Protocol of the Session on September 14, 2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 59. Sitzung des 4. Sächsischen Landtags. Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Herr Dr. Metz, Herr Herbst, Herr Hamburger, Frau Kagelmann, Herr Neubert und Herr Hilker.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 4 bis 7 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 59 Minuten, Linksfraktion.PDS 53 Minuten, SPD 30 Minuten, NPD, FDP, GRÜNE je 25 Minuten, fraktionslose MdL je 4 Minuten und die Staatsregierung je 53 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können auf die Tagesordnungspunkte entsprechend dem Redebedarf verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Mir liegt ein als dringlich bezeichneter Antrag der Linksfraktion.PDS in der Drucksache 4/6355 „Keine gemeinsame Anti-Terror-Datei von Polizei und Verfassungsschutz“ vor. Ich bitte um Einbringung und Begründung der Dringlichkeit.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag ist nicht nur als dringlich bezeichnet, er ist auch dringlich. Wir haben die Begründung der Dringlichkeit auf Seite 2 des Antrages ausgeführt.

Ich will noch einmal deutlich machen, dass erstens die Innenministerkonferenz und die Veröffentlichung über die Ergebnisse nach dem offiziellen Termin für die Einreichung von Anträgen stattgefunden haben. Wir teilen hier zwar nicht die Position der CDU-Fraktion, aber in jedem Fall war der Antragsschluss bereits erreicht und es konnte auf anderem Wege kein Antrag gestellt werden. Der zweite Umstand hat mit der Geschäftsordnung und dem üblichen Verfahren, welches hier nicht angewendet werden kann, zu tun. Nach den Aussagen der Innenministerkonferenz wird noch in diesem Monat der Gesetzentwurf auf den Weg gebracht werden. Damit ist im üblichen Verfahren nach Geschäftsordnung keine Befassung des Landtags auf andere Weise erreichbar als über diesen Dringlichen Antrag.

Wir fühlen uns im Übrigen, was die Dringlichkeit angeht, durch die gestrige Fragestunde bestätigt, in der der Innenminister erklärt hat, dass Bundesrecht Landesrecht bräche und er im Zweifel Dinge gegen die Sächsische Verfassung und gegen das Urteil des Verfassungsgerichtes umsetzen würde. Insofern muss der Landtag rechtzeitig ein Stoppzeichen setzen und den Innenminister beauftragen, kein Gesetzgebungsverfahren anzugehen, das einen Verfassungsverstoß zur Folge hätte. Das muss unverzüglich passieren, deshalb die Dringlichkeit des Antrages.

Wir bitten Sie um Zustimmung und Aufnahme in die heutige Tagesordnung.

Wird zu dem Antrag das Wort gewünscht? – Bitte schön, Herr Lehmann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Hahn, Ihre Begründung der Dringlichkeit hinkt heute sogar auf zwei Beinen. Wenn Sie die Dringlichkeit des Antrages mit Zeitungsmeldungen zum Thema Anti-Terror-Datei begründen, dann geht Ihre Argumentation ins Leere, denn Meldungen dieser Art waren bereits am Montag, 12 Uhr, also dem Einreichungszeitraum für unsere Anträge, auf dem Markt. Sie hätten also gut und gerne einen regulären Antrag formulieren und ihn heute im Plenum zur Beratung anmelden können. Das haben Sie nicht getan. Damit ist Ihr heute als dringlich bezeichneter Antrag nach § 54 GO in Verbindung mit dem Gutachten des Juristischen Dienstes, welches wir beide sehr gut kennen, nicht dringlich.

Sollten aber Zeitungsberichte für Ihre Begründung der Dringlichkeit keine Rolle gespielt haben, wird es für Sie noch schwieriger. Die Bundesregierung hat nämlich bis zur Stunde – und darin stimme ich mit Ihnen überein – noch keinen einschlägigen Gesetzentwurf vorgelegt. Er ist auch nicht vor Ende dieses Monats zu erwarten. Liegt dieser vor, wird er zuerst an den Bundesrat überwiesen und dort sechs Wochen zur Stellungnahme liegen. Selbst bei besonderer Eilbedürftigkeit ist eine Frist von drei Wochen zu beachten, aber eine Eilbedürftigkeit dieser Art ist nicht zu erwarten. Es ist genug Zeit für uns, im Oktober dieses Thema auf Basis eines regulären Antrages in aller epischen Breite zu bearbeiten.

