Ich habe zunächst wieder eine angenehme Aufgabe zu erfüllen. Wir haben ein Geburtstagskind unter uns. Herr Krauß von der CDU-Fraktion hat heute Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute und Gottes Segen!
Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 1 bis 10 folgende Redezeiten festgelegt: CDU-Fraktion 165 Minuten, Linksfraktion.PDS 125 Minuten, SPD-Fraktion 75 Minuten, NPDFraktion 75 Minuten, FDP-Fraktion 55 Minuten, desgleichen die GRÜNE-Fraktion, Staatsregierung 125 Minuten.
Folgende Abgeordnete sind von der heutigen Sitzung entschuldigt: Frau Nicolaus, Frau Orosz, Herr Kosel und Frau Mattern.
Meine Damen und Herren! Gibt es zu der heutigen Tagesordnung Ihrerseits Änderungswünsche oder sonstige Hinweise? – Das ist der Fall. Bitte, Herr Lehmann.
Herr Präsident, ich bitte für die Koalitionsfraktionen um Erweiterung der Tagesordnung. Der Entwurf „Zweites Gesetz zur Änderung des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes“ soll heute in 1. Lesung behandelt werden. Ich bitte um entsprechende Einordnung in die Tagesordnung.
Herr Präsident, ich würde nur gern wissen, wann der Gesetzentwurf verteilt worden ist und warum die 1. Lesung nicht im
Präsidium beantragt wurde. In anderen Fällen ist das den Oppositionsfraktionen wiederholt abgelehnt worden. Es kann nicht sein, dass zweierlei Maßstäbe gelten, einer für die Koalition und einer für die Opposition. Ich möchte gern wissen, wie das Verfahren mit diesem Gesetzentwurf gelaufen ist. Ansonsten haben wir nichts gegen eine 1. Lesung. Das Problem ist nur, dass hier nicht mit zweierlei Maß gemessen werden darf.
Herr Präsident, wir haben den Gesetzentwurf fristgemäß nach Geschäftsordnung eingereicht. Die Fünf-Tage-Frist wurde eingehalten. Somit können wir über das Gesetz heute in 1. Lesung beraten. Das ist in der Präsidiumssitzung deswegen nicht zur Sprache gekommen, weil die Vorbereitungen noch nicht so weit gediehen waren, dass die geplante 1. Lesung dort behandelt werden konnte. Ansonsten sind alle Vorschriften der Geschäftsordnung sauber beachtet worden.
Dann lasse ich darüber abstimmen. Wer dafür ist, dass die Tagesordnung um den Punkt 1. Lesung erweitert wird, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Anzahl von Stimmenthaltungen ist die Aufnahme in die Tagesordnung beschlossen worden. Wir würden die 1. Lesung nach den 2. und 3. Lesungen einordnen.
Gibt es weitere Änderungswünsche zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall. Dann werden wir nach der soeben beschlossenen Tagesordnung für die heutige Sitzung verfahren.
Drucksache 4/3357, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien
Den Fraktionen wird das Wort zu einer allgemeinen Aussprache erteilt. Die Fraktion der CDU beginnt. Es folgen die Linksfraktion.PDS, die SPD-Fraktion, die NPD-Fraktion, die FDP-Fraktion, die GRÜNE-Fraktion und die Staatsregierung, wenn gewünscht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Studieren in Bologna, Prag, Heidelberg oder Leipzig ist nicht erst in diesen Tagen möglich, sondern eine Errungenschaft des Mittelalters. Die jungen Menschen heute in Europa haben es in vielfältiger Hinsicht leichter, Grenzen zu überwinden, andere Länder kennen zu lernen und an anderen Hochschulen zu studieren. Aber eines war im europä
ischen Mittelalter doch anders: das verbindende Band der gemeinsamen Wissenschaftssprache Latein. Latein war die Lingua franca nicht nur des europäischen Mittelalters, sondern auch der Neuzeit. Latein ist bis in unsere heutigen Tage unverzichtbar und – im Gegensatz zu mancher Auffassung – keine tote Sprache, sondern ein lebendiges Element unserer europäischen Kultur.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! An diese Tradition haben 1999 29 europäische Kunst- und Wissenschaftsminister in der Bologna-Erklärung, die heute auch zur Debatte steht, angeknüpft und erste Schritte in Richtung Schaffung eines europäischen Hochschulraumes unternommen. In der Bologna-Erklärung geht es um die Harmonisierung der Studienabläufe und Studienabschlüsse, um die Vergleichbarkeit der Abschlüsse – dies ist notwendige Voraussetzung für die Mobilität der jungen Menschen in Europa – und nicht zuletzt um die Verbesserung der Qualität von Forschung und Lehre im entstehenden europäischen Hochschulraum.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sind die Umsetzung dieser Ziele und die Einführung der gestuften Studienstruktur – Bachelor und Master – als Regelangebot an den sächsischen Hochschulen beabsichtigt. Maßnahmen zu Qualitätsverbesserung und Internationalisierung der Studienangebote werden ebenso getroffen wie die Modularisierung von Studienangeboten und, damit einhergehend, die Einführung eines Leistungspunktesystems, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten.
