Meine Damen und Herren! Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Herr Schön, Herr Fröhlich, Frau Nicolaus, Herr Prof. Dr. Wöller und Frau Klinger.
Meine Damen und Herren! Gemäß § 79 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Sächsischen Landtages habe ich die 87. Sitzung für den heutigen Tag einberufen.
Für den gesamten Tagesordnungspunkt schlage ich Ihnen folgende Redezeiten vor: CDU 60 Minuten, Linksfraktion 40 Minuten, SPD 20 Minuten, NPD, FDP und GRÜNE je 15 Minuten, fraktionslose MdL je 3 Minuten, Staatsregierung 60 Minuten.
Meine Damen und Herren! Gibt es zu der vorliegenden Tagesordnung Ihrerseits noch Änderungsanträge? – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die Tagesordnung als von Ihnen bestätigt.
Regierungserklärung des Sächsischen Staatsministers der Finanzen zur Veräußerung der Anteile des Freistaates Sachsen an der Sächsischen Landesbank
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Staatsregierung hat in ihrem Schreiben vom 26. August 2007 an den Landtagspräsidenten um die Einberufung dieser heutigen Sondersitzung gebeten. Hintergrund ist die am Sonnabend, dem 26. August 2007, geschlossene Grundlagenvereinbarung zum Verkauf der Sachsen LB durch die Anteilseigner Freistaat sowie Sachsen-Finanzgruppe an die Landesbank BadenWürttemberg, nachdem die zuständigen Gremien einstimmig – das will ich betonen – zugestimmt hatten.
Die Staatsregierung folgt damit dem Auftrag aus § 65 Abs. 5 Sächsische Haushaltsordnung. Danach bedarf die Veräußerung von besonders bedeutenden Unternehmensbeteiligungen der Einwilligung des Landtages – ich zitiere –, „soweit nicht aus zwingenden Gründen eine Ausnahme geboten ist. Ist die Einwilligung nicht eingeholt, so ist der Landtag alsbald von der Veräußerung zu unterrichten“. Diese Unterrichtung erfolgt jetzt durch meine Regierungserklärung, und zwar zeitnah, da es sich beim Verkauf der Sachsen LB gewiss um eine wirtschaftlich und – ich betone – auch politisch bedeutende Unternehmensveräußerung handelt.
Wiederholt konnte ich in den letzten Tagen durchaus kritische Äußerungen hinsichtlich des gewählten Verfahrens vernehmen. Nach § 65 Abs. 5 SäHO ist eine Vorabgenehmigung des Landtages unstrittig der im Gesetz vorgesehene Regelfall. Die sogenannten zwingenden Gründe, die zu einer Ausnahme berechtigen, ergeben sich
An dieser Stelle sei aus einem Schreiben des Präsidenten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht an den Ministerpräsidenten vom 25. August 2007 zitiert, aus dem die gebotene Eile ebenfalls hinlänglich hervorgeht. Ich zitiere: „… in dem ich Ihnen dargelegt habe, dass sich die Sachsen LB in einer kritischen, ihre Existenz bedrohenden Lage befindet. Die Bank steht hierbei auch aufgrund der anstehenden Ad-hoc-Meldepflicht unter einem hohen Zeitdruck, eine tragfähige Lösung zu finden. Sollte die Bank nicht sehr schnell auf eine neue wirtschaftliche Basis gestellt werden, würde sich die Frage bankaufsichtlicher Maßnahmen stellen.“
Und weiter: „In der jetzigen Situation kommt es entscheidend darauf an, dass die in Aussicht genommene Grundlagenvereinbarung kurzfristig von allen Beteiligten rechtlich wirksam unterzeichnet werden kann, um die unter starkem Druck stehende Sachsen LB zu stabilisieren.“
Nochmals weiter: „Da eine Alternative zu der jetzt angestrebten Lösung nicht sichtbar ist, sollte die Vertragsunterzeichnung nicht durch eine sich länger hinziehende Genehmigungsprozedur verzögert werden.“
Meine Damen und Herren! Dieser Auffassung, eine schnelle, wirksame Lösung ohne Zeitverzug zu realisieren, war auch die Staatsregierung aufgrund der Bewertung der sich darstellenden Sachlage. Sie hat entsprechend gehandelt, um auch in einer schwierigen Lage die Chancen für eine positive Entwicklung der Sachsen LB – und natürlich für die dort Beschäftigten – zu nutzen und Schaden vom Freistaat abzuwenden.
