Protocol of the Session on June 22, 2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 53. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages. Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Prof. Dr. Milbradt, Herr Winkler, Herr Dr. Metz, Herr Colditz, Herr Zastrow, Herr Eggert und Frau Dr. Schwarz.

Meine Damen und Herren, die Tagesordnung zu unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium festgelegt: für die Tagesordnungspunkte 2 bis 6 CDU 95 Minuten, Linksfraktion.PDS 75 Minuten, SPD, NPD, FDP und GRÜNE jeweils 40 Minuten, fraktionslose MdL 7 Minuten und die Staatsregierung 75 Minuten. Die Redezeiten können wie immer auf die Tagesordnungspunkte entsprechend dem Redebedarf der Fraktionen verteilt werden.

Ich frage, ob es zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung noch Ergänzungen gibt. – Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Folgende Situation war entstanden: Die FDPFraktion hat zeitgleich mit meiner Fraktion, der NPDFraktion, eine Aktuelle Debatte zum Thema Bürokratieabbau eingereicht. Wir hatten uns dann mit der FDP

Fraktion darauf geeinigt, dass wir das heute zusammen machen. Ich hatte mich mit Herrn Zastrow abgesprochen, dass heute beide Aktuellen Debatten zu einer Stunde zusammengefasst werden. Das ist vom Präsidium in seiner Weisheit abgelehnt worden, weil es diesen Fall angeblich noch nicht gab. Das führt dazu, dass wir heute und morgen jeweils in einer Aktuellen Debatte zum Thema Bürokratieabbau sprechen würden.

Die NPD-Fraktion hat sich deshalb entschlossen, heute auf diese Aktuelle Debatte zu verzichten und sie morgen zusammen mit der FDP-Fraktion zu führen, um uns eine Dopplung zu ersparen. – Vielen Dank.

(Jürgen Gansel, NPD: Das ist doch mal ein feiner Zug, oder?)

Meine Damen und Herren, gibt es weitere Änderungsanträge zur Tagesordnung? – Wenn das nicht der Fall ist, dann bitte ich die Absetzung der Aktuellen Debatte von der Tagesordnung zur Kenntnis zu nehmen. Wir werden nun die Ihnen vorliegende Tagesordnung abarbeiten. Mit Ihrem Einverständnis ist diese Tagesordnung für unsere heutige Sitzung beschlossen.

Meine Damen und Herren, wir kommen damit zur Tagesordnung selbst. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

Aktuelle Debatte

Das Versagen der Staatsregierung bei der demokratischen Erarbeitung des Entwicklungsprogramms 2007 bis 2013 für den ländlichen Raum

Antrag der Linksfraktion.PDS

Die Verteilung der Gesamtredezeit hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, Linksfraktion.PDS 31 Minuten, SPD 12 Minuten, NPD 17 Minuten, FDP und GRÜNE je 12 Minuten. Hier würde sich bei der NPD-Fraktion etwas ändern. Das müssten dann auch 12 Minuten sein.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Aktuellen Debatte selbst. Als Antragstellerin hat zunächst die Linksfraktion.PDS das Wort, die weitere Reihenfolge: CDU, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Linksfraktion.PDS, das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In diesem Jahr fallen die auf Jahre hinaus wichtigsten Entscheidungen für den ländlichen Raum in Sachsen. Es geht um dessen Förderung mit Hilfe des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung im ländlichen Raum, kurz ELER genannt. Dafür muss ein Entwicklungsprogramm für den ländli

chen Raum im Freistaat Sachsen 2007 bis 2013 erarbeitet und der Europäischen Kommission zur Genehmigung vorgelegt werden, damit in diesem Zeitraum rund 805 Millionen Euro Fördermittel nach Sachsen fließen können.

Die EU-Verordnung für den ELER schreibt zwingend eine partnerschaftliche Erarbeitung dieses Entwicklungsprogramms vor. Wer sind nun die Partner für die Staatsregierung? Wohlgemerkt: Partner! Erstens sind das die zuständigen regionalen, lokalen und sonstigen öffentlichen Körperschaften, zweitens die Wirtschafts- und Sozialpartner und drittens sonstige geeignete Einrichtungen, die die Zivilgesellschaft vertreten. Das sind Nichtregierungsorganisationen, wie zum Beispiel Umweltorganisationen und Einrichtungen für die Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen. All diese Menschen, meine Damen und Herren, warten seit über einem Jahr vergeblich auf die partnerschaftliche Einbeziehung durch das sächsische Landwirtschafts- und Umweltministerium.

