Protocol of the Session on January 24, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 99. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Herr Brangs, Herr Wehner, Herr Clemen, Herr Pietzsch, Herr Schiemann und Herr Schön.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 1 bis 6 und 11 festgelegt: CDU 85 Minuten, SPD 40 Minuten, NPD, FDP und GRÜNE je 30 Minuten, Fraktionslose je 5 Mi

nuten und die Staatsregierung 65 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.

Ich bitte, den Tagesordnungspunkt 16, Kleine Anfragen, zu streichen, da keine vorliegen.

Ich frage, ob es zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung noch Ergänzungen oder Änderungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Tagesordnung für die heutige Beratung von Ihnen als bestätigt anzusehen.

Meine Damen und Herren! Wir treten damit in die Tagesordnung ein. Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 1

Ergänzung des Untersuchungsauftrages des Untersuchungsausschusses „Versäumnisse und Fehlentscheidungen der Staatsregierung und ihrer Mitglieder bei der Aufgabenwahrnehmung in und der Ausübung ihrer Aufsichtsfunktionen gegenüber der Landesbank Sachsen Girozentrale (Sachsen LB) , deren direkten und indirekten Beteiligungen an Tochterunternehmen, verbundenen, assoziierten und sonstigen Unternehmen seit dem 1. Januar 1992 sowie direkte und indirekte Einflussnahmen der Staatsregierung, ihrer Mitglieder und der Bediensteten der Staatsministerien auf diese und die Auswirkungen für die unmittelbaren und mittelbaren Anteilseigner der Sachsen LB“

Drucksache 4/1397

Drucksache 4/10912, Dringlicher Antrag der Linksfraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zu diesem Antrag können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die Linksfraktion als Einreicherin, danach die Fraktion GRÜNE als Miteinreicherin, danach CDU, SPD, NPD, FDP und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Linksfraktion, das Wort zu nehmen. Herr Dr. Hahn, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als die Mitglieder der damaligen PDS-Fraktion im April 2005 einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema „Versäumnisse und Fehlentscheidungen der Staatsregierung und ihrer Mitglieder bei der Aufgabenwahrnehmung in ihrer Aufsichtsfunktion gegenüber der Sachsen LB sowie deren Tochterunternehmen“ durchsetzten, war wohl den meisten Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus noch nicht klar, welche Dimension dieser Ausschuss einmal erreichen könnte und welche Auswirkungen die Fehlentscheidungen der Bank durch das Management und politische Verantwortungsträger für den Freistaat Sachsen später tatsächlich haben würden.

Bereits im ursprünglichen Einsetzungsauftrag wurden im Übrigen die fragwürdigen Geschäfte der Landesbanktochter Sachsen LB Europe in Dublin thematisiert und schon

damals ging es uns auch um möglicherweise außerhalb der Bilanz geführte Wertpapierdepots, die später eventuell einmal Not leidend werden könnten. Allerdings haben auch wir uns 2005 – das will ich gern einräumen –nicht vorstellen können, dass daraus womöglich Milliardenverluste entstehen könnten, für die das Land würde haften müssen.

Sie alle kennen die Entwicklung seit dem August vergangenen Jahres vom Notverkauf der Landesbank an die LBBW bis hin zur Übernahme einer Garantie bzw. Bürgschaft des Freistaates Sachsen von bis zu 2,75 Milliarden Euro Ende 2007.

Die Linksfraktion meint, dass es geradezu die Pflicht des Parlamentes ist, die Vorgänge und Hintergründe, die zu dieser dramatischen Entwicklung geführt haben, aufzuklären und die dafür politisch Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Dies kann und soll aus unserer Sicht im bereits bestehenden Untersuchungsausschuss zur Sachsen LB erfolgen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Damit der Ausschuss, meine Damen und Herren, aber auch die jüngsten Ereignisse unter die Lupe nehmen kann,

