Protocol of the Session on October 15, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 119. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Zunächst darf ich ganz herzlich Herrn Prof. Dr. Peter Porsch zum Geburtstag gratulieren, ihm alles Gute wünschen, Gesundheit, Wohlergehen und was er sich sonst noch wünscht, was er uns vielleicht in der Regel vorenthält. Aber das soll ihm auch gewünscht sein.

(Beifall bei der CDU, der Linksfraktion, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Folgende Abgeordneten haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Altmann, Frau Kagelmann, Frau Simon, Herr Gebhardt, Herr Dr. Friedrich, Frau Mattern und Herr Dr. Müller.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat folgende Redezeiten für die Tagesordnungspunkte 7 bis 13 festgelegt: CDU 122 Minuten, Linksfraktion 94 Minuten, SPD 59 Minuten, NPD 45 Minuten, desgleichen FDP und GRÜNE, fraktionslose MdL je 7 Minuten und die Staatsregierung 94 Minuten. Die Redezeiten können wie immer von den Fraktionen entsprechend ihrem Redebedarf auf die Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Mir liegen drei als dringlich bezeichnete Anträge vor. Ich rufe zuerst den als dringlich bezeichneten Antrag der Linksfraktion in der Drucksache 4/13561 „Jetzt umsteuern, Forderungen für ein Maßnahmepaket des Bundes zur Bewältigung der Finanzmarktkrise und einer drohenden Wirtschaftskrise“ auf. Der Antrag ist am 14. Oktober 2008 eingereicht worden.

Um nach § 54 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung von der Einreichungsfrist von drei Arbeitstagen vor der Plenarsitzung abzuweichen, beantragt die Linksfraktion mit der Drucksache 4/13562 gemäß § 111 der Geschäftsordnung eine Fristverkürzung für den Dringlichen Antrag der Linksfraktion. Ich bitte um Begründung des Antrages.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir leben in historischen Zeiten. Die Bundesregierung hat am gestrigen Tag einen Gesetzentwurf in das parlamentarische Verfahren gebracht, der erst am Montag um 17:07 Uhr fertiggestellt wurde. Mit einem Programm von unvorstellbaren 500 Milliarden Euro sollen die Folgen des Taumelns des weltweiten Finanzsystems gemindert werden. Das Tempo, das an den Tag gelegt wird, lässt ebenfalls taumeln. Schon am Freitag soll der Gesetzentwurf, der heute in 1. Lesung im Bundestag behandelt wird, verabschiedet werden. Dabei sollen der Bundestag und der Bundesrat einen Blankoscheck unterschreiben, ohne die geringste Mitsprache bei der Abwicklung und Durchführung dieses Jahrhundertkraftaktes zu haben.

Die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen von CDU und SPD haben bereits deutlich gemacht, dass sie die Länderfürsten zur Räson bringen werden. Herr Tillich, in diesem Verfahren sind Sie nur noch die Karikatur eines Ministerpräsidenten.

Auch wenn wir alle um die bedrohliche Situation des deutschen Finanzplatzes und der Wirtschaft wissen: Dieses Paket hat kein Vertrauen, sondern Misstrauen bei den Ländern geschaffen.

Der von uns vorgelegte Antrag muss dringend behandelt werden, um die einzige Chance zu nutzen, auf dieses Gesetz Einfluss zu nehmen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wenn die Ministerpräsidenten morgen zum Rapport im Bundeskanzleramt antreten, muss klar sein, dass das Parlament des Freistaates Sachsen einer doppelten Haftung aus dem Finanzmarktstabilisierungsfonds und aus den bestehenden Verbindlichkeiten aus dem Debakel der Landesbank auf keinen Fall zustimmen wird.

Der Antrag muss dringend behandelt werden, damit das Parlament deutlich machen kann, dass wir verbindliche Mitsprache bei den Bedingungen und Auflagen zur Inanspruchnahme des Fonds fordern. Der Sächsische Landtag muss sich dringend mit diesem Antrag befassen, damit die Verantwortlichen in Vorständen und Aufsichtsgremien nicht ungeschoren davonkommen.

Für die Fraktion DIE LINKE besteht ebenfalls dringender Handlungsbedarf, der vorhersehbaren Rezession entgegenzutreten. Der Sachverständigenrat hat in seinem Gutachten von einer möglichen Schrumpfung der deutschen Wirtschaft von bis zu 0,8 % gesprochen und die optimistische Variante ist 0,2 % Wachstum. Damit sind verheerende Folgen für die arbeitenden Menschen in unserem Land wie auch für die Einnahmen der öffentlichen Haushalte verbunden. Wir müssen jetzt handeln, um die Folgen der schweren Krise der Weltwirtschaft abzumildern. Der Leistungsüberschuss der deutschen Wirtschaft aus dem Ausland wird uns dabei nicht mehr helfen. Wir müssen jetzt die Binnenkaufkraft und damit den Konsum stärken.

