Protocol of the Session on January 23, 2009

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 130. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Folgende Abgeordneten haben sich für heute entschuldigt: Herr Wehner, Herr Grapatin, Herr Heidan, Herr Hilker, Herr Schimpff, Herr Dr. Metz, Herr Schön, Herr Thomas Schmidt, Herr Nolle und Frau de Haas.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 3 bis 10 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 85 Minuten, Linksfraktion 65 Minuten, SPD 40 Minuten, NPD und FDP je 30 Minuten, GRÜNE 35 Minuten, fraktionslose MdL je 5 Minuten, Staatsregierung 65 Minuten. Die Redezeiten können wie immer dem Redebedarf gemäß auf die Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, folgende Streichungen vorzunehmen: Die Tagesordnungspunkte 3 bis 5, 3. Lesungen, haben wir bereits behandelt. Damit können sie von der heutigen Tagesordnung genommen werden.

Ich frage, ob es weitere Anträge zur Tagesordnung gibt. – Das ist der Fall.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für meine Fraktion möchte ich beantragen, dass wir die Wahl eines stellvertretenden Ausschussmitgliedes im 2. Untersuchungsausschuss in die Tagesordnung aufnehmen, wie ich es bereits gestern ankündigte.

Handelt es sich um denselben Abgeordneten?

Es handelt sich nochmals um denselben Abgeordneten.

Gut.

Ich hatte um ein Verständigungsverfahren gebeten; es ist aber niemand auf mich zugekommen.

Meine Damen und Herren! Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich dazu Folgendes sagen: Wir haben gerade gehört, dass von der NPD-Fraktion der Abgeordnete Herr Petzold erneut als Stellvertreter im 2. Untersuchungsausschuss vorgeschlagen worden ist. Da die NPD-Fraktion Herrn Abg. Petzold zum dritten Mal zur Wahl stellen möchte, erlaube ich mir, Ihnen folgende Hinweise zu geben:

Gemäß der Rechtsprechung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes schließt das Recht auf formale Chan

cengleichheit aller im Landtag vertretenen Fraktionen grundsätzlich auch das formale Recht auf Zugang zu den parlamentarischen Gremien ein. Hieraus ergibt sich, dass der Landtag einen von einer bei der Besetzung zu berücksichtigenden Fraktion vorgeschlagenen Abgeordneten nur ablehnen darf, wenn die Gründe dafür in der mangelnden Eignung oder in fehlender Vertrauenswürdigkeit des Vorgeschlagenen selbst liegen. Hinzu kommt für den Untersuchungsausschuss nach § 5 Abs. 1 Untersuchungsausschussgesetz gegebenenfalls noch der Ablehnungsgrund der Befangenheit wegen persönlicher oder unmittelbarer Beteiligung an den zu untersuchenden Sachverhalten.

Um der vorschlagsberechtigten Fraktion zu ermöglichen, etwaige verfassungsrechtlich legitime Bedenken bei ihrem Wahlvorschlag zu berücksichtigen, ist es Aufgabe des Landtages – das heißt in diesem Falle: der den Wahlvorschlag ablehnenden Landtagsmehrheit –, erforderlichenfalls diese Gründe darzulegen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes etwa in der Weise möglich, dass über die Eignung des Vorgeschlagenen in einem Gremium beraten oder die Ablehnung von Abgeordneten im Landtag debattiert wird, dass einzelne Abgeordnete oder Fraktionen Erklärungen abgeben oder das Präsidium nach Beratung mit der Fraktion hierzu Stellung nimmt.

Nachdem der von der NPD-Fraktion vorgeschlagene Abg. Petzold in zwei Wahlgängen nicht die erforderliche Mehrheit fand, ist zu diesem Wahlvorschlag gemäß § 101 Abs. 4 der Geschäftsordnung noch ein dritter Wahlgang zulässig, da vor dem zweiten Wahlgang kein Verständigungsverfahren stattgefunden hat. Ein vierter Wahlgang ist jedoch in jedem Falle ausgeschlossen.

Um ein nunmehr dringend notwendiges Verständigungsverfahren vor einem möglichen dritten Wahlgang zu gewährleisten, berufe ich das Präsidium zu einer Sondersitzung ein, die zehn Minuten nach Beginn der Mittagspause im Saal 3 beginnen soll. Ich tue dies, weil ich bisher kein Signal empfangen habe, dass die Fraktionen ein Verständigungsverfahren bereits durchgeführt haben oder anstreben und es meine Aufgabe ist, möglichen Schaden vom Landtag abzuwenden.

Ich schlage vor, den dritten Wahlgang als Tagesordnungspunkt 3 unmittelbar nach der Mittagspause in die Tagesordnung einzuordnen.

