4. Sächsischen Landtags. Ich komme zurück zum Tagesordnungspunkt 4 der 50. Sitzung gemäß § 81 Abs. 3 Satz 1 unserer Geschäftsordnung. Ich rufe auf
3. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen und des Sächsischen Beamtengesetzes
Die 2. Beratung fand in der 48. Sitzung des Landtages am 10. Mai 2006 statt. Es wurden gegenüber der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses Änderungen vorgenommen. Ihnen liegt die Zusammenstellung der Änderungen als Drucksache 4/5242 vor. Es liegt kein Wunsch nach einer allgemeinen Aussprache nach § 46 der Geschäftsordnung vor.
Da es keine Änderungsanträge für die 3. Lesung gibt, stelle ich nunmehr den Entwurf Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung für den Freistaat Sachsen und des
Sächsischen Beamtengesetzes in der in der 2. Lesung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer dem Entwurf des Gesetzes zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. – Danke schön. Gegenprobe! – Keine Gegenstimmen. Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Damit ist der Entwurf als Gesetz beschlossen. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Meine Damen und Herren! Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 5 der Ihnen ausgereichten Tagesordnung und ich rufe auf
Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge in der ersten Runde: CDU, SPD, Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Ich erteile den Fraktionen CDU und SPD als Einreicherinnen das Wort. Herr Prof. Bolick, bitte.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Selbstständigkeit und Unternehmertum haben sich in Sachsen seit 1990 gut entwickelt, aber im Vergleich mit anderen Ländern müssen wir noch aufholen.
Gerade 9 % der Ostdeutschen planen in den nächsten fünf Jahren die Gründung eines eigenen Unternehmens. In den alten Bundesländern sind das immerhin 16,5 %, fast doppelt so viele. Diese Prognose erbrachte eine kürzlich veröffentlichte Emnid-Umfrage. Sie verwies darauf, dass die Befragten das Risiko einer Existenzgründung in den neuen Bundesländern als ungleich höher einschätzten. Besonders der nach wie vor schwache Binnenmarkt und die Unsicherheit im Umgang mit den vielfältigen und im höchsten Maße komplizierten rechtlichen und steuerlichen Regelungen schrecken viele vor dem Schritt in die wirtschaftliche Unabhängigkeit ab.
Tatsache ist auch, dass wir in den kommenden Jahren dringend Unternehmer brauchen, also Menschen, die das Wagnis Selbstständigkeit auf sich nehmen.
Deutschland ist besonders durch eine kleine und mittelständische Unternehmensstruktur geprägt. Der Mittelstand stellt 99,7 % aller Unternehmen in unserem Land. Er sichert 70,2 % der Arbeitsplätze und 81,9 % aller Ausbildungsplätze ab. Der Mittelstand bildet das Rückgrat der deutschen Wirtschaft und sichert den Wohlstand in Deutschland. Daher muss ihm unsere wirtschaftspolitische Aufmerksamkeit gelten.
Die vorhandene Unternehmensstruktur zu sichern und die Gründung neuer und insbesondere innovativer Unternehmen zu fördern, das sind die Hauptaufgaben der kommenden Jahre, denen wir uns stellen müssen.
Allein im Regierungsbezirk Dresden stehen in den kommenden Jahren fast 15 000 Unternehmer vor der Frage ihrer Nachfolge. Unser Mittelstand braucht dringend junge, engagierte Menschen, die gewillt sind, den Schritt zum Unternehmer zu gehen. Diesen künftigen Unternehmern müssen wir ein Umfeld schaffen, das ihnen bestmögliche Chancen für einen möglichst reibungslosen Einstieg bietet. Diese Aufgabe beginnt frühzeitig.
Schon die berufliche Ausbildung muss wesentliche Elemente, die mit der Führung eines Unternehmens im Zusammenhang stehen, noch stärker beinhalten. Finanz- und Personalmanagement, Unternehmensrecht und Marketing müssen Bestandteile beruflicher Ausbildung werden.
Nur so können wir die Unternehmer der kommenden Generation entsprechend qualifizieren. Bereits im Rahmen der schulischen und Berufsausbildung müssen jungen Menschen die Perspektiven einer selbstständigen Tätigkeit vermittelt werden. Sie sollten bereits vor der Entscheidung über ihren weiteren Berufsweg wissen, was dazugehört, ihr eigener Chef zu sein und ein Unternehmen zu führen. Nur durch diese frühe Aufklärung können wir Schwellenängste auf dem Weg in die Selbstständigkeit abbauen.
Auch die gründungs- und unternehmensbezogene Ausbildung an Hochschulen, Universitäten usw. ist im Vergleich zu anderen EU-Staaten nur unterdurchschnittlich ausgeprägt. Besonders betroffen macht mich insbesondere die gesellschaftliche Wahrnehmung des Unternehmers in Deutschland. In der öffentlichen Diskussion sollten wir den Begriff Unternehmer endlich wieder positiv besetzen.