bedarf es einer Erweiterung bzw. Konkretisierung seines Auftrages. Nach der geltenden Rechtslage kann der Ausschuss ansonsten im Wesentlichen nur Dinge untersuchen, die vor dem Datum seiner Einsetzung stattgefunden haben oder zumindest dort ihren Ausgang hatten. Um die Vorgänge im letzten halben Jahr im bestehenden Untersuchungsausschuss thematisieren zu können und insbesondere auch den bereits geladenen Zeugen keine Chance zu geben, sich unter Verweis auf den ursprünglichen Einsetzungsauftrag einer Befragung zu den aktuellen Dingen zu entziehen, erscheint es geboten, den Auftrag des Ausschusses entsprechend anzupassen. Dazu haben die Linksfraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Antrag eingereicht, der Ihnen heute in einer Neufassung vorliegt.

Um es ganz klar zu sagen: Die Einreicher haben keinen Zweifel daran, dass auch die Ursprungsfassung rechtlich zulässig war; aber es geht uns heute nicht um einen Streit über einzelne Formulierungen, es geht uns um die Sache. Wir wollen die Vorgänge um den Zusammenbruch der Sachsen LB aufklären, und das möglichst schnell. Deswegen haben wir bereits im Landtagspräsidium deutlich gemacht, dass wir zu einer Überarbeitung unseres Antrages bereit sind, sofern dessen Grundsubstanz nicht ausgehöhlt wird. Wir als Linksfraktion hätten uns sicher die eine oder andere Formulierung etwas klarer und weitergehend vorstellen können, aber sei’s drum. Angesichts dessen, dass als einzige Alternative nur noch die Einsetzung eines neuen, eigenständigen, dann dritten Untersuchungsausschusses übrig bliebe, können wir mit der jetzigen Fassung leben. Wir hoffen auch, dass sich die Koalitionsfraktionen einer Erweiterung nicht verweigern.

Im Falle der Annahme des vorliegenden Antrages dürfte der Ausschuss alle Landesbankvorgänge untersuchen, die vor dem heutigen Tag lagen bzw. dort ihren Ausgangspunkt nahmen, und auch alle künftigen Zeugen müssten bis zu diesem Zeitpunkt umfassend aussagen. Die ersten Zeugen, die von dieser Neuregelung betroffen wären, sind der frühere Finanzminister und jetzige Kanzleramtsminister Thomas de Maizière sowie Georg Milbradt, ebenfalls Ex-Finanzminister und vorübergehend noch Ministerpräsident.

(Vereinzelt Beifall bei der Linksfraktion)

Meine Damen und Herren, wir von der Linksfraktion haben an beide sehr viele Fragen. Wir werden die Betroffenen auch mit Fakten konfrontieren, die belegen, dass der Zusammenbruch der Landesbank nicht gottgegeben war, sondern aufgrund falscher politischer Vorgaben fast folgerichtig stattfand. Es wird dabei auch um die Frage gehen, ob das Desaster und die Folgekosten für die sächsischen Steuerzahler vermeidbar gewesen wären. Die letzte Zeugenvernehmung im Untersuchungsausschuss hat diesbezüglich sehr interessante Dinge ergeben. So haben die Ausschussmitglieder vom früheren Chef der Landesbanktochter Sachsen LB Europe, Claus-Harald Wilsing, unter anderem erfahren, dass die ominöse Firma, die später ohne jede Sicherung mit Milliardenbeträgen auf

den internationalen Kapitalmärkten jonglierte, am 4. Juni 1999 auf Einladung des damaligen Finanzministers Georg Milbradt binnen weniger Minuten in Prag gegründet worden war.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Der Mann, der mit dem jetzigen Chaos nichts zu tun haben will, war also nicht nur Erzeuger der Sachsen LB, sondern auch Geburtshelfer der Dubliner Tochterfirma und ist damit ganz persönlich für die Milliardenschäden mitverantwortlich.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Was hat das mit persönlich zu tun?)