Aus diesem Grund werfen wir von der Linksfraktion.PDS der Staatsregierung und vor allem Herrn Staatsminister Tillich persönlich vor, rechtswidrig im Sinne der ELERVerordnung einen Alleingang bei der Erarbeitung des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum zu unternehmen.

Worauf richtet sich die Kritik der Linksfraktion.PDS im Einzelnen? Die Staatsregierung soll nach der ELERVerordnung, das ist dort nachzulesen, die Bedingungen für eine weit gespannte und effiziente Beteiligung aller relevanten Einrichtungen schaffen. Weit gespannt und effizient? Davon kann in Sachsen keine Rede sein. Die Partnerschaft soll sich auf die Ausarbeitung und Begleitung des nationalen Strategieplanes erstrecken. Das ist Bundesangelegenheit und steht heute nicht zur Debatte. Die Partnerschaft soll sich aber genauso auf die Ausarbeitung, Durchführung, Begleitung und Bewertung der Entwicklungsprogramme für den ländlichen Raum erstrecken. Auch hier Fehlanzeige in Sachsen.

Die Staatsregierung soll weiterhin nach der ELERVerordnung alle relevanten Partner an den verschiedenen Stufen der Programmplanung beteiligen. Auch das hat bisher in Sachsen nicht stattgefunden. Die Partner, die Wirtschafts- und Sozialverbände, wollen nicht nur irgendwann zu ihrer Meinung zur von der Staatsregierung beschlossenen Förderung für den ländlichen Raum befragt werden, sondern sie wollen einbezogen werden. Das ist ihr gutes Recht. Zu guter Letzt sollen nach der Verordnung alle Entwicklungsprogramme, also auch das sächsische, vor der Genehmigung durch die EU in enger Abstimmung mit den Partnern festgelegt werden. Für diese Genehmigung sehe ich bei der bisherigen Verfahrensweise im Landwirtschafts- und Umweltministerium einfach schwarz. Diesen Nachweis werden Sie, Herr Staatsminister Tillich, gegenüber der EU-Kommission nicht führen können, wenn Sie so weitermachen wie bisher.

Es ist also höchste Zeit, dass Sie von Ihrem hohen Ross herunterkommen. Warum begreifen Sie nicht, dass das Landwirtschafts- und Umweltressort nicht die Staatskanzlei, elitär eingerichtet und abgeschottet von der Außenwelt, ist? Geben Sie den Partnern unverzüglich die Möglichkeit, partnerschaftlich an der Erarbeitung des Entwicklungsprogramms teilzunehmen! Ansonsten sollte es mich nicht wundern, wenn in Kürze für Sachsen bei der Europäischen Kommission Beschwerden über das Vorenthalten von gesetzlich verbrieften Beteiligungsrechten eingehen. In unseren Augen wäre das keineswegs eine Nestbeschmutzung, sondern einfach nur Nothilfe.

Ich frage mich, warum Sie sich derartige Schnitzer leisten. Sie sind doch in den letzten Jahren in Brüssel in Sachen Landwirtschaft und Naturschutz mehrfach unangenehm aufgefallen.

(Staatsminister Stanislaw Tillich: Na aber!)

Das „na aber“ reicht schon. Ich muss es nicht weiter kommentieren. Sie wissen ganz genau, was gemeint ist. Wollen Sie neuerliche Konflikte mit der Kommission

riskieren? Glauben Sie, dass Sie wieder mit einem blauen Auge davonkommen? In jedem Fall setzen Sie Sachsens Handlungsfähigkeit im ländlichen Raum aufs Spiel.