Wenn wir die Berichterstattung unserer Medien verfolgen, dann stehen Veröffentlichungen über Firmenpleiten und Managergehälter immer noch vor Erfolgsmeldungen. Skandale und geschürter Sozialneid verkaufen sich offensichtlich besser als wirtschaftlicher Erfolg unseres Mittelstandes um gesicherte Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Diesem völlig falschen Bild müssen wir entgegenwirken. Es stimmt mit der Realität in Deutschland nicht überein. Deutsche Unternehmen zeichnen sich durch ein hohes soziales und gesellschaftliches Engagement aus.
Meine Damen und Herren! Wir müssen für Unternehmertum und Existenzgründungen in Sachsen optimale Rahmenbedingungen schaffen. Unsere Zielstellung muss es sein, von den staatlich verordneten Notgründungen wie den Ich-AGs weg zu einer qualifizierten und marktorientierten Unternehmerlandschaft zu kommen. Das ist eine große Chance, um die dringend benötigten Arbeits- und Ausbildungsplätze zu schaffen. Existenzgründung für mehr Beschäftigung und bessere Voraussetzungen für Unternehmensnachfolgen müssen wir dabei im Fokus behalten.
Aus meiner Sicht sind hierzu folgende Rahmenbedingungen notwendig: Schüler, Auszubildende und Studenten müssen besser als bisher an das Thema Selbstständigkeit herangeführt werden. Das Regelwerk zur Gründung eines Unternehmens muss vereinfacht werden, um Hemmschwellen auf dem Weg in die Selbstständigkeit abzubauen. Hier ist der Abbau von Bürokratie und Überregulierung dringend geboten. Die weiteren Finanzierungsmöglichkeiten besonders im Hinblick auf die Ausstattung von Existenzgründern mit Risiko in Eigenkapital müssen weiter verbessert werden. Die Banken müssen hierbei
Hochschulen und Universitäten müssen in stärkerem Maße als Gründungskatalysatoren fungieren. Eine Zusammenarbeit mit Vertretern der Wirtschaft ist hier sicherlich sinnvoll. Unternehmensnachfolge muss steuerlich und rechtlich in großem Maß vereinfacht werden. Die derzeitigen Regelungen erschweren eine Unternehmensübernahme und führen zu hohen steuerlichen Belastungen, die keinen Anreiz für eine Übergabe schaffen.
Mit unserem Antrag möchten wir die aktuelle Situation in Sachsen im Bereich der Existenzgründungen und Unternehmensnachfolgen genauer analysieren, und wir werden Ableitungen für die weitere Mittelstandspolitik unserer Fraktion treffen. Starker Mittelstand schafft Arbeitsplätze und sichert gesellschaftlichen Wohlstand. Daher sollten wir durch gezielte Förderung des Nachwuchses dazu beitragen, dass er auch stark bleibt und wächst.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste! Mehr Mut zur Selbstständigkeit, so ist dieser Antrag überschrieben. Wenn man die Presse verfolgt, dann könnten wir als Koalition durchaus zufrieden sein, denn die Wirtschaft in Sachsen gilt als Erfolgsstory des Ostens und entwickelt sich in den letzten Jahren dynamischer als die der meisten Westländer. Doch darauf kann man sich nicht ausruhen. Fakt ist, dass wir in Sachsen trotzdem mehr Wachstum und Beschäftigung brauchen. Aus dem Wachstum heraus müssen mehr Jobs entstehen. Dabei kommt dem Mittelstand, den Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen eine besondere Bedeutung zu.
Die Zeit der großen Ansiedlungen insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland ist – ich will nicht sagen vorbei –, aber zumindest wird der ganze Bereich schwieriger, weil die enormen Kapitalsubventionen, die bis dahin geleistet wurden und notwendig sind, aufgrund unserer Haushaltslage auch im Freistaat Sachsen nicht mehr aufzubringen sind. Ich erinnere hier nur an den Rückgang der EU-Strukturfördermittel, die sich in diesem Bereich natürlich bemerkbar machen. Insgesamt stehen die Strukturen für die nächsten Jahrzehnte. Wir müssen sie weiter mit Leben erfüllen.
Ich möchte insbesondere drei Ebenen hervorheben, die mir wichtig sind. Herr Bolick hat es bereits angesprochen. Ich denke, dass wir in Deutschland, aber insbesondere in Sachsen, ein Klima brauchen, das vom Respekt gegenüber Initiativen, sich selbstständig zu machen, geprägt ist. Es kann kein negatives Aushängeschild sein, wenn es jemand nicht geschafft hat, sich selbstständig zu machen, und den zweiten oder den dritten Anlauf unternimmt.
