Protocol of the Session on May 28, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 107. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Eingangs habe ich eine ganz erfreuliche Mitteilung zu machen. Wir haben heute ein Geburtstagskind unter uns. Frau Schmidt von der CDU-Fraktion hat Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute, Gesundheit und Gottes Segen!

(Beifall bei allen Fraktionen und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Herr Hamburger von der CDU-Fraktion hat sich für die heutige Sitzung entschuldigt. Ich möchte ihm von dieser Stelle aus gute Genesungswünsche überbringen.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium für die Tagesordnungspunkte 4 und 5 sowie 9 bis 13 festgelegt: CDU 117 Minuten, Linksfraktion 89 Minuten, SPD 54 Minuten, NPD 40 Minuten, FDP 40 Minuten, GRÜNE 40 Minuten, fraktionslose MdL je 7 Minuten und die Staatsregierung 89 Minuten. Die Redezeiten können wie immer entsprechend dem Redebedarf der Fraktionen auf die einzelnen Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Sie darüber informieren, dass gestern Herr Prof. Dr. Milbradt mir gegenüber in einem Schreiben Folgendes erklärt hat:

„Sehr geehrter Herr Präsident! Gemäß Artikel 68 Abs. 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen erkläre ich meinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten mit Ablauf des 27. Mai 2008.

Mit freundlichen Grüßen, Georg Milbradt.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir wenige Worte zu diesem Schreiben zu sagen. Sehr geehrter Herr Ministerpräsident! In all den Jahren Ihrer politischen Tätigkeit in Sachsen, in der Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs unmittelbar nach der friedlichen Revolution genau wie in den zurückliegenden Jahren des Aufbaus unseres Freistaates haben Sie erfolgreich Ihre große Fachkompetenz in den Dienst des Landes gestellt.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD, Beifall bei der Staatsregierung und der Abg. Antje Hermenau, GRÜNE, und Holger Zastrow, FDP)

Dass Sachsen heute zu den dynamischsten Bundesländern gehört, und nicht nur in Ostdeutschland in vielen Bereichen eine Spitzenposition einnimmt, ist in hohem Maße auch Ihrem Wirken als Finanzminister und Ministerpräsident zu danken.

Auf dem persönlichen Weg, der in den nächsten Jahren vor Ihnen liegt, und für die Aufgaben, die Sie sich für die

Zukunft vorgenommen haben, wünsche ich Ihnen von ganzem Herzen ein reiches Maß an Gesundheit, viel Glück und vor allem auch Gottes Segen. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD, Beifall bei der Staatsregierung und der Abg. Dr. André Hahn, Linksfraktion, Antje Hermenau, GRÜNE, und Holger Zastrow, FDP)

Meine Damen und Herren! Ich frage, ob es Änderungswünsche oder Ergänzungen zur Tagesordnung gibt. – Gibt es nicht.

Meine Damen und Herren! Mir liegen zwei Anträge der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Linksfraktion vor, eine Erklärung außerhalb der Tagesordnung abgeben zu dürfen. Ich bitte die Fraktionsvorsitzende der GRÜNEN, Frau Hermenau, entsprechend der Reihenfolge der Abgabe der Anträge, diese Erklärung abzugeben. Bitte schön. – Die Redezeit beträgt 3 Minuten.

Herr Präsident! Sehr geehrte Mitglieder des Sächsischen Landtages! Wir sind heute mit der Tatsache konfrontiert, dass ein aus dem Amt scheidender Ministerpräsident es nicht für nötig erachtet, hier eine Abschiedsrede zu halten, in der er sowohl seine Verdienste um unsere gemeinsame Heimat als auch die mit seinem Handeln verbundenen Gründe für seinen Rücktritt, insbesondere die Ereignisse um die Sächsische Landesbank, hätte darlegen und mit uns erörtern können.

