Steffen Dittes
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Last Statements
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in der letzten Woche zur Sondersitzung haben die Koalitionsfraktionen ihre Zustimmung zur Fristverkürzung zum Antrag der AfD verweigert, weil wir nicht bereit waren, einem Stichwortgeber der Täter von Halle hier das Podium zu eröffnen, sich als Opfer zu inszenieren.
Wie richtig diese Entscheidung war, hat Frau Marx bereits an zwei Tweets der AfD-Politiker Ulbrich und Brandner belegt. Man kann diese Reihe beliebig fortsetzen. Ich will hier beispielsweise auch noch mal den AfD-Stadtrat aus Offenbach, Taras Maygutiak, zitieren, der – nachdem tatsächlich auch der AfD-Abgeordnete Möller hier in der letzten Woche sagte, die AfD sei genauso von den Taten in Halle betroffen – öffentlich verbreitete, er sei ja mal gespannt, wer das in Halle inszeniert habe. Das zeigt neben den Auslassungen auch von Herrn Brandner ganz deutlich, wessen Geistes Kind die AfD tatsächlich ist.
Deswegen ist es wichtig, immer wieder zu sagen, was wir tatsächlich als Problem in dieser Gesellschaft vorzufinden haben. Denn aus Vorurteilen, die hier immer wieder manifest durch die AfD vorgetragen werden, werden eben auch verfestigte Meinungen. Aus Meinungen werden Einstellungsgerüste. Aus Einstellungsgerüsten werden Handlungen. Und aus Handlungen, die in ihrer extremsten Form auch solche abscheulichen Taten wie die Tat in Halle sein können, werden eben auch Morde und Verbrechen. Auch heute sind wir deshalb mit unseren Gedanken bei den Opfern und ihren Angehörigen und wir sind eben auch bei denen, die seit letzter Woche gewiss waren, nur ganz knapp einem geplanten Massaker entkommen zu sein.
Meine Damen und Herren, das, was wir in Halle erleben mussten, war kein Alarmzeichen, sondern eine rechtsterroristische Tat, der viele Alarmzeichen bereits vorausgingen,
eine rechtsterroristische Tat, für die aber selbstverständlich der Täter die strafrechtlichen Konsequenzen zu tragen hat. Die Verantwortung für diese Tat tragen aber auch diejenigen, die die Kette vom Vorurteil zur Tat immer wieder gespeist haben mit Lügen, mit Hass, mit menschenverachtender Ideologie. Und die Verantwortung für diese Tat tragen auch die, die zwar nicht selbst zur Waffe greifen, aber dem Täter von letzter Woche oder dem Mörder von Walter Lübcke die politische Legitimation verschaffen.
Ich will das auch mal deutlich machen und dazu an einigen Beispielen des Manifests ansetzen. Der Täter von Halle sprach zum Beispiel in seinem Manifest auch von einer Nachahmungstat am Christchurch-Attentat und dieser Täter bezog sich auf den „Großen Austausch“. Ein Großer Austausch wird thematisiert durch Höcke in seinem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“, dort nachzulesen, also eine Ideologie, die der Täter aufgreift, eine Ge
dankenwelt, die die AfD und deren Protagonisten immer wieder auch in die politische Auseinandersetzung einführen. In dem elfseitigen Manifest spricht der Täter davon, dass er auch eine Moschee oder ein Antifa-Kulturzentrum hätte angreifen können. Am Ende wettert er gegen Feminismus, also alles politische Ideologiestücke, die Wesensmerkmal auch der AfD selbst sind.
Natürlich war die Tat antisemitisch motiviert, sie ging aus von antisemitischen Vernichtungsfantasien, die auch immer wieder in der AfD ihren Platz haben. Natürlich wissen wir, dass auch antisemitische Einstellungen in der Gesellschaft weit verbreitet sind. Ich will Ihnen mal ein paar Zahlen hierzu nennen, wie sich das eben zwischen der Gesellschaft in ihrem Durchschnitt und im Speziellen bei den AfD-Anhängern verhält. Mehr als die Hälfte der AfD-Anhänger meint, die Juden hätten weltweit zu viel Einfluss. Es tut mir leid, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, ich habe hier nur einen Vergleichswert für Ihre Anhänger, aber bei Ihnen sind es lediglich 17 Prozent. Das macht eben deutlich, dass wir zwar ein gesellschaftliches Problem des Antisemitismus, der über alle Parteianhängerschaften hinweggeht, aber ein besonderes Antisemitismusproblem bei den Anhängern der AfD haben. Die AfD speist genau diese Einstellung ihrer Anhängerschaft mit solchen Zitaten wie dem von Jens Maier, der den Schuldkult für beendet erklärte, Wörtern wie den Aussagen von Höcke zum „Denkmal der Schande“ oder zur „notwendigen 180-GradWende“ oder eben auch wie die Fraktion in BadenWürttemberg, die beantragte, die Förderung für eine Gedenkstätte in Frankreich für die Opfer des Nationalsozialismus aus Süddeutschland zu beenden. Das alles sind die Stichworte für die Täter, für den Mörder von Lübcke, für den Täter von Halle.
Es ist, meine Damen und Herren, dieselbe AfD, die die Regeln der von ihr zutiefst verachteten parlamentarischen Demokratie nutzt, um uns zu dieser Sondersitzung zu zwingen und darüber zu diskutieren, dass der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz die AfD im September 2018 im Rahmen einer Pressekonferenz als Prüffall charakterisiert hat. Nun legt uns diese AfD einen Antrag vor, der laut Titel ein „möglicherweise neutralitäts- und rechtswidriges Handeln“ thematisiert, der Fragen stellt, deren Beantwortung für die Bewertung eines „möglicherweise neutralitäts- und rechtswidrigen Handelns“ notwendig ist, um aber zugleich die Entlassung des Präsidenten des Amts für Verfassungsschutz zu fordern.
Wie wenig die AfD von der mit der parlamentarischen Demokratie einhergehenden Gewaltenteilung hält, wird hier bereits sichtbar. Die Frage zur Bewertung der Zulässigkeit der Aussagen des Verfassungsschutzpräsidenten hat die AfD auch dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt, aber die Entscheidung, wie das Verfassungsgericht darüber befinden wird, will die AfD nicht abwarten. Der Landtag solle also schon heute seine Konsequenzen ziehen. Offensichtlich ist es der AfD mit Blick auf bevorstehende Wahlen wichtiger, noch einen Auftritt hier im Parlament und vor allem sich selbst zu inszenieren. Wichtiger erscheint ihr dies zumindest als die angestrengte verfassungsrechtliche Prüfung.
Dass die AfD hier auch das Parlament missbraucht, wird bereits daran deutlich, dass der Pressesprecher der Thüringer AfD am 16. September verkündete, dass die AfD noch vor der Wahl Ende Oktober eine Sondersitzung zu beantragen plane. Der vorliegende Antrag, meine Damen und Herren, bestätigt, dass man nur den richtigen Zeitpunkt abpassen wollte. Immerhin hatte die AfD seit dem 17. September drei Landtagssitzungen Zeit, um den Gegenstand hier auf die Tagesordnung zu heben.
Meine Damen und Herren, interessant ist auch, wo die Ankündigung der geplanten Sondersitzung erfolgte. Die erfolgte nämlich auf der der rechten FPÖ nahestehenden Plattform „Unzensuriert“. Diese Plattform, meine Damen und Herren, kann nach Auffassung des österreichischen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung dem rechten und nationalistischen Lager zugerechnet werden. Und weiter: Die in dem Medium veröffentlichten Inhalte wären zum Teil äußerst fremdenfeindlich und weisen antisemitische Tendenzen auf. Das ist also das Publikationsorgan, das die AfD auserwählt hat, um diese Sondersitzung heute anzukündigen.
Derartige sowie vergleichbare Verbindungen der AfD, aber auch Positionen, Auftritte, Publikationen haben den Präsidenten des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz offenbar dazu veranlasst, am 6. September 2018 öffentlich über die AfD als einen Prüffall für den Verfassungsschutz zu reden.
Damit, meine Damen und Herren, stellen wir uns doch mal die Frage: Prüffall für was denn? Ein Prüffall, ob die AfD entsprechend § 4 Thüringer Verfassungsschutzgesetz zu einem Beobachtungsobjekt werden wird? Oder – man kann die Frage mit anderen Worten formulieren – ein Prüffall, ob es sich bei der AfD um eine Bestrebung gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere ge
gen das friedliche Zusammenleben der Völker, handelt? Oder – noch mal mit anderen Worten die Frage gestellt –: ein Prüffall, ob es sich bei der AfD um eine gegen die Werte der Verfassung aktiv arbeitende, also verfassungsfeindliche Partei handelt?
Meine Damen und Herren, mit dem Antrag hat die AfD diese Fragestellung nicht nur dem Verfassungsgerichtshof vorgelegt, sondern auch dem Parlament. Ich werde für die Linke die Antwort darauf auch nicht schuldig bleiben. Ja, die AfD ist es.