Ich denke, dass es insgesamt mehr Respekt erfordert, wenn sich jemand bemüht und es vielleicht auch schafft. Wir müssen weg von der Ansicht, dass jemand, der Unternehmer ist und sich etwas leisten kann, weil er dafür auch entsprechend arbeitet, so dargestellt wird, wie: Aha, der fährt einen Porsche, das ist ein Unternehmer, das ist ein Lump, der macht krumme Geschäfte!
Ich denke, dass dieser Bereich in der gesellschaftlichen Diskussion verstärkt werden muss. Es sind nun einmal nicht alle Unternehmer genauso wie Ackermann – wobei dieser ja keiner ist. Aber diese Selbstbedienungsmentalität ist im Unternehmertum insgesamt nicht vorhanden.
Wir brauchen in unserer Gesellschaft ein Klima, dass Menschen verstärkt Risiken eingehen und sie sich dessen bewusst sind. Nicht jeder schafft es allerdings, als Selbstständiger, als Unternehmer aufzutreten.
Daraus ableitend, komme ich zur zweiten Ebene. Dazu muss die entsprechende Unterstützung gegeben werden. Wir brauchen weiter staatliche Unterstützung. Dazu dienen insbesondere die Evaluierungen in den Punkten 4 und 5 unseres Antrages, vor allem auch aus unseren Hochschulen und Fachhochschulen, aus unseren Berufsakademien heraus in Kooperation mit der Industrie verstärkt Anleitung und Unterstützung zu geben, sich selbstständig zu machen. Ich bedauere das Auslaufen der Ich-AGs, dieser Stütze zur Selbstständigkeit. Wir müssen uns noch einmal genauer ansehen, welche Effekte es dabei gab und ob man Anschlussregelungen finden kann. Wenn man zum Beispiel das Thema Kombi-Lohn diskutiert, so finde ich, dass dieses Thema insbesondere bei Existenzgründern ganz besonders gut aufgehoben ist. Ich denke, dass in der Existenzgründungsphase für die Manpower, die benötigt wird, um ein Unternehmen aufzubauen, viel dringender Personal gebraucht wird. Dort eine staatliche Unterstützung zu geben, dass Existenzgründer Leute einstellen können, ist eine sinnvolle Sache.
Ich komme zum dritten Punkt: Wir brauchen Entlastungsmechanismen für die Tätigkeiten der Unternehmer, die eigentlich außerhalb ihres Gewerbes liegen. Ich gebe dazu nur einige Stichpunkte. Das Stichwort Zwangsmitgliedschaft IHK, Handwerkskammer, Berufsgenossenschaft, monatliche Lohnsteuer, vierteljährliche Umsatzsteuererklärung; das Thema SV spielt eine Rolle, das Thema Statistiken wird abgefragt und natürlich auch der Kampf mit den Banken, um die entsprechenden Fördermittel heranzuschaffen. – Das sind Beispiele dafür, dass viele, die ein Unternehmen haben, abends viele zusätzliche Stunden sitzen, um diese Aufgaben abzuarbeiten – was nur wenige sehen.
Herr Bolick sagte es und es ist, denke ich, unumstritten in diesem Hause, dass in Kleinst-, Klein- und mittleren Unternehmen der Tatsache eine große Bedeutung zukommt, dass drei Viertel aller abhängig Beschäftigen in solchen Unternehmen arbeiten und vier von fünf Jugend
lichen dort auf ihr Berufsleben vorbereitet werden. Zusammengefasst bedeutet dies: Wenn wir über Existenzgründung sprechen, sprechen wir über die Sicherung der wirtschaftlichen Zukunft Sachsens.
Deshalb haben wir diesen Antrag eingebracht. Wir möchten nicht auf dem Erreichten ausruhen, sondern neue Impulse setzen. Zum Ersten wollen wir evaluieren, wie viele Existenzgründungen es in welchen Branchen gegeben hat und welche Unterschiede zu anderen Ländern bestehen. Zum Zweiten wollen wir untersuchen, wie die Wachstums- und Wettbewerbsfähigkeit durch die Festlegung von Rahmenbedingungen durch den Freistaat erhöht werden kann.
Hierzu kann man anführen, dass zum Beispiel das Mikrodarlehen, welches eingerichtet wurde, eine sinnvolle Sache ist. Aber insgesamt müssen die Förderinstrumente schärfer darauf ausgerichtet werden, Existenzgründer zu unterstützen. Wir müssen schauen, wie man in den sich immer schneller wandelnden technologischen Bereichen anpassungsfähige Rahmenbedingungen schaffen kann. Zum Dritten – auch dies hat Herr Bolick angeführt – muss natürlich Bestandspflege betrieben und in die Unternehmensnachfolge investiert werden.
Wir möchten erkennen, ob durch die bisher durchgeführten Maßnahmen die erhofften Erfolge eingetreten sind. Fakt ist: Wir müssen die Gründung von Unternehmen mehr fördern. – Stimmen Sie unserem Antrag zu!