Er verzichtet damit auf die Möglichkeit, sich bei der sächsischen Bevölkerung, die ihre Volksvertreter hierher entsandt hat, zu bedanken. Er verzichtet damit auf die Möglichkeit, sich bei uns Parlamentariern, von denen eine ausreichende Anzahl ihn in dieses Amt gewählt hat, zu bedanken. Er verzichtet damit darauf, selbst den letzten öffentlichen Eindruck von seiner Person im Amt zu bestimmen.

Dass Sie auf Ihr politisches Wirken auch stolz sein können, haben doch gestern Abend die Gäste des Empfangs in der Staatskanzlei erleben können. Warum gelingt Ihnen das nur hinter verschlossenen Türen und nicht hier im öffentlichen parlamentarischen Diskurs? Im Gegensatz zu Ihnen, Herr Abg. Milbradt, halte ich es wirklich nicht für verzichtbar, dass Sie hier im Parlament eine Abschiedsrede halten. Vielleicht hat es Ihnen das sächsische Parlament bislang zu leicht gemacht, sodass Sie diese Attitüde entwickeln konnten, aber der sächsische Regierungsabsolutismus findet hoffentlich hier und heute mit Ihrer Nichtrede ein Ende.

Vorbild der modernen Parlamente ist das englische System, das sich seit dem Mittelalter schrittweise entwickelte, um den unkontrollierten Griff in die Staatskasse zu beenden. Nun leben wir in Sachsen nicht mehr im Mittelalter. Wir haben keinen König, auch wenn bei Sonnenschein ein Krönchen auf der Staatskanzlei funkelt. Bei uns in Sachsen ist der Ministerpräsident beim Volk

angestellt, gewählt durch die Vertreter des Volkes. Deshalb ist Ihre Abtrittsrede nicht verzichtbar.

Ich wünsche mir ein sächsisches Parlament, in dem wir alle das nötige Selbstbewusstsein, die nötige Würde und das nötige Augenmaß aufbringen, um es zur Stärke zu entwickeln. Ich möchte nicht wieder erleben, dass ein aus dem Amt scheidender Ministerpräsident den Eindruck hat, es reiche, auf einem Parteitag Rückblicke und Ausblicke zu machen. Das hat absolutistische Züge und in einem modernen Parlamentsverständnis nichts zu suchen. Die Stärke des Parlamentes hängt nun einmal wesentlich davon ab, wie stark die Abgeordneten sind. Wir Abgeordneten werden in freien und geheimen Wahlen von der Bevölkerung gewählt. Wir werden nicht von einem König ernannt, und das ist ein Auftrag. Wenn wir durchsetzen, dass jeder von uns, sei es in der Opposition oder in der Koalition, seinen ersten parlamentarischen Auftrag, die Regierung zu kontrollieren, ernsthaft und in bester Absicht wahrnimmt, dann sind wir ein starkes Parlament. Der Abg. Milbradt, der mit seiner Amtsaufgabe heute in unsere Reihen zurückgekehrt ist, hatte den Eindruck, er könne in diesem sächsischen Parlament keine ordentliche Debatte über das Gute und Schlechte seiner Amtszeit erwarten. Dem beim Volk angestellten Ministerpräsidenten, gewählt aus den Reihen des Parlaments, kann ich das nicht durchgehen lassen.

Nach dieser Nichtrede des zurückgetretenen Ministerpräsidenten Georg Milbradt finde ich, dass auch in Sachsen 20 Jahre nach der Wende wieder eine starke parlamentarische Demokratie in bester Tradition möglich sein muss. Ich trete mit Ihnen allen, liebe Kolleginnen und Kollegen, zuversichtlich in unsere heutige Tagesordnung ein.

(Beifall bei den GRÜNEN und der Linksfraktion)

Ich erteile der Fraktion DIE LINKE das Wort; Herr Dr. Hahn, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich weitgehend Frau Hermenau anschließen und es deshalb kürzer machen. Das, was heute hier stattfinden soll, dürfte wohl ein ziemlich einmaliger Vorgang in der deutschen Parlamentsgeschichte sein: Der alte Ministerpräsident geht, ohne gegenüber dem Parlament Rechenschaft über seine Arbeit abzulegen, ohne die politische Verantwortung für das Landesbankdesaster zu übernehmen und ohne dass es dazu eine Debatte im Parlament gibt. Ich sage: Das ist kein Umgang mit gewählten Volksvertretern!