Die AfD ist eine Partei, deren Politik von einem biologistischen und rassistischen Menschenbild geprägt ist; eine Partei, deren Politik von geschichtsrevisionistischen Positionen, von der Relativierung der Verbrechen des Nationalsozialismus, von einer tief sitzenden Demokratieverachtung geprägt ist. Eine Partei, deren Politik von Verschwörungstheorien geprägt ist. Eine Partei, deren Politik von einem beabsichtigten Eingriff in Wissenschafts-, Kultur- und Pressefreiheit geprägt ist. Eine Partei, deren Politik von dem Versuch geprägt ist, den Rechtsstaat zu unterhöhlen. Eine Partei, die beabsichtigt, in die Religionsfreiheit einzugreifen. Und eine Partei, die sich aktiv an der Verunglimpfung von geflüchteten Menschen auf dieser Welt beteiligt. Die AfD ist zu guter Letzt auch eine Partei, die personell eng mit rechtsextremen Strukturen bis hin zu militantem Rechtsextremismus verschmolzen ist.
Um diese Feststellung treffen zu können, braucht es unseres Erachtens kein Amt für den Verfassungsschutz. Man muss der AfD nur zuhören, man muss ihre Texte lesen. Jeden der genannten Punkte könnte ich belegen.
Aber das ist an dieser Stelle gar nicht notwendig, denn selbst eine interne Arbeitsgruppe der AfD kam im September 2019 zu dem Ergebnis, dass offenbar tatsächlich Anhaltspunkte bestehen, dass das Handeln zahlreicher AfD-Mitglieder mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unvereinbar ist.
Im Fall des Thüringer Landesvorsitzenden Höcke stellte das Verwaltungsgericht Meiningen nach Prüfung der Quellen fest, dass das Werteurteil, dass es sich bei Herrn Höcke von der AfD um einen Faschisten handele, nicht aus der Luft gegriffen sei, sondern sich auf eine überprüfbare Tatsachengrundlage stütze.
Was mich an dieser Diskussion besonders aufregt, ist, im Wissen dessen und dass das im Wesentlichen unter all denen, die sachlich auch die politische Arbeit der AfD analysieren, unbestritten ist, dass die AfD sich hier hinstellt und sagt, diese Darstellung, auch der kritischen Auseinandersetzung mit der Position der AfD, sei ein Eingriff in die Meinungsfreiheit und wir hätten in diesem Land überhaupt keine Meinungsfreiheit mehr; man dürfe nicht sagen, was man denke. Sie kalkulieren jedes Mal diese bewusste Grenzeinreißung, nämlich genau der Grenzen des Sagbaren, die uns das Grundgesetz als Grundlage einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft gibt. Was mich dabei aber besonders aufregt, ist, dass Sie nicht nur jedes Mal hier vor diesem Parlament wirklich sagen, was Sie denken, also tatsächlich die Meinungsfreiheit in Anspruch nehmen, dafür sogar noch jeden Monat 6.000 Euro bekommen, noch publiziert werden von jedem Journalisten, der hier in diesem Land sitzt, und am Ende, Herr Höcke, nehmen Sie sogar auch noch den Schutz des Staates durch eine zahlreiche Anzahl von Polizeibeamten in Anspruch, die garantieren, dass Sie das, was Sie denken, auch noch bei Veranstaltungen sagen können. Und sich dann am Ende hier hinzustellen, um genau diese Gesellschaft, die auch die Meinungsfreiheit von solchen Menschen wie Ihnen, die menschenverachtende Gedanken zum Sagbaren machen wollen, tatsächlich garantiert, um diese Menschen auch noch zu kritisieren und zu beschimpfen, das finde ich tatsächlich unverfroren.
Sehr geehrter Herr Walk, abschließend auch zu Ihnen: Wenn Sie – oder nur einer in der Öffentlichkeit – geglaubt haben, dass die Linke diesen Antrag der AfD nutzt, um eine Auseinandersetzung, eine Diskussion über den Verfassungsschutz zu führen, dann will ich Sie enttäuschen. Wir tauschen uns gern aus. Wir streiten uns gern mit CDU, mit SPD, mit Grünen, mit dem Innenministerium und auch mit Herrn Kramer über unsere Position zum Landesamt für Verfassungsschutz, aber es gibt einen wesentlichen Unterschied: Ich glaube wirklich, dass es Menschen bei CDU, bei SPD, bei Grünen und auch im Innenministerium – und auch Herrn Kramer zähle ich dazu – gibt, die davon überzeugt sind, dass der Verfassungsschutz notwendig ist zum Schutz der Demokratie.
Wir sind davon nicht überzeugt. Aber das ist nicht die Position der AfD. Ihre Position ist eine, die die
Demokratie gefährdet. Da sind wir dann tatsächlich einer Meinung – auch mit den Kolleginnen und Kollegen der CDU –, dass wir uns dieser Gefährdung gemeinsam in den Weg stellen. Wie wir das am besten machen, das diskutieren wir gemeinsam, dafür tauschen wir Argumente aus. Aber dazu brauchen wir keinen Antrag der AfD. Den lehnen wir ab. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Fiedler, nach Ihrem Redebeitrag kann ich gar nicht sagen, dass ich bedaure, dass Sie den Landtag verlassen wollen. Wissen Sie, man kann sich gar nicht hier vorn hinstellen und sagen, dass man der Polizei dankt und Rot-Rot-Grün würde das nicht tun.
Jetzt will ich es noch einmal in Stichpunkten nennen: Wir haben die Stellenobergrenzen abgeschafft, damit Beförderungen in die A9 möglich sind.
Wir haben die Beförderungen in den Jahren 2018 auf 10 Prozent angehoben.
Wir haben Einstellungen bei der Polizei vorgenommen. Beim Landeskriminalamt sind in dieser Legislaturperiode 53 zusätzliche Stellen geschaffen worden, das sind 8 Prozent im Verhältnis zum Gesamtbestand.
Wir haben die Anzahl der Polizeianwärter erhöht, wir haben die Polizeiausstattung sachlich verbessert und wir haben sogar im Dienstrecht Verbesserungen vorgenommen, um das Schmerzensgeld zu übernehmen, wenn Beamte tatsächlich Schaden erlitten haben und praktisch dieses Geld nicht in Anspruch nehmen können. Wenn Sie da mal zurückdenken, Herr Fiedler, wobei die CDU tatsächlich mitgemacht hat und dafür gestimmt hat – Sie werden sich an keinen einzigen Fall erinnern. Aber Sie haben sich jedes Mal hier hingestellt und haben gesagt: Wir danken der Polizei. Bloß haben Sie es eben nie materialisiert, nie in konkrete Entscheidungen umgesetzt.
Dass Sie auch relativ wenig Ahnung von der Materie haben, haben Sie mit Ihrem Redebeitrag auch
wieder bewiesen, denn Ihre Fraktion war es hier selbst, die die Zuständigkeit des Verfassungsschutzes für die Bekämpfung der organisierten Kriminalität aus dem Gesetz genommen hat und die Polizei zuständig gemacht hat. Das ist doch auch eine richtige Entscheidung gewesen. Da gehört nämlich die Straftatbekämpfung tatsächlich hin, nämlich zur Polizei und nicht zu einer Behörde, die so weitreichende Befugnisse hat.
Was ich auch nicht verstehe, Herr Fiedler, Sie stellen sich hierhin und sagen: Thüringen wäre das Schlusslicht nach Bremen, es hätte die rote Laterne, weil wir vier OK-Komplexe bearbeiten. Das ist übrigens keine aktuelle Erkenntnis – Herr Walk, das kennen Sie bereits seit März 2019, seitdem der Minister die Polizeiliche Kriminalstatistik vorgestellt hat. Sie tun ja gerade so, als ob man Klassenbester wäre, wenn man die meiste organisierte Kriminalität im Land hat. Das ist doch das Verrückte daran.
Und da will ich Ihnen mal in Ihrer Logik sagen: 2008 hieß der Innenminister Gasser und er war von Ihrer Partei. Da wurde in Thüringen ein OK-Komplex bearbeitet. Und wenn ich hier den Kollegen Hemmerling sehe – ich kann ihn leider nicht fragen –, können wir mal darüber diskutieren, wie viel OK es im Jahr 2008 in Thüringen gegeben hat. Denn, meine Damen und Herren, das gehört auch zur Wahrheit dazu: Die Möglichkeit, dass wir heute über organisierte Kriminalität in Thüringen reden können, liegt nicht daran, dass die Innenministerien – auch Ihre – so besonders aussagefreudig in diesem Bereich waren. Ich teile durchaus die Einschätzung von Herrn Poppenhäger, der mal sagte: Bei der Bekämpfung der OK gehört es nicht dazu, dass man über die durchgeführten Ermittlungsverfahren geschwätzig ist. Hier muss man die Ermittlungen sachgerecht auf dem Wege der Strafprozessordnung führen.
