Protocol of the Session on January 22, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 98. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Wehner, Herr Schön, Herr Baier, Herr Schiemann, Herr Pietzsch und Frau Klinger.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 1 bis 3 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 100 Minuten, Linksfraktion 70 Minuten, SPD 30 Minuten, NPD, FDP, GRÜNE je 26 Minuten, fraktionslose MdL je 4 Minuten, Staatsregierung 120 Minuten.

Meine Damen und Herren! Ich frage, ob es zu der vorliegenden Tagesordnung Ihrerseits noch Änderungsanträge gibt. Mir liegt in der Drucksache 4/10949 ein als dringlich bezeichneter Antrag der Linksfraktion unter dem Titel „Berichterstattung des Sächsischen Innenministers über den Polizeieinsatz vom 15. Januar 2008 zur Beendigung der Baumbesetzung auf einer Zufahrtsstraße für die geplante Waldschlößchenbrücke in Dresden“ vor.

Der Landtag hat die Möglichkeit, diesen Antrag nach Feststellung der Dringlichkeit auf die Tagesordnung zu setzen. Voraussetzung ist – –

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Herr Lichdi, gestatten Sie, dass Sie mir zuhören oder ich Ihnen zuhöre, ganz egal.

Der Landtag hat die Möglichkeit, die Dringlichkeit festzustellen. Dann würde dieser Antrag noch heute auf die Tagesordnung gesetzt werden.

Ich bitte um Begründung der Dringlichkeit, Frau Dr. Ernst.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linksfraktion beantragt, die Dringlichkeit des Ihnen vorliegenden Antrags zu einem Gegenstand, der sowohl bundesweit als auch international erhebliche Öffentlichkeit und Widerspiegelung gefunden hat, festzustellen. Wir wollen, dass der Innenminister dem Landtag unverzüglich – wir meinen, dass das unumgänglich ist – über die Umstände und das Vorgehen der Polizei, speziell des SEK und der Bereitschaftspolizei, am 15. Januar 2008 berichtet, als zur Räumung der von Umweltaktivisten von Robin Wood besetzten Buche auf einer Zufahrtsstraße zur geplanten Waldschlößchenbrücke ein massiver und in Kritik stehender Polizeieinsatz erfolgte.

Wir wollen unverzüglich klare Antworten – diese brauchen wir jetzt – zur Zulässigkeit dieser Nacht-und-NebelAktion, in der der Polizeieinsatz stattgefunden hat, und zur Verhältnismäßigkeit der dort eingesetzten polizeilichen Mittel.

Wir verlangen die Stellungnahme des Innenministers vor allem zur Behinderung der Presse während des Polizeieinsatzes; zur Verhinderung demokratischen und friedlichen Protestes durch die Zerstörung von Megafonen und Kameras während des Einsatzes; zum gefährlichen und fahrlässigen Vorgehen bei der Höhenintervention – ich denke an den Einsatz von Flex und das Abseilen der Aktivisten –; zu den absolut unverhältnismäßigen Maßnahmen am Boden, speziell bei der Sitzblockade, und zu den rechtlich unzulässigen Praktiken bei der Gewahrsamnahme.

Wir wollen dies jetzt geklärt wissen – deshalb auch der Antrag auf Feststellung der Dringlichkeit –, weil die Baumaktivisten 34 Tage lang beispielhaften friedlichen Protest ausübten – beispielhaften friedlichen Protest! –

(Beifall bei der Linksfraktion)

und sich mit einem Polizeieinsatz konfrontiert sahen, als wären sie Hools auf einem Fußballplatz.

Die Dringlichkeit ergibt sich aus Komplex 2 des Ihnen schriftlich vorliegenden Antrags. Wir wollen unverzüglich wirksame organisatorische, sachliche und rechtliche Vorkehrungen geschaffen wissen, um weitere derartige Auseinandersetzungen zu vermeiden und die Voraussetzungen für friedliche Proteste, die es gegen die Waldschlößchenbrücke täglich gibt und weiterhin geben wird, tatsächlich zu schaffen. Das Recht auf öffentliche Meinungsbildung und -äußerung, welches nach der Verfassung ein Grundrecht ist, muss unverzüglich gewährleistet werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Insofern ergibt sich die Dringlichkeit unseres Antrages aus vier Punkten:

1. Rechtswidrige Praktiken – wie in diesem Fall – bei Polizeieinsätzen müssen unverzüglich geahndet werden, damit sie nicht erneut und gerade bei solch sensiblen Punkten, wie wir sie hier auf der Tagesordnung haben, durchgeführt werden.