(Beifall bei der Linksfraktion und vereinzelt bei der NPD)

Der designierte Ministerpräsident wiederum will sich heute wählen lassen, ohne dass man genau weiß, wofür er überhaupt steht,

(Vereinzelt Widerspruch bei der CDU)

und nach seiner Wahl in drei Wochen dem Parlament in einer Regierungserklärung mitteilen, was er im Amt

eigentlich zu tun gedenkt. Auch das ist zumindest fragwürdig. Ich denke, nicht nur der Landtag, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger in Sachsen hätten einen anderen, einen würdevolleren Regierungswechsel verdient.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich möchte deshalb hier zumindest die Hoffnung ausdrücken, dass ein neuer Ministerpräsident auch einen Beitrag dazu leistet, dass im Landtag, dass im Land eine andere, eine bessere politische Kultur einzieht. Dazu müssen alle Seiten beitragen, sowohl die Regierung und die Koalition als auch die Oppositionsfraktionen; aber es geht auch um den Umgang des Ministerpräsidenten mit dem Parlament. Daran, Herr Tillich, werden Sie im Falle Ihrer Wahl gemessen werden.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Eine letzte Bemerkung. Wir haben für die heutige Wahl einen Stimmschein erhalten, auf dem es für die Opposition keine Möglichkeit gibt, ihr ablehnendes Stimmverhalten gegenüber einem oder beiden Kandidaten durch ein Kreuz klar auszudrücken. Es mag bei anderen Wahlen, zum Beispiel für Parteigremien, durchaus denkbar sein, dass man sich dann einfach der Stimme enthält. Wenn allerdings ein NPD-Vertreter auf dem Stimmschein steht, dann ist für uns eine solche Stimmenthaltung ausgeschlossen.

(Zuruf des Abg. Jürgen Gansel, NPD)

Wir werden uns entsprechend verhalten. Ich wollte das hier auch in aller Form zu Protokoll geben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linksfraktion)

Ich erteile dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Dr. Hähle, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn Teile der Opposition noch etwas Hässliches über Ministerpräsident Georg Milbradt sagen wollten, dann haben sie offensichtlich die Zeit verpasst. Ihre Empörung ist gespielt. Wir haben es oft genug erlebt, dass, wenn die Regierung eine Erklärung abgeben wollte, es Ihnen gerade eben nicht gepasst hat.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich können Sie hilfsweise das Vehikel der Erklärung vor Eintritt in die Tagesordnung nutzen, um wenigstens noch einmal drei Minuten zu Wort kommen zu können.

Meine Damen und Herren! Es gibt aber Tage, da verbieten sich solche Spiele, wenn man noch einen Funken Respekt vor der obersten Volksvertretung unseres Landes hat,

(Beifall bei der CDU)

zumal, wenn man diesen Respekt, wie Frau Hermenau, selbst einfordert.

Wir haben heute unter Tagesordnungspunkt 1 die ehrenvolle Aufgabe, einen neuen Ministerpräsidenten für den Freistaat Sachsen zu wählen. Dafür gilt Artikel 60 Abs. 1 der Sächsischen Verfassung. Darin heißt es: „Der Ministerpräsident wird vom Landtag mit der Mehrheit seiner Mitglieder ohne Aussprache in geheimer Abstimmung gewählt.“

(Beifall bei der CDU)

Ich bitte das Hohe Haus, sich dieser Aufgabe in würdevoller Weise zu widmen.

Noch etwas zur Gestaltung des Wahlscheines: Ich will aus einem Antrag des Parteivorstandes vom 24. Februar 2008 an den ersten Parteitag der Partei DIE LINKE zitieren: „Der Parteitag beschließt nach § 5 Abs. 5 der Wahlordnung der Partei DIE LINKE, dass in den Wahlgängen die Möglichkeit von Neinstimmen entfällt,

(Volker Bandmann, CDU: Hört, hört!)