Aus diesen Gründen werden wir heute Ihren Antrag ablehnen.

Wird dazu weiter das Wort gewünscht? – Herr Dr. Hahn, bitte.

Ja, Herr Präsident, ich möchte noch einmal kurz erwidern, weil die Argumente von Herrn Lehmann nicht schlüssig sind. Wir haben uns auf die offizielle Mitteilung der Innenministerkonferenz bezogen. Diese kam ausdrücklich nach Schluss der Antragsfrist. Des Weiteren gab es am nächsten Tag die offizielle Stellungnahme des Sächsischen Datenschutzbeauftragten, der eindeutig und für uns nachvollziehbar erklärt hat, dass sich Sachsen an einer derartigen gemeinsamen Anti-Terror-Datei nicht beteiligen kann und darf. Aus dem Grund ist das Parlament gefordert, den Innenminister zu bremsen. Das kann aus unserer Sicht nur über den Dringlichen Antrag geschehen. Deshalb bleiben wir dabei, dass der Antrag dringlich ist und daher heute behandelt werden sollte.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren, damit bringe ich die Dringlichkeit des Antrages in der Drucksache 4/6355 „Keine gemeinsame Anti-Terror-Datei von Polizei und Verfassungsschutz“ zur Abstimmung. Wer der Dringlichkeit des Antrages die Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer Stimmenthaltung

und einer Anzahl von Stimmen dafür ist die Dringlichkeit des Antrages mehrheitlich abgelehnt worden.

Ich frage, ob es weitere Änderungsanträge zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung für unsere heutige Beratung als zugestimmt.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 1

Vereidigung der Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst (gemäß Artikel 61 Verfassung des Freistaates Sachsen)

Meine Damen und Herren! Nach Artikel 61 der Verfassung des Freistaates Sachsen haben die Mitglieder der Staatsregierung bei Amtsantritt den Amtseid zu leisten. Ich darf Frau Dr. Stange zu mir nach vorn bitten.

(Die Abgeordneten aller Fraktionen und die Mitglieder der Staatsregierung erheben sich von den Plätzen.)

Frau Dr. Stange, Sie sind durch den Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen zur Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst berufen worden. Ich bitte Sie nun, den folgenden Amtseid nachzusprechen. Sie können die Beteuerung hinzufügen „so wahr mir Gott helfe“.

Der Amtseid lautet: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, Verfassung und Recht wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber allen üben werde.“

Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, Verfassung und Recht wahren

und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber allen üben werde.

Danke. – Damit spreche ich Ihnen im Namen der Abgeordneten des Sächsischen Landtags meine herzlichen Glückwünsche aus und wünsche Ihnen alles Gute und gute Zusammenarbeit.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei allen Fraktionen – Gratulation durch die Fraktionsvorsitzenden der CDU, der SPD, der Linksfraktion.PDS, der FDP und der GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich rufe Punkt 2 der Tagesordnung, die Aktuelle Stunde, auf. Hierzu liegen mir die rechtzeitig eingegangenen Anträge auf Aktuelle Debatten vor.

Tagesordnungspunkt 2

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Schutz vor Gammelfleisch im Freistaat Sachsen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

2. Aktuelle Debatte: Die Verantwortung der Staatsregierung für die explodierenden Kosten beim City-Tunnel in Leipzig

Antrag der Linksfraktion.PDS

Die Verteilung der Redezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 39 Minuten, Linksfraktion.PDS 31 Minuten, SPD 14 Minuten, NPD 12 Mi

nuten, FDP 12 Minuten, GRÜNE 12 Minuten und die Staatsregierung 20 Minuten.

Wir kommen nun zu

1. Aktuelle Debatte

Schutz vor Gammelfleisch im Freistaat Sachsen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD.

