Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 78. Sitzung des 4. Sächsischen Landtags. Ich habe zunächst eine sehr angenehme Aufgabe. Wir haben heute gleich drei Geburtstagskinder, denen wir zu ihrem Ehrentag ganz herzlich gratulieren dürfen: Frau Orosz, die Ministerin, Frau Lauterbach von der Linksfraktion.PDS und Herr Dr. Jähnichen von der CDU-Fraktion. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute und Gottes Segen.
(Beifall bei allen Fraktionen – Ehrung der Geburtstagskinder – Dr. Fritz Hähle, CDU: Darf ich eine Erklärung abgeben?)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte eine Erklärung vor Eintritt in die Tagesordnung abgeben. Ich habe eben der Frau Ministerin Blumen überreicht. Nun hat das Fraktionsmitglied Rolf Jähnichen auch Geburtstag. Sie sollen wissen, dass er seine Blumen heute Morgen schon bekommen hat. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat die Redezeiten für die Tagesordnungspunkte 3 bis 11 wie folgt festgelegt: CDU 95 Minuten, Linksfraktion.PDS 75 Minuten, SPD, NPD, FDP und GRÜNE je 50 Minuten, fraktionslose MdL je 8 Minuten, Staatsregierung 75 Minuten. Die Redezeiten der Fraktionen können wie immer auf die Tagesordnungspunkte entsprechend dem Redebedarf der Fraktionen verteilt werden.
Meine Damen und Herren, ich bitte, dass Sie in der Ihnen vorliegenden Tagesordnung folgende Änderungen vornehmen. Die Tagesordnungspunkte 3 bis 6, 3. Lesungen, sind zu streichen, da wir sie bereits gestern behandelt haben.
Meine Damen und Herren, mir liegt ein als dringlich bezeichneter Antrag der Linksfraktion.PDS in der Drucksache 4/8688 „Sofortige Einstellung der verfassungswidrigen Übermittlung personenbezogener Daten durch das Landeskriminalamt Sachsen und das Landesamt für Verfassungsschutz an die zentrale Antiterrordatei“ vor. Der Landtag hat die Möglichkeit, die Dringlichkeit festzustellen. Dann müsste dieser Antrag noch auf die heutige Tagesordnung der Sitzung gebracht werden. Ich bitte um Einbringung des Antrages und Begründung der Dringlichkeit. Herr Dr. Hahn, bitte.
im Haus und drei Geburtstagskindern bin ich sehr zuversichtlich, dass der Dringlichkeit unseres Antrages nun heute stattgegeben wird.
Das Thema ist allerdings ein ernstes; der Präsident hat den Titel des Antrages genannt. Ich weiß, dass wir über dieses Thema mehrmals im Haus gesprochen haben. Bis dato sind wir davon ausgegangen, dass es sich um Planungen des Innenministers handelt. Wir wissen seit dem 4. Mai aus der Antwort auf die Drucksache 4/8412, dass der Innenminister tatsächlich und aus unserer Sicht verfassungswidrig die Daten übermittelt. Die Antwort der Staatsregierung ist nach dem Stichtag für das Einreichen regulärer Anträge verteilt worden. Wir sind aus diesem Grund der Auffassung, dass der Antrag objektiv dringlich ist, weil die Antwort der Staatsregierung erst nach der Frist kam. Der Antrag ist auch politisch dringlich, weil der Landtag nicht dulden kann, dass verfassungswidrige Zustände herrschen und dass der Innenminister fortlaufend gegen die Verfassung verstößt.
Deswegen muss aus unserer Sicht eingeschritten werden, und das sofort. Deshalb bitte ich um den Beschluss zur Dringlichkeit und die Aufnahme in die heutige Tagesordnung.
Herr Präsident! Herr Dr. Hahn! Die gute Stimmung im Hause ist zu begrüßen; sie ist aber leider nicht geschäftsordnungsrelevant. Nach § 54 Abs. 3 der Geschäftsordnung in Verbindung mit dem Gutachten des Juristischen Dienstes, das wir alle kennen, ist ein Antrag immer dann als dringlich zu behandeln, wenn nach § 53 Abs. 5 der Geschäftsordnung der Gegenstand des Antrages nicht bekannt war und damit eine reguläre Behandlung im Sinne von § 53 Abs. 5 Satz 2 der Geschäftsordnung nicht möglich war. Diese maßgebliche Frist lief am 30. April dieses Jahres ab. Am 30. März dieses Jahres hat die Staatsregierung bekannt gegeben, dass nach den Ausführungen des Bundesgesetzes nunmehr vom Freistaat Sachsen begonnen wurde, die Daten, die verpflichtend abzugeben sind, zu übermitteln. Damit verhält sich die Staatsregierung gesetzeskonform.
