Protocol of the Session on April 7, 2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 47. Sitzung des 4. Sächsischen Landtags. Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Prof. Dr. Milbradt, Frau Orosz, Frau Herrmann, Herr Baier und Frau Bonk.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung zu unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat folgende Redezeiten für die Tagesordnungspunkte 3 bis 8 festgelegt: CDU 101 Minuten, Linksfraktion.PDS 77 Minuten, SPD 47 Minuten, FDP, NPD und GRÜNE

jeweils 37 Minuten, fraktionslose MdL je 6 Minuten und die Staatsregierung 77 Minuten. Die Redezeiten können wie immer von den Fraktionen auf die Tagesordnungspunkte entsprechend ihrem Redebedarf verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Ich bitte, aus unserer Tagesordnung die Tagesordnungspunkte 3, 4 und 6, 3. Lesungen, zu streichen. Gibt es weitere Änderungsanträge zur Tagesordnung? – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung für unsere heutige Sitzung als bestätigt und wir kommen zur Abarbeitung der Tagesordnung selbst.

Es ist aufgerufen der

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Einbindung des Flughafens Leipzig in die Logistik künftiger Kriege?

Antrag der Fraktion der NPD

2. Aktuelle Debatte: Gefahr einer weiteren Schulschließungswelle und Auswirkungen der aufgeweichten Bildungsempfehlung – Konsequenzen für das Schulnetz

Antrag der Fraktion der FDP

Meine Damen und Herren! Die Verteilung der Redezeiten hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, Linksfraktion.PDS 26 Minuten, SPD 12 Minuten, NPD und FDP jeweils 17 Minuten, GRÜNE

12 Minuten und die Staatsregierung 20 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen nun zu

1. Aktuelle Debatte

Einbindung des Flughafens Leipzig in die Logistik künftiger Kriege?

Antrag der Fraktion der NPD

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der NPD das Wort. Die weitere Reihenfolge lautet: CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE, Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die NPDFraktion, das Wort zu nehmen. Herr Leichsenring, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist schon an Dreistigkeit oder besser Frechheit nicht zu überbieten, wie in Deutschland anscheinend Völkerrecht gebrochen wird. Als am Donnerstag vor zwei Wochen die NATO ihr Gemeinschaftsprojekt „Salis“ zum strategischen Lufttransport mit der Indienststellung von sechs Großraumflugzeugen vom Typ Antonow A 124 startete, scheute sich Verteidigungsminister Franz Josef Jung nicht, von der Schließung einer Fähigkeitslücke und einer Verbesserung der Einsatzbereitschaft der Allianz zu sprechen.

Wir denken, er gibt damit einen ganz klaren Bruch des 2+4-Vertrages zu. Das in Leipzig angewendete Modell

zur völkerrechtswidrigen Militarisierung Mitteldeutschlands trägt den Namen „Salis“ – Strategic Air Lift Interim Solution –,

(Unruhe bei der CDU)

das ist der ausgesprochene Name. Dieses Konzept soll den Zugriff auf große Transportkapazitäten sichern, bis hin zu gepanzerten Fahrzeugen, meine Damen und Herren. Diese Maschinen werden von der Ruslan Salis GmbH gemietet, einer Tochter der russischen Dnepr-WolgaGruppe, und sollen erklärtermaßen für Flüge in Krisengebiete eingesetzt werden. Wir denken, es handelt sich mehr oder weniger um eine plumpe Tarnung, wenn private Flugzeuge eingesetzt werden, denn auch wenn die militärische Gewalt und die militärischen Kapazitäten privatisiert werden, werden sie deswegen nicht besser.