Wir sind uns sicher, dass Sie dem Anliegen unseres Antrages in vielen Punkten folgen können und mit uns der Dringlichkeit des Antrages und auch der außergewöhnlichen Situation Rechnung tragen werden.

Vielen Dank für Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Mir liegt weiterhin ein als dringlich bezeichneter Antrag der NPD-Fraktion in der Drucksache 4/13563 vor: „Fachregierungserklärung zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz des Bundes“. Der Antrag ist am 15. Oktober 2008 eingereicht worden.

Ich mache hierbei darauf aufmerksam, dass der Dringliche Antrag nur dann behandelt werden kann, wenn es zu einer Fristverkürzung nach § 111 Geschäftsordnung kommt. Ich bitte, dass die NPD-Fraktion den Antrag einbringt.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Finanzkrise hat Deutschland fest im Griff. Deshalb wollen wir mit unserem Dringlichen Antrag – analog zu dem, was mein Vorredner schon beantragt hat – dieses Thema und seine Auswirkungen vor allem auf die Bundesländer und insbesondere für den Freistaat Sachsen behandelt wissen.

Am Wochenende – das wissen Sie alle – hat die Bundesregierung ein fast 500 Milliarden Euro schweres Maßnahmenpaket für die angeschlagenen Banken in Deutschland verabschiedet und möchte es nun am Freitag durch Bundestag und Bundesrat boxen. Dabei sollen die Bundesländer mit bis zu 35 % der Gesamtsumme beteiligt werden. Das heißt, auf Sachsen kommen je nach Berechnungsmodus unter Umständen mehrere Milliarden Euro an Bürgschaften zu. Dies, meine Damen und Herren, ist in meinen Augen eine Gefahr für die finanzielle Zukunft des Freistaates. Darüber dürfen die Staatsregierung und auch der Ministerpräsident oder ein Minister allein nicht entscheiden. Dieses Thema muss hier im Landtag debattiert, diskutiert und natürlich auch entschieden werden. Deshalb wollen wir mit unserem vorliegenden Dringlichen Antrag die Staatsregierung auffordern, morgen oder auch notfalls heute eine Regierungserklärung zu diesem Thema abzugeben, damit der Landtag in aller Öffentlichkeit die Argumente diskutieren, abwägen und auch entscheiden kann.

Zur Dringlichkeit: Ich glaube, noch kein Dringlicher Antrag war bisher so dringend wie dieser. Details des Vorhabens der Bundesregierung sind erst am Sonntagabend bzw. am Montag bekannt geworden, also gerade einmal vor zwei Tagen. Damit war natürlich die Einreichung eines fristgemäßen Antrages nicht möglich. Schon übermorgen soll im Bundesrat über dieses für die Zukunft Sachsens so wichtiges Thema entschieden werden. Deshalb bleibt uns nur noch heute oder morgen Zeit, um über dieses Thema im Landtag zu debattieren und zu einer Entscheidung zu kommen. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zur Dringlichkeit des Antrages und natürlich auch zur Fristverkürzung.

Ich denke, meine Damen und Herren, und das möchte ich hier in aller Deutlichkeit sagen: Das sind wir den Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen, den Steuerzahlern – denn um deren Geld geht es letztlich – wahrhaftig schuldig, damit die Staatsregierung keinen Blankoscheck bekommt zu entscheiden, wie sie will.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Es liegt weiterhin ein als dringlich bezeichneter Antrag der

Fraktion GRÜNE, Drucksache 4/13547, vor: „Rettungspaket – Finanzkrise – keine Solidarität ohne Mitsprache und Erfolgsbeteiligung“. Der Antrag ist am 14. Oktober 2008 eingereicht worden.

Auch hierbei ist es erforderlich, dass nach § 111 über eine Fristverkürzung abgestimmt wird, um den Dringlichen Antrag, so er heute angenommen werden sollte, auch behandeln zu können. – Bitte, Herr Dr. Gerstenberg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Finanzkrise hat eine außerordentliche Situation geschaffen. Diese außerordentliche Situation muss mit außerordentlichen Mitteln behandelt werden. Aus diesem Grunde wird sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht grundsätzlich dem Finanz- bzw. Hilfepaket der Bundesregierung verschließen. Das sind wir den Menschen schuldig, die Sicherheit für ihre finanziellen Anlagen suchen. Das sind wir auch der Wirtschaft schuldig, die Investitionssicherheit braucht.

Es kann aber keine Hilfe ohne Mitsprache und ohne Erfolgsbeteiligung geben. Das Land Sachsen wird sich, wie wir seit Montag wissen, möglicherweise bis zu einer Größenordnung von 8 Milliarden Euro beteiligen müssen, zum Teil in Bürgschaften. Eine solche Größenordnung bedingt ohne jeden Zweifel, dass sich der Sächsische Landtag mit dieser Angelegenheit beschäftigt und vor der Beschlussfassung handelt.