Erhärtet wird dies dadurch, dass der Zeuge Wilsing in seiner Aussage auch mit der Legende aufräumte, die Staatsregierung sei von den Ereignissen in Dublin überrascht worden. Fest steht stattdessen jetzt: Alle milliardenschweren Großgeschäfte, die letztlich zum Ruin der Sachsen LB geführt haben, wurden vom Kreditausschuss der Landesbank entschieden. Den Vorsitz in diesem Ausschuss hatte der jeweilige Finanzminister inne, in den letzten zehn Jahren also Georg Milbradt, Thomas de Maizière und Horst Metz.

(Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion: Hört, hört!)

Der Ministerpräsident oder dann vielleicht schon der Bürger Georg Milbradt wird bei seiner Zeugenvernehmung am 31. März und am 1. April auch auf folgende Fragen antworten müssen: Warum lehnte die Staatsregierung im Sommer 2005 den Vorschlag von Bankmanager Wilsing ab, die Tochtergesellschaft Sachsen LB Europe mit einem Gewinn von rund einer halben Milliarde Euro zu verkaufen, obwohl der damalige Finanzminister Metz zunächst sogar Sympathien für diese Offerte erkennen ließ? Wurde Horst Metz von Georg Milbradt in dieser Frage ausgebremst? Hat der Ministerpräsident sein Veto eingelegt? 2005 wäre der jetzt eingetretene Schaden noch vermeidbar gewesen, und genau das wird auch im Untersuchungsausschuss zu prüfen sein.

Der Untersuchungsausschuss wird auch noch weitere Punkte zu klären haben, zum Beispiel, was es mit dem Verkauf des angeblich mehr als 4 Milliarden Euro schweren sogenannten Sachsenfonds der Landesbank an eine bayerische Firma auf sich hat, der zwischen Weihnachten und Jahresende 2007 fast als geheime Kommandosache nach der letzten Sitzung des Landtages über die Bühne ging, wie „Die Welt“ am 29. Dezember berichtete. Einer der ganz wenigen noch werthaltigen Fonds der Sachsen LB, der auch 2007 Gewinne brachte, wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion für einen geheim gehaltenen Kaufpreis verscherbelt, anstatt mit den auch offenbar künftigen Einnahmen die absehbaren dramatischen Verluste der Landesbank wenigstens zu minimieren.

Die Linksfraktion will wissen: Was steckt hinter dem überstürzten Verkauf des fraglichen Fonds? Ging es nur um eine Schönfärbung der Jahresbilanz 2007 oder geht es dabei um ganz andere Dinge, um höhere Beträge?

Schließlich handelt es sich doch dabei um jenen Fonds, mit dem die Landesbank zu für die Anleger paradiesischen Steuerkonditionen Hollywood-Filme, Schiffe und Flugzeuge finanzierte.

Nach Angaben eines Zeugen im Untersuchungsausschuss gibt es Hinweise darauf, dass in diesen Fonds hochrangige Politiker und Wirtschaftsbosse aus Sachsen private Anlagen getätigt haben. Die Namen der Beteiligten sind bislang unter Verweis auf das Steuergeheimnis leider nicht bekannt geworden. Angesichts der jüngsten Entwicklung dürfte jetzt gerade daran ein hohes öffentliches Interesse bestehen, zumal ausgerechnet dieser Fonds jetzt nach Bayern und damit in Sicherheit verbracht worden ist, während andere Anleger der Sachsen LB um ihre Einlagen fürchten müssen. Die Abgeordneten der Linksfraktion werden im Untersuchungsausschuss auch diese Sache weiter verfolgen.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Zum Schluss noch ein Wort zum amtierenden Ministerpräsidenten: Georg Milbradt hat die Weihnachtstage offenkundig für alles Mögliche genutzt, nicht aber dazu, über seine persönliche Verantwortung für das Landesbankdesaster nachzudenken, wie es sowohl die Opposition als auch sein Koalitionspartner, die SPD, gefordert hatten.

Wenn man sich seine bisherigen öffentlichen Auftritte im neuen Jahr ansieht, so wird deutlich: Der Ministerpräsident will im Amt bleiben, koste es, was es wolle. Georg Milbradt klebt an seinem Sessel und hat offenkundig keinerlei Unrechtsbewusstsein.