Meine Damen und Herren! Ich beschränke mich auf einige wesentliche Punkte in dem vorliegenden Gesetzesvorhaben. Es geht auch um die Abschaffung der Genehmigungsvorbehalte bei Studien-, Prüfungs- und Promotionsordnungen. Wir wollen – das ist bereits gestern in der Aktuellen Debatte zur Hochschulreform deutlich geworden – in entscheidendem Maße Autonomie und Verantwortung an die Hochschulen geben. Mit dieser Gesetzesnovelle unternehmen wir einen nachhaltigen Schritt in diese Richtung. Wir wollen, dass die Selbstverantwortung gestärkt wird. Die Hochschulen selbst sollen flexibler und schneller auf Veränderungen reagieren können. Also sollen sie auch die Studien-, Prüfungs- und Promotionsordnungen ohne Genehmigung des Wissenschaftsministeriums abschließen können.
Meine Damen und Herren! Wir, die Koalitionsfraktionen CDU und SPD gemeinsam, haben Änderungen vorgenommen, die noch weiter in Richtung Autonomie gehen. Es geht um die Modulbeschreibungen, die ursprünglich integraler Bestandteil der Studienordnung waren. Es würde mit erhöhtem bürokratischem Aufwand einhergehen, wenn wir die Modulbeschreibungen in die Studienordnung einbeziehen würden. Wir haben das geändert und wollen die Modulbeschreibungen nur noch veröffentlichen. Damit erleichtern wir den Fakultäten in entscheidendem Maße die Arbeit.
Des Weiteren wollen wir die positiven Erfahrungen mit den Freiversuchen, die es beispielsweise im juristischen Studium gibt, auf alle Studiengänge ausdehnen. Der Freiversuch soll generell bei allen Abschlussprüfungen möglich sein. Es ist den jungen Menschen ferner möglich, ihr Studium schneller abzuschließen, ohne das Risiko einer verfehlten Prüfung eingehen zu müssen. Der Freiversuch wirkt sich nachhaltig positiv auf die Motivation aus. Uns gelingt es damit auch, die Studienabschlüsse schneller als bisher zu erreichen.
In den Promotionsvoraussetzungen werden wir Präzisierungen vornehmen. Promotionen sind möglich, wenn man einen Abschluss in einem wissenschaftlich ausgerichteten Kunsthochschulgang bzw. an Universitäten hat. Aber nicht zuletzt die SPD- und CDU-Fraktion, denen es immer darauf ankam, dass in Kooperation mit den Fachhochschulen auch dort besondere wissenschaftliche Qualifikationen möglich sind, die mit einer Promotion abschließen, werden hier in entscheidendem Maße die Fachhochschulen stärken, was jetzt auch noch einmal deutlich genannt wird: dass Promotionen an Fachhochschulen bei einem Abschluss von Master-Graden möglich sind.
Meine Damen und Herren! Wir schaffen mit diesem Gesetz die Voraussetzungen für die sächsischen Hochschulen im Bologna-Prozess. Die leistungsfähigen und erfolgreichen sächsischen Hochschulen haben beste Voraussetzungen, diesen Prozess erfolgreich bestehen zu können. Die Qualität in Studium und Ausbildung wird verbessert, die Wettbewerbsfähigkeit unserer Hochschulen entscheidend gestärkt, kürzere Studienzeiten, höhere Abschluss- und Erfolgsquoten und eine bessere Vorbereitung auf die Berufstätigkeit werden erreicht. Mit diesen Punkten sind wir bestens für den Bologna-Prozess gerüstet.
Meine Damen und Herren! Es geht aber nicht nur um die Verbesserung der Qualität von Forschung und Lehre, es geht nicht nur um ein hervorragendes Studium, sondern es geht im entscheidenden Schritt auch noch um einen weiteren wichtigen Punkt, nämlich: Mit der Schaffung dieses europäischen Hochschulraumes auch im Freistaat Sachsen leisten wir einen Beitrag zur europäischen Einigung, dieses Europa, das auf geistigen und kulturellen Fundamenten beruht. Deshalb, denke ich, haben wir einen entscheidenden Beitrag geleistet, dass mit Wissenschaft immer Europas Zukunft gemeinsam bedeutet hat, auch weiterhin die europäische Einigung kraftvoll auch von Sachsen aus bestreiten können.