Da muss man die Ermittlungen eben auch sachgerecht führen. Aber wir haben doch drei Ursachen dafür, dass wir wirklich über organisierte Kriminalität reden können: Das ist die Polizeiliche Kriminalstatistik, die sich in diesem Fall verändert hat, das ist das „Bundeslagebild Organisierte Kriminalität“ in der Bundesrepublik Deutschland und das sind eben auch solche Rechercheergebnisse, die der MDR hier regelmäßig vorlegt.
Natürlich sind wir uns doch einig, dass es mit allen in der Strafprozessordnung möglichen Mitteln – da müssen Sie hier nicht neue Forderungen aufstellen, die stehen nämlich alle in § 100a der Strafprozessordnung: Wenn ein konkreter Straftatsverdacht besteht, der auch von so schwerwiegenden Verbrechen ausgeht, dann besteht natürlich die Möglichkeit, eine Telekommunikationsüberwachung beim Gericht anzuregen und die dann auch durchzuführen. Das muss dann eben auch gemacht werden. Da sind wir uns einig, dass wir in diesen drei Phänomenbereichen Rockerkriminalität, russisch-eurasische Mafia und italienische organisierte Kriminalität natürlich die Ermittlungskompetenzen im LKA stärken müssen.
Aber ich will auch noch mal zwei andere Dinge benennen, über die wir hier reden müssen. Es geht nämlich nicht nur um die Bekämpfung der OK, sondern es geht möglicherweise auch um die Prävention. Beim ersten Fall, Bekämpfung der OK, spreche ich auch Sie an, meine Damen und Herren der CDU. Sie sollten vielleicht einmal Ihre bundespolitische Verantwortung wahrnehmen und die seit Jahren von Polizeibeamten kritisierten engen Grenzen bei Finanzermittlungen, bei Vermögensabschöpfung, bei Nachweispflichten bei hohen Einkommen tatsächlich auch mal verändern, damit dort andere gesetzliche Befugnisse bestehen, in diesem Bereich tatsächlich wirksam zu werden. Das ist eine bundespolitische Verantwortung.
Ich will als zweiten Punkt auch mal den Bereich der Prävention explizit benennen. Ein Teil der organisierten Kriminalität bewegt sich nämlich im Bereich des Menschenhandels und dem können wir natürlich wirksam entgegnen und begegnen, wenn wir uns in diesem Land wirklich an eine an humanistischen und sozialen Kriterien orientierte Einwanderungspolitik machen und ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen, was es Menschen nicht zur Notwendigkeit macht, sich an Strukturen organisierter Kriminalität zu klammern und damit den Weg beispielsweise zu Familienangehörigen zu finden.
Und deswegen – abschließend – bin ich ja auch überrascht über die Aktuelle Stunde heute.
Wir hören uns heute den Bericht des Innenministers an
und dann werden wir sicherlich die Möglichkeit haben, im nächsten Landtag und in der nächsten Legislaturperiode weiterzudiskutieren. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich glaube, man kann das, was man sich vorher in Gedanken überlegt hat, hier in dieser Aktuellen Stunde zu sagen, weil sie doch ein sehr breit gefächertes Themenspektrum anspricht, zunächst getrost etwas zur Seite legen und auf den Beitrag des AfD-Abgeordneten Möller eingehen.
Als ich die Rede gerade gehört habe, fühlte ich mich an eine Veranstaltung im Sommer dieses Jahres im Rahmen des Kunstfestes erinnert, als in Weimar durch die Kunstfestinitiatoren das Reenact
ment der Weimarer Reichsverfassung praktisch neu inszeniert worden ist, um deutlich zu machen, welche geschichtlichen Parallelen wir in dieser Gesellschaft tatsächlich erleben. Es geht nicht um die Frage, ob sich Geschichte wiederholt, es geht um die Frage, ob wir Parallelen in der gesellschaftlichen Entwicklung erkennen und wie wir heute darauf reagieren mit den Erfahrungen, die wir aus der Geschichte haben.
Ich hatte die Möglichkeit, im Rahmen des Reenactments einen Auszug aus der Rede von Wilhelm Marx von der Zentrumspartei aus einer Parlamentsdebatte vorzutragen, die einen Tag nach der Ermordung Walther Rathenaus stattgefunden hat. Da sagte Wilhelm Marx etwas sehr Eindrucksvolles – er sagte: Während die politischen Morde in den ausgehenden Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts davon geprägt waren, dass Menschen niederen Rangs von niederen Motiven getrieben worden sind, sind die Morde in der Weimarer Republik – etwa 500 davon sind nach heutiger Geschichtsforschung registriert – von Menschen verübt worden, denen man nicht vorwerfen kann, dass sie über einen geringen Bildungsstand verfügen, dass sie etwa sozial ausgegrenzt sind oder dass sie nicht wüssten, was sie tun.
Diese Mörder hatten damals auch eine politische Entsprechung in der Reichsversammlung, und zwar die Deutschnationale Volkspartei. Und es war Wilhelm Marx, der gleichlautend mit allen anderen Abgeordneten an diesem Tag in Richtung Deutschnationale Volkspartei sagte: Sie sind die eigentlichen Brandstifter, die jeden Tag durch ihre Reden die Menschen in diesem Land aufhetzen und im Prinzip den politischen, klimatischen Boden für die politischen Morde, die sich in der Weimarer Republik vollziehen, erst schaffen.
Genau das, meine Damen und Herren, ist das, was ich heute auch an Parallelen zur Geschichte erkenne und was mich im Prinzip dazu bringt, nach solchen Redebeiträgen nicht meine Auseinandersetzung mit dem Innenminister zu führen, die ich gern politisch führe, oder mit der SPD zur Aktuellen Stunde, sondern genau darauf aufmerksam zu machen, was wir eigentlich an gesellschaftspolitischen Herausforderungen haben, um Gefahren für die Demokratie zu begegnen.
Die AfD versucht oftmals, sich in diesem Landtag als Opfer darzustellen. Wir hatten gestern wieder ein Schauspiel beim Gemeinde- und Städtebund,
wo es darum ging, es würde in diesem Land keine Meinungsfreiheit herrschen. Hier war ein exemplarisches Beispiel dafür, wie Meinungsfreiheit in diesem Land herrscht.
Aber was wir an anderer Stelle haben, ist, dass wir eine Gesellschaft brauchen, die genau dort widerspricht, wo die Meinungsfreiheit dazu benutzt wird, die Menschenrechte, die Grundrechte von anderen Menschen in diesem Land zu beschränken.
Und ich will es Ihnen auch ganz persönlich sagen, wenn es immer darum geht, dass man das doch zulassen muss: Nein, wir müssen agieren, wir müssen reagieren, wir müssen erwidern und wir müssen uns dem widersetzen, wenn es solche Menschen sind, die Freunden von mir – ob die aus Polen, aus Angola oder aus Ghana sind – im Prinzip das Lebensrecht hier in diesem Land nehmen wollen. Das sind Freunde von mir, die mit mir gemeinsam zusammenleben. Das ist mein persönliches Motiv, tatsächlich auch immer zu widerstehen und Demokratie zu verteidigen. Denn das, was wir an politischem System haben, ist vielleicht nicht das, was wir uns als Linke vorstellen, es ist vielleicht nicht das, was sich die Grünen vorstellen, es ist möglicherweise auch nicht das, was sich die SPD oder auch die CDU vorstellen. Aber das, was wir an zugrunde liegenden Grund- und Freiheitsrechten haben, ist etwas, was ich jederzeit verteidige, weil es nicht nur möglich macht, dass Menschen wie die AfD ihre Meinung sagen können, sondern es gibt uns auch die Möglichkeit und die Notwendigkeit, mit unseren Mitteln der freien Meinungsäußerung dagegen aufzustehen,
mit unseren Mitteln des zivilen Ungehorsams auch zu widerstehen und tatsächlich auch die Demokratie und die Freiheit nicht nur von unseren Freunden, sondern von allen Menschen zu verteidigen, die genau auch diese Freiheit für sich in Anspruch nehmen wollen.
Und deswegen glaube ich, dass diese Aktuelle Stunde auch am Ende dieser Legislaturperiode ein wichtiges Element ist, um über politische Freiheitsrechte zu reden, um über politische Grundrechte zu reden und auch um über Demokratie zu reden. Wir sollten uns gemeinsam auf den Weg machen, tatsächlich Demokratie zu verteidigen – und da beziehe ich die CDU ausdrücklich mit ein. Und da nehme ich auch Bezug auf das, was Kollege Adams hier
gesagt hat: Wir sollten uns auch – so weit die Unterschiede uns vielleicht auch politisch trennen, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU – darauf konzentrieren, was uns vielleicht in dieser Frage gemein ist. Das ist nämlich die Anerkennung von Fakten, die Anerkennung von objektiven Tatsachen. Darauf gründend sollten wir in den politischen Meinungsstreit gehen, der aber vom Respekt füreinander getragen ist, der getragen ist vom Respekt für die Unterschiedlichkeit von Auffassungen und der eben auch getragen ist vom Ringen um das beste Argument und nicht um den lautesten Schreihals oder wer am meisten Menschen mobilisieren kann, dass wir die Stimme erheben, wenn gegenüber Gemeinderäten, gegenüber Lehrern, gegen Polizeibeamte gedroht wird. Das alles müssen wir im Prinzip auch gemeinsam in dieser Demokratie leisten. Und da gilt unsere Solidarität ganz ungeteilt für jeden, der in diesem Land durch Rechte bedroht ist, ganz gleich, ob er sich im Verein organisiert, ganz gleich, ob er Polizeibeamter ist, ganz gleich, ob er Landtagsabgeordneter ist, ob er Gemeinderat ist. Es ist mir gleich, welche Funktion ein Mensch in dieser Gesellschaft einnimmt, wir müssen ihn vor den Angriffen von Demokratiefeinden und von Rechtsextremen schützen. Dafür müssen wir gemeinsam stehen. Herzlichen Dank.
