Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 68. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages. Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Herr Dr. Gillo, Herr Mirko Schmidt, Frau Hermenau, Herr Rasch, Frau Dr. Schwarz und Herr Kosel.
Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung zu unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 5 bis 9 festgelegt: für die CDU 85 Minuten, Linksfraktion.PDS
65 Minuten, SPD 40 Minuten, NPD, FDP und GRÜNE je 30 Minuten, Fraktionslose je 5 Minuten, Staatsregierung 65 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können wie immer auf die entsprechenden Tagesordnungspunkte je nach Bedarf verteilt werden.
Meine Damen und Herren! Ich frage Sie, ob es zu der vorliegenden Tagesordnung Ihrerseits noch Ergänzungs- oder Veränderungsvorschläge gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung für die heutige Beratung als beschlossen.
In der 17. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages wurde entsprechend Artikel 54 der Verfassung des Freistaates Sachsen in Verbindung mit § 2 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes die Wahl der Mitglieder und deren Stellvertreter des 1. Untersuchungsausschusses durchgeführt.
Die Linksfraktion.PDS hat uns einen Vorschlag unterbreitet und ein Mitglied benannt. Wir werden deshalb jetzt die Wahl durchführen. Der Wahlvorschlag der Linksfraktion.PDS liegt in der Drucksache 4/7167 vor. Die Wahl findet nach den Bestimmungen unserer Geschäftsordnung geheim statt, allerdings kann stattdessen durch Handzeichen abgestimmt werden, wenn kein Abgeordneter
widerspricht. Ich frage daher, ob ein Abgeordneter widerspricht, offen abzustimmen. – Das ist nicht der Fall.
Meine Damen und Herren! Damit kommen wir zur Abstimmung über den Vorschlag der Linksfraktion.PDS. Wer dem Vorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei Stimmenthaltungen und einer Stimme dagegen ist dem so zugestimmt.
1. Lesung des Entwurfs Gesetz zur Regelung des Rechtsanspruches von Schulkindern auf eine kostenfreie Mittagsversorgung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Schulkinderversorgungsgesetz – SächsKindVersorgG)
Es liegt keine Empfehlung des Präsidiums vor, eine allgemeine Aussprache durchzuführen. Es spricht deshalb nur die Einreicherin, die Linksfraktion.PDS. Ich bitte, das Wort zu nehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kinderarmut äußert sich in vielen Formen und Erscheinungen. Benachteiligungen beim Bildungszugang gehören ebenso dazu wie das fehlende eigene Kinderzimmer, das fehlende Taschengeld, die weit zurückliegende Urlaubsfahrt mit den Eltern, das nicht bezahlbare Ferienlager oder auch der unerfüllbare Wunsch an den Weih
nachtsmann. Aber auch die klassische Form ist in Sachsen schon wieder Realität: der knurrende Magen in der Schule; Kinder, die ohne Frühstück zur Schule gehen, und Kinder, die nicht an der Schulspeisung teilnehmen. Wenn wir Ihnen vorgeschlagen haben, für die Kinder von HartzIV-Betroffenen und für Kinder aus Familien mit vergleichbar niedrigem Arbeitseinkommen ein kostenloses Mittagessen in der Grundschule einzuführen, so hat das nichts damit zu tun, dass wir irgendwelche sozialen Wohltaten verteilen wollen, unbezahlbare Wohltaten schon gar nicht, wie Sie uns mit Vorliebe unterstellen.
Es ist ganz einfach eine Notmaßnahme, nicht mehr und nicht weniger, und ein Thema, das für einen der reichsten europäischen Staaten im 21. Jahrhundert eher beschämend ist. Es ist eine Notmaßnahme gegen die auch in Sachsen wachsende Kinderarmut, vor der wir die Augen nicht länger verschließen dürfen.
Sehr geehrte Damen und Herren, nur rund die Hälfte der Grundschüler nimmt in Sachsen an der Schulspeisung teil. Nicht alle, die dies nicht tun, müssen hungern. Das ist natürlich richtig. Aber es ist auch bekannt, dass das, was Kinder stattdessen zu sich nehmen – sei es ein Schokoriegel, seien es Chips oder sei es der improvisierte Imbiss zu Hause am Kühlschrank –, nicht immer das ist, was Kinder für ihr gesundheitliches Wohlbefinden und ihre körperliche Entwicklung brauchen.
Die Sozialministerin hat vor zwei Monaten darauf hingewiesen, dass sich die Zahl übergewichtiger Kinder zum Schuleingang fast verdreifacht hat. In Dresden gab es vor einigen Monaten eine Studie, die deutlich machte, dass allein über 12 % der Kinder in der 6. Klasse übergewichtig sind. Das sind Folgen ungesunder und schlechter Ernährung. Etwa 20 % der Schüler, meine sehr geehrten Damen und Herren, essen kein Frühstück. Einer solchen Entwicklung kann man mit Ernährungserziehung und -aufklärung entgegenwirken. Das ist gut und richtig. Es darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es immer mehr Eltern gibt, für die alle klugen Ratschläge zur gesunden Ernährung sehr schwer mit ihrem Hartz-IVFamilienbudget in Übereinstimmung zu bringen sind.
Versuchen Sie doch einmal, Ihr Kind mit weniger als 4 Euro pro Tag gesund zu ernähren. Da helfen auch keine bunten Ratgeberbroschüren mehr. Davor dürfen wir unsere Augen nicht verschließen. Wir müssen handeln und auf diese dramatische Entwicklung reagieren. Unser Vorschlag ist, die Kommunen damit zu beauftragen, allen Grundschülern, deren Familieneinkommen nicht oder nicht wesentlich über Hartz-IV-Niveau liegt, ein kostenloses Mittagessen zu garantieren.
