Protocol of the Session on December 14, 2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 96. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Zunächst darf ich einem Geburtstagskind wieder ganz herzlich gratulieren. Auch in Abwesenheit tue ich das sehr gern. Ach nein, Moment! – Da kommt er. Herr Fröhlich, Ihnen ganz herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, alles Gute, Gesundheit und weiterhin Schaffenskraft.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Meine Damen und Herren! Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Dr. Gillo, Frau Strempel, Herr Baier, Frau Dr. Deicke, Herr Schön, Frau de Haas und Frau Hermenau.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat

folgende Redezeiten für die Fraktionen für die Tagesordnungspunkte 3 bis 18 festgelegt: CDU 111 Minuten, Linksfraktion 87 Minuten, SPD 57 Minuten, NPD 45 Minuten, desgleichen FDP und GRÜNE, fraktionslose MdL je 7 Minuten und die Staatsregierung 87 Minuten.

Meine Damen und Herren! Ich bitte, die Tagesordnungspunkte 3 bis 11, 3. Lesungen, von der heutigen Tagesordnung zu streichen, da wir sie bereits am Mittwoch erledigt haben.

Meine Damen und Herren! Ich frage, ob es zur heutigen Tagesordnung Ihrerseits noch Änderungswünsche gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung als von Ihnen bestätigt.

Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zum

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Soziale Gerechtigkeit durchsetzen – Verarmung des Volkes verhindern!

Antrag der Fraktion der NPD

2. Aktuelle Debatte: Stadtumbau statt Abbau – neue Qualitäten in der sächsischen Städtebauförderung entwickeln

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, Linksfraktion 26 Minuten, SPD 12 Minuten, NPD 17 Mi

nuten, FDP 12 Minuten, GRÜNE 17 Minuten und die Staatsregierung 20 Minuten.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Soziale Gerechtigkeit durchsetzen – Verarmung des Volkes verhindern!

Antrag der Fraktion der NPD

Als Antragstellerin hat zunächst die NPD-Fraktion das Wort, danach in der ersten Runde CDU, Linksfraktion, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der NPD, das Wort zu nehmen. Herr Apfel, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Viele Bürger der Geburtenjahrgänge 1942 bis 1961 werden bei der Zeitungslektüre einen Schock verspürt haben, als Ende November die von der Deutschen Rentenversicherung erarbeitete Studie Altersvorsorge in Deutschland vorgestellt wurde. Diese ist vor allem für die in Mitteldeutschland lebenden Jahrgänge 1942 bis 1961 dramatisch, denn die Studie entwirft das

Szenario einer drastisch steigenden Altersarmut in den mitteldeutschen Bundesländern, vor allem für jene, die sich heute in mittleren Lebensjahren befinden. Genau sie wurden von den wirtschaftlichen Transformationsprozessen der Wende mit voller Wucht getroffen, und es gibt keine Erwerbsbiografie, in der der tiefgreifende Deindustriealisierungsprozess in den Nachwendejahren keine Spuren hinterlassen hätte. Die Art und Weise, wie der westliche Kapitalismus in Mitteldeutschland eingeführt wurde, führte zu einer Massenarbeitslosigkeit, die den Vergleich zu den schlimmsten Jahren der Zwanziger- und Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts nicht zu scheuen braucht.

Dies alles hat tiefe Spuren in den Rentenansprüchen der Bürger hinterlassen. So müssen künftig mitteldeutsche Rentner der Jahrgänge 1957 bis 1961 bei den Renten ein Minus von 15 % hinnehmen, bei den Frauen werden es voraussichtlich 12 % sein. Diese Zahlen, die angesichts einer Inflationsrate von über 3 % besonders schockierend sind, werden auch deshalb für die Betroffenen schwer zu verkraften sein, weil die gesetzlichen Renten in den nächsten Jahren einen völlig unterschiedlichen Verlauf in Ost und West nehmen werden. Während sie in den neuen Bundesländern deutlich sinken, dürften sie sich in den alten weiter erhöhen. Weiter verschlimmert wird die Situation durch Beruhigungspillen wie Betriebsrenten und Riesterrente, was viele westdeutsche Arbeitnehmer mit Blick auf ihre Renten ruhig schlafen lassen mag, die in Mitteldeutschland aber in einem wesentlich geringeren Ausmaß verbreitet sind.