Man sieht es an dem Gesichtsausdruck einiger im Haus, Herr Ministerpräsident, dass es doch ein freudbetonter Tagesordnungspunkt ist, denn der Innenausschuss, das will ich meinen, hat hier Großartiges geleistet und eine intensive Beratung des Gesetzentwurfs der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge in Thüringen absolviert.
Durch Beschluss des Landtags in seiner 146. Sitzung am 9. Mai 2019 wurde eben dieser Gesetzentwurf federführend an den Innen- und Kommunalausschuss sowie den Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz überwiesen. Der federführende Innen- und Kommunalausschuss hat den Gesetzentwurf in seiner 72. Sitzung, in seiner 73. Sitzung, in seiner 74. Sitzung und in seiner 76. Sitzung beraten und im Rahmen dieser Beratungen sowohl eine Online-Diskussion durchgeführt als auch am 27. Juni 2019 eine mündliche Anhörung in öffentlicher Sitzung.
In der mündlichen Anhörung verwies unter anderem der Gemeinde- und Städtebund darauf, dass die Reaktionen der Mitglieder des Gemeinde- und Städtebundes auf den Gesetzentwurf sehr unterschiedlich ausgefallen sind. Er bat darum, dass in der Öffentlichkeit klargestellt werde, dass die Abschaffung zum 1. Januar 2019 nur unter bestimmten Bedingungen erfolge, damit in der Öffentlichkeit kein falscher Eindruck entstehe, und der Gesetzentwurf insbesondere in Bezug auf die Refinanzierung noch Nachänderungen bedarf. Auf beides werde ich später noch mal kurz verweisen.
Der Thüringer Rechnungshof führte aus, dass sich der Hof bereits in seiner letzten Stellungnahme zur Änderung des Straßenausbaubeitragsrechts für eine ungeschmälerte Beibehaltung der Straßenausbaubeiträge ausgesprochen hat. Darüber hinaus vermisse der Rechnungshof eine Evaluierung der letztens vorgenommenen Änderung des Kommunalabgabengesetzes, die dann als Grundlage für eine Entscheidung hätte genommen werden sollen, ob es einer Neuregelung bedürfe.
Die Bürgerallianz Thüringen gegen überhöhte Kommunalabgaben verwies darauf, dass mit der Abschaffung eine existenzbedrohende Abgabe beseitigt werde, die als Relikt aus dem Preußen des 19. Jahrhunderts übrig geblieben sei, und forderte zudem, alle Grundstückseigentümer, die bisher noch keinen Bescheid erhalten hätten, für den Zeitraum 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2018 von Straßenausbaubeiträgen zu entlasten.
In der Sitzung des Innen- und Kommunalausschusses am 5. September 2019 wurde der Gesetzent
wurf zur Beschlussempfehlung an den Landtag angenommen, nachdem ein Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen angenommen worden war. So sollen mit diesen Änderungen die Gemeinden nunmehr innerhalb von 18 Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes ihr Satzungsrecht anpassen. Mit der Änderung wird einer Forderung des Gemeinde- und Städtebundes Thüringen im Rahmen des Anhörungsverfahrens entsprochen. Dieser hatte vorgetragen, dass bei einer Veröffentlichung des Gesetzes im September den Kommunen allenfalls noch drei Monate Zeit verbliebe, ihr Satzungsrecht anzupassen.
Zudem wird durch eine Änderung klargestellt, dass die Rückzahlungsverpflichtung auch Vorauszahlungen auf wiederkehrende Beiträge betrifft. Dies kann Vorauszahlungen betreffen, die für das Jahr 2019 erhoben wurden.
Der Gemeinde- und Städtebund und der Thüringer Rechnungshof haben in der Anhörung problematisiert, dass Abschlagszahlungen auf die Ausgleichszahlungen des Landes für die Gemeinden hilfreich wären. Mit der am Gesetzentwurf vorgenommenen Änderung besteht nunmehr für die Gemeinden die Möglichkeit, ab dem Beginn der Bauausführung Abschlagszahlungen zu beantragen. Die Voraussetzungen sollen in der nach dem Gesetz zu erarbeitenden Verordnung geregelt werden.
In der Beratung des Ausschusses verwies die Landesregierung nochmals darauf, dass die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge rückwirkend zum 1. Januar 2019 verfassungsrechtlich zulässig ist, und auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hatte die Einführung von Stichtagen für grundsätzlich möglich gehalten. Bereits in seiner Entscheidung vom 6. September 1990 hat es ausgeführt, dass es dem Normgeber durch Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz nicht verwehrt sei, zur Regelung bestimmter Sachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringe. Diese Härten müssten hingenommen werden, wenn die Einführung eines Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und somit sachlich vertretbar ist, und das sei im vorliegenden Gesetzentwurf der Fall.
Mit Verweis auf die Begründung des Gesetzentwurfs ging die Landesregierung nochmals darauf ein, dass als Anknüpfungspunkt für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge hinsichtlich des Stichtags auf das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht abgestellt wird. Der Innenausschuss hat die Frage noch mal erörtert, ob diese Regelung rechtlich belastbar sei, ob es denn nicht im Raum
stehe, dass die sachliche Beitragspflicht tatsächlich einer Diskussion unterliegt. Hier hat die Landesregierung noch mal darauf hingewiesen, dass es keine Rechtsunsicherheit gebe, weil das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht einer ständigen Rechtsprechung auch in Thüringen unterliege und damit auch obergerichtlich festgelegt sei.
Auch die im Ausschuss aufgeworfenen Fragestellungen oder Befürchtungen, ob sich Gemeinden mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge künftig bei Straßenausbaumaßnahmen in das Erschließungsbeitragsrecht nach Baugesetzbuch flüchten, hat die Landesregierung dahin gehend beantwortet, dass dies auszuschließen sei, und auf die in der Begründung des Gesetzentwurfs ausführlich wiedergegebene Rechtsprechung zu diesem Sachverhalt verwiesen.
Der mitberatende Ausschuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutz hat den Gesetzentwurf dann in seiner 81. Sitzung am 6. September 2019 beraten.
Ich bitte namens des Innen- und Kommunalausschusses um Ihre Zustimmung zur vorliegenden Beschlussempfehlung und der darin enthaltenen Änderungen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kellner, es gibt zwei Gründe, weswegen man ein Gesetz novellieren und überarbeiten kann. Das eine haben Sie genannt: weil es nicht funktioniert. Der andere Grund ist – und der ist hier eigentlich der maßgebliche –: weil ein Gesetz nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist. Und das Informationsfreiheitsgesetz war eben nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Um das aus meiner Sicht noch mal deutlich zu sagen: Es war eigentlich nie auf der Höhe der Zeit.
Deswegen war es Zeit, dieses Gesetz endlich zu einem wirklichen Transparenzgesetz weiterzuentwickeln. Und wenn Sie heute dagegen stimmen, dann zeigen Sie, dass Sie im Prinzip stehen geblieben sind. Denn auf der Höhe der Zeit ist: Beteiligung von Menschen an Entscheidungsprozessen, auch an politischen Entscheidungsprozessen in der Kommune, im Land, und das setzt eines voraus: dass Menschen Informationen haben, über die sie verfügen müssen, wenn sie tatsächlich mitreden, mitdiskutieren, mitgestalten und schließlich auch mitentscheiden wollen. Und wenn der Zugang zu Informationen bislang verwehrt oder einem sehr komplizierten Antragsverfahren unterworfen war, dann müssen wir uns Gedanken machen, wie wir den Menschen in diesem Land Informationen zugänglich machen. Und das heißt eben: proaktive Veröffentlichung von Informationen. Das heißt, die Menschen nicht zum Bittsteller gegenüber Verwaltungen zu machen, sondern die Verwaltungen in die Situation zu versetzen, selbst proaktiv für Transparenz zu sorgen
und dabei aber selbstverständlich auch Schutzrechte von beispielsweise Unternehmens-, Betriebsund Geschäftsgeheimnissen oder personenbezogener Daten zu gewährleisten. Genau das macht das Transparenzgesetz und damit ist es eben auf der
Höhe der Zeit und bewegt sich denn auch auf dem Niveau der Länder Hamburg und Rheinland-Pfalz. Aber wir haben es hier natürlich – und das merken Sie auch an der Genese der Änderungsanträge und auch an der Genese des Gesetzentwurfes selbst – mit einem Paradigmenwechsel zu tun, der – und das haben wir auch in Ihrem Redebeitrag gehört – in der Verwaltung selbst noch nicht nachvollzogen wird, denn da wird Transparenz tatsächlich auch oftmals als entgegengebrachtes Misstrauen missverstanden. Deswegen will ich noch mal daran erinnern: Bereits im Mai 2016 hat der Landtag dem Innenministerium den Auftrag gegeben, einen entsprechenden Gesetzentwurf innerhalb eines Jahres vorzulegen. Im Januar 2019 war es dann endlich so weit, und jetzt haben wir noch mal neun Monate gebraucht, um eine Beschlussempfehlung zu erarbeiten. Dann waren wir aber auch noch nicht fertig, denn dann haben wir gesagt: Wir müssen noch mal gemeinsam in die Diskussion eintreten und noch mal Veränderungen herbeiführen mit dem vorliegenden Änderungsantrag. Das zeigt eben, dass es ein Ringen um Transparenz ist, dass es ein Ringen um Verständnis ist. Und das ist, glaube ich, eine vordringliche politische Aufgabe, die wir alle in diesem Haus haben, gemeinsam aber auch mit der Landesregierung, mit den Ministerien, dass wir, wenn das Gesetz heute beschlossen wird, auch für die Transparenz werben, und zwar einerseits bei den Bürgerinnen und Bürgern, diese Transparenz für politische Mitbestimmung zu nutzen, aber andererseits auch in den Verwaltungen diesen Paradigmenwechsel nachvollziehen zu können, dass Transparenz eben nicht als Misstrauen, sondern als eine Basis des gemeinsamen Gestaltens von Gesellschaft verstanden wird.
