Protocol of the Session on February 24, 2005

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 9. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages. Zu Beginn habe ich eine sehr angenehme Aufgabe zu erfüllen. Wir haben heute zwei Geburtstagskinder unter uns, Herrn Horst Wehner und Herrn Matthias Paul. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich, wünsche Ihnen alles Gute und Gottes Segen.

(Beifall)

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 1 sowie 7 bis 11 folgende Redezeiten festgelegt: CDU-Fraktion

101 Minuten, PDS-Fraktion 77 Minuten, SPD-Fraktion 47 Minuten, NPD-Fraktion 47 Minuten, FDP-Fraktion 35 Minuten, GRÜNEN-Fraktion 35 Minuten, Staatsregierung 77 Minuten. Die Redezeiten können wie immer nach Bedarf auf die Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Ich bitte Sie, in der Ihnen vorliegenden Tagesordnung folgende Änderung vorzunehmen: Der Tagesordnungspunkt 17, Kleine Anfragen, ist zu streichen.

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Anträge zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die vorliegende Tagesordnung unter Beachtung der Streichung des Tagesordnungspunktes 17.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Tagesordnung selbst. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Einsetzung eines Untersuchungsausschusses „Verletzung der Überwachungspflicht der ehemaligen und aktuellen Vertreter der Sächsischen Staatsregierung im Verwaltungsrat der Sachsen LB in Bezug auf die Auslagerung Not leidender Kredite der Sachsen LB in möglicherweise dreistelliger Millionenhöhe in die Minderheitentochter Real Immobilien GmbH zum Zwecke der Bilanzverwässerung und Schuldenauslagerung sowie in Bezug auf einen noch nicht oder erst teilweise wertberichtigten Kreditbestand des Gesamtkonzerns in Höhe von zirka einer Milliarde Euro“

Drucksache 4/0737, Dringlicher Antrag der Fraktion der NPD

Mir liegt entsprechend Artikel 54 der Verfassung des Freistaates Sachsen in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Sächsischen Landtages ein entsprechender Antrag der Fraktion der NPD vor.

Ich gehe davon aus, dass die Antragstellerin ihren Antrag begründen will, und erteile ihr damit das Wort. Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die vielleicht wichtigste Person im Zusammenhang mit den nun aufgetauchten Unregelmäßigkeiten bei der Sächsischen Landesbank, Finanzminister Herr Dr. Metz, hat den Ernst der Lage – trotz der Kritik an seinem Vorgehen – leider immer noch nicht erkannt. Darauf lässt das Interview schließen, das er der „Sächsischen Zeitung“ am 12. Februar 2005 gegeben und in dem er wieder die alte Schönrede- und Beschwichtigungsstrategie angewandt hat, und zwar mit einem Ausmaß an Naivität, das dem Fass fast den Boden ausschlägt.

Da wird der Finanzminister am Ende des Interviews gefragt: „Mitglieder des Verwaltungsrates standen Ende 2003 mit rund 1,1 Millionen Euro bei der Bank in der Kreide. Wie ist da Kontrolle möglich?“ Die Antwort

lautete: „Die Verwaltungsratsmitglieder müssen zwischen ihrem Kontrollauftrag und ihren privaten Interessen unterscheiden.“

Meine Damen und Herren! Angesichts solcher Aussagen werden Sie es uns nicht übel nehmen, dass wir hier weiter bohren müssen, wenn wir uns als Opposition überhaupt ernst nehmen wollen.

Wenn die übrigen Oppositionsfraktionen in diesem Hause die Kontrolle der Regierung weiterhin verweigern, dann werden noch mehr solcher Schlagzeilen wie in der sächsischen Ausgabe der „Bild“-Zeitung vom 17. Januar produziert, in der es heißt: „Politik deckt Skandal-Banker!“.