Das liegt vor allem daran, dass es sich hierzulande viele Bezieher geringerer Einkommen einfach nicht leisten können, aus ihren niedrigen Gehältern weitere Säulen der Altersvorsorge zu speisen. Kann man da nicht verstehen, dass viele Menschen fürchten, unter den auf ihnen lastenden Ansprüchen zusammenzubrechen und der Armutsfalle nicht mehr entrinnen zu können? Ist ihre Unzufriedenheit nicht mehr als gut begründet? Dies wird durch unverantwortliches Politikerhandeln, wie die Einführung der Zwangsrente, noch gesteigert. Bei ihr handelt es sich um einen Silvesterknaller der besonderen Art, denn durch das Auslaufen der 58er-Regelung zum Jahresende droht älteren Arbeitslosen eine Zwangsverrentung mit horrenden Abschlägen.

Während viele mittlere Jahrgänge erst auf die Armutsfalle zusteuern, ist es ein besonders beschämender Zustand für unser Land, dass sich viele Kinder schon von Geburt an in dieser Armutsfalle befinden. Sie haben kein eigenes Bett, bekommen kein Taschengeld und gehen ohne Pausenbrot zur Schule. Der Skandal ist seit Jahren bekannt, doch die Blockparteien beschränken sich auf die Zuschauerrolle. Bei der Präsentation des Kinderreports schlug wieder einmal diese Stunde, in der man wahrlich nicht stolz auf das Land sein kann. Zweieinhalb Millionen Kinder sind in Deutschland auf Sozialgeld angewiesen. Der Anteil armer Kinder hat sich binnen 40 Jahren mehr als verzehnfacht. Noch eine weitere Zahl mag die Dramatik verdeutlichen: Während 1965 nur jedes 75. Kind unter sieben Jahren auf Sozialhilfe angewiesen war, ist es heute mindestens jedes sechste.

Was bedeuten diese Zahlen für die Zukunft unseres Landes? Die von Armut betroffenen Kinder ernähren sich ungesünder, bewegen sich weniger und erhalten eine schlechtere Bildung, so der Präsident des Kinderhilfswerkes. Bei der Einschulung 2004 hatte bereits jedes dritte Kind therapiepflichtige Entwicklungsstörungen oder Verhaltensauffälligkeiten gezeigt und jedes vierte Kind habe die Schule nach Aussagen von Thomas Krüger ohne Beherrschung des Mindestmaßes an Kulturtechniken verlassen.

Ist der Politik überhaupt klar, was die grassierende Kinderarmut für die Zukunft unseres Landes bedeutet, für seine wirtschaftliche Entwicklungsfähigkeit und seine volkswirtschaftliche Leistungsfähigkeit? Schon in ein paar Jahren werden aus diesen Kindern Erwachsene geworden sein. Vielen Kindern aus sozial schwachen Familien ist ihre Lage durchaus bewusst. Armut drückt sich dabei nicht nur durch fehlende finanzielle Mittel aus, sondern auch durch Frustration und das Gefühl, nicht zur Gesellschaft zu gehören.

Das zeigt sich auch in der Studie der ZDF-Medienforschung zum Thema „Kind und Glück“. Dort bezeichneten sich 46 % derer, die über ein monatliches Nettoeinkommen von über 3 000 Euro verfügen, als total glücklich. Bei Familien mit einem Einkommen von unter 1 500 Euro waren es nur 24 %. Warum, meine Damen und Herren, war 1965 die Situation im Bereich der Kinderarmut so ungleich besser als heute? Lag es eventuell daran, dass die Gesellschaft zwar materiell ärmer, aber immateriell unendlich reicher war als unsere heutige und noch das Bewusstsein hatte, dass Kinder der einzig wirklich wahre Schatz jeder Gesellschaft sind? Lag es daran, dass man damals noch in dem unerschütterlichen Bewusstsein lebte, einem Volk anzugehören, einer Schicksalsgemeinschaft, die sich von Generation zu Generation erhalten muss?