Der Freistaat soll die dabei entstehenden Kosten übernehmen. Mit unserem Vorschlag wollen wir das Problem so unbürokratisch wie möglich lösen.
Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich wissen wir, dass das Problem bereits im Kindergarten gehäuft auftritt: bei Kindern, deren Elternbeitrag von der Kommune übernommen wird, deren Eltern aber kein Essengeld bezahlen oder auch nicht bezahlen können. Ich will das nicht im Einzelfall bewerten. Ich weise nur darauf hin, dass bei einer weiteren Häufung der Fälle das Problem nicht mehr durch das Engagement der Erzieherinnen dieser Kinder zu lösen sein wird. Denn was ist die Reali
tät? Tritt ein solcher Fall auf, dann wird in der Kita alles möglich gemacht und im Zweifelsfall geteilt, um allen Kindern ein Essen zu geben. Diese Problemstellung müssen wir in der parlamentarischen Diskussion der nächsten Zeit im Auge behalten.
Dennoch haben wir uns zunächst auf die Grundschule konzentriert, weil es dort nicht mehr funktioniert, die Kinder mit „durchzuziehen“. Stellen Sie sich einmal vor, wie es für Kinder sein muss, wenn die Mitschüler essen und das betroffene Kind zuschauen muss. Das ist Diskriminierung aufgrund von Armut, die schon im Kindesalter anfängt. Das können wir in Sachsen nicht hinnehmen.
So viel soziale Verantwortung, liebe Kolleginnen und Kollegen, so viel Herz muss sein, damit wir nicht schon Kinder die schlimmen Folgen von Armut spüren lassen. Jeder und jede von Ihnen kennt sicher mindestens ein Kind aus seinem Umfeld, von Besuchen in Einrichtungen oder aus der Bürgersprechstunde im Wahlkreisbüro, dem dieses Gesetz zugute kommen würde.
An systematischen Kenntnissen fehlt es leider. Die Staatsregierung musste an dieser Stelle innerhalb der Beantwortung unserer Großen Anfrage zur Kinderarmut komplett passen. Sie weiß zu diesem Thema nichts. Wir sind deshalb bei unserer Kalkulation mit aller denkbaren Vorsicht herangegangen und haben uns ausschließlich auf Grundschüler aus Familien mit geringem Einkommen konzentriert. Sollte sich die von uns eingeplante Summe als zu groß erweisen, wäre eine Ausdehnung auf weitere Schularten bzw. Kindertageseinrichtungen wünschenswert und notwendig. Bereits in den Haushaltsverhandlungen des Landtages hatten wir diesen Gesetzentwurf mit 30 Millionen Euro finanziell untersetzt und er war Bestandteil unseres alternativen Haushalts der Linksfraktion.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das, was wir vorschlagen, gibt es schon, und zwar nicht in Wolkenkuckucksheim, sondern in der realen Welt. Ich verweise beispielsweise auf Boxberg im Niederschlesischen Oberlausitzkreis. Dort gibt es für jedes Kind ein kostenloses Mittagessen in der Grundschule, und nicht nur für bedürftige, sondern für alle Kinder.
Die Zahl der Teilnehmer am Mittagessen hat sich dadurch verdreifacht. Darüber sollten Sie einmal nachdenken. Wenn Sie über Weihnachten intensiv darüber nachgedacht haben, können Sie ja im neuen Jahr unserem Gesetzentwurf zustimmen.
Sehr geehrte Frau Orosz! Eines möchte ich Ihnen in diesem Zusammenhang aber doch noch sagen: Wenn Sie das nächste Mal wieder eine Kampagne zum gesunden
Schulfrühstück öffentlichkeitswirksam begleiten wollen, wie beispielsweise im September dieses Jahres, dann tun Sie es bitte nicht in der International School in Dresden, einer Schule, zu der nur ein Kind Zugang hat, dessen Eltern ein besonders hohes Schulgeld bezahlen können. Gehen Sie bitte in eine Dresdner Schule, deren Schüler sich das Frühstück von der Dresdner Tafel holen. Das könnte Ihr eigenes Problembewusstsein in diesem Bereich stärken.
Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bitte zusätzlich um Überweisung dieses Gesetzentwurfes an den Schulausschuss und aufgrund der kommunalen Komponente an den Innenausschuss des Landtages.
Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt vor, den Entwurf Gesetz zur Regelung des Rechtsanspruchs von Schulkindern auf eine kostenfreie Mittagsversorgung im Freistaat Sachsen an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend – federführend – und den Haushaltsausschuss zu
überweisen. Es kam jetzt noch der Antrag, auch an den Schulausschuss und den Innenausschuss zu überweisen.
Ich lasse erst einmal abstimmen über die zusätzlich gewünschten Überweisungen. Wer die Zustimmung gibt, dass an die beiden von mir zuletzt genannten Ausschüsse überwiesen werden soll, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Stimmen dagegen? – Stimmenthaltungen? – Damit ist das einstimmig so beschlossen.
Ich lasse abstimmen über den Vorschlag der Überweisung an den Ausschuss für Soziales, Gesundheit, Familie, Frauen und Jugend – federführend – und den Haushaltsausschuss. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Das ist einstimmig so beschlossen. Der Tagesordnungspunkt 2 ist damit beendet.
Meine Damen und Herren! Das Folgende war bei mir erst für morgen vorgesehen. Ich freue mich heute ganz genauso, ein Geburtstagskind begrüßen zu können. Herr Fröhlich hat Geburtstag. Alles Gute, Gesundheit und Wohlergehen!