Das Verteidigungsministerium spricht selbst von einer „entscheidenden operationellen Voraussetzung für den Einsatz schneller Eingreifkräfte“ und von einer „gesicher

ten strategischen Verlegefähigkeit“. Damit, denke ich, ist bewiesen, dass es sich hier um den Bruch des 2+4Vertrages handelt. Nun ist es nicht so, dass ich viel Herzblut für den 2+4-Vertrag vergieße – weiß Gott nicht –, aber die NPD-Fraktion möchte nicht, dass Sachsen zu einem Aufmarschgebiet der NATO wird. Wir sind dabei froh über jeden Mitstreiter bei diesem Engagement. Herr Külow hat sich auch dazu geäußert. Ich habe ein Zitat von ihm in der „Jungen Welt“ vom 24.03. gefunden, welches Wort für Wort unsere Unterstützung findet.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Er hat darin auf die Frage nach diesen „privaten“ Maschinen Folgendes gesagt: „Von solchen Märchen sollte sich niemand einschläfern lassen. An den Rumpf der Großraumtransporter können Sie dranpinseln, was Sie wollen. Das Militärische und Bedrohliche hat nichts mit dem Anstrich zu tun, sondern mit dem Zweck der künftigen Flüge, und der ist eindeutig militärstrategisch. Im Übrigen ist die Art, wie die beiden Flugzeuge hier stationiert werden, wie die Besatzungen in ständiger Einsatzbereitschaft gehalten werden und wie viel weitere Flugzeuge in der zweiten Staffel dieser fliegenden Eingreiftruppe gehalten werden, Beleg genug für den durch und durch globalstrategischen Charakter der Angelegenheit.“

In der Tat hat er Recht. Es ist egal, was man an die Flugzeuge dranpinselt, ob „Salis“ oder NATO dransteht oder was auch immer. Wir sind der Meinung, auch wenn man sich die Antwort auf unsere Große Anfrage durchliest, dass kein Zweifel daran besteht, dass Leipzig mit dieser Stationierung zu einem militärischen Drehkreuz umgebaut werden soll, sicherlich kein großes und bedeutendes, aber immerhin. Herr Buttolo sagte in der Antwort auf unsere Große Anfrage: Der denkbare Einzelfall, bei dem ausländisches militärisches Gerät durch ausländisches militärisches Personal auf dem Landweg nach Leipzig verbracht und dort in die stationierten Flugzeuge vom Typ Antonow verladen wird, um alsbald in ein Drittland abtransportiert zu werden, ist davon zu unterscheiden. Eine Stationierung wäre in einem solchen Vorgang nicht zu sehen.

Abgesehen von dieser Definitionsakrobatik, die Stationierung dieser Antonows in Leipzig bedeutet die Integration des Flughafens Leipzig in die militärische Infrastruktur der NATO. Für uns ist es keine Frage des „Ob“, sondern nur noch des „Wann“ und des „Wie“, dass weitere militärische Aktivitäten auf dem Flughafen Leipzig passieren werden. Das sollte uns alle aufrütteln. Ich denke, in dieser Frage sind wir alle gar nicht so weit auseinander, auch wenn Sie, meine Damen und Herren, es nicht zugeben dürfen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der NPD)

Für die Fraktion der CDU Herr Prof. Bolick, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Leichsenring, Sie haben überhaupt nichts bewiesen, Sie können ja nicht einmal „Salis“ richtig interpretieren. Diese Krokodilstränen von der Fraktion, die mehrheitlich kein Problem damit hat, den Einsatz des letzten Paars Skistöcke und des letzten Fahrrades in die Logistik des Zweiten Weltkrieges in Ordnung zu finden – von Schlimmerem will ich gar nicht reden – nimmt Ihnen keiner ab.

(Beifall bei der CDU – Jürgen Gansel, NPD: Die NATO-Aggression ist das Thema. Alexander Delle, NPD: 200 Flüge nach 1945!)

Die erfolgreiche Entwicklung unseres Freistaates Sachsen und in letzter Zeit vor allen Dingen unseres interkontinentalen Flughafens Leipzig/Halle scheinen die Populisten von Rechts und auch des Öfteren von Links zu stören oder ein Dorn im Auge zu sein. Offensichtlich fällt den Leuten nichts Sinnvolles ein. Das Niveau der Debatte im Landtag lässt sich möglicherweise durch solche Anträge noch weiter drücken oder zumindest das Volumen ausweiten. Das Wohl unseres Landes scheint Ihnen sowieso nicht so sehr am Herzen zu liegen. Jedenfalls ist klar, zur Lösung der in Sachsen doch noch reichlich vorhandenen Probleme tragen Sie mit Ihren Anträgen keinen Deut bei.

(Beifall bei der CDU und der FDP – Jürgen Gansel, NPD: Wer hat die Probleme verursacht?)

