Protocol of the Session on January 24, 2007

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 70. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Herr Eggert, Frau Matthes, Frau Hermenau und Frau Schulz.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 1 bis 2 und 8 bis 12 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 122 Minuten, Linksfraktion.PDS 94 Minuten, SPD 59 Minuten, NPD, FDP und

GRÜNE je 45 Minuten, fraktionslose MdL je 7 Minuten, Staatsregierung 94 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen und der Staatsregierung können wie immer entsprechend dem Bedarf auf die Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Änderungsanträge liegen mir offiziell nicht vor. Ich frage dennoch, ob es seitens der Fraktionen noch Änderungsanträge zu unserer heutigen Tagesordnung gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung als genehmigt.

Wir kommen damit gleich zur Tagesordnung selbst. Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

2. und 3. Lesung des Entwurfs Gesetz zum Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Änderung des Sächsischen Privatrundfunkgesetzes

Drucksache 4/6599, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 4/7561, Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien

Den Fraktionen wird das Wort zu einer allgemeinen Aussprache erteilt. Es beginnt die Fraktion der CDU, danach Linksfraktion.PDS, SPD, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung.

Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der CDU, das Wort zu nehmen. Herr Prof. Wöller, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Neunte Rundfunkänderungsstaatsvertrag bringt keine strukturellen Veränderungen der dualen Rundfunkordnung, aber eine Weiterentwicklung der Medienordnung sowie Anpassungen an die aktuelle Entwicklung.

Zum Regelungsinhalt im Einzelnen. Der Neunte Rundfunkänderungsstaatsvertrag schafft einen einheitlichen Rechtsrahmen für Medien- und Teledienste unter dem zusammenfassenden Begriff „Telemedien“. Er ist damit eine sachgerechte Fortentwicklung des Rechts der elektronischen Medien in Abstimmung zwischen Bund und Ländern.

Für die Länder stehen beim Rundfunk und bei den Telemedien, die an die Allgemeinheit gerichtet sind, neben dem wirtschaftlichen Aspekt vor allem kulturelle Aspekte im Vordergrund. Es ist wichtig, das in diesem Hohen Haus zu betonen, weil es in der Auseinandersetzung mit der EU-Kommission immer wieder zu einem Konflikt zwischen wirtschaftlichen und kulturellen Aspekten kommt. Für uns steht ganz klar der kulturelle Aspekt im Vordergrund. Wir wollen diesen nicht durch die wirtschaftliche Seite aushöhlen lassen.

Es geht um inhaltsbezogene Vorschriften bei Rundfunk und Telemedien. Diese werden in Abschnitt VI – Telemedien – geregelt. Die wirtschaftsbezogenen Vorschriften verbleiben in Bundeshoheit und werden im Telemediengesetz des Bundes geregelt. Es erfolgt damit eine Klarstellung von originären Zuständigkeitsbereichen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Dazu gehören Rundfunkprogramme, aber grundsätzlich keine Telemedien. Das ist wichtig, weil wir keine Expansionsstrategie verfolgen. Wir wollen eine Qualitätsoffensive bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Im Weiteren werden Informationsrechte für Rundfunkveranstalter – gleichermaßen öffentlich-rechtliche und private – gestärkt. Es erfolgt eine einheitliche Regelung des Auskunftsanspruchs durch eine Klarstellung im Rundfunkstaatsvertrag, die wir begrüßen.

Ferner erfolgt eine Neuregelung der Drittsenderechte für unabhängige Dritte. Diese Regelung trägt entscheidend zur Stärkung der Medienvielfalt bei.

Ein wichtiger Punkt, für den wir uns in den Koalitionsfraktionen schon seit Jahren einsetzen, ist die durchgehende Kontrolle der Rundfunkaufsicht. Die Anhörung hat gezeigt, dass es kritische Äußerungen zur Effizienz der öffentlich-rechtlichen Aufsichtsgremien gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat ebenfalls konstatiert, dass es auch hier ein sogenanntes institutionentypisches Expansionsinteresse gibt; das heißt, Aufgaben, die nicht originär zum Zuständigkeitsbereich der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehören, werden an Land gezogen.

