Protocol of the Session on June 19, 2008

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 111. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages.

Zu Beginn unserer Sitzung habe ich eine erfreuliche Mitteilung zu machen: Wir haben zwei Geburtstagskinder unter uns, Frau Elke Altmann und Herrn Thomas Jurk. Wir dürfen Ihnen beiden ganz herzlich zum Geburtstag gratulieren. Alles Gute und Gottes Segen!

(Beifall)

Meine Damen und Herren! Folgende Abgeordnete haben sich für die heutige Sitzung entschuldigt: Frau Nicolaus, Herr Hamburger, Herr Krauß, Frau Mattern, Herr Rohwer, Herr Tillich und Herr Dulig.

Die Tagesordnung der heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 2 und 4 bis 10 folgende Redezeiten festgelegt: CDU133 Minuten, Linksfraktion 101 Minuten, SPD 61 Minuten, NPD, FDP, GRÜNE jeweils 45 Minuten, fraktionslose MdL je 8 Mi

nuten, Staatsregierung 101 Minuten. Die Redezeiten können wie immer von den Fraktionen und der Staatsregierung entsprechend dem Bedarf auf die einzelnen Tagesordnungspunkte verteilt werden.

Meine Damen und Herren! Eine weitere erfreuliche Mitteilung kann ich Ihnen machen. Ich bitte Sie, von der Tagesordnung den Punkt 2, Große Anfrage der Fraktion GRÜNE zum Thema „Radverkehr in Sachsen“, zu streichen. Es ist darum gebeten worden, ihn abzusetzen. Ferner möchten die Koalitionsfraktionen von CDU und SPD ihren gemeinsamen Antrag unter Punkt 6 von der Tagesordnung absetzen. Die Redezeiten werden entsprechend verändert.

Meine Damen und Herren, ich frage, ob es zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung zusätzlich zu den vorgesehenen Streichungen weitere Ergänzungen gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung mit den von mir benannten Streichungen als für die heutige Beratung verbindlich.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Frühkindliche Bildung auf gutem Weg

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

2. Aktuelle Debatte: Das Böse ist immer und überall – die Position Sachsens zur aktuellen Verschärfung der Sicherheitsgesetze

Antrag der Linksfraktion

Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 39 Minuten, Linksfraktion 31 Minuten, SPD 14 Minuten, NPD, FDP, GRÜNE je 12 Minuten, Staatsregierung 20 Minuten.

Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Frühkindliche Bildung auf gutem Weg

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Zunächst spricht ein Vertreter der CDU-Fraktion, danach ein Vertreter der SPD-Fraktion als Mitantragstellerin. Es folgen die Linksfraktion, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung.

Die Debatte ist eröffnet. Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort; Frau Schöne-Firmenich, bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In großen Lettern stand am vergangenen Freitag auf der Politikseite der „Freien Presse“ geschrieben: „Von der Bundesrepublik

zur Bildungsrepublik“. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärte Bildung zur zentralen Aufgabe des nächsten Jahrzehnts.

Auch unser Ministerpräsident widmete in seiner gestrigen Regierungserklärung der frühkindlichen Bildung besonderes Augenmerk. Ich denke, es ist unbestritten, dass eine solide Bildung die beste Grundlage für eine chancenreiche Entwicklung eines jeden jungen Menschen ist. Die ersten Lebensjahre sind dabei von entscheidender Bedeutung. Der Mensch beginnt zu lernen, sobald er auf die Welt kommt, und sollte eigentlich sein Leben lang nicht

damit aufhören. Was Kinder antreibt, ist ihre ursprüngliche Neugier. Sie sind kleine Forscher, die danach streben, ihre Welt zu entdecken und zu verstehen. Diesem Drang wohnt ein enormes Entwicklungspotenzial inne, das durch Eltern und pädagogisches Personal gefördert werden muss. In diesem Kontext liegt von den drei wichtigsten Aufgaben der Kindertagesstätten – frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung – der Schwerpunkt eindeutig auf Bildung.

Welchen Stand haben wir in Sachsen erreicht? Sind wir auf dem richtigen Weg? Die Bertelsmann-Stiftung hat Anfang dieses Monats den Länderreport „Frühkindliche Bildungssysteme 2007“ veröffentlicht, in dem deutschlandweit die Situation hinsichtlich der Teilhabe, der Qualität und der Investitionen untersucht und verglichen wurde. Schauen wir uns die drei Teilbereiche etwas genauer an.