Meine Damen und Herren, ich frage, ob es weitere Anträge zur Tagesordnung gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung mit der von mir genannten Erweiterung – Tagesordnungspunkt 3, Wahl – für die heutige Beratung als verbindlich.

Wir kommen damit zu

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Sachsen stärkt kulturelle Bildung

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

2. Aktuelle Debatte: Das Konjunkturpaket der Bundesregierung und seine Auswirkungen auf Sachsen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Unterlagen liegen Ihnen vor. Ich eröffne die

1. Aktuelle Debatte

Sachsen stärkt kulturelle Bildung

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Als Antragstellerinnen haben zunächst die Fraktionen der CDU und der SPD das Wort. Danach sprechen die Linksfraktion, NPD, FDP, GRÜNE, Staatsregierung.

Ich bitte jetzt, dass ein Vertreter der Fraktionen der CDU und der SPD das Wort nimmt. Herr Colditz, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Kulturelle Bildung meint die aktive Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur, unterstützt Menschen in ihrer Persönlichkeitsbildung und stärkt deren soziale, kommunikative und kreative Fähigkeit. Sie umfasst sowohl die aktive Rezeption als auch die eigene kulturelle Praxis. Sie ist lebenslanger Lern- und Auseinandersetzungsprozess des Menschen mit sich selbst, seiner Umwelt und der Gesellschaft. Sie vermag den Wert kultureller Traditionen zu verdeutlichen. Die Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur leistet einen wichtigen Beitrag zur Werteorientierung sowie zur Herausbildung von kultureller Identität und Toleranz gegenüber anderem und Neuem. Sie ist ein Übungsfeld für die Ausbildung von Spontaneität, Fantasie und Flexibilität bei der Entwicklung von Vorstellungen sowie Quelle des Selbstvertrauens und Urteilsvermögens. Sie erfolgt in enger Beziehung zur kulturellen Öffentlichkeit.“

Meine Damen und Herren! Diese Definition kultureller Bildung, die einem Grundsatzpapier des ComeniusInstituts von 2004 entnommen ist, verdeutlicht die inhaltliche Komplexität, aber auch die Vielgestaltigkeit von Bezugsebenen, die sich für die Kompetenzentwicklung junger Menschen daraus ergeben. „Kompetenzentwicklung“ ist eine Grundaussage der neuen Lehrplangeneration von 2004.

Sachsen bietet eine vielfältige Kulturlandschaft mit Denkmälern, Museen und Theatern. Die Auseinandersetzung mit diesem kulturellen Erbe bietet Kindern und Jugendlichen die Chance, ihre kulturelle Identität auszu

bilden und sich Geschichte und Leistungen der jeweiligen Region bewusst zu machen.

Diese Maßgabe und die Bedeutung einer vielfältigen Kulturförderung im Land geben Anlass, die mannigfaltigen Gestaltungsmöglichkeiten kultureller Bildungsangebote im Land einmal zu erörtern. Aktueller Bezug hierzu ist unter anderem die Förderung von Projekten der kulturellen Bildung im Rahmen des im Dezember verabschiedeten Haushaltes für das Ministerium für Wissenschaft und Kunst; mein Kollege Clemen wird darauf im Detail noch eingehen.

Meine Damen und Herren! Wir setzen bei der Umsetzung von kultureller Bildung auf verschiedene neue Projektideen, die ihren Ursprung sicherlich auch in bereits stattfindenden Maßnahmen haben. Entwicklungsfelder gibt es dabei auf drei Ebenen: der unterrichtlichen Ebene im Rahmen des Fachunterrichts durch Kurse, spezielle Profile und fachübergreifenden Unterricht; der außerunterrichtlichen, aber dennoch innerschulischen Ebene in Form von Ganztagsangeboten und Arbeitsgemeinschaften, Veranstaltungen und Festen und schließlich der dritten – außerschulischen – Ebene mit speziellen Lernorten und Lernangeboten.

Schon im März 2007 hat sich der Sächsische Musikrat mit einem Diskussionspapier zum Ausbau musisch kultureller Bildung an das Kultusministerium gewandt. Das war im Nachgang ein Beitrag dazu, die musisch kulturellen Angebote, insbesondere unter Einbeziehung der regionalen Musikschulen in den Kulturräumen, im Rahmen von Ganztagsangeboten deutlich auszubauen.

