Protocol of the Session on July 13, 2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 23. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Herr Heidan, Frau Simon, Frau Dr. Schwarz, Herr Nolle, Herr Dr. Friedrich und Frau Nicolaus. Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung zu unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 2 bis 9 folgende Redezeiten festgelegt: CDU-Fraktion 101 Minuten, PDS-Fraktion 77 Minuten, SPD-Fraktion 47 Minuten, NPD-Fraktion 47 Minuten, FDP-Fraktion 35 Minuten, GRÜNEFraktion 35 Minuten, Staatsregierung 77 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte entsprechend dem Bedarf verteilt werden. Meine Damen und Herren! In der Ihnen vorliegenden Tagesordnung bitte ich den Tagesordnungspunkt 18, Kleine Anfragen, zu streichen. Meine Damen und Herren! Anträge zur Tagesordnung liegen mir nicht vor. Mir liegt aber ein Antrag der Fraktion der PDS vor, eine Erklärung gemäß § 80 der Geschäftsordnung abzugeben. Ich bitte, dass das Wort genommen wird. Herr Tischendorf, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit der Vernehmung des Zeugen Ludwig Hausbacher durch den 1. Untersuchungsausschuss des 4. Sächsischen Landtages am vergangenen Montag sieht die PDS-Fraktion erheblichen Erklärungsbedarf der Staatsregierung zu den in dieser Angelegenheit bisher hier im Hohen Hause von ihr selbst getätigten Äußerungen. Es besteht der begründete Verdacht, dass die Sächsische Staatsregierung die Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses sowie den gesamten Sächsischen Landtag über ihre wahren Absichten im Skandal um die Sächsische Landesbank offensichtlich täuschen wollte. In seiner Regierungserklärung am 9. März dieses Jahres zum Thema „Landesbank“ führte der Ministerpräsident Folgendes aus: „Die Staatsregierung begrüßt es daher ausdrücklich, dass der Sächsische Rechnungshof den Wert der Anteile der Industrie- und Immobilienleasing GmbH (IIL) und der MDL AG ermitteln wird.“

Wenn jedoch in den darauf folgenden Wochen nach Aussagen des Zeugen Hausbacher im Auftrag des Finanzministers Dr. Metz der IIL zur Beendigung des Rechtsstreits ein Verhandlungsangebot in Höhe von 35 Millionen Euro unterbreitet und dies damit verknüpft wurde, die Einsetzung des Untersuchungsausschuss zu verhindern, dann ist das ein ungeheuerlicher Vorwurf gegenüber der Staatsregierung. Die Aussagen des Zeugen Hausbacher und die am gleichen Tag dem Untersuchungsausschuss von ihm übergebenen Unterlagen lassen zum jetzigen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß des Skandals um die Sächsische Landesbank und den Anteil, den die Sächsische Staatsregierung daran hat, noch nicht abschließend beurteilen.

Aus der Sicht der PDS-Fraktion geht es jetzt nicht mehr nur um das offensichtliche Fehlverhalten des Finanzministers, sondern es geht um das Fehlverhalten des Ministerpräsidenten selbst. Dieser ist durch die vorgelegten Akten am Montag in den Verdacht der Mitwisserschaft um die skandalösen Vorgänge um die Sächsische Landesbank und deren Tochter MDL geraten.

Aus diesem Grund fordert die PDS-Fraktion, dass sich die Sächsische Staatsregierung zu den im Raume stehenden schwerwiegenden Vorwürfen noch im Laufe der nächsten drei Plenartage hier erklärt. Ein Verschleppen bis nach der Sommerpause des Parlaments ist für uns in dieser Situation nicht hinnehmbar; das kann auch nicht im Interesse der Staatsregierung liegen.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Milbradt, am 25. Februar dieses Jahres haben Sie das Hohe Haus während seiner Beratung kurzfristig über die Ankündigung der Abberufung der Landesbankvorstände Michael Weiss und Rainer Fuchs informiert. Die PDS-Fraktion erwartet von Ihnen heute, dass Sie zu den jetzt bekannt gewordenen Anschuldigungen Gleiches tun.

Es geht diesmal aber um viel mehr. Es geht um das politische Schicksal Ihres Finanzministers und um Ihre eigene Glaubwürdigkeit als sächsischer Ministerpräsident.

(Beifall bei der PDS und vereinzelt bei der NPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung gibt es keine weiteren Anträge. Damit ist die Tagesordnung, wie sie Ihnen vorliegt, für unsere heutige Beratung beschlossen. Wir treten jetzt in die Tagesordnung ein.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Mehr Geld für Sachsens Kindertagesstätten: Gut für unsere Familien – gut für den Wirtschaftsstandort

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

2. Aktuelle Debatte: Steigende Energiepreise und energiepolitische Verwirrungen in Sachsen

Antrag der Fraktion der PDS

Die Verteilung der Gesamtredezeit hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU-Fraktion 39 Minuten, PDS-Fraktion 31 Minuten, SPD-Fraktion 14 Minuten, NPD-Fraktion 12 Minuten, FDP-Fraktion und GRÜNE

Fraktion ebenfalls je 12 Minuten; Staatsregierung, wenn gewünscht, 20 Minuten.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf die

1. Aktuelle Debatte

Mehr Geld für Sachsens Kindertagesstätten: Gut für unsere Familien – gut für den Wirtschaftsstandort

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Als Antragstellerinnen haben zunächst die Fraktionen der CDU und der SPD das Wort. Die weitere Reihenfolge in der ersten Runde lautet: PDS-Fraktion, NPDFraktion, FDP-Fraktion, GRÜNE-Fraktion, Staatsregierung, wenn gewünscht.

Die Debatte ist eröffnet. Herr Fraktionsvorsitzender Prof. Weiss, ich bitte Sie, das Wort zu nehmen.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Selten hat mich eine Schlagzeile so geärgert wie die folgende: „Der Anfang vom Ende der einst so vorbildlichen Kinderbetreuung im Osten scheint eingeläutet.“ Mein Ärger rührt nicht daher, dass meine Fraktion als Teil der Regierungskoalition in besagtem Artikel kritisiert wurde; da habe ich in meinem Leben schon ganz anderes ausgehalten. Nein, es war die Botschaft an unsere Gesellschaft, die mich so betroffen gemacht hat. Ich habe mir schlicht und einfach die Frage gestellt: Was machen junge Menschen, die da lesen: „Kürzen bei den Kurzen – Freier Kita-Zugang gescheitert – Anfang vom Ende der einst so vorbildlichen Kinderbetreuung“? Oder besser gefragt: Was machen sie nicht?

Von Konrad Adenauer stammt das Zitat: „Kinder kriegen die Leute sowieso“. Das war einmal. Heutzutage überlegen es sich junge Männer und Frauen dreimal, ob sie sich den Kinderwunsch erfüllen. Woran liegt das? Am viel zitierten Werteverlust? Oder gar am so genannten Karrierestreben der Frauen? Ganz gewiss nicht! Es ist vielmehr die traurige Tatsache, dass Kinder und deren Eltern in unserer Gesellschaft nicht die notwendige Wertschätzung finden.

Es ist zweitens ein Fakt, dass moderne Industrieländer mit einer vorbildlichen Kinderbetreuung, wie etwa Frankreich und Schweden, eine weitaus höhere Geburtenrate haben als wir.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalition hat diese Zusammenhänge erkannt und bereits im Koalitionsvertrag die richtigen Konsequenzen gezogen. Mit dem Haushalt 2005/2006 ist die Theorie – wie man früher sagte – zur materiellen Gewalt geworden. Wir haben die Landesmittel für die Kita-Betreuung auf 275 Millionen Euro in diesem bzw. 279 Millionen Euro im nächsten Jahr aufgestockt. Gegenüber 2004 sind die Zuschüsse um 14,0 % bzw. 15,7 % gestiegen.

Meine Damen und Herren von der PDS! Nennen Sie mir bitte ein einziges Bundesland, das an dieser Stelle so klare Akzente setzt. Selbst das von Ihnen so oft gerühmte Mecklenburg-Vorpommern ist stolz auf Erhöhungen von jeweils 2 %. Aber wir in Sachsen kitzeln aus einem Sparhaushalt das Siebenfache heraus.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Doch damit nicht genug! In einem Sonderprogramm stellen wir 2005 und 2006 den Kommunen jeweils 15 Millionen Euro für die Kita-Sanierung zur Verfügung. Für die Organisation und Durchführung des Schulvorbereitungsjahres sind zusätzlich Finanzmittel in Höhe von 3,2 Millionen Euro im Jahr 2005 bzw. 7,5 Millionen Euro im Jahr 2006 vorgesehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn so Kürzungen aussehen, dann lasse ich mich demnächst auch einmal kürzen.