Da, sage ich, haben wir in den letzten Monaten durchaus auch Beispiele in Debatten erlebt, die das bislang noch nicht so sichtbar machen.
Ich will auf einige Punkte des Transparenzgesetzes kurz eingehen und auch auf die Änderungen, die nachvollzogen worden sind durch den Ausschuss und durch die Koalitionsfraktionen, und will aber auch noch mal auf das Kernstück des Transparenzgesetzes verweisen, nämlich die Einführung des Transparenzportals, also der Teil, wo Behörden zukünftig kostenfrei, ohne Registrierungszwang für Bürgerinnen und Bürger Informationen proaktiv der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Das wird in dem Gesetz realisiert und macht den Paradigmenwechsel tatsächlich sichtbar.
Deswegen waren die Änderungen gegenüber dem Informationsfreiheitsgesetz durch den Gesetzentwurf der Landesregierung schon wesentlich. Alle öf
fentlichen Stellen sind grundsätzlich aufgefordert, für die Öffentlichkeit geeignete Informationen in eben diesem kostenfreien Transparenzportal zugänglich zu machen. Veröffentlichungspflichten auf der Landesebene wurden integriert und es wurden umfangreiche Verknüpfungen vorgenommen.
Und, Herr Kellner: Bereits im ersten Gesetzentwurf ist die Einführung eines kommunalen Modellprojekts zur Einbeziehung der Kommunen enthalten. Wenn Sie hier den Gemeinde- und Städtebund zitieren und sagen, die haben sich beschwert, weil die Kosten, die auf sie zukommen, und die neuen gesetzlichen Pflichten überhaupt nicht bezifferbar sind, muss ich noch mal auf Sie reagieren. Das hat der Gemeinde- und Städtebund tatsächlich gesagt, Herr Kellner. Was mich wirklich ärgert, ist, dass Sie das hier einfach unreflektiert wiederholen. In der öffentlichen Ausschusssitzung wurde eindeutig klar, dass der Gemeinde- und Städtebund und die Kommunen eine Regelung, die es seit 2012 im Informationsfreiheitsgesetz gibt, als eine mit diesem Gesetzentwurf neu eingeführte Regelung verstanden haben.
Es wurde im Prinzip vollkommen missachtet, dass die Veröffentlichungspflichten in § 5 Abs. 1 des Transparenzgesetzes, die die Kommunen so kritisiert haben, die Kommunen bereits seit 2012 zur Veröffentlichung von Informationen verpflichten. Das heißt, in dem Bereich ändert sich für die Kommunen gar nichts. Durch deren Kritik wurde bloß offenbar, dass die Kommunen in der Regel das Gesetz nicht angewandt haben und ihrer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen sind. Deswegen hat sich tatsächlich diese Kritik in der Ausschusssitzung einfach zerschlagen.
Ich bin froh darüber, dass der Informationsfreiheitsbeauftragte Herr Dr. Hasse – der kein Misstrauen gegenüber der Verwaltung darstellt, sondern auch schon durch das Informationsfreiheitsgesetz geschaffen worden ist –, nun einen Beirat zur Seite gestellt bekommt. Der Beirat wird um Vertreterinnen von gemeinnützigen Organisationen ergänzt, die sich mit der Transparenz und der Antikorruption befassen, um den Sachverstand in diesem doch in vielen Bereichen neuen Rechtssachverhalt zu erweitern. Bereits der Gesetzentwurf der Landesregierung sah vor, dass Ablehnungsgründe minimiert werden.
Aber dennoch – das machten die Anhörung von mehr als 25 Anzuhörenden und die Beratung im Innen- und Kommunalausschuss deutlich – war der Gesetzentwurf noch nicht bis zum Ende so, wie sich diejenigen, die für Transparenz kämpfen, einen
solchen Gesetzentwurf vorstellen. Insbesondere weil wir mit Rheinland-Pfalz – auch ein Flächenland – ein Vorbild haben. Rheinland-Pfalz bringt schon die Erfahrungen von einigen wenigen Jahren in die Transparenzpolitik ein. Wir haben natürlich durchaus den Anspruch, diese Erfahrungen weiterzuentwickeln. Das ist uns nicht in allen Fällen gelungen; das werde ich an anderer Stelle noch mal sagen. Die Ergänzung gerade der Veröffentlichungspflichten, die Einbeziehung weiterer Portale, Leitlinien, Wissenschaft, Kultur und das Wissensportal Thüringen, die klarere Bestimmung des Rechts auf Zugang zu Informationen – gerade die Ausweitung auf nicht rechtsfähige Vereinigung von Bürgerinnen und Bürgern, Herr Kellner –, das macht nämlich deutlich, dass wir mit diesem Gesetzentwurf dem Rechnung tragen, was sich draußen im Land tatsächlich gerade politisch vollzieht: Menschen finden sich themenbezogen zeitlich begrenzt zusammen, wollen mitentscheiden und mitdiskutieren, ohne sich in einem eingetragenen Verein zu organisieren. Sie verstehen sich als politische Bürgerinitiativen. Das heißt natürlich auch, wir müssen diese Bürgerinitiativen in die Situation versetzen, die für ihr Mitbestimmungsrecht notwendigen Informationen zu erhalten. Das ist mit der Konkretisierung in § 3 durch die Beschlussempfehlung auch erfolgt.
Ich denke, die Erweiterung um Studien zu den Veröffentlichungstatbeständen, die Übersicht zu Finanzhilfen des Landes, macht in Zukunft transparent, welche konkreten Regelungen auch auf Landesebene getroffen werden, die Auswirkungen auf die Menschen in diesem Land haben.
Ich will – weil Sie es angesprochen haben, Herr Kellner – auch noch mal wieder mit einer falschen Information von Ihnen aufräumen: Sie haben gesagt, wir hätten jetzt im Gesetzentwurf den Kostendeckel von 500 Euro eingeführt. Das ist nur die halbe Wahrheit. Eigentlich ist es nicht richtig, Herr Kellner. Wir hatten im Prinzip hier eine sehr gute Regelung zur Kostendeckung, zu den Verwaltungsgebühren drin. Diese haben wir auch hin- und herdiskutiert. Das Kostendeckungsprinzip, das von Anfang an im Gesetzentwurf stand, haben wir im Gesetzentwurf belassen, weil wir uns davon haben überzeugen lassen, dass dadurch im Prinzip gerade bei geringfügigen Auskünften keine Verwaltungsgebühren nach dem Äquivalenzprinzip erhoben werden. Der Kostendeckel von 500 Euro stand schon in der Begründung als Maßgabe für die Erarbeitung der Kostenrichtlinie durch das Ministerium. Wir haben uns bloß überzeugen lassen, dass es sinnvoller und eben auch im Sinne der Transparenz richtiger ist, wenn dies im Gesetz selbst steht. Das ist im Prinzip die Änderung, die wir hier vorgenom
men haben. Damit ist sichergestellt, dass der Informationszugang nicht an den Verwaltungskosten, an den Verwaltungsgebühren scheitert, sondern der Sinn des Gesetzes tatsächlich realisiert wird.