Es fehlt eine effiziente Aufsicht über das ARDHauptprogramm, das immerhin mit einem Finanzvolumen von über 2 Milliarden Euro ausgestattet ist. Mit diesem Staatsvertrag schreiben wir eine durchgehende Gremienkontrolle fest. Damit sichern wir die durchgehende Kontrolle auch im ARD-Hauptprogramm. Das betrachten wir als Erfolg – als unseren Erfolg! – und einen der Hauptpunkte im Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag.

Mit dem Zustimmungsgesetz zum Neunten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, um dessen Annahme ich Sie gleich alle bitten werde, regeln wir aber auch noch Dinge, die in unserem Sächsischen Privatrundfunkgesetz regelungsbedürftig sind. Durch die dynamische Entwicklung im Medienbereich treten neue Anbieterformen auf: Plattformbetreiber, elektronische Navigatoren. Wir müssen uns die Fragen stellen: Wie lautet die rechtliche Definition? Wie sollen diese reguliert werden? Eine Antwort hierauf steht noch aus; auch der vorliegende Rundfunkänderungsstaatsvertrag gibt sie nicht.

Damit wir aber – gerade von Sachsen aus – an diesem Prozess weiterhin partizipieren können, ist es notwendig, unserer Medienanstalt, der SLM, das rechtliche Instrumentarium an die Hand zu geben, Erprobungen vornehmen zu können. Das tun wir, indem wir jetzt auch neben Nutzungsformen neue Anbieterformen in das Gesetz schreiben und damit die technische und wirtschaftliche Entwicklung in Sachsen voranbringen. Ich erinnere Sie nur daran, dass die DVBH-Frequenzen vor einer Ausschreibung stehen, das heißt, wie Handy-TV in Deutschland bundeseinheitlich geregelt werden sollen. An dieser Entwicklung möchten wir partizipieren. Sachsen ist ein attraktiver Medienstandort, wo kreative Köpfe zu Hause sind und wirtschaftliche Innovation vorangebracht wird.

Meine Damen und Herren! Die eigentlichen medienpolitischen Antworten stehen aber noch aus. Medienpolitik ist eine äußerst spannende Angelegenheit. Dies bezeugt die jüngste Einigung mit der EU-Kommission. Wir haben Hausaufgaben zu erledigen, die uns fortlaufend beschäftigen werden. Im Mittelpunkt steht die weitere Auftragsdefinition des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Wir müssen hier zu einem Kernauftrag kommen, der den öffentlichrechtlichen Rundfunk stärkt und seine Kompetenzen begrenzt. Wie soll dieser in der digitalen Zukunft aussehen? Auch hier lautet unser Motto: Qualität vor Expansion! Das schließt nicht aus, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk an technischen Innovationen teilnehmen darf und soll.

Ferner steht ein neues Gebührenmodell im Mittelpunkt. Die letzten Diskussionen in diesem Hohen Hause haben es gezeigt: Wir brauchen ein neues tragfähiges Gebührenmodell, das gleichermaßen einfacher, transparenter und gerechter ist und dabei EU- und Verfassungsvorgaben erfüllt.

Ein weiterer Punkt – er betrifft auch uns als Medienstandort – betrifft die Medienkonzentration. Vielfaltsicherung ist eine Demokratie fördernde und mit Verfassungsauftrag

belegte Aufgabe, die wir erfüllen müssen. Es hat sich aber gezeigt, dass im bestehenden Rechtsrahmen verstärkt Inländer diskriminiert werden und Medienkonzernen vom Ausland hierbei der Vorzug eingeräumt werden soll. Das können wir nicht mittragen. Wir müssen auf medienrelevante Märkte Antwort geben, wie wir damit umgehen wollen. Bleiben wir beim Zuschaueranteilsmodell oder wollen wir es dynamisch fortentwickeln?

Zuletzt: Unsere Medienordnung knüpft am Rundfunkbegriff an. Das ist ein überkommener Begriff, den wir fortentwickeln müssen, und zwar dynamisch. Um nur ein Beispiel zu nennen:

Wenn Sie heute Abend die „Tagesschau“ sehen, dann ist das Rundfunk. Wenn Sie sich die „Tagesschau“ eine Viertelstunde später vom Internetportal der ARD herunterladen, dann ist das nicht mehr Rundfunk, sondern ein Dienst. Es hat sich also innerhalb der 15 Minuten eine „mediale Geschlechtsumwandlung“ vollzogen.

Wie gehen wir damit rechtlich um? Wie ist der Regulierungsrahmen? Auf all diese Fragen steht eine Antwort aus.

Zum Fazit: Medienpolitik ist eine spannende Angelegenheit. Sie bleibt spannend. Der Neunte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist der Auftakt zu einem Jahr, das verstärkt im Fokus der Medienpolitik stehen wird. Der Neunte Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist ein notwendiger und folgerichtiger Schritt. Die eigentlichen Herausforderungen stehen mit dem Zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag an.

Ich freue mich auf die Debatte und darf Sie um Ihre Zustimmung bitten.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Hilker, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gesetze und Staatsverträge sind dazu da, einerseits auf aktuelle Probleme zu reagieren, diese Probleme auch abzustellen, und andererseits Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft zu sichern, die Entwicklung in der Zukunft auch zu gestalten.

Wir müssen feststellen: Dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag reagiert auf beides nicht. Wenn man Entwicklung gestalten will, so muss man Ziele haben. Die Ziele hat Herr Wöller unter anderem angesprochen. Es geht darum, das Medienrecht zu reformieren, Teledienste und Mediendienste zusammenzufassen. Aber die Anhörung mit den von Ihnen bestellten Gutachtern, Herr Prof. Wöller, hat doch eines ergeben: Die Regelung der Teledienste und Mediendienste, die Zusammenführung, ist gesetzestechnisch schlecht gemacht. Alle Gutachter vom Mitteldeutschen Rundfunk, von der Sächsischen Landesanstalt für Privatrundfunk wie auch diejenigen von der privaten Industrie haben festgestellt, dass es so, wie Sie es hinein

geschrieben haben und wie die Staatsregierung verhandelt hat, einfach nicht geht. Wer Genaues wissen will, müsse nur im entsprechenden Protokoll nachlesen.

Ja, Sie verkünden das Ziel, dass Landesmedienanstalten fusionieren sollen. Nun greifen Sie zu dem Trick einer entsprechenden finanziellen Vergütung. Man hat ja aus der Landespolitik gelernt, wie man es bei den Landkreisen betreibt. Aber ich sage Ihnen, mit der Regelung, die Sie geschaffen haben, wird keine einzige Landesmedienanstalt fusionieren.

Herr Degenhardt von der Sächsischen Landesmedienanstalt ist ja genau auf diesen Passus nicht eingegangen. Ich bin bereit, mit Ihnen eine Wette einzugehen, dass aufgrund dieser Regelung in den nächsten drei bis vier Jahren keine einzige Fusion in Mitteldeutschland und in Deutschland dazu stattfinden wird.

Sie sagen, das Erste Programm der ARD soll besser kontrolliert werden. Ja, darin stimme ich mit Ihnen überein. Es geht um einen Betrag von etwa 2 Milliarden Euro.

Sie sagen, es sind Regelungen zur Gremienkontrolle geschaffen worden. Wer sich näher damit beschäftigt, weiß doch, dass dies Alibiregelungen sind. Wer verhandelt denn dort? Das sind dann nicht nur mehr die Intendanten, sondern auch die Gremienvorsitzenden.

Wir beide sitzen doch im Rundfunkrat des MDR. Wie wurden wir denn von unserem Gremienvorsitzenden über die entsprechenden Veränderungen im Ersten Programm der ARD informiert?

Ich will jetzt nicht auf aktuelle Beispiele eingehen, aber ich denke, Sie können dazu nichts detaillierter ausführen. Ich sage Ihnen, es gibt keine Stärkung der Medienkontrolle für das Erste Programm der ARD. Sie werden in zwei Jahren wieder hier stehen, wieder darüber debattieren und wieder feststellen, dass letztlich die Intendanten dann unter Abnickung der Gremienvorsitzenden und Rundfunkräte das machen, was sie wollen, und unsere Mitbestimmung eben nicht gestärkt wurde. – So weit zu der Frage, wie auf aktuelle Entwicklungen reagiert wurde.

Natürlich kann man auch zurückblicken und fragen: Wie wurde auf Probleme reagiert und wie wurden Probleme gelöst? Ja, man musste eine technische Anpassung vornehmen. Man musste „Hausgemeinschaft“ in „Haushaltsgemeinschaft“ ändern, weil es Hausgemeinschaften bei den Gebührenbefreiungstatbeständen so oft nicht gibt. Man ist noch ein Stück weitergegangen: Diejenigen, die in einer Ausbildung sind und nicht zu Hause leben, sind zukünftig von Gebühren befreit. Aber viele andere, die einer Gebührenbefreiung bedürfen, werden nicht befreit. Wie kann es sein, dass jemand, der Hartz IV bekommt und 10 Euro zusätzlich erhält, die volle Rundfunkgebühr bezahlen muss? Der hat letztlich weniger Geld in der Tasche. Wir haben auf dieses Problem immer wieder aufmerksam gemacht. Wir haben dazu immer wieder Anträge in den Landtag eingebracht. Wir wollten die Staatsregierung auffordern, in diesem Bereich zu verhandeln. Sie hat es nicht getan, und Sie, Herr Prof. Wöller,

Ihre Fraktion, die Koalition haben dazu geschwiegen bzw. dagegen gestimmt.

Ich sage Ihnen, das sind aktuelle Probleme, auf die reagiert werden muss. Über das, was Sie angesprochen haben – die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer digitalen globalen Welt –, haben wir schon mehrmals diskutiert. Wir haben mehrmals gesagt, es reicht nicht aus, einen Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu machen. Wir brauchen einen neuen. Das haben wir zum Siebenten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, zum Achten gemacht, und jetzt machen wir es wieder zum Neunten. Auch Sie sagen, zum Zehnten wird es kommen. Allein, mir fehlt der Glaube, dass Sie, die Sächsische Union, dazu fähig sind, irgendetwas in diesem Bereich zu bewegen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)

Ein wesentliches Problem, das im Sommer debattiert wurde, haben Sie auch nicht gelöst. Es geht um die PCGebühren. Da muss ich die Staatsregierung doch fragen: Warum wird etwas eingeführt, was in wenigen Monaten schon wieder abgeschafft werden soll?

Es wird zugegeben, dass diese Rundfunkgebühr weltweit einmalig ist. Es wird zugegeben, dass sie unsinnig ist, dass sie unpraktikabel ist, dass ein neues Rundfunkgebührenmodell her muss, allerdings setzen Sie sie einfach einmal durch. Wir hätten die Chance gehabt, genau dort entsprechende Regelungen zu schaffen und einen Missstand, der eingeführt wird, sofort wieder abzuschaffen.

Ich sage Ihnen eines, Herr Prof. Wöller, meine Damen und Herren von der Koalition: Sie haben nichts erfüllt. Weder haben Sie die Ziele erreicht, die Sie vorgegeben haben, noch haben Sie die aktuellen Probleme gelöst. Deshalb ist dieser Rundfunkänderungsstaatsvertrag abzulehnen.

(Beifall bei der Linksfraktion.PDS)