Die Linksfraktion.PDS hätte also gut vier Wochen Zeit gehabt, um einen Antrag zu erarbeiten und ihn regulär einzubringen. Der Verweis auf eine Kleine Anfrage ist in diesem Zusammenhang nicht relevant. Im Übrigen ist zu bemerken, dass der Freistaat Sachsen auch nach dem Grundgesetz zum Vollzug dieses Gesetzes verpflichtet ist. Mit Beginn dieses Jahres ist eine standardisierte zentrale Antiterrordatei in Deutschland eingeführt worden. Wir haben erheblichen Zweifel daran, dass ein Antrag, der die
Staatsregierung zu grundgesetzwidrigem Handeln auffordern will, überhaupt geschäftsordnungskonform und in diesem Hohen Hause zu behandeln wäre.
Abschließend möchte ich bemerken, dass Ihr Antrag auf Dringlichkeit nicht den geschäftsordnungsmäßigen Voraussetzungen genügt. Er ist allenfalls verspätet und zeugt davon, dass das Terminmanagement in der Linksfraktion.PDS zu wünschen übrig lässt.
Herr Präsident! So viel Unsinn kann man doch nicht stehen lassen. Deshalb möchte ich noch einmal deutlich sagen: Wann die Staatsregierung irgendetwas und irgendwem bekannt gibt, ist für uns nicht relevant. Für uns relevant ist eine Parlamentsdrucksache, in der der Innenminister dem Parlament mitteilt, dass er jetzt mit der Übermittlung von Daten begonnen hat. Diese Antwort ging am 4. Mai ein, mithin nach der Frist zur Einreichung regulärer Anträge. Herr Lehmann, da Sie auch zum Inhalt etwas gesagt haben, möchte ich zumindest feststellen, was die Dringlichkeit angeht, dass es um die Sächsische Verfassung geht. Die Sächsische Verfassung hat in diesem Punkt eine andere, weiter gehende Regelung als das Grundgesetz. Wir sind der Sächsischen Verfassung verpflichtet und gegen diese verstößt der Innenminister. Aus diesem Grund ist der Antrag politisch und terminlich dringend.
Wird weiter das Wort gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Dann bringe ich die Dringlichkeit des Antrages der Linksfraktion.PDS in der Drucksache 4/8688 zur Abstimmung. Wer der Dringlichkeit des Antrages zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei einer ganzen Anzahl von Stimmen dafür ist die Dringlichkeit des Antrages mehrheitlich abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Anträge zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung mit den Streichungen, die ich Ihnen bereits bekannt gegeben habe.
Bevor ich den Tagesordnungspunkt 1 aufrufe, möchte ich Ihnen noch die Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung bekannt geben. Es sind entschuldigt und damit beurlaubt: Frau de Haas, Frau Mattern, Herr Dr. Friedrich, Frau Schütz, Herr Prof. Dr. Milbradt, Herr Teubner, Frau Hermenau, Frau Kagelmann, Frau Windisch und Herr Baier.
1. Aktuelle Debatte: Die Unfähigkeit der CDU/SPD-Koalition, ein modernes Hochschulgesetz für Sachsen vorzulegen
Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, Linksfraktion.PDS 31 Minuten, SPD und NPD je
Als Antragstellerin hat zunächst die Linksfraktion.PDS das Wort, danach auf Wunsch die Staatsministerin. Es folgen CDU, SPD, NPD, FDP und GRÜNE.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor nunmehr gut zwei Jahren verständigte sich die CDU/SPD-Koalition darauf, ein neues Hochschulgesetz für Sachsen auf den Weg zu bringen. Warum die Einbringung nach zwei
Jahren noch nicht gelungen ist, wird in einem zweiten Beitrag behandelt. Ich möchte darüber sprechen, warum alle bisherigen uns bekannten Gesetzentwürfe der Staatsregierung keineswegs einem modernen Hochschulgesetz entsprechen. Ihre Gesetzentwürfe folgen dem Weg weiterer Umgestaltung der Hochschulen in marktorientierte autokratische Dienstleistungsunternehmen, in denen freiheitliches Forschen und Lehren und wissenschaftliche Kreativität kaum noch Platz haben werden. Motivation und Identifikation mit der eigenen Hochschule werden verkümmern.