Da ist zuerst die Frage nach der Teilhabe, die an der Quantität der Betreuungsplätze gemessen wird. Bei der Betreuungsquote der Drei- bis Sechsjährigen liegt Sachsen mit einem Betreuungsgrad von knapp 94 % im oberen Feld. Im Bereich der unter Dreijährigen nimmt Sachsen im Vergleich der ostdeutschen Bundesländer zwar den letzten Platz ein, liegt aber mit knapp 35 % immer noch weit vor allen westdeutschen Bundesländern.

Nun kann man das als gut oder weniger gut bewerten. Ich bin etwas traurig, dass man nur Kennziffern vergleicht, ohne in die Tiefe zu gehen. Denn dann würde deutlich, dass hier die Wirkung des sächsischen Landeserziehungsgeldes zu erkennen ist. Diese Leistung, die unser Land für die jungen Eltern erbringt, die sich entscheiden, ihr Kind über das erste Lebensjahr hinaus im häuslichen Umfeld zu erziehen, wird von vielen Eltern gern in Anspruch genommen. Diesen Eltern gegenüber ist es eine Unverschämtheit, das Landeselterngeld als „Herdprämie“ herabzuwürdigen.

(Beifall bei der CDU)

Das degradiert die Erziehungsleistung und Verantwortungsbereitschaft, die solche Familien erbringen bzw. zeigen. Wenn sich junge Eltern entscheiden, ihr Kind in den ersten Jahren selbst zu Hause zu betreuen, ist das kein Grund für Kritik, sondern verdient Anerkennung. Diese Eltern wollen ihrem Kind in den ersten Jahren ihre ganze elterliche Zuwendung und Fürsorge zukommen lassen. Sie nehmen in besonderer Weise die Verantwortung für die Erziehung und Bildung ihrer Kinder wahr, die vor allem in der frühen Phase der Kindheit bei den Eltern liegt. Es ist nicht Aufgabe des Staates, den Eltern die Verantwortung für ihre Kinder abzunehmen. Das können und das wollen wir nicht. Unsere Aufgabe ist es, ihnen dabei Unterstützung zu geben sowie ihre Kompetenz zu fördern und gegebenenfalls dort einzuschreiten, wo es notwendig ist.

Dort, wo das Angebot an Kinderkrippenplätzen noch unzureichend ist, wird sich das in den nächsten Jahren zum Positiven verändern. Zusammen mit den finanziellen

Zuschüssen des Bundes wird Sachsen auch in den kommenden Jahren die Schaffung neuer Betreuungsplätze großzügig fördern. Die entsprechende Förderrichtlinie sieht für Investitionen in Kinderkrippen 75 % und in Kindergärten 50 % Zuschuss vor. Zugangskriterien für den Besuch einer Kindertageseinrichtung sind auch nach meiner Auffassung nicht zeitgemäß.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kristin Schütz, FDP)

Lassen Sie uns nun einen Blick auf die Qualität werfen! Gemessen an den Nettoausgaben der öffentlichen Haushalte nimmt Sachsen im Jahr 2005 mit einem Anteil von 6,1 % einen Spitzenplatz in Deutschland ein. Wenn die Bertelsmann-Stiftung hier zu dem Ergebnis kommt, dass die frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung in Sachsen demnach einen hohen landespolitischen Stellenwert hat, so hat sie recht. Das wird angesichts der Investitionszuschüsse in den Jahren 2006 und 2007 in Höhe von 26,4 bzw. 29,6 Millionen Euro deutlich unterstrichen. Diese Investitionszuschüsse sind in sächsischen Kitas neben der Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze vor allem in die Sanierung der Gebäude, in die Umsetzung von sicherheits- und brandschutzrelevanten Vorschriften und in die Verbesserung der qualitativen Bedingungen geflossen. Das wollen wir auch in den kommenden Jahren kontinuierlich weiterführen. Ich wünsche mir vonseiten der Träger, dass sie die Mittel nutzen, um zum Beispiel Werkstätten, Kinderküchen oder Räume für Sport und Bewegung zu schaffen.

Zur Qualität möchte ich in der nächsten Runde sprechen.

