseignerin bei der Mitteldeutschen Leasing AG. In dieser Skandalbank wird die Aufsichtsfunktion durch einen Verwaltungsrat ausgeübt. Dieser ist schon immer mit landespolitischer Prominenz besetzt. Heute ist es der Finanzminister Dr. Metz, früher war es der Finanzminister Prof. Milbradt. Die Rolle dieses Verwaltungsrates der Sächsischen Landesbank soll durchleuchtet werden. Wir wollen untersuchen lassen, inwieweit die Herren Milbradt, Metz und in gewissem Maße auch de Maizière in ihren Kontrollfunktionen versagten, vielleicht sogar wissentlich. Die Untersuchung muss die Vorgänge in Personalpolitik und Geschäftsführung zeigen. Wie hätte der Vertrauensverlust vermieden werden können? Wie können wir Wiederholungsfälle vermeiden?
Die NPD-Fraktion möchte sich nicht als Anwalt von Partikularinteressen verstanden wissen, sondern es sind folgende Fragen zu klären: Welche politischen Erwägungen legt der Verwaltungsrat seiner Arbeit eigentlich zugrunde? Was hätte er frühzeitig, also noch bevor die Medienberichterstattung begann, wissen und erkennen müssen? Wie reagierte der Verwaltungsrat, nachdem ihm aktienrechtlich relevante Verdachtsmomente und
strafrechtlich relevante Missstände bekannt wurden? Was hätte der Verwaltungsrat tun können und vor allen Dingen müssen, um eine andere Entwicklung herbeizuführen? Es geht also grundsätzlich um die Rolle des Verwaltungsrates, es geht grundsätzlich um die Einstellung des jeweiligen Finanzministers zur Bedeutung der öffentlich-rechtlichen Institution Sächsische Landesbank.
Im Zusammenhang mit dem von der NPD-Fraktion in dieser Angelegenheit geforderten U-Ausschuss – und das ist hier das Wesentliche – möge sich der Landtag über diesen fallbezogenen Sachverhalt hinausgehend Klarheit darüber verschaffen, welchen Stellenwert er allgemein öffentlich-rechtlichen Einrichtungen beimisst, insbesondere der deutschen Bankenlandschaft, und auf welche Art und Weise neben dem Markt die Politik bereit ist, für den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Sachsen Verantwortung zu übernehmen.
Unter diesem Licht möge besehen werden, welche Möglichkeiten der Finanzminister hat, um auf laufende Geschäftspolitik und auf laufende Personalpolitik Einfluss auszuüben. Ich betone: Das Vorstandsmitglied der Sächsischen Landesbank Fuchs ist Aufsichtsratschef der MDL AG und der Finanzminister Metz ist Verwaltungsratschef der SLB. Ich weise in diesem Fall auch darauf hin, dass die Überwachungspflicht, die ein Aufsichtsgremium hat, nicht nur eine vergangenheitsbezogene Kontrolle sein soll, sondern – und das sagt die Entscheidungspraxis des BGH und auch die juristischen Schriften sagen das – es ist auch von einer präventiven Kontrolle auszugehen, welche die Tätigkeit des Vorstandes begleitend mitgestalten soll. Es ist zu untersuchen, ob das geschehen ist. Am Umgang der politisch zuständigen Gremien und Personen mit der öffentlich-rechtlichen Einrichtung SachsenLB ist erkennbar, welche Haltung prinzipiell zum typischen und vor allem bewährten Dreisäulenmodell in der deutschen Bankenlandschaft eingenommen wird.
Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses liegt Ihnen vor. In diesem Antrag sind elf ganz konkrete Sachverhalte näher dargestellt. Es sind 23 Fragestellungen formuliert und diese Fragen müssen geklärt werden. Die benannten Sachverhalte werfen kein gutes Licht auf die im Verwaltungsrat vertretenen Mitglieder und die ehemaligen Mitglieder dieses Gremiums.
Zusammenfassend ergeben sich schwerpunktmäßig folgende Vorwürfe. Eine nach Vetternwirtschaft riechende Personalpolitik zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der SLB-Tochter. Laut Prüfgutachten renommierter Wirtschaftskanzleien wird von einer katastrophalen Geschäftsführungspraxis von Mutter und Tochter gesprochen. Die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Dresden vom 11.1. hat das auch gezeigt. Die Sächsische Landesbank hat nichtige Hauptversammlungsbeschlüsse zuungunsten des Minderheiteneigners zu verantworten. Das alles geschah unter den geschlossenen Augen des Verwaltungsrates. Die Herren Milbradt, Metz und de Maizière scheint das alles wenig zu interessieren, aber ich bin mir sicher, die Bürger des Freistaates wird es interessieren und viel mehr auch noch die Investoren, die am Finanzplatz Sachsen interessiert sind. Deshalb ist die Einsetzung eines solchen Untersuchungsausschusses dringend geboten.
Herr Dr. Metz sprach im Haushalts- und Finanzausschuss von der SLB als einer kleinen und vor allem feinen Bank. Das Erste mag man ja glauben, das Zweite schon weniger. Ich denke, er ist sogar überzeugt von dem, was er gesagt hat. Aber auch dann müsste der Untersuchungsausschuss in seinem Sinne sein, weil er ja im Prinzip die Vorwürfe entkräften und so zu einem Ansehensgewinn beitragen könnte.
Der NPD ist nicht an einer Demontage der Sächsischen Landesbank gelegen. Deswegen sind wir auch der Meinung, dass dieser Untersuchungsausschuss kommen muss.