Meine Damen und Herren! Die Grundlagenvereinbarung sieht die Zukunft der Sachsen LB als rechtlich unselbstständige Tochter der LBBW vor. Sie folgt damit elementaren sächsischen wirtschaftlichen und politischen Interessen. Lassen Sie mich die entscheidenden Vertragsregelungen hervorheben.
Die LBBW übernimmt zunächst treuhänderisch die Führung der Sachsen LB. Die Sachsen LB soll ab dem 01.01.2008 nach Einbringung der Anteile der Sachsen LB in die LBBW in Form einer unselbstständigen Anstalt als Tochterunternehmen der LBBW geführt werden. Im Gegenzug ist vorgesehen, dass die derzeitigen Anteilseigner der Sachsen LB Anteile an der LBBW erhalten. Für die Übergangszeit bleiben die derzeitig zuständigen Gremien erhalten, um formal die notwendigen Beschlüsse fassen zu können.
Außerdem ist vorgesehen, den gegenwärtig laufenden Umwandlungsprozess in eine Aktiengesellschaft zu prüfen.
Der Firmenname „Sachsen LB“ bleibt erhalten. Das Tochterunternehmen soll also – dies wurde von der LBBW ausdrücklich gewünscht und gefordert – als regional verankertes Unternehmen mit sächsischer Identität geführt werden.
Der Sitz des Unternehmens bleibt Leipzig. Ich meine, das ist eine gute Botschaft an die Leipzigerinnen und Leipziger.
Eine Schwächung des Bankenplatzes Leipzig mit all seinen Verflechtungen und Synergien für die ansässige Wirtschaft wird es nicht geben.
Schließlich darf nicht übersehen werden, dass die Sachsen LB ein Tochterunternehmen der stärksten deutschen Landesbank wird, die kürzlich mit einer Steigerung ihres Konzernüberschusses im ersten Halbjahr um immerhin 21,9 % in Deutschland Schlagzeilen machen konnte.
Die Geschäftsfelder werden so gestaltet und im Wettbewerb möglichst ausgeweitet, dass die Sachsen LB eine nachhaltige, zukunftsorientierte Entwicklungsmöglichkeit erhält.
Sie wird unter anderem die dauerhafte Funktion als Sparkassenzentralbank und Girozentrale im Freistaat Sachsen behalten. Sie wird als Kompetenzzentrum der LBBW-Gruppe für die Auslandsmärkte in Osteuropa, insbesondere Tschechien, Slowakei und Polen, einschließlich der Übernahme von konzernweiten Zentralfunktionen in diesen Märkten ausgebaut.
Die Geschäftsfelder, meine Damen und Herren, sind entscheidend für die Beschäftigungsentwicklung am Standort Leipzig. Das Geschäftsmodell der Sachsen LB soll so ausgestaltet werden, dass der Umfang der Beschäf
tigung im neuen Geschäftsmodell erhalten bleibt. Dies bezieht sich – davon gehe ich aus – wenigstens auf die 360 Arbeitsplätze am Standort Leipzig. Selbstverständlich war dies einer der Hauptpunkte, um den ich heftig bei den Verhandlungen gerungen habe.
An dieser Stelle danke ich besonders Herrn Kollegen Pecher, der mich auch in diesem Punkt während der Verhandlung durchaus unterstützt hat.
Ich sage Ihnen deutlich: Die LBBW sucht am Standort Leipzig nicht den Misserfolg, sondern den Erfolg. Gesagt werden muss aber, dass diese Verpflichtung nicht jeden Arbeitsplatz in Leipzig garantiert, sondern das Niveau, die Beschäftigungsstruktur, wird sich ändern.
Viel wurde in den vergangenen Tagen über einen möglichen Verkaufspreis gesprochen, meine Damen und Herren. Dabei ist festzustellen, dass die Grundlagenvereinbarung ein faires Verfahren vorsieht. Es muss erst eine Unternehmensbewertung sowohl der LBBW als auch der Sachsen LB durch eine Prüfungsgesellschaft erfolgen. Die Prüfungsgesellschaft wird von den Eigentümern beider Landesbanken einvernehmlich ausgewählt, beauftragt und finanziert.