Vor einer Woche haben wir uns im Haushalts- und Finanzausschuss mit dem Antrag der Linksfraktion.PDS befasst. Dort ging es darum, die Anteile unseres Flughafens Leipzig/Halle möglicherweise zu verkaufen. Der Antrag wurde mit großer Mehrheit abgelehnt.

Aber die gleiche Fraktion hat vor drei Wochen hier gegen den Woba-Verkauf gewettert bzw. gesagt, dass sich die Stadt Dresden damit Gestaltungsspielräume vergibt. Man kann die Art der Debatten hier und die Standpunkte wahrscheinlich frei wechseln.

(Zuruf des Abg. Prof. Dr. Peter Porsch, Linksfraktion.PDS)

Nun hat die NPD auf Kosten der Zeit des Hohen Hauses im Flughafen Leipzig/Halle eine schlummernde Kriegsgefahr entdeckt. Solchem Populismus kann ich mit einigen Fakten begegnen.

Strategischer Lufttransport, insbesondere von übergroßer Ladung, stellt tatsächlich eine der markantesten Fähigkeitslücken der NATO und der EU dar. Deutschland hat die Führungsfunktion der gemeinsamen NATO-EUInitiative Salis übernommen, um eine Zwischenlösung bis zum Zulauf genügend großer nationaler Einheiten zu sichern. Es soll dort der Airbus A 400 M, die militärische Variante des Airbus, angeschafft werden. Nach einer internationalen Ausschreibung wurde durch die 15 beteiligten Nationen ein Vertrag mit einer Laufzeit von zunächst drei Jahren mit dem Anbieter Ruslan Salis GmbH geschlossen, der im Januar 2006 in Kraft trat. Die Ruslan Salis GmbH ist eine Tochter der russischen Firma

Wolga Dnepr mit Sitz in Leipzig. Sie kann auch auf die Luftfahrzeuge der Mutterfirma zurückgreifen und ist außerdem in Kooperation mit der ukrainischen Firma Antonow, dem Hersteller der Flugzeuge.

Die operationellen Vorgaben werden durch die Stationierung von zwei AN 124-100 am Flughafen Leipzig erfüllt. Weitere vier Antonows sind bei Bedarf zeitlich gestaffelt zuzuführen.

Die gefundene Lösung erlaubt durch ständige Verfügbarkeit von zwei AN 124 auch die unverzügliche Unterstützung von humanitären Operationen und Maßnahmen. Es werden am Flughafen Leipzig/Halle keine NATO- bzw. EU-Truppen stationiert. Auch wird Leipzig/Halle als Be- und Entladungsort eher eine Ausnahme bilden, weil die 15 Länder alle eigene Punkte haben, von denen aus sie im Ernstfall be- und entladen werden müssen.

Es werden keine ABC-Waffen mit diesen Maschinen transportiert und die Bestimmungen des 2+4-Vertrages eingehalten. Die AN 124 werden nach ausschließlich zivilen Kriterien und Bestimmungen betrieben. Sie entsprechen dem geforderten Lärmstandard III.

Die ab zirka 2010 der Bundeswehr zur Verfügung stehenden Großtransportmaschinen A 400 M werden nicht in Leipzig stationiert, sondern an dafür vorgesehenen Luftwaffenstandorten.

Sehr verehrte Damen und Herren! Meine Darlegungen zeigen, dass die Stationierung der Maschinen vom Typ AN 124 auf dem Flughafen Leipzig/Halle einzig und allein auf einer unternehmerischen Entscheidung der Ruslan Salis GmbH beruht. Unternehmerische Entscheidungen zugunsten unserer Flughäfen und unseres Landes wünschen wir uns noch viel mehr.

Die antragstellende Fraktion der NPD heuchelt mit dieser Debatte Sorge um die friedliche Nutzung unserer Flughäfen. Aber wer traut schon dem Wolf im Schafspelz?

(Jürgen Gansel, NPD: Mal eine neue Schallplatte!)

Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass Deutschland und Europa so wie in den vergangenen 60 Jahren von vernünftigen Leuten regiert werden, damit unsere Flughäfen,

(Lachen bei der NPD)