Kommen wir zu den Aussagen zurück, die Dr. Metz in einem weiteren Interview, diesmal mit der „Freien Presse“ vom 12. Februar 2005, gemacht hat. Hier zog sich der Minister in Bezug auf die in die Schlagzeilen geratene Real Immobilien GmbH auf die folgende Aussage zurück: „Entscheidend ist, dass die Real Immobilien nach Auskunft der Sachsen LB bereits positiv zum Geschäftsgewinn der Bank beiträgt.“

Auch an dieser Stelle, Herr Dr. Metz, muss ich Ihnen klar und eindeutig widersprechen. Im Zusammenhang mit den nun neu aufgetauchten Unregelmäßigkeiten ist nicht der nominelle Ergebnisbeitrag entscheidend, da

sich durch das so genannte Window Dressing die Rechnungslegungsvorschriften nach oben und unten flexibel anpassen lassen.

Entscheidend sind im Zusammenhang mit der Real Immobilien GmbH ganz andere Fragen. Die Auslagerung von Immobilienkrediten in eine nicht zu konsolidierende Tochtergesellschaft ist ein arges Stück, wie ich finde. Ein noch ärgeres Stück ist es, wenn die bankeigenen Experten ein Exposé erstellen, in dem es über zwei Immobilien heißt: „Der Kaufpreis ist unter Berücksichtigung heutiger Verkehrswerte völlig überhöht.“

Da liegt doch der Verdacht nahe, dass die Real Immobilien GmbH von Anfang an nur als so genannte Blackbox gedacht war, um dort faule Immobilienkredite zu parken und um das Jahresergebnis der wichtigsten Anteilseigner nicht zu belasten und Finanzierungsrisiken zu verschleiern.

Uns interessieren folgende Fragen: Wie werden die Tochter Real Immobilien GmbH und die von ihr gehaltenen Immobilien finanziert? Wie wurde die Real gegründet? Wer steuerte Eigenkapital bei? Wie gestaltete sich der Preisfindungsprozess bei den von der Real gehaltenen Immobilien?

In erster Linie interessieren uns natürlich wiederum der Wissensstand des Verwaltungsrates über alle diese in die Kritik geratenen Vorgänge, die Verantwortung der Politik und insbesondere der sächsischen Spitzenpolitiker im Verwaltungsrat der Sachsen LB.

Die Dimensionen, in denen unsere Landesbank mit Not leidenden Krediten belastet ist, sind weiterhin völlig unklar. Der „Spiegel“ berichtete am 2. Februar von nur teilweise wertberichtigten Engagements in Höhe von zirka einer Milliarde. Das bedeutet etwa das 20-fache des Geschäftsumfangs der Sachsen LB.

Ein sich im Zusammenhang mit Not leidenden Immobilienkrediten ankündigendes Defizit – möglicherweise in Höhe dieser einen Milliarde – würde den sächsischen Landeshaushalt auf Jahre hinaus extrem belasten.

Es passt ins Bild, dass sich die so dubios agierende Real Immobilien GmbH in Leipzig als Vernichterin von Arbeitsplätzen und Rechnungsprellerin aufführt, um ihre weit über Wert angekauften Objekte auf Kosten ortsansässiger Handwerker zu sanieren. Auch darüber berichtete die Presse in den letzten Tagen. Eine Minderheitentochter der Sachsen LB treibt also Leipziger Unternehmer und Kleinbetriebe bewusst in die Pleite. Ich frage mich, ob auch das schon einmal Gesprächsthema in einem mit Spitzenpolitikern gespickten Verwaltungsrat war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Verweigern Sie sich nicht weiter der so dringend gebotenen Aufklärung! Andere fordern es auch, zum Beispiel Herr Nolle; die PDS ist auch aufgewacht, haben wir gelesen.

In diesem Falle sollten Sie unserem Antrag auf Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses zustimmen.

In einem Antrag haben wir die Mitglieder der Staatsregierung, die auch im Verwaltungsrat der Sächsischen Landesbank vertreten sind, dazu aufgefordert, für die laufende Jahresabschlussprüfung auf die Bestellung eines Zweitprüfers zu dringen, um die Gerüchteküche endgültig zum Verstummen zu bringen und endlich größere

Sicherheit in Bezug auf den Gesamtrisikovorsorgebedarf des stark verästelten Konzerns zu bekommen.

Inzwischen liegt im Zusammenhang mit den Unregelmäßigkeiten um die Sachsen LB-Tochter MDL AG schon eine Schadensersatzforderung in Höhe von 140,5 Millionen Euro durch die IIL vor. Auch Herr Ausbacher trägt unserer Ansicht nach ein hohes Maß an Mitverantwortung für das MDL-Desaster.