Meine Damen und Herren! Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Es ist natürlich richtig, dass Opposition und Medien auf Schwachpunkte hinweisen und Kritik dort üben, wo es notwendig ist. Vor dem Hintergrund der Bedeutung des Themas für die Zukunft unserer Gesellschaft ist es jedoch schlichtweg verantwortungslos, beim

Suchen nach dem Haar in der Suppe den grundsätzlich positiven Trend vollkommen zu ignorieren.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Niemand kann bestreiten, dass im ersten Koalitionshaushalt alle Titel, die im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung stehen, deutlich, teilweise sogar überdeutlich aufgestockt wurden. Auch mit dem neuen Kita-Gesetz gehen wir einen großen Schritt nach vorn. Im Entwurf gibt es im Vergleich zur jetzigen Rechtslage keinen einzigen Punkt, der in die falsche Richtung führt. Es geht eigentlich nur darum, wie weit wir diesen Schritt geplant haben, mit dem wir nach vorn schreiten. Wir sind der Meinung, genau so weit, um am Ende auch noch auf den Beinen zu landen.

Meine Damen und Herren! Nichts ist so gut, als dass es nicht noch weiter verbessert werden könnte. Lassen Sie uns in der nächsten Zeit darüber diskutieren, welche praktischen Schlüsse aus den Ergebnissen der Ausschussanhörung der vergangenen Woche zu ziehen sind.

Wir aber sollten verantwortungsbewusst genug sein, nicht junge Menschen, die vor der Gründung einer Familie stehen, ohne Grund zu verunsichern.

(Beifall bei der CDU)

Die flächendeckende Versorgung mit Kita-Plätzen ist ein großer Standortvorteil für unser Land; den dürfen wir nicht einfach so aus parteipolitischen Gründen kaputtreden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Ich erteile das Wort der Fraktion der PDS. Herr Neubert, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Weiss! Natürlich sind im neuen Doppelhaushalt einige Punkte enthalten, die wir als PDS auch ausdrücklich gelobt haben. Die Pauschale wurde erhöht. Aber das war längst überfällig. Seit Jahren gab es keine Dynamisierung der Kita-Pauschale. Die Investitionen wurden mit 15 Millionen Euro eingestellt. Aber sie wurden erst vor zwei Jahren abgeschafft und auf null gesetzt. Das Einzige, worüber wir reden können, was in die Richtung geht, positiv zu sein und nicht nur das Defizitäre auszugleichen, ist das Schulvorbereitungsjahr, das integriert wurde.

Es ist nicht richtig, dass im derzeitigen Kita-Gesetz kein Punkt in die falsche Richtung geht. Es gibt einfach verschiedene Punkte, die in die falsche Richtung gehen. Ich rede vom Standardabbau, ich rede von der Nichtverankerung eines Verbots von Zugangskriterien und ich rede von einer Ausweitung der Tagespflege, ohne dass Qualität daran gekoppelt ist. Das sind aus meiner Sicht Punkte, die in die falsche Richtung gehen.

(Beifall bei der PDS)

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte hat den Titel: „Mehr Geld für Sachsens Kindertagesstät

ten: Gut für unsere Familien – gut für unseren Wirtschaftsstandort“. Ich möchte mich in meiner Rede an diesem Titel entlang hangeln.

Es sind wohlklingende Begriffe, aber es sind aus meiner Sicht Begriffe vor allem für den Wahlkampf, und sie sind nicht aktuell. Dass mehr Geld gut ist, das weiß jeder. Aber es ist eher banal, nicht aktuell. Aktuell wären beispielsweise Probleme im Jugendbereich, denn dieser Bereich musste schon in den Haushaltsverhandlungen bluten und wurde im letzten Monat wiederum gekürzt. Das ist aktuell. Aber darüber wollen Sie nicht reden.

Sehr geehrte Damen und Herren! Auf die Landeszuschüsse bin ich schon eingegangen. Wir und die Träger hatten schon lange darauf hingewiesen, dass man die steigenden Betriebskosten selbstverständlich mit der Dynamisierung der Landeszuschüsse oder der Erhöhung der Landespauschale begleiten muss. Und das haben wir vor längerer Zeit gefordert und nun haben Sie das im Koalitionsvertrag stehen. Schön, dass Sie darauf gekommen sind. Aber auch das ist nicht aktuell.

Aktuell ist tatsächlich das neue Kita-Gesetz mit den großen Mängeln. Ich hatte in der letzten Woche im Präsidium eigentlich gedacht, Sie ziehen den Tagesordnungspunkt wieder zurück; denn am Vortag gab es eine Anhörung zu diesem Kita-Gesetz und es hagelte breite Kritik auch von den Vertretern, die von der CDU und der SPD eingeladen waren. Es war die Kritik, die ich eingangs genannt habe, dass dieses neue Kita-Gesetz in eine falsche Richtung geht, Herr Weiss.