Als Antragstellerinnen haben zunächst die Fraktionen der CDU und der SPD das Wort. Es ist mir aber angekündigt worden, dass Frau Staatsministerin Orosz zunächst sprechen möchte. Ich erteile ihr hiermit das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schutz vor Gammelfleisch in Sachsen – diese Forderung ist mehr als berechtigt. Die Verbraucher haben ein Recht auf sichere und unbedenkliche Lebensmittel, und dass das so bleibt, dafür wird die Staatsregierung auch künftig Sorge tragen. Aber – ich denke, das muss an der Stelle der Ehrlichkeit halber auch hinzugefügt werden – eine hundertprozentige Sicherheit kann es auch hier nicht geben. Ich kann Ihnen jedoch versichern, dass die sächsischen Überwachungsbehörden weiterhin alles in ihrer Macht Stehende tun werden, um Vorkommnisse, wie wir sie in den letzten Wochen zur Kenntnis nehmen mussten, weitestgehend auszuschließen. Sachsen ist hier gut aufgestellt. Das belegt im Übrigen auch der Verbraucherschutzindex 2006, bei dem unsere amtliche Lebensmittelüberwachung bundesweit einen Spitzenplatz belegte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotzdem ist Sachsen keine Insel. Die Ämter für Lebensmittelüberwachung können ihren Aufgaben im gesundheitlichen Verbraucherschutz nur gerecht werden, wenn die jeweils zuständigen Behörden über Kreisgrenzen, Bezirksgrenzen und Ländergrenzen hinweg effektiv und vertrauensvoll zusammenarbeiten. Dass die Zusammenarbeit gut funktioniert, hat sich nach meiner Einschätzung auch in dem jüngsten Fall bestätigt. Nach Eingang der entsprechenden Informationen aus Bayern haben die zuständigen sächsischen Behörden rasch, effektiv und angemessen gehandelt. Untadelige Unternehmen – so handhaben wir es seit längerer Zeit – werden seltener kontrolliert als andere. Das ist auch eine zeitgemäße Überwachungspraxis, die durch risikobasierende Probenahmen und Untersuchungen komplettiert wird.

Bereits seit Januar dieses Jahres arbeiten die sächsischen Lebensmittelüberwachungsbehörden auf der Grundlage eines landesweit verbindlichen Qualitätsmanagementsystems. Insoweit sehen wir uns durch die nun getroffene Entscheidung, bundesweit einheitliche Qualitätsstandards einzuführen, für diese behördliche Tätigkeit in Sachsen bereits auf dem richtigen Weg. Gleichzeitig verleitet uns der erreichte hohe Standard nicht dazu, selbstzufrieden oder bequem zu werden. Wir sind hier zwar auf einem guten Weg und haben eine Reihe der in der vergangenen Woche gefassten Beschlüsse aus der Verbraucherschutzministerkonferenz bereits realisiert, gleichwohl bleibt auch in Sachsen noch einiges zu tun.

Mit den jüngsten Vorkommnissen um verdorbenes Fleisch sind auch wieder Forderungen nach einer angemessenen Sach- und Personalausstattung der zuständigen Behörden laut geworden. Selbstverständlich müssen Ausrüstung und Ausstattung der Kontrolleure dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen, und dies betrifft nicht nur die eigentlichen Vollzugsbehörden, sondern auch die Landesuntersuchungsanstalt.

Natürlich müssen unsere Lebensmittelkontrollbehörden auch über die erforderliche personelle Ausstattung verfügen. Hierauf kann die Staatsregierung – wie Sie wissen – nur begrenzt Einfluss nehmen. Aber es gibt einen partnerschaftlichen Dialog. Gleichwohl haben wir mit den bereits 1994 herausgegebenen Empfehlungen meines Hauses zum Aufbau und zur Ausstattung der Behörden des öffentlichen Gesundheitsdienstes eine weitsichtige Orientierung gegeben. Ich werde die jüngsten Vorkommnisse trotzdem zum Anlass nehmen, diese Empfehlungen im Hinblick auf zeitgemäße Überwachungskriterien, zum Beispiel Risikobeurteilung, zu überprüfen und gegebenenfalls zu aktualisieren. Dazu bin ich auch mit meinen betreffenden Kollegen aus dem Kabinett im Gespräch.

Unabhängig davon bieten die im Zuge der Verwaltungs- und Funktionalreformen entstehenden größeren Behörden – das sei an der Stelle angemerkt –, gerade für solch eine komplexe Aufgabe wie die Lebensmittelüberwachung vermehrt den Einsatz von Spezialisten für besondere Aufgaben vorzusehen und damit echte Kompetenzzentren zu entwickeln.

Unerlässlich für eine funktionierende Lebensmittelkontrolle ist aber auch, dass die vorhandenen Sanktionsmöglichkeiten ausgeschöpft werden.