Aber gerade um solchen haltlosen und geradezu frechen Forderungen an die Adresse der Sachsen LB die Grundlage zu entziehen, hätte das Aufklärungsanliegen unseres Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses von Ihnen viel ernster genommen werden müssen.

Nun wurden auch noch in den letzten Wochen gegen Spitzenmanager der Sachsen LB Ermittlungen der Staatsanwaltschaften Dresden und Leipzig eingeleitet. Unsere Befürchtungen, die wir hier in der letzten Plenarrunde gehegt haben, haben sich leider voll und ganz bestätigt. Ich frage Sie: Was muss denn noch passieren, ehe wir hier tätig werden? Das gravierende Transparenz- und Vertrauensproblem der Sachsen LB darf und kann von uns nicht länger ignoriert werden. Die Landespolitik muss für schnellstmögliche und hundertprozentige Aufklärung sorgen. Ich bitte deswegen, unserem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zuzustimmen. Wenn Sie heute den Pressespiegel des Landtages lesen und dann lesen: Sachsen LB verstrickt sich in weitere Widersprüche, Bankmanager auf Schleuderkurs, Akten aus Absurdistan usw. usf., dann ist es nicht mehr vertretbar, hier den Untersuchungsausschuss, der längst fällig war, zu verhindern.

(Beifall bei der NPD)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Aussprache. Wird von den Fraktionen das Wort gewünscht? – Die CDU-Fraktion; bitte schön, Herr Kupfer.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir lehnen den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nach wie vor ab, weil wir einen Untersuchungsausschuss als ein ungeeignetes Mittel betrachten, die von Ihnen und auch von uns erstrebte Aufklärung tatsächlich zu erlangen. Für uns ist der Haushalts- und Finanzausschuss das zuständige Fachgremium, in dem die gestellten und auch weitere Fragen zu erörtern sind. In der letzten Ausschusssitzung hat Finanzstaatssekretär Dr. Voss in Vertretung des damals erkrankten Finanzministers zu Vorgängen um die Sachsen LB und der Mitteldeutschen Leasing AG ausführlich Stellung genommen. Das war so versprochen und ist auch so gemacht worden. Sollten hierzu Fragen offen geblieben sein, werden diese vom Staatsminister Dr. Metz in der nächsten Ausschusssitzung beantwortet. Hierzu gehören für uns auch die gestern in der „Welt“ erhobenen neuen Vorwürfe zu gefälschten Dokumenten. Wir unterstützen die eindeutige Haltung von Ministerpräsident Prof. Milbradt und Finanzminister Dr. Metz nach zügigen personellen Konsequenzen für den Fall, dass hier manipuliert oder rückdatiert wurde.

Wir sind der Auffassung, dass sachliche Aufklärung bezüglich der Behauptungen im Zusammenhang mit der Minderheitentochter Real Immobilien GmbH ebenfalls zuerst im zuständigen Ausschuss erfolgen soll. Wir erwarten, dass die Staatsregierung in der nächsten Sitzung hierzu ausführlich informiert. Wie Sie wissen, findet die nächste Ausschusssitzung bereits am nächsten Mittwoch, also am 2. März, statt.

Von Verweigerung, meine Damen und Herren von der NPD-Fraktion, kann man hier in keinem Fall sprechen. Wer an sachlicher Politik interessiert ist, muss sich zunächst mit dem Sachverhalt vertraut machen. Im Ergebnis dessen kann man dann politische Schlussfolgerungen ziehen und nicht umgekehrt. Ich wiederhole mich hier. Dazu braucht es auch keiner politischen Klamaukanträge, wie es die Neonationalsozialisten hier in diesem Hause getan haben.