Letzter Satz – meine Uhr, mit der halben Redezeit komme ich wirklich kaum zurecht, Frau Präsidentin. Deswegen letzter Satz – meine Kollegen der Koalition werden dazu noch etwas sagen –: Natürlich sind nicht alle Wünsche umgesetzt worden, nicht unsere Wünsche, nicht die des Landesbeauftragten für Informationsfreiheit, nicht die der Vereine, die sich mit Transparenz beschäftigen. Die Evaluierungsklausel mit wissenschaftlicher Begleitung versetzt uns aber in die Situation, die Diskussion auf der Grundlage des jetzigen Transparenzgesetzes in der nächsten Legislaturperiode wirklich fortzusetzen. Darum werbe ich, einerseits die Anerkennung für Transparenz zu schaffen und auf der anderen Seite aber auch die Arbeit am Gesetzentwurf in der praktischen Umsetzung weiter fortzuführen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Redebeiträge zeigen, man kann beim Thema „Ehrenamt“ über vieles reden, über Strafmaß, über die Ehrenamtsstiftung, man kann aber auch die Anerkennung zum Ausdruck bringen, die jeder dritte Thüringer tatsächlich auch verdient,
weil jeder dritte Thüringer und jede dritte Thüringerin auch ehrenamtlich aktiv ist, nämlich in 19.000 Vereinen, um das mal deutlich zu sagen, davon 3.400 Sportvereine. Über 30.000 Kameradinnen und Kameraden in der Feuerwehr ersetzen eine hauptamtliche Feuerwehr und leisten dort täglich ihren Dienst. 16.000 Menschen sind in der Jugendarbeit ehrenamtlich aktiv. So selbstverständlich, wie wir in vielen Bereichen auf die ehrenamtlich Tätigen zurückgreifen, ist es eben auch zu sagen, dass das Ehrenamt tatsächlich grundlegend für das gesellschaftliche Zusammenleben ist. Und was grundlegend für diese Gesellschaft ist, muss natürlich auch in dem die Gesellschaft grundlegend beschreibenden Gesetz, also in der Thüringer Verfassung, verankert werden. Deswegen unterstützt Die Linke diese Forderung des Landessportbundes und auch des Thüringer Feuerwehrverbands.
Frau Meißner, Sie haben ja auf unser Wahlprogramm verwiesen: Anders als Sie, die ja ihr Wahlprogramm per Initiativantrag am Wochenende erst beschließen wollen – die Delegierten werden wahrscheinlich viel Zeit haben, sich jeden Satz im Einzelnen vorher durchzulesen –, hat Die Linke in ihrem Wahlprogramm einen eigenständigen Abschnitt zur Stärkung des Ehrenamts drin, mit konkreten Vorschlägen, was in vielen Bereichen bereits öffentlich diskutiert worden ist.
Frau Meißner, ich will es Ihnen auch sagen, auch in Richtung der AfD: Sie beklagen sich, dass Anträge von Ihnen zur Stärkung des Ehrenamts nicht durch die Koalitionsfraktionen beim Haushalt mit beschlossen wurden. Das mag ja sein, aber ich will Ihnen mal sagen, dass die CDU und die AfD den Haushalt in Gänze abgelehnt haben. Das heißt, alle Leistungen zur Unterstützung des Ehrenamts, die in diesem Landeshaushalt verhandelt sind, sind durch Sie abgelehnt worden.
Nur weil wir Ihre Vorschläge, die Sie konkret eingebracht haben, nicht als den besten Weg zur Stärkung des Ehrenamts angesehen haben. Insofern dürfen Sie sich hier nicht beschweren. Ich will Ihnen noch sagen, Ihren Satz hier zur nächsten Legislaturperiode und allen Optimismus in Ehren, dass Sie die Thüringer Verfassung ändern werden, aber das finde ich nun wirklich von zu starkem Optimismus getragen. Nach den letzten Umfragen würde das heißen, dass Sie noch 43 Prozent hinzugewinnen müssten, um das in die Tat umzusetzen.
Aber ich will trotzdem auf eines auch noch eingehen, weil mir dieser Punkt wichtig ist: Wir alle beziehen uns auf das Forderungspapier des Landessportbundes und des Landesfeuerwehrverbands, aber die Verankerung des Schutzes des Ehrenamts in der Thüringer Verfassung als Staatsziel ist eben nur einer von insgesamt sechs Forderungspunkten. Und wenn man dem einen zustimmt, muss man sich auch mit den anderen fünf auseinandersetzen, und dann kommen wir nämlich zu der Frage, die Herr Adams aufgeworfen hat: Wie konkret, wie materiell wird denn die Unterstützung des Ehrenamts dann tatsächlich auch umgesetzt werden? Da geht es nämlich tatsächlich um die Frage der Vernetzung ehrenamtlicher Strukturen und darum, ehrenamtliche Arbeit von Bürokratie zu befreien und öffentliche Mittel bereitzustellen.
Dann wird es eben auch konkret, Frau Meißner, denn dann reden wir tatsächlich auch über die Umsetzung dieses Staatsziels mittels eines Ehrenamtsgesetzes, was Sie in der letzten Legislatur und in der Legislaturperiode davor immer wieder abgelehnt haben, weil Sie glauben, dass es eigentlich nicht notwendig ist. Wir haben immer gesagt als Linke, wir brauchen ein Ehrenamtsgesetz, um einen Rahmen zur Förderung und zum Schutz des Ehrenamtes in Thüringen zu verankern. Das haben Sie abgelehnt und als Alternative wurde dann von Ihnen die Ehrenamtsstiftung geschaffen. Wenn man das wirklich ernst meint und nicht nur ein Lippenbekenntnis zur Thüringer Verfassung verankert wissen will, dann muss man auch darüber reden, wie man tatsächlich den gesetzlichen Rahmen in Thüringen gestaltet, um dieses Staatsziel auch wirklich in die Tat umzusetzen.
Frau Meißner, Aktuelle Stunden sind nicht dazu da, alles im Einzelnen darzustellen. Aber um das mal
am Beispiel der Feuerwehr zu sagen: Wir haben die Jugendleiterpauschale angehoben.
Wir haben die Entschädigung für die Feuerwehrangehörigen angehoben; jetzt sind wir gerade dabei. Wir haben – da muss man sagen, Herr Minister, da sind Sie leider noch ein bisschen im Rückstand, ich muss es erwähnen – hier im Thüringer Landtag – ich glaube, Sie haben dagegen gestimmt, Frau Meißner – die Landesregierung aufgefordert, einen Anreizkatalog für die Landkreise und Gemeinden zur Stärkung des Ehrenamtes zu erarbeiten. Das Ministerium hat das gemeinsam mit dem Feuerwehrverband erarbeitet. Das ist jetzt noch nicht veröffentlicht, aber da sind wir dran. Das sind ja die Themen, die wir diskutieren. Da haben Sie im Prinzip hier versucht, einfach nur Steine in den Weg zu legen.
Aber in der letzten halben Minute will ich auch noch etwas sagen – ich habe es bereits gesagt –: 16.000 im Bereich der Jugendhilfe, viele Ehrenamtliche, die alltäglich auch beispielsweise bei den Tafeln andere Menschen unterstützen. Wir dürfen aber bei unserem Hohelied auf das Ehrenamt nicht vergessen, dass der Staat ableitend aus dem Sozialstaatsprinzip auch eine Verantwortung hat, die er nicht einfach auf das Ehrenamt in vielen Bereichen verlagert. Auch darüber müssen wir diskutieren, wie wir auf der einen Seite das Hauptamt und die staatliche Verantwortung insbesondere im sozialen Bereich sichern und auf der anderen Seite das Ehrenamt, das ehrenamtliche Engagement in vielen Bereichen der Menschen unterstützen und ermöglichen. Beides zusammen ist grundlegend für das soziale Zusammenleben der Menschen.
Deswegen ist es ein guter Schritt, die Verfassung in diesem Punkt zu ändern. Aber es ist auch ein guter Schritt, über die weiteren konkret folgenden Schritte nachzudenken und zu diskutieren. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, Sie werden erkennen, ich bin nicht der Abgeordnete Kräuter, den möchte ich entschuldigen und ihm die besten Genesungswünsche übermitteln.
Ich übernehme für den Innen- und Kommunalausschuss gern die Berichterstattung.
Das Thüringer Gesetz zur Anpassung von Vorschriften aus dem Bereich des Dienstrechts, Drucksachennummer 6/6961 wurde am 28. März 2019 in erster Lesung hier im Thüringer Landtag beraten und an den Innen- und Kommunalausschuss zur weiteren Beratung überwiesen. Das Artikelgesetz beinhaltet mehrere Änderungen am Thüringer Beamtengesetz, am Thüringer Laufbahngesetz, am Thüringer Disziplinargesetz, am Thüringer Beamtenversorgungsgesetz sowie am Thüringer Gesetz über kommunale Wahlbeamte.
Zu den wichtigsten Neuerungen gehören unter anderem die Einführung einer Wahlfreiheit für Beamtinnen und Beamte bei der Auswahl ihrer Krankenversicherung durch eine neue Beihilferegelung, die Übernahme bzw. Erfüllung von Schmerzensgeldansprüchen von Beamten, die tätlich attackiert wurden und bei denen ein rechtskräftiger Anspruch gegen einen zahlungsunfähigen Täter besteht und dieser nicht erfolgreich vollstreckbar ist, die Schaffung einer neuen IT-Fachrichtung im Laufbahngesetz und ein Rückkehrrecht für kommunale Wahlbeamte, die
zuvor in einem Beamtenverhältnis zum Land standen.