Aber, meine Damen und Herren, lassen Sie sich auch ganz klar gesagt sein: Wer hier nicht dazu beiträgt, reinen Tisch zu machen, der handelt erstens unverantwortlich und zweitens nimmt er in Kauf und macht sich politisch mitschuldig, dass die SLB vielleicht den Bach runtergeht. Es besteht immerhin der Verdacht der Klüngelwirtschaft. Die NPD wird das nicht dulden. Dazu sind wir nicht angetreten. Wir werden nicht schweigen, wenn unter den Augen der Öffentlichkeit und möglicherweise unter dem Mitwissen der Herren Milbradt, Metz und de Maizière Vorwürfe, wie interessengerichtete Gläubigerbevorzugung, Konkursverschleppung, Prozessbetrug, Vermögensauskehrung und so weiter und so fort, sich auftun. Das betrifft nicht irgendeine kleine Dorfsparkasse; das betrifft immerhin das wichtigste Geldhaus in Sachsen, die Sächsische Landesbank.
Die Damen und Herren Mattern und Nolle haben ja im Finanzausschuss durchaus an der Aufklärung der ganzen Vorfälle Interesse gezeigt. Deswegen ist auch meine Hoffnung, dass wir das nötige Quorum für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses bekommen. Man hört ja nicht gern auf, an das Gute im Menschen zu glauben.
Es muss in unser aller Interesse liegen, wenn Klüngelwirtschaft und Filz beseitigt, Korruptionssümpfe ausgetrocknet werden und mit eisernem Besen ausgekehrt wird, damit die Sächsische Landesbank wieder eine Zukunft hat.
Herr Nolle, Sie sind heute viel in den Medien – sowohl im Rundfunk als auch in den Zeitungen – genannt, unter anderem mit dem Zitat: „Dieses Thema wird viel zu lange aus parteitaktischen Gründen unter der Decke gehalten.“
Heute haben Sie die Möglichkeit, für die Aufklärung einzutreten. Ich weiß, dass auch Sie einen Untersuchungsausschuss gefordert haben, dass Sie wohl auch für die Suspendierung der Vorstände sind. Früher gefielen Sie sich in der Rolle des Chefaufklärers. Stimmen Sie also auch mit uns gemeinsam für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses! Wenn Sie dies nicht können, dann werden wir ganz genau schauen – weshalb wir namentliche Abstimmung beantragen –, dann sind Sie in unseren Augen nicht mehr als ein Parlamentsnörgler, dem zwei SPD-Ministersessel wichtiger sind als das Interesse an der Aufklärung von Missständen. Man hat Ihnen also dann einen Koalitionsmaulkorb verpasst.
Wir haben lange in der Fraktion darüber gesprochen, wie die anderen Fraktionen entscheiden werden. Gut,
Bei der FDP haben wir schon mehr Hoffnung, dass sie diese Ausgrenzungserklärung vom letzten Mittwoch nicht daran hindern wird, mit für Aufklärung sorgen zu wollen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktionen können dazu Stellung nehmen. Ich bitte die Fraktion der CDU, sich zu äußern. Herr Kupfer, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dringliche Anträge haben den Charme, die Tagesordnung einer Plenarsitzung zu bestimmen und Aufmerksamkeit zu erwecken. Die NPD hat dies offenbar schnell begriffen und scheut nicht davor zurück, auf der Parlamentsbühne politischen Klamauk zu veranstalten; denn wie anders soll man die so genannten Dringlichen Anträge „Flutopferhilfe statt Volksverhetzung gegen nationale Deutsche“, den Antrag auf Einsetzung eines, dieses Untersuchungsausschusses – nun schon der zweite innerhalb von Monatsfrist – oder den Antrag auf sofortige Suspendierung von Bankvorständen bewerten? Offenbar nehmen Sie die Zielstellung Ihres Bundesvorsitzenden sehr ernst: „Es ist unser Ziel, die BRD ebenso abzuwickeln, wie das Volk vor 15 Jahren die DDR abgewickelt hat.“
Hier treffen Sie auf unseren erbitterten Widerstand. Wir haben uns vor 15 Jahren die Freiheit und einen demokratischen Rechtsstaat erkämpft und Sie können mir glauben, wir sind nicht auf die Straße gegangen, um eine Diktatur loszuwerden und auf eine neue Diktatur hinzuarbeiten.
Nun zum Antrag: Wir lehnen den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ab, weil wir einen Untersuchungsausschuss als ein ungeeignetes Mittel be
trachten, die von Ihnen auch angestrebte Aufklärung tatsächlich zu erlangen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht uns nicht darum, die Vorgänge um die SachsenLB-Tochter Mitteldeutsche Leasing AG schönzureden. Dazu hat auch unsere Fraktion keinen Anlass. Aber es gibt im deutschen Parlamentarismus über die Parteigrenzen hinweg anerkannte Regeln, wo und wie offene Fragen behandelt werden. Wenn sich die NPD hier als Hüterin des Rechtsstaates aufführt, ist dies unglaubwürdig. Gerichte und unter Umständen auch Staatsanwaltschaften sind die zuständigen Stellen, die Unklarheiten aufzuklären haben.
Für uns ist der Haushalts- und Finanzausschuss das zuständige Fachgremium, in dem die von Ihnen gestellten oder auch weitere Fragen zu erörtern sind. Das hat übrigens auch der Finanzminister in der letzten Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses schon zugesagt.
Bereits im vergangenen Jahr hat im Haushalts- und Finanzausschuss die Gesamtthematik „Landesbank“ eine Rolle gespielt. Wir werden deshalb auch dafür Sorge tragen, dass die angesprochenen Fragen in der nächsten Sitzung ausführlich beraten werden. Wie Sie wissen, findet die nächste Beratung schon am 2. Februar statt.
Wer wirklich an sachlicher Politik interessiert ist, der muss sich zunächst einmal mit dem Sachverhalt vertraut machen. Im Ergebnis kann man dann politische Schlussfolgerungen ziehen – und nicht umgekehrt.