Bitte zum Schluss kommen.

Aus diesem damals richtigen Bewusstsein heraus setzte man die richtigen Prioritäten, die vor allem in dem Wunsch zum Ausdruck kamen, dass die eigenen Kinder es einmal besser haben sollten –

Bitte zum Schluss kommen.

– als man selbst. Das heutige Bewusstsein, meine Damen und Herren, hat dazu geführt, dass es inzwischen 2,5 Millionen verarmte Kinder gibt. Doch anscheinend lässt sich die politische Klasse auch von solchen Zahlen nicht erschüttern.

Herr Apfel, bitte den Schlusssatz jetzt!

Für die NPD-Fraktion steht fest, dass diese Zahl eine der wesentlichen Herausforderungen unserer Gegenwart ist, vor der sich keine politische Kraft, die noch ernst genommen werden will, drücken darf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Bitte schön, Herr Krauß.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich fange einmal mit den Rahmendaten an. Die Zahl der Arbeitslosen sinkt in Deutschland. Wir waren einmal bei fünf Millionen Arbeitslosen und sind jetzt bei 3,4 Millionen Arbeitslosen.

In Sachsen ist die Arbeitslosenzahl auf unter 300 000 gesunken.

(Holger Apfel, NPD: Das sind Statistikfälschungen!)

Wir haben eine deutlich gesunkene Jugendarbeitslosigkeit. Die Reformen am Arbeitsmarkt haben also gegriffen.

Wenn Sie so tun, als ob das nur geschummelte Statistiken wären, dann würde ich mir einmal ansehen, wie sich die Anzahl der Jobs in Deutschland entwickelt hat. Die Zahl war seit der Wiedervereinigung noch nie so hoch wie heute.

Wir haben ein starkes Wirtschaftswachstum in Sachsen ausgewiesen, im vorigen Jahr das höchste von allen Bundesländern mit 4 % und im verarbeitenden Gewerbe sogar mehr als 14 %, was sonst nur asiatische Tigerstaaten erreichen.

Warum sage ich das, wenn wir über soziale Gerechtigkeit reden? Weil für uns als CDU sozial ist, was Arbeit schafft. Deswegen legen wir unser Augenmerk auch darauf, wie wir mehr Leute in Arbeit bringen können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird ja immer so der Eindruck erweckt, als ob die Sozialausgaben sinken würden. Das ganze Gegenteil ist der Fall, wenn man sich die Statistik wirklich anschaut, meinetwegen auch bei Hartz IV. Es gibt immer eine deutliche Steigerung. Es ist also anders, als man den Eindruck in der Öffentlichkeit gewinnt.

Woher kommt das Geld, das wir als Staat umverteilen können? Das Geld fällt nicht vom Himmel, sondern es kommt von denjenigen, die jeden Morgen um 05:00 oder 06:00 Uhr aufstehen, und hart arbeiten, sei es als Bauarbeiter, als Krankenschwester oder in einer Fabrik und dieses Geld verdienen. Das verteilen wir dann um. Insofern sollten wir sehr genau darauf achten, wem wir etwas wegnehmen und wem wir etwas geben. Das gehört auch zur Gerechtigkeit, damit sich zum Beispiel die Krankenschwester nicht als ausgebeutet fühlt.

Zum Thema Rente, Herr Apfel: Wenn wir 1,3 Geburten je Familie haben, aber 2,1 Geburten pro Familie brauchten, dann ist klar, dass man auf Dauer das Rentensystem nicht fortschreiben kann.

(Dr. Johannes Müller, NPD: Was tun Sie denn gegen den Geburtenmangel?)

Es sind immer zu wenige vorhanden, die in die Rentenkasse einzahlen. Deswegen ist es ein bisschen zu einfach, wenn Sie sagen, man könne alles beim Alten lassen. Genau das ist falsch.