Aus diesem Grund haben wir gestern einen Dringlichen Antrag eingereicht. Die Tatsachen sind faktisch erst am Montag bekannt geworden. Die abschließende Behandlung wird am Freitag im Bundesrat erfolgen. Die Dringlichkeit steht sicher für jeden hier im Saal außer Frage.

Wir beantragen außerdem eine Fristverkürzung der Dreitagesfrist, die in der Geschäftsordnung unseres Landtages steht, und beantragen, den Antrag am heutigen Tag zu behandeln. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass wir uns in einer außerordentlichen wirtschaftlichen und Finanzsituation befinden. Wir sehen, dass die Bundesregierung und der Bundestag ein außerordentliches Eilverfahren in der Gesetzgebung eingeschlagen haben. In einer solchen Situation sollte auch der Sächsische Landtag zu einer außerordentlichen Behandlung mit einer Fristverkürzung in der Lage sein und sich nicht auf die Buchstaben der Geschäftsordnung zurückziehen, die für friedliche, krisenfreie Zeiten geschrieben worden ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zu den Anträgen selbst. Es ist beantragt worden, eine Fristverkürzung nach § 111 der Geschäftsordnung vorzunehmen. Wird dazu das Wort gewünscht? – Herr Lehmann, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rettung des deutschen Banksystems ist in der Tat eine Aufgabe von herausra

gender nationaler Bedeutung. Wir sind der Bundesregierung für ihr entschlossenes Handeln dankbar.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Oh ja!)

Die Gespräche über die Beteiligung der Bundesländer sind noch in vollem Gange. Sie werden voraussichtlich noch den ganzen heutigen Tag andauern. Die Staatsregierung plant, den Landtag morgen im Plenum unverzüglich über die erreichten Ergebnisse zu informieren. Dieser Information schließt sich, wie wir wissen, eine Ausspracherunde der Fraktionen an, in der jede Fraktion ihren Standpunkt darstellen kann und in der auch Entschließungsanträge der Fraktionen zur Abstimmung gestellt werden können.

Aus diesem Grunde ist es nicht notwendig, heute von der Geschäftsordnung über den § 111 abzuweichen. Wir können uns morgen mit dem Thema strukturiert befassen, und ich werde Ihnen empfehlen, dem § 111 nicht zuzustimmen. Ich freue mich darüber hinaus auf die morgige Debatte.

(Beifall bei der CDU – Klaus Tischendorf, Linksfraktion: Es ist ja noch so viel Zeit!)

Wird weiterhin das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Dulig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was wir in den letzten Tagen erlebt haben und was nach wie vor aktuell auf der Tagesordnung steht, ist schon eine dramatische Entwicklung, und es betrifft alle. Wenn man die Zeitungen liest, wenn man Fernsehen schaut, ist das ein Thema, bei dem deutlich wird: Damit beschäftigen sich die Menschen. Das hat etwas mit Sicherheit zu tun, mit einer sozialen Sicherheit, die die Menschen brauchen, auch perspektivisch. Darum müssen wir uns natürlich auch hier damit beschäftigen, und das ist eine Frage, vor der wir alle stehen: in Berlin und hier in Dresden.

Zurzeit wird verhandelt. Wir wissen gar nicht, worüber wir jetzt, in diesem Moment, sprechen können. Deshalb ist der Vorschlag, morgen darüber zu reden, richtig, weil wir dann auch mehr Informationen haben werden, über die wir sprechen können; denn wir sind es den Menschen in diesem Land wirklich schuldig, dass wir uns intensiv mit diesem Thema auseinandersetzen.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Quatsch!)

Für mich ist das kein Quatsch.

(Sebastian Scheel, Linksfraktion: Wir haben einen Entwurf!)

Entschuldigung, wenn Sie schon wissen, was das Verhandlungsergebnis der Länder mit dem Bund ist, dann sind Sie ein Hellseher. Tun Sie doch bitte nicht so! Das ist doch absoluter Schwachsinn! Also, Entschuldigung!

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, Linksfraktion)

Herr Scheel, bitte schön, halten Sie sich zurück!

Es ist der Sache wirklich nicht angemessen, was Sie hier machen. Entweder führen wir eine Diskussion, oder Sie machen eine Show. In dieser dramatischen Situation noch Spielchen zu machen, finde ich schlimm. Wir sollten wirklich, wenn wir Informationen haben, darüber sprechen. Das Angebot, diese Aussprache morgen aufgrund einer Information der Staatsregierung mit der Möglichkeit von Entschließungsanträgen durchzuführen, ist der richtige Weg.