Wöller schon die Lobrede auf die Novelle und den so genannten Bologna-Prozess gehalten. Also kann ich mich in Anbetracht meiner aktuellen Bazillenlage hier etwas kürzer fassen und vor allem kritischen Themen zuwenden. Sie werden mir sicher trotzdem vorwerfen, dass ich das gemacht habe. Aber es wäre sehr hilfreich, meine Damen und Herren der CDU, wenn Sie nicht immer mit Ihrer tiefrosa Brille auf das schauen würden, was die Staatsregierung Ihnen vorlegt.
Herr Pasternack hat in der Anhörung zu diesem Gesetz sehr gut beschrieben: Es existieren verschiedene Anforderungen, die zum Teil zu Zielkonflikten führen, und wir müssen dabei eine Abwägung vornehmen. Das erleben wir von Ihnen leider sehr selten.
Dass es begründete Kritik und Ängste und unterschiedliche Interessen gibt, werden Sie, wenn Sie sich nur gründlich und ohne Wahrnehmungsblockaden umschauen, auch finden. Es gab gestern in der Uni Leipzig eine Vollversammlung. Da tauchten 1 500 Studierende auf. Heute findet in Halle eine Kundgebung statt und es sind eben nicht nur die Studiengebühren, die den Studierenden Angst machen.
In Sachsen herrscht zurzeit gerade bei den Studierenden eine große Verunsicherung, die sehr viel mit der Umsetzung des Bologna-Prozesses zu tun hat. Das betrifft zum einen die zurzeit im Magister- oder Diplomstudiengang befindlichen Studierenden. Wie wird es mit dem Bestandsschutz? Was wird mit der Gremienarbeit, den Teilzeit- und Regelstudienzeiten usw.? Es gibt momentan Studiengänge, bei denen zum Einschreibungstermin die Liste schon voll ist und den Bewerbern die Liste für das nächste Semester vorgelegt wird, damit sie sich dafür einschreiben können. Es ist nicht überall so, dass der Dozent ein zweites Seminar auf seine Privatkosten anbietet.
Neu Immatrikulierten wird zum Teil nahe gelegt, sich eine Rechtsschutzversicherung anzulegen, weil man nicht weiß, was in vier oder fünf Jahren an den Hochschulen passieren wird.
Es wird Geld an den Hochschulen zurückgelegt, um zum einen die neuen Studiengänge akkreditieren und zum anderen den Personalbedarf während der Übergangsphase im Nebeneinander von alten und neuen Studiengängen abdecken zu können. Ich frage mich, wo das Geld jetzt wohl weggenommen wird.
Aber es sind auch Studierende und Lehrende, die mit Sorge auf die zukünftigen Entwicklungen schauen, weil sie – das passt zu unserer Diskussion von gestern – sehr wohl ein gesellschaftliches Interesse haben. Sie befürchten Qualitäts- und Studienplatzverluste und die Realität gibt ihnen zum Teil Recht. Schon jetzt wird der Abbau von Studienplätzen geplant. Allein in Leipzig geistert beispielsweise die Zahl von 6 000 Studienplätzen herum, die abgebaut werden sollen. Andere Hochschulen werden ihre Studiengänge weiter beschränken, um weniger Studierende immatrikulieren zu müssen.
Es gäbe noch vieles zu sagen. Ich möchte hier nur bestimmte Dinge anreißen. Im Zentrum des BolognaProzesses steht die Studienreform. Allein das ist eigentlich schon zu kurz gegriffen, denn wenn man einen europäischen Hochschulraum herstellen will, müsste man natürlich auch auf die Finanzausstattungen, auf Personalausstattungen, auf soziale Begleitung des Studium und auf Systeme der Bildungsberechtigung und des Hochschulzugangs sehen. Das findet nicht statt und auch in dem heute zu behandelnden Gesetz geht es vor allem um die Neustrukturierung der Studiengänge, also um Mobilität und Internationalisierung.
So eine Studienreform muss sich natürlich auch qualitativ bewähren. Wir müssen uns also im Klaren sein, welchen langfristigen gesellschaftlichen Qualifikations- und Wissenschaftsbedarf wir haben. Dieser wird aber zunehmend interdisziplinär und muss problemlösungsorientiert sein. Er wird vom lebensbegleitenden Lernen bestimmt sein. Das heißt, Studiengänge dürfen sich eben nicht auf ein verkürztes Erststudium beschränken.
Das heißt auch, dass ein Studium mehr Menschen ermöglicht werden muss, und das heißt, dass aufbauende Studiengänge natürlich gegenseitig inhaltlich durchlässig und anschlussfähig sein müssen. In einer Gesellschaft, die von unterbrochenen und wechselnden Berufs- und Lebensbiografien geprägt sein wird, müssen auch Bildungswege individuell zugeschnitten sein können.