(Beifall bei der CDU, der PDS, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Wird von den Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Herr Dr. Schmalfuß, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor dem Hintergrund der in den vergangenen Wochen öffentlich geführten Diskussion im Zusammenhang mit der Landesbank Sachsen und ihrer Geschäftspolitik – wir erinnern uns alle daran, die Mitteldeutsche Leasing AG, die Real Immobilien GmbH, setis-bank AG und AC Capital in Dublin – beantragt die NPD-Fraktion in der heutigen Sitzung bereits zum zweiten Mal die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit den umstrittenen Vorgängen bei der Sachsen LB. Die FDP-Fraktion lehnt zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Einrichtung eines solchen Untersuchungsausschusses ab. Meine Damen und Herren! Wo liegen denn die Gründe für die Ablehnung? Es gibt eine Große Anfrage der Fraktion der FDP zur gesamten Geschäfts- und Anlagepolitik der Sachsen LB. Der Termin der Beantwortung ist der 4. April 2005. Wir gehen davon aus, Herr Staatsminister Metz, dass alle unsere Fragen, die im Zusammenhang mit der vorgenannten Großen Anfrage gestellt worden sind, vollumfänglich und fristgemäß beantwortet werden. Darüber hinaus liegt für die morgige Sitzung im Plenum ein Antrag der PDS-Fraktion vor, der auch zu diskutieren ist. Was ist denn die Zielsetzung im Zusammenhang mit der Landesbank? Es gibt drei Zielsetzungen.

Erstens. Wir wollen als FDP-Fraktion eine Erhöhung der Transparenz und Klarheit über die Geschäftspolitik der Landesbank Sachsen, das heißt: Wo lag bisher der Investitionsschwerpunkt der Landesbank? Da ist die Frage zu beantworten, ob im oder außerhalb des Freistaates Sachsen.

Zweitens möchten wir mit unserer Großen Anfrage die Identifikation möglicher latenter Risiken bei der Landesbank Sachsen offen legen, um sie dann gegebenenfalls als Risikoposition in den Haushalt 2005/2006 einstellen zu können. Möglicherweise müssen wir hier eine Risikovorsorge durchführen, denn nicht umsonst ist die Lan

desbank Sachsen mit einem Rating BBB+ „ausgezeichnet“ worden. Das ist ein sehr schlechtes Rating.

Drittens. Eine Zielsetzung ist hier die Neuausrichtung der Bank auf die Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft im Freistaat Sachsen unter Einbezug sächsischer Unternehmen in die Gremiumsarbeit. In Sachsen besteht weiterhin ein Finanzierungspotenzial durch die Sachsen LB bei Wachstum in verarbeitenden Unternehmen oder unternehmensnahen Dienstleistern. Der Bedarf ist im Freistaat Sachsen ungebrochen. Das weisen die Zahlen aus.

Wir haben weiterhin die sehr hohe Investitionsneigung. Das beweist auch der Antragsstau bei der GA-Förderung bei der Sächsischen Aufbaubank. Diesem Wachstumskurs und der Investitionsneigung steht ein weitgehend zurückgehendes Kreditvolumen gegenüber, was von den Kreditinstituten im Freistaat Sachsen ausgereicht wird.

Wohin soll sich denn die Landesbank entwickeln? Wir brauchen eine starke Landesbank, die ihrer Verantwortung in der Fremd- und natürlich auch Eigenkapitalfinanzierung für Handwerker und Unternehmen mit Betriebsstätten in Sachsen gerecht wird. Wir brauchen eine transparente und renditestarke Landesbank, die durch ihr Engagement im Freistaat Sachsen das Wachstum der sächsischen Wirtschaft nachhaltig und langfristig unterstützt. Mit anderen Worten: Wir brauchen eine Landesbank für das Land.

Vor dem Hintergrund meiner Argumentation bitte ich Sie, den Antrag der NPD-Fraktion abzulehnen, die Antworten auf die Große Anfrage der FDP-Fraktion abzuwarten, um auf dieser Basis gemeinsam weitere Entscheidungen treffen zu können.

Zum Abschluss habe ich an die Abgeordneten der demokratischen Parteien in diesem Hause eine persönliche Bitte. Die Diskussion um die Landesbank sollte vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Aspekte – das betone ich – mit außerordentlichem Respekt gegenüber den Arbeitsleistungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landesbank Sachsen sach- und zielorientiert geführt werden. Sollten möglicherweise Managementfehler in der Geschäfts- und Anlagepolitik begangen worden sein, so ist die Ebene der Mitarbeiter keineswegs dafür verantwortlich.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.