Unsere Forderung ist: Setzen Sie sich stattdessen mit den ELER-Partnern an einen Tisch! Nutzen Sie die nächsten Monate für ausführliche und inhaltsorientierte Gespräche mit ihnen. Das hätte einen beachtenswerten mehrseitigen Nebeneffekt: Sie wüssten dann besser, worüber Sie im Landtag sprechen, und ich könnte mich endlich auf wirklich inhaltliche Auseinandersetzungen mit Ihnen freuen.

In meinem nächsten Redebeitrag werde ich dennoch die inhaltliche Auseinandersetzung versuchen. Für jetzt bedanke ich mich erst einmal für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Herr Heinz, bitte.

Andreas Heinz, CDU : Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Beim Lesen des Titels der Debatte fühle ich mich versucht, die Antragstellerin einmal so zu behandeln, wie es gelegentlich Altministerpräsident Biedenkopf mit Journalisten getan hat, die sich durch sehr unqualifizierte Fragestellungen ausgezeichnet haben. Er hat nämlich den betreffenden Journalisten gesagt: Wer die Frage so stellt, wie sie gestellt ist, der hat entweder keine Ahnung vom Thema oder ist nicht an einer wirklich sachlichen Behandlung des Themas interessiert. Er hat den Journalisten dann weiter gesagt, wie denn die Frage zu stellen wäre, wenn man Ahnung gehabt hätte oder wenn man das Thema sachlich aufarbeiten möchte. Er hat dann die Frage so beantwortet, dass sie dem Thema angepasst war.

Worin zeichnet sich aus, dass der Antragsteller an einer sachlichen Abhandlung des Themas nicht interessiert sein kann? Ich habe einmal herauszufinden versucht, wie eine demokratische Erarbeitung in den Richtlinien definiert ist. Ich konnte dazu nichts finden. Die meisten der Bürger verbinden EU weniger mit Demokratie als eher mit Bürokratie. Insofern liegt es nahe, dass es hier von der Bürokratie festgelegte Regeln gibt, wie solch ein Plan aufzustellen ist. Wenn man dann nach solchen Regeln sucht, wird man auch fündig, unter anderem in Artikel 6 der entsprechenden Richtlinie, in dem auch die Beteiligung der Sozialpartner festgeschrieben ist. Zeiten, genaue Fristen, wo, wann und an welcher Stelle die Sozialpartner einzubinden sind, finden wir dort nicht. Insofern kann nicht hergeleitet werden, dass irgendetwas versäumt wurde oder jemand zu spät einbezogen worden ist. Es wurde auch der eine oder andere nicht vergessen.

Die gesamten einführenden Bemerkungen zum ELERProgramm muss ich an dieser Stelle nicht wiederholen, möchte aber noch kurz darauf eingehen, dass man, bevor man ein Programm erarbeitet, trotzdem gewisse Grundlagen dafür haben muss. Die entsprechende Verordnung zur Erarbeitung des ELER ist seit Oktober 2005 in Kraft und

als Rechtsgrundlage für alle verbindlich. Das heißt, an dieser Stelle konnte eigentlich erst die Erarbeitung beginnen.

Als Nächstes: Wenn wir einen Plan erarbeiten, ist es ganz klug zu wissen, wie viel Geld zur Verteilung zur Verfügung steht, um uns am Ende nicht von der Opposition vorwerfen lassen zu müssen – was sicherlich geschehen würde –, dass entweder zu viel oder zu wenig Geld unter die Leute gebracht wird. Diese zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel sind seit wenigen Tagen, das heißt genau seit Dezember, auf dem Berliner Gipfel durch die Regierungschefs beschlossen worden. Die Zahl ist noch nicht verbindlich, weil die Europäische Kommission bzw. das Parlament dazu noch einen Beschluss fassen muss.

Wir sind also hier im Prinzip der Zeit schon sehr voraus: Wir haben trotz noch nicht genau feststehender Rahmenbedingungen die Pläne bearbeitet. Das ist auch gut und richtig so; denn man wartet am Anfang einer neuen Förderperiode nicht nur auf Pläne aus Sachsen, die zu genehmigen sind, sondern aus der gesamten EU werden derartige Unterlagen eingehen. Insofern muss unser Ziel sein, die Unterlagen möglichst zeitnah einzureichen, sodass die Bearbeitung möglichst schnell erfolgt und zum 01.01.2007 die Arbeit mit bestätigten Richtlinien beginnen kann. Ich möchte mir das Theater nicht vorstellen, was denn wäre, wenn Sachsen seine Programme wieder zuletzt genehmigen lassen würde.