2. Bei kommenden Auseinandersetzungen zur Waldschlößchenbrücke – gestern fand eine Demonstration statt; weitere Kundgebungen und öffentliche Proteste wird es geben – muss rechtlich einwandfrei und verhältnismäßig vorgegangen werden.

Bitte zum Schluss kommen.

3. Wir müssen die öffentliche Meinungsäußerung ungehindert zulassen.

4. Um dem weiteren Ansehensverlust des Freistaates entgegenzuwirken, muss die Dringlichkeit heute bestätigt werden. Darum bitte ich Sie.

(Beifall bei der Linksfraktion und des Abg. Johannes Lichdi, GRÜNE)

Wird dazu das Wort gewünscht? – Herr Lehmann, bitte.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion: Da kann er ja nur noch Ja sagen!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Eine alte Weisheit sagt: Wer auf einen Baum klettert, muss sehen, wie er wieder herunterkommt.

(Heiterkeit bei der CDU)

Im Fall der Buche an der Bautzner Straße/Ecke Angelikastraße hat die sächsische Polizei nach einer doch großzügigen Wartefrist den, zumindest ihrem Dialekt nach, nicht sächsischen Baumsitzern vom Baume wieder heruntergeholfen – nicht „ruppig“, wie Sie in Ihrer Begründung sagen, sondern strukturiert, effektiv und damit professionell. Das von Ihnen erwartete ultimative Spektakel ist zu Ihrem Bedauern ausgeblieben.

Sie wollen heute mit dieser Geschäftsordnungsdebatte zu Ihrem als dringlich bezeichneten Antrag etwas nachspektakeln. Ziel der Linken ist es, die Arbeit der sächsischen Polizei madig zu machen. Das wird Ihnen nicht gelingen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP – Zurufe von der Linksfraktion: Das ist doch Unfug!)

In Ihrer Begründung sprechen Sie von „unmittelbar bevorstehenden“ neuen Protestaktionen. Das müssen Sie uns schon genauer erklären. Nur mit Vermutungen lässt sich eine Dringlichkeit nach § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung nicht feststellen. Eine Baumbesetzung kann es wohl nicht wieder sein; die Bäume sind ja nun abgesägt.

(Unruhe bei der Linksfraktion)

Die Staatsregierung ist durchaus willens und in der Lage, dem Sächsischen Landtag im üblichen Verfahren die Modalitäten des Polizeieinsatzes zu erläutern.

Liebe Frau Dr. Ernst, Sie hätten den Vorgang auch fristgemäß zum Gegenstand Ihrer Aktuellen Debatte am Freitag machen können.

(Zurufe von der Linksfraktion: Das stimmt nicht!)

Warum Sie das nicht getan haben, bleibt Ihr Geheimnis.

Das Präsidium hat auf seiner letzten Sitzung Ihren Antrag als nicht dringlich eingestuft. Da sich seitdem inhaltlich nichts verändert hat, können wir auch heute Ihrem Antrag auf Feststellung der Dringlichkeit aus Geschäftsordnungsgründen nicht folgen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Herr Dulig, bitte.

Da soeben bei der Begründung der Dringlichkeit auch schon inhaltliche Argumente angeführt

worden sind – sowohl zur Zustimmung als auch zur Ablehnung –, will ich für meine Fraktion klarmachen, dass wir uns nur auf die rein formale Frage der Dringlichkeit beziehen und diese ablehnen, weil wir sie nicht sehen. Damit nehmen wir noch keine inhaltliche Wertung vor.

Es wird weiter das Wort gewünscht. Frau Dr. Ernst.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wozu ist ein Parlament da, wenn es nicht auf solche Ereignisse, die bundesweit und international Widerhall gefunden haben, reagiert? Wann wollen wir reagieren?

(Beifall bei der Linksfraktion)

Nächstes Mal, im März? Im April? Wenn es Ihnen passt? Ich denke, wir müssen jetzt reagieren.

Wenn Sie wenigstens akzeptieren würden, dass demokratischer Protest, wie er dort stattgefunden hat, in positiver Weise geahndet werden sollte! Wenn man nicht wenigstens Hochachtung denjenigen gegenüber zum Ausdruck bringt, die 34 Tage friedlich demonstriert haben, und sie stattdessen verhöhnt, wie Sie das getan haben, Herr Lehmann, dann muss ich wirklich sagen, dass wir hier am falschen Ort sind. Das, was Sie hier machen, betrachte ich wirklich als Farce. Ich kann nur sagen: Das ist peinlich für den Freistaat.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Herr Lichdi.

(Unruhe bei der CDU)