Zur aktiven Beratung steht die Servicestelle „Ganztagsangebote“ zur Verfügung. Dabei werden insbesondere schülerorientierte Unterrichtsprojekte und andere außerunterrichtliche Kooperationen, zum Beispiel auch zu Theatern und Museen, unterstützt. Insgesamt drei Förderschulen, fünf Mittelschulen und sieben Gymnasien sind

als Zweites mittlerweile in das Bildungsprogramm „Lernstatt Museum“ eingebunden. Ziel dieses Projektes des sächsischen Kultusministeriums, das auch von der BoschStiftung unterstützt wird, ist die dauerhafte Zusammenarbeit zwischen Museen und Schulen, die eine Vorbildwirkung in der gesamten Region haben sollen.

Schüler der Klassenstufen 7 bis 10 haben gemeinsam mit einem Museum in ihrer Nähe Projektideen zur Geschichte, Kultur, Kunst entwickelt und können diese nun umsetzen. Dieses Projekt soll zunächst bis 2010 laufen, bis dahin auch weiter ausgebaut und anschließend im Rahmen von Ganztagsangeboten fortgeführt werden.

Meine Damen und Herren! Ich will auch ein Projekt der EU ansprechen, das wir nutzbar machen, das PegasusProjekt mit dem Hintergrund, dass Schulen Denkmale adoptieren. „Pegasus“ unterstützt die interdisziplinäre Schulart ins standortübergreifende Lernen. Es motiviert zu nachhaltiger Auseinandersetzung mit einem Denkmal und initiiert entsprechende weiterführende Aktivitäten nachfolgender Schülergenerationen.

Natur- und Kulturdenkmäler im weiten Sinne werden später als kulturelles Erbe in die Verantwortung der heutigen Schülergeneration übergeben. Schüler sollen lernen, eine bestimmte Sache als Denkmal zu bewerten, zu schützen und zu erhalten. Damit sie die Bereitschaft entwickeln, sich dafür zu engagieren, müssen sie sich mit diesen Belangen auseinandersetzen und auf diesem Gebiet im Rahmen der Möglichkeiten der Schule auch praktische Erfahrungen sammeln. Dabei werden neben dem Wissenserwerb auch Maßnahmen der Kompetenzentwicklung und Werteorientierung berührt.

Meine Damen und Herren! Nicht unerwähnt soll zum Schluss auch die interministerielle Arbeitsgruppe „Kulturelle Kinder- und Jugendbildung“ sein. Unter Federführung des Kultusministeriums arbeiten hier Vertreter des Kultusministeriums, des Wissenschaft- und Sozialministeriums zusammen, um einerseits den Schulen den Zugang zu Anbietern kultureller Angebote zu erleichtern und andererseits Anbietern wiederum die Bedürfnisse und Wünsche von Schulen nahezubringen. Für das Jahr 2009 sind Empfehlungen und Verbesserungen für Kooperations- und Kommunikationsstrukturen sowie Handreichungen für die beteiligten Akteure in Aussicht gestellt.

Meine Damen und Herren! In der Kürze der Zeit ist das ein kurzer Einblick in die vielfältigen Initiativen, die im Rahmen der kulturellen Bildung bisher auf den Weg gebracht worden sind. Wir haben durch den Doppelhaushalt weitere Initiativen entwickelt. Darauf wird mein Kollege Clemen eingehen. Wir werden diese Projekte weiter inhaltlich verfolgen und weiter befördern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile das Wort der Fraktion der SPD; Herr Hatzsch, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kulturelle Bildung ist ein elementarer Bestandteil von Bildung. Noch vor wenigen Jahren war diese Auffassung keineswegs selbstverständlich.

Heute wissen wir, dass kulturelle Bildung dazu beiträgt, Kreativität zu entwickeln und sich in unterschiedlichen Sprachen und Formen auszudrücken. Kulturelle Bildung fördert die Persönlichkeitsbildung und -entwicklung und ist damit eine Voraussetzung für gesellschaftliche Partizipation.

Mit dem Doppelhaushalt 2009/2010 haben wir erstmals nach 19 Jahren im Haushalt des Kunstministeriums einen eigenen Haushaltstitel „Stärkung der kulturellen Bildung“. Ich glaube, dies allein macht bereits deutlich, welchen Stellenwert wir – und die Koalition – heute der kulturellen Bildung im Freistaat Sachsen beimessen. 600 000 Euro stehen hier jährlich zur Verfügung. Damit soll einerseits ein Modellprojekt „Jedem Kind ein Musikinstrument“ – Herr Clemen wird dies noch genauer erläutern – finanziert werden, und zum anderen werden Projektgelder bereitgestellt, damit die Kulturraumsekretariate zwischen Schule, Kulturinstitution, Künstlern und außerschulischen Bildungen vermittelt werden können. Darauf werde ich noch genauer eingehen.