Ich möchte mich an dieser Stelle beim Sächsischen Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft für die hier gewählte Verfahrensweise bedanken und erwähnen, dass der Kreis der Sozialpartner im Rahmen der Erarbeitung erweitert worden ist, und zwar von 38 auf 44 Sozialpartner, die mit angehört wurden, und dass diese Liste nach oben hin offen ist. Ich kann an dieser Stelle der Opposition, in dem Fall der Antragstellerin, nur zurufen: Gut gebrüllt, aber leider an der völlig falschen Stelle!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile der Fraktion der SPD, Frau Dr. Deicke, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als ich den Titel der Debatte gelesen habe, fiel mir auf, dass über dieses Thema schon einmal debattiert wurde. In der Tat hat es eine ähnliche Debatte bereits im letzten Jahr gegeben, damals zu einem Antrag der GRÜNEN. Dieser Antrag war betitelt: „EUStruktur- und -Landwirtschaftsfonds: Partizipationsmöglichkeiten lokaler und regionaler Akteure in Sachsen für die Diskussion über die Förderperiode von 2007 bis 2013 frühzeitig verbessern“.

Bei dem Antrag der GRÜNEN ging es um alle europäischen Fonds, heute geht es nur um den ELER-Fonds und damit um das Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum, das die Staatsregierung jetzt im Entwurf vorgelegt hat.

In der Debatte im September konnte nach meiner Meinung eindeutig dargelegt werden, dass es bereits im Vorfeld eine breite Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialpartner gegeben hat. Diese Beteiligung wird in einem kontinuierlichen Prozess fortgesetzt. Die EU schreibt diese Beteiligung vor. Das haben meine Vorredner auch betont.

(Dr. André Hahn, Linksfraktion.PDS: Warum macht ihr das nicht?)

Sie verlangt eine Einbeziehung der maßgeblichen Akteure in die Ausarbeitung der Maßnahmen zur Entwicklung der ländlichen Räume, noch einmal nachzulesen in der Verordnung selbst.

Sachsen hat diese Vorgaben bei der Erarbeitung des Programms ausreichend berücksichtigt, und auch nach der Vorlage des Entwurfs findet noch einmal eine Beteiligung der Wirtschaft- und Sozialpartner statt. Also von einem Alleingang kann da wahrlich nicht die Rede sein.

Im Juli soll dann im Kabinett darüber entschieden werden. Ich gehe davon aus, dass der Staatsminister dazu im Einzelnen sicherlich noch einmal die demokratische Beteiligung darlegen will. Deswegen erstaunt es mich schon, dass die Linksfraktion jetzt diese Debatte wieder aufwärmt. Schon damals gab es keinen Grund für derartige Vorwürfe gegen die Staatsregierung, genauso wenig wie jetzt. Offenbar hat die Linksfraktion aber ein anderes Verständnis von demokratischer Beteiligung, als wir es haben.

Man muss aber eingestehen, dass die Erstellung des Programms mit Problemen verbunden war und noch weitere Hürden zu nehmen sind. Das hängt aber nicht mit mangelnder Beteiligung zusammen, sondern mit dem enorm engen Zeitplan. Ich erinnere noch einmal daran, dass es nach langen Verhandlungen in Brüssel gelungen ist, in Bezug auf die Förderperiode 2007 bis 2013 eine Einigung zu erzielen. Das war damals ein hartes Stück Arbeit und erst am 20. September 2005 konnte die ELERVerordnung verabschiedet werden. Auf dieser Grundlage wurde der nationale Strategieplan erarbeitet, der bisher aber auch erst im Entwurf vorliegt. Damit ist noch nicht einmal klar, welche Konvergenzmittel Sachsen zusätzlich erhält. Unter diesen Bedingungen ist die Erarbeitung dieses Programms schwierig, vor allem deshalb, weil die neue Förderperiode schon in einem halben Jahr beginnt. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass die Kuh bis dahin vom Eis sein wird.

(Beifall bei der SPD)