Der Innen- und Kommunalausschuss hat sich in seiner 71. Sitzung und in seiner 74. Sitzung mit dem Gesetzentwurf befasst. Er hat zum Gesetzentwurf eine schriftliche Anhörung durchgeführt, darunter Gewerkschaften, Krankenversicherungen, kommunale Spitzenverbände, den Beamtenbund, die Arbeitsgemeinschaft der Hauptpersonalräte sowie auch den Thüringer Rechnungshof angehört. Die Anhörung wurde ausgewertet und man kann in der Gesamtschau der Anhörungsbeiträge, die natürlich aufgrund der Vielzahl der gesetzlichen Regelungen sehr differenziert ausgefallen sind, durchaus sagen, dass der Gesetzentwurf vom Grundsatz her begrüßt worden ist.
Im Rahmen der Anhörungen wurden dem Ausschuss auch weitere Anregungen zur Änderung beispielsweise am Thüringer Laufbahngesetz übermittelt. Ein Petitionsverfahren ist hier auch entsprechend anhängig. Wir haben uns aber im Innen- und Kommunalausschuss dazu verständigt, dass in Anbetracht der Zeit und des bevorstehenden Endes der Legislaturperiode jetzt eine tiefergehende Prüfung weitergehender Änderungen nicht mehr möglich gewesen ist, sodass ein fachlicher Austausch sowie juristische Prüfungen zu weiteren dienstrechtlichen Einzelfragen dann in der nächsten Wahlperiode zu erfolgen haben. Im Rahmen der Beratung wurde dann ein Änderungsantrag der Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen beschlossen, mit dem das Inkrafttreten der Beihilferegelung präziser geregelt wird.
Im Ergebnis empfiehlt der Innen- und Kommunalausschuss dem Thüringer Landtag mit der vorliegenden Beschlussempfehlung die Annahme des Gesetzentwurfs unter Berücksichtigung der Änderungen, die ich soeben genannt habe. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, es ist zu vielen Einzelregelungen schon einiges ausgeführt worden, deswegen vielleicht einige grundsätzliche Bemerkungen noch mal vornweg. Der öffentliche Dienst, die öffentliche Verwaltung ist entgegen landläufiger Vorurteile nicht dazu da, um sich mit sich selbst zu beschäftigen, sondern das Alltagsleben in einer Gesellschaft von der Schule bis hin zur Müllabfuhr sicherzustellen und damit unser aller Leben im Prinzip auch zu ermöglichen. Das leisten im Rahmen der Landesverwaltung mehr als 30.000 Bedienstete und Beschäftigte und denen gilt natürlich auch unser Dank für das, was Sie hier jeden Tag leisten.
Aber der öffentliche Dienst, die öffentliche Verwaltung …
Herr Fiedler, warten Sie doch ab, Sie werden noch viele Möglichkeiten haben zu klopfen. An einer Stelle, das kann ich Ihnen schon voraussagen, werden Sie aber widersprechen. Aber soweit sind wir noch nicht.
Aber ich will Ihnen auch sagen: der öffentliche Dienst und die öffentliche Verwaltung stehen natürlich auch vor immensen Herausforderungen. Einige sind schon benannt worden: die Digitalisierung der Gesellschaft, wo der öffentliche Dienst nicht unbedingt Schritt hält mit dem, was gesellschaftlich gerade passiert. Aber auch die Frage der demografischen Entwicklung in Thüringen stellt den öffentlichen Dienst vor eine besondere Herausforderung, weil wir natürlich auch um Arbeitskräfte in der Verwaltung streiten müssen. Wir konkurrieren hier mit der privaten Wirtschaft und da sind die Bedingungen längst nicht mehr so vorteilhaft für den öffentlichen Dienst, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war.
Deswegen müssen wir uns gemeinsam Gedanken machen, wie wir auch die Arbeitsbedingungen, die Arbeitsverhältnisse in der Verwaltung attraktiv gestalten, insbesondere auch für junge Menschen. Das heißt eben auch, dass wir uns darüber Gedanken machen, wie wir einen guten Gesundheitsschutz für Beschäftigte und Bedienstete schaffen, wie wir eine angemessene Bezahlung sicherstellen, wie wir gute Arbeitsbedingungen sichern und auch ein Klima schaffen, das auf Motivation und Mitbestimmungsmöglichkeiten im öffentlichen Dienst setzt.
In diesem Sinne hat diese Koalition im Rahmen der jetzigen Legislaturperiode viele Bausteine angefasst und das vorliegende Gesetz ist ein weiterer Baustein in diesem Bestreben, den öffentlichen Dienst attraktiv zu machen.
Es wurde viel zur Krankenversicherung gesprochen. Ich will noch mal auf einen wichtigen Umstand hinweisen. Das Bundesverfassungsgericht hat bereits im Jahr 2005 darauf hingewiesen, dass sowohl die private Krankenversicherung als auch die gesetzliche Krankenversicherung als auch die individuelle Beihilfe gleichwertig nebeneinander stehen. Das müssen wir natürlich auch berücksichtigen, dass wir dann auch diese drei Versicherungsmöglichkeiten den Bediensteten gleichwertig zur Verfügung stellen. Das heißt auch, eine Wahlmöglichkeit auf der einen Seite schaffen für die individuell berechnete Beihilfe, aber auch eine Wahlmöglichkeit für die pauschale Beihilfe, für eine Krank
heitskostenvollversicherung, die dann bei der privaten, aber auch bei einer gesetzlichen Krankenversicherung abgeschlossen werden kann. Natürlich haben wir hier viel über Kosten zu diskutieren und welche Kostenfolgen damit verbunden sind. Aber der Abgeordnete Adams ist darauf eingegangen, es ist für uns auch in erster Linie eine sozialpolitische Maßnahme.
Diese Wahlfreiheit für Bedienstete ist auch ein erster Schritt – und da will ich gar nicht drum herumreden – für die Linke eigentlich zur Zielerreichung einer wirklichen Versicherung für alle, wo Beamte, wo Abgeordnete, Selbstständige
sich solidarisch am Gesamtsystem der sozialen Versicherung beteiligen, so wie das die Frau Abgeordnete Marx tut, so wie ich das tue und so wie das viele Abgeordnete in diesem Landtag
auch schon tun.
Das Beispiel Hamburg zeigt ja, dass es auch von Bediensteten akzeptiert, angenommen wird. Mehr als 1.300 freiwillig gesetzlich Versicherte im ersten Jahr in der Verwaltung in Hamburg zeigen, dass dieses Angebot praktisch auch erwünscht, gewollt ist, dass es hier auch keine Diskrepanz zu den Wünschen der Bediensteten und deren Bedürfnissen gibt. Es sichert eben insbesondere junge Familien mit vielen Kindern ab, es sichert untere Einkommensgruppen ab und es sichert auch, das hat Herr Adams schon gesagt, Menschen ab, die Vorerkrankungen leider mit sich tragen müssen.
Zur Schadensersatzregelung nur so viel: Wir haben ja bereits die Rechtsschutzmöglichkeiten für Beschäftigte und Bedienstete im öffentlichen Dienst im Zuge der Auseinandersetzung mit sogenannten Reichsbürgern gestärkt. Jetzt ist das ein konsequent zweiter Schritt, dass Beamte, die im Rahmen ihrer Ausübung der Beamtentätigkeit praktisch tätlich angegriffen worden sind, einen rechtskräftigen Schadensersatzanspruch haben, nicht dann auf diesem Schadensersatzanspruch sitzen bleiben, weil der Täter nicht zahlungsfähig ist, sondern dass hier das Land tatsächlich diesen Schadensersatzanspruch übernimmt und dann gegenüber dem Täter versucht zu vollstrecken. Ich denke, das ist dann wirklich mal in Gesetzeskraft erlangte Würdigung auch der Tätigkeit der Beamten, die natürlich auch
zunehmenden Angriffen ausgesetzt sind. Darüber haben wir an vielen Stellen hier auch im Landtag schon diskutiert und deswegen hat diese Koalition ja auch im Haushalt 2020 eine Respektkampagne mit verankert, die wir umsetzen müssen. Aber es reicht auch nicht, immer nur über Respekt zu reden und über Würdigung von Tätigkeit zu reden, man muss es dann auch in die Tat umsetzen und das tun wir mit der entsprechenden Regelung hier.