Die Bewertung wird zum Stichtag 31.12.2007 erfolgen und nach anerkannten Unternehmensbewertungsverfahren durchgeführt. Auch das entspricht durchaus sächsischen Interessen. Hätte nämlich die LBBW darauf bestanden, eine aktuelle Unternehmensbewertung durchzuführen, so würde dies auf eine Ausnutzung der gegenwärtigen schwierigen Lage der Sachsen LB hinauslaufen. Diese Forderung wurde jedoch von den Vertretern der LBBW zu keinem Zeitpunkt der Verhandlung erhoben, und dies bestärkt mich in der Überzeugung, dass die LBBW eine gute Partnerschaft für den Freistaat Sachsen und seine Kommunen anstrebt.
Ein weiterer Gesichtspunkt bestärkt meine Auffassung: Von dem zum Stichtag 31.12.2007 ermittelten Unternehmenswert werden jene 250 Millionen Euro nicht abgezogen, die die LBBW als eine Art Soforthilfe in das Unternehmen einbringt. Erst wenn für die Sachsen LB ein Unternehmenswert von über 900 Millionen Euro ermittelt würde, käme der darüber hinausgehende Betrag den derzeitigen Eigentümern nur hälftig zugute. Die Untergrenze der Preisbindung zur Berechnung der Anteilswerte liegt bei 300 Millionen Euro fest.
Diese garantierte Bewertungsuntergrenze in Höhe von 300 Millionen Euro gilt für den Fall der bei Vertragsabschluss abschätzbaren Risiken. Sollte sich jedoch vor der rechtswirksamen Anteilsübernahme eine unwahrscheinli
Unterschreitet die Kernkapitalquote den Wert von 4,5 %, so ist gleichzeitig der zum 31.12.2007 ermittelte Unternehmenswert null oder gar negativ, dann haben die Anteilseigner, also der Freistaat und die SachsenFinanzgruppe, ein Wahlrecht: entweder Rückabwicklung oder Zuzahlung aus Eigenmitteln, bis 300 Millionen Euro erreicht sind, bei Erhalt dann allerdings entsprechende Anteile an der LBBW oder reiner Verlustausgleich. In diesem Fall wäre weder der Freistaat noch die SachsenFinanzgruppe an der LBBW beteiligt.
Bis zum Zeitpunkt der Einbringung der Anteile – also die nächsten Monate bis zum Jahresende, vielleicht noch ein Stück darüber hinaus, bis die Bewertung vorliegt – gilt Folgendes: Sinkt die Kernkapitalquote unter 4 %, wurde vereinbart, dass sich die Vertragsparteien bemühen werden, eine einvernehmliche Lösung zur Abwendung dieser Krise zu finden. Dies belegt auch den partnerschaftlichen und fairen Charakter der Vereinbarung. Erst wenn dieses Bemühen scheitern sollte, kann die LBBW die Grundlagenvereinbarung kündigen.
Meine Damen und Herren! Diese Regelungen geben Ihnen auch eine Antwort auf die Frage der Inanspruchnahme öffentlicher Haushalte, auch hier im Freistaat. Nach derzeitiger Erkenntnis wird das nicht der Fall sein. Sollte wider Erwarten eine Extremsituation auftreten, so wird jedoch ein Nachschuss von uns entschieden werden müssen, da eine Rückabwicklung – jedenfalls aus meiner Sicht – kaum infrage kommt. Ich halte allerdings eine solche Situation, die zurzeit weder ich noch sonst jemand wirklich ausschließen kann, für mehr als unwahrscheinlich. Gleichwohl habe ich für diese Regelung Verständnis.
Der Regelfall einer Betriebsübernahme sind eine eingehende Unternehmensbewertung sowie eine detaillierte Aufarbeitung der Risiken. Dies kann aber nicht in zwei oder drei Tagen erfolgen. Dazu braucht es Zeit, die nicht vorhanden war. Daher, meine Damen und Herren, wurde diese Sicherheitsklausel in den Vertrag eingebaut.
Die LBBW kann im Extremfall noch eine Reißleine ziehen. Bildlich gesprochen, haben wir also die Sachsen LB sozusagen in einen sicheren Hafen eingefahren. Zu hoffen bleibt nun,
dass dieses Schiff auch ohne Schwierigkeiten ab dem 01.01.2008 an der Kaimauer festmachen kann, um Ihnen das einmal bildlich zu verdeutlichen.