Die Linksfraktion versteht unter einem modernen, zukunftsfähigen Gesetz eines, das selbstbestimmten, demokratischen, offenen und damit innovativen Hochschulen den Weg bereitet. Doch alles Übel findet sich wie oft schon am Anfang, als die damalige SPD-Wissenschaftsministerin durch das CDU-Ministerium ein Gesetz schreiben ließ und sich ausgerechnet vorher vom CHE, also einer von Bertelsmann gestifteten Denkwerkstatt, finanzieren ließ – ausgerechnet von Bertelsmann, einem Unternehmen, das selbst an der Privatisierung und Kommerzialisierung von Bildung verdient. Statt eines sozialdemokratischen Gesetzentwurfes gab es in Wirklichkeit einen CDU-Entwurf. Von manchen Professoren wurde dieser als trivialökonomisch bezeichnet. Doch dann musste man an dem Gesetz weiterarbeiten, indem in einem Koalitionsarbeitskreis schon weitestgehend alles festgemacht wurde. So konnte nur noch versucht werden, die schlimmsten Auswüchse zu verschlimmbessern. Das waren nicht wenige.
Leider muss man aber feststellen, dass der derzeitige in Umlauf befindliche Entwurf eine neue Qualität vermissen lässt. Herr Weiss, ich erkenne durchaus den Kampf für die Arbeiterklasse an und finde es von der CDU echt schuftig, Ihnen auch noch die letzten sozialdemokratischen Schmuckstücke, also den Flächentarifvertrag und die Studiengebühren, entreißen zu wollen.
Aber was uns hier vorgelegt wird, ist genauso autoritär und technokratisch wie der letzte Entwurf. Die wesentliche Kritik am Gesetzentwurf bestand doch darin, dass nahezu alle Formen der kooperativen Selbstverwaltung zerstört werden. Sie schaffen das Konzil ab, also das höchste Gremium der Universität, in dem bisher Lehrende, Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vertreten waren, das in seiner Form und Breite tatsächlich die Hochschule in ihrer Vielfalt abbildete. Hier wurde bisher der Rektor gewählt und die Grundordnung beschlossen. Damit hatten die Entscheidungen auch eine hohe Akzeptanz.
Stattdessen gibt es nur noch einen geschwächten Senat. 17 statt bisher 35 Menschen werden nun den Rektor wählen. Es soll ein Hochschulrat eingeführt werden, der zu drei Vierteln von Externen besetzt sein soll. Die Studierenden können zwar dem Senat für dessen Besetzung einen Vorschlag machen, aber damit ist er ja noch lange nicht gewählt, zumal mindestens die Hälfte der
Ratsmitglieder vom SMWK benannt werden soll. Außerdem erhält das Direktorat deutlich mehr Macht und kann so faktisch im Alleingang über die wichtigsten Belange der Hochschule entscheiden. Die wichtigsten Entscheidungen konzentrieren sich dann auf Rektor und Rektorat, beispielsweise bei Berufungen. Der externe Hochschulrat, der wiederum vom SMWK bestellt wird, bestimmt die Entwicklung der Hochschulen. Das hat nichts mehr mit Autonomie zu tun. Die Hochschulen befinden sich in Händen des Ministeriums, des Rektors und des externen Hochschulrates. Bestimmte Mitgliedergruppen werden so ganz von den Entscheidungen ausgeschlossen und können im Senat nun noch Stellung nehmen.
Die Studiengebührenfreiheit ist auch nur noch die halbe Wahrheit. Der Rechtsanspruch auf einen marktfreien Studiengang ist nicht aufgeführt. Für alle möglichen Leistungen können und sollen die Hochschulen nun Gebühren nehmen. Das kann bei Gebühren für die Hochschulzulassung anfangen und würde bei der Benutzung von Laboren nicht aufhören.