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile das Wort der Fraktion der SPD; Frau Dr. Schwarz, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bertelsmann-Stiftung hat uns Zahlen geliefert. Meine Kollegin Schöne-Firmenich ist schon auf einiges eingegangen.

Gelegentlich verschärft sich der Blick auf das eigene Betreuungssystem, wenn man die Gelegenheit hat zu vergleichen. Insofern ist die Überschrift zu dieser Aktuellen Debatte durchaus berechtigt.

Die Bertelsmann-Stiftung überschrieb ihre Pressemitteilung mit „Größere Qualität im Westen – bessere Teilhabe im Osten“. Das gilt es doch schon differenzierter zu betrachten.

Gerade im Bereich der frühkindlichen Bildung haben wir – begründet auf dem Koalitionsvertrag – in den letzten Jahren in Sachsen viel erreicht. Einmalig ist bundesweit das sächsische Schulvorbereitungsjahr. Sachsen ist das einzige Bundesland, in dem landesweit verbindliche Regelungen sowie verbindliche fachliche Standards vorliegen und für diesen Bereich sowohl die Kitas als auch die Grundschulen zusätzliche Finanzmittel erhalten.

Diese landesweiten einheitlichen Bestimmungen bieten gute Voraussetzungen für vergleichbare Arbeitsbedingungen aller Kitas und Grundschulen. Hier haben wir die Hausaufgaben, die uns der Koalitionsvertrag auferlegt hat, gut gemacht.

Auch die Qualifikation des pädagogischen Personals wird als gut befunden. Abgeleitet von den Berufsbildungsabschlüssen des pädagogischen Personals ist das formale Qualifikationsniveau in Sachsen vergleichsweise hoch. So liegt der Anteil des Personals mit Fachschulabschluss mehr als 16 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt und der Anteil der Kinderpflegerinnen mehr als zwölf Prozentpunkte unter dem Bundesdurchschnitt. Gut ist aber noch nicht gut genug. Deswegen haben wir auch in Sachsen, insbesondere die beiden Ministerinnen, die Initiativen unternommen, dass wir etwa 20 % unseres Personals in den Kitas auf Hochschulniveau bringen wollen. Auch das ist ein ganz wichtiger Punkt, denn das pädagogische Personal ist eine zentrale Ressource für die hohe Qualität in den Kitas.

Der hohe landespolitische Stellenwert, den der Freistaat Sachsen der frühkindlichen Bildung beimisst, zeigt sich auch in den reinen Nettoausgaben in diesem Bereich, der über dem Durchschnitt liegt.

Was noch weiter zu diskutieren und zu verbessern ist – auch das zeigt diese Studie –, ist die Betreuungsquote, insbesondere der unter Dreijährigen. Die Ursachen sollte man genauer betrachten. Es ist das Landeserziehungsgeld. Man darf dazu stehen, wie man will. Aber es ist sicher eine der Ursachen. Wir wollen ein Recht auf einen Krippenplatz, aber keine Pflicht, denn es ist immer noch der Elternwille zu berücksichtigen.

Dass die Betreuungsquoten vor allem in städtischen Bereichen nicht dem tatsächlichen Bedarf der Eltern entsprechen, kann uns nicht zufriedenstellen. Es besteht dringender Handlungsbedarf. Gerade hier ist es eben der Elternwille, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren.

Im Wahlkampf in Dresden sind ja von vielen Seiten Versprechungen gemacht worden. Die Situation in der Stadt Dresden ist also zu verbessern.

Ab dem Jahr 2013 können wir uns nicht mehr hinter dem interpretierbaren Begriff „bedarfsgerecht“ verstecken, denn dann hat jedes Kind ab dem zweiten Lebensjahr, wenn die Eltern das wünschen, Anspruch auf einen Platz in der Kinderkrippe. Das Kinderfördergesetz, das voraussichtlich in 2. und 3. Lesung im Herbst im Bundestag verabschiedet wird, ist aus der Sicht meiner Fraktion ein großer Erfolg und war so kaum denkbar.

Wir müssen in Sachsen jetzt dafür sorgen – da bedanke ich mich bei meiner Kollegin, die das ähnlich sieht –, dass kein Kind von dem Angebot frühkindlicher Bildung ausgeschlossen wird.