Ich wiederhole, was ich bereits im Dezember gesagt habe: Für die Opposition wäre ein Weiterwursteln Georg Milbradts ein Segen, für das Land ist es eine Katastrophe.

Herr Nolle hat gestern nach der Abstimmung zur Kreisreform im Landtag erklärt, er hoffe, dass der Ministerpräsident „dem Elend ein Ende bereitet, von allein geht und nicht wie ein starrköpfiger Altbauer von seiner eigenen Partei, in der er die Mehrheit schon lange verloren hat, mit dem Trecker vom Hof gezogen werden muss“.

Abgesehen davon, dass wir von der Opposition unsere Worte in der Regel etwas vorsichtiger wählen, hat Herr Nolle im Grundsatz recht. Aber ich füge hinzu, die SPD muss sich natürlich auch fragen lassen, wie lange sie sich noch der Richtlinienkompetenz eines Mannes unterwerfen will, dessen Rücktritt sie eigentlich für längst überfällig hält. Sei es, wie es sei: Jetzt geht es um die Erweiterung des Auftrages für den bestehenden Untersuchungsausschuss zur Sachsen LB und hier bitte ich Sie ganz herzlich um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der Linksfraktion und den GRÜNEN)

Ich erteile das Wort der Fraktion GRÜNE; Frau Hermenau, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Die Vorfelddiskussion hier

in den Reihen des Parlamentes zeigt, dass es nötig ist, uns noch einmal über die Erweiterung des Untersuchungsauftrages des Untersuchungsausschusses zu unterhalten. Ich habe auch aus anderen Fraktionen vernommen, dass das für wichtig gehalten wird, und bin sehr froh darüber, dass da zu seinem Wort gestanden wird.

Vor diesem Hintergrund rufe ich gern noch einmal in Erinnerung, was eigentlich in den letzten drei Jahren zum Thema Sachsen LB zwischen Parlament und Regierung abgelaufen ist. Sie wissen ganz genau, ich habe im Frühjahr 2005 dafür plädiert, dass wir einen fachlichen Unterausschuss des Haushaltsausschusses bilden, um genau das Problem, an dem wir jetzt alle knabbern, nämlich das Geschäftsmodell der Sachsen LB, zu beleuchten. Es hat damals verschiedene Widerstände gegeben und ich will das gar nicht im Einzelnen dingfest machen. Am Ende lief es aber darauf hinaus, wie das Hornbacher Schießen auszugehen. Der Unterausschuss ist nicht ernst genommen worden, weder von Teilen des Parlamentes noch von der Staatsregierung. Das rächt sich jetzt. Jetzt haben wir den Skandal, jetzt haben wir den Ärger und die Krise im Land.

Vor diesem Hintergrund und dem der neuen Zeugenaussage des Herrn Wilsing am Montag dieser Woche im Untersuchungsausschuss ist es schon geboten, noch einmal genauer über die Entwicklung zum Geschäftsmodell der Sachsen LB seit 2005 nachzudenken und ihr nachzugehen.

Es ist interessant, dass Herr Wilsing ausgeführt hat, er hätte im Juni 2005 vorgeschlagen, Dublin zu verkaufen. Wenn die Aussage wahr ist, dann ist das noch vor einer Sitzung des Unterausschusses des Haushaltsausschusses im Parlament gewesen. Diese fand nämlich im Juli 2005 statt. Da wollten wir eigentlich das Geschäftsmodell der Sachsen LB besprechen. Dort hätte diese Debatte hingehört. Das nicht vorgetragen zu haben ist zwar nicht direkt gelogen, aber es ist zumindest gut verschleiert. Das muss man ruhig einmal sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ich nehme einmal an, dass dasselbe vielleicht auch im Kreditausschuss passiert ist. Das werden wir sehen, wenn wir endlich einmal die Protokolle der Kreditausschusssitzungen auf dem Tisch haben werden.

(Staatsminister Thomas Jurk: Die bekommen Sie auf den Tisch!)