Nun will ich noch kurz auf zwei Punkte eingehen. Zur Einführung der IT-Laufbahn wurde einiges gesagt. Es wurde begrüßt. Es ist notwendig im Zuge der Digitalisierung, weil es eben auch Menschen, die sich speziell in diesem Bereich engagieren, ausgebildet haben, erleichtert, in den öffentlichen Dienst zu kommen, leichter zumindest, als dies bisher der Fall war. Aber auch die Erleichterung beim Laufbahnzugang für den höheren Dienst ist angemessen und auch begründet, weil damit natürlich nicht Qualitätsstandards abgesenkt werden, die Behörde entscheidet natürlich auch in Zukunft noch nach Qualität, sucht die besten Bewerber, es werden bloß die formellen Voraussetzungen etwas gelockert, um tatsächlich auch in dieser Konkurrenzsituation mit der privaten Wirtschaft auch um die Besten werben zu können. Ich muss auch mal sagen, weil mich das wirklich persönlich aufregt, für die Öffentlichkeit nach dem Hören des AfD-Beitrags: Wir sind ja nach der Geschäftsordnung gehindert, aus dem Innenausschuss, generell aus dem Ausschuss zu zitieren und dort die Äußerungen einzelner Abgeordneter wiederzugeben; das ist auch überhaupt kein Problem in dem Fall, weil die AfD hat sich ja zu diesem Gesetzentwurf weder geäußert im Innenund Kommunalausschuss,
noch hat sie einen Vorschlag gemacht für irgendeinen Anzuhörenden, noch hat sie irgendeinen Änderungsantrag gestellt, noch hat sie auf irgendein Problem hingewiesen. Und dann halten Sie hier eine Rede, was Sie denn alles hier tatsächlich an diesem Gesetzentwurf für falsch halten und bringen eine Änderung zu diesem Gesetzentwurf ein und vermitteln hier den Eindruck einer wer weiß was für produktiven Debatte, die Sie da geführt haben. Mitnichten war das der Fall, das ist hier heiße Luft, die vorgetragen worden ist. Und wären Sie den Ausschussberatungen gefolgt, dann hätten Sie auch die Begründung
für diese Änderung mitbekommen.
Lieber Herr Fiedler, jetzt kommt die Stelle, wo Sie mir widersprechen wollen. Sie haben eben gesagt,
wenn wir diese Regelungen zu den kommunalen Wahlbeamten einführen, dann wäre ja das Parlament voller Beamter. Genau das ist das Problem. Sie haben nicht begriffen, um was es in diesem Gesetz eigentlich geht. Denn im Parlament ist es so – und fragen Sie mal Ihren Kollegen Bühl beispielsweise oder auch uns, unseren Kollegen Kräuter –, wenn ein Beamter aus dem Landesdient für das Parlament kandidiert, dann bleibt der selbstverständlich Beamter, und wenn er dann nicht wieder gewählt wird oder freiwillig aufhört, dann kommt er in sein Beamtenverhältnis zurück. Das ist überhaupt kein Problem und das nutzen einige in diesem Parlament hier durchaus und das ist auch völlig kritiklos anzuerkennen. Wir wollen aber auch, dass Beamte sich gesellschaftspolitisch engagieren, und zwar nicht nur auf der parlamentarischen Ebene, sondern auch auf der kommunalpolitischen Ebene. Das heißt eben auch, die Möglichkeiten dafür zu schaffen, dass, wenn ein Beamter als Bürgermeister kandidiert, er sich nicht sorgen muss, wenn er nach der ersten Wahlperiode nicht wiedergewählt wird, ob er dann wieder in sein Beamtenverhältnis kommt, ob er wieder eine Tätigkeit findet. Wenn er nicht mehr als zwei Wahlperioden als Bürgermeister, als kommunaler Wahlbeamter tätig ist, dann hat er selbstverständlich auch einen Rückkehranspruch. Das regeln wir mit diesem Gesetz. Wenn er mehr als zwei Wahlperioden kommunaler Wahlbeamter ist, dann hat er diesen nicht mehr in dieser Form wie hier vorgeschlagen.
Ich finde, das ist eine sinnvolle Regelung, um auch im öffentlichen Dienst dafür zu werben, sich politisch in der Öffentlichkeit über ein kommunales Wahlamt zu engagieren. Ich denke, das ist auch ein Beitrag dazu, dass wir eine stärkere politische Verantwortungswahrnahme auch von Bediensteten des öffentlichen Dienstes für die Allgemeinheit haben, die über ihr eigentliches Aufgabenfeld als Beamter dann hinausgehen.
Rückblickend und zusammenfassend – ich habe es eingangs gesagt: Wir haben in dieser Wahlperiode vieles getan für die Steigerung der Attraktivität im öffentlichen Dienst, ich sage nur inhalts- und wirkungsgleiche Übernahme der Tarifergebnisse auch für die Beamtenbesoldung.
Ich will die Verbesserung der Rechtsschutzverhältnisse für Beamte im öffentlichen Dienst erwähnen. Ich will das Personalvertretungsgesetz nennen, Steigerung der Mitbestimmungsmöglichkeiten. Ich denke, wir haben sehr vieles getan, was tatsächlich auch die Wertschätzung, die wir immer wieder zum Ausdruck bringen, auch in konkrete Taten, in konkrete rechtliche Regelungen umsetzt.
Deswegen bitte ich auch zu diesem Gesetz um Ihre Zustimmung, vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Holbe hat ja schon für den Ausschuss gesagt, worum es geht: Es geht im Prinzip um eine landesrechtliche Übernahme einer bundesrechtlichen Regelung, insofern, dass durch dieses Ausführungsgesetz die für Ordnungswidrigkeiten zuständige Behörde benannt wird und andererseits eine Verordnungsermächtigung für die Benennung der zuständigen Polizeivollzugsbehörden im Gesetz aufgenommen wird. Konkret geht es um den automatisierten Lichtbildabruf für die Ordnungsbehörden im Rahmen der Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten, der hier geregelt wird.
Dass das Ganze nicht vollkommen unproblematisch ist, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheint, zeigt eigentlich eine Klage, die gegenwärtig beim Bundesverfassungsgericht anhängig ist und die wir auch im Innen- und Kommunalausschuss angesprochen und thematisiert haben. Dort heißt es genau zu den beiden zugrundeliegenden Paragrafen, die wir dann hier im Ausführungsgesetz zumindest in Teilen auch für Thüringen regeln: „Die angegriffenen Vorschriften verletzen die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 Grundgesetz und auf ef
fektiven Rechtsschutz aus Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz.“
Wir haben zwar in der Beratung im Innen- und Kommunalausschuss festgestellt, dass sich die bestrittenen Teile des § 25 bzw. § 22a des Paßgesetzes bzw. Personalausweisgesetzes nicht auf die Thüringer Verordnungsermächtigung beziehen, aber die vom Bundesverfassungsgericht angegriffene Regelung betrifft natürlich auch Zuständigkeitsund Befugnisregelungen für Thüringer Polizeibehörden. So war es dann eben auch nicht verwunderlich, dass in der Anhörung genau diese materiellen Regelungen im Bundesgesetz hinterfragt und kritisiert worden sind. Beispielsweise die Europäische Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz kritisiert in ihrer Stellungnahme die immer weitere und leichtere sicherheitsbehördliche Informationsvernetzung, die insbesondere durch die Einrichtung automatisierter Abrufverfahren ermöglicht wird, aber in einem angemessenen Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck stehen soll, und stellt dann fest, für die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten wird man dies sicherlich nicht zweifelsfrei bejahen können. Das ist eine Kritik, die wir nachvollziehen können, weil wir in der Geschichte der Sicherheitsgesetzgebung immer wieder erlebten, dass Befugnisse erst geschaffen wurden und dann der Zweck, der am Anfang recht harmlos daherkommt, immer weiter ausgedehnt worden ist und die Befugnisse auch auf Behörden und auf materielle Bereiche ausgedehnt worden sind, sodass am Ende die Frage der Verfassungswidrigkeit im Raum stand.
So ist es auch beim benannten Online-Abruf biometrischer Lichtbilder oder bei der automatisierten Übertragung von Bildern, die bis 2017 nur dann zulässig gewesen war, wenn die Personalausweisbehörde auf andere Weise nicht erreichbar ist und ein weiteres Abwarten den Ermittlungszweck gefährdet hat. Nun hat der Bundesgesetzgeber sein Gesetz aber geändert und hat genau diese Beschränkung der automatisierten Datenübertragung ausgeweitet, und zwar nicht nur auf sämtliche Geheimdienste in der Bundesrepublik, die damit Zugriff erhalten sollen. Er hat auch die materielle Hürde der möglichen Nichterreichung des Ermittlungszwecks herabgesetzt und nur noch die Notwendigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben als gesetzliche Hürde im Gesetz ausgeführt. Mit anderen Worten, es bedarf überhaupt keiner konkreten Gefahr mehr, dass Polizeibehörden oder Geheimdienste automatisiert Lichtbilder von den zuständigen Pass- und Personalausweisbehörden abrufen können. Das ist Gegenstand der Verfassungsklage, die gegenwärtig vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt wird.
Aus landesrechtlicher Perspektive können wir gegen das Ausführungsgesetz sicherlich nichts vortragen, weil das Land selbst keine Kompetenzen hat, die verfassungsrechtlich bestrittenen Normen in irgendeiner Form zu korrigieren, in Thüringen nicht umzusetzen. Das Ausführungsgesetz setzt insofern das Bundesrecht rechtlich korrekt in Landesrecht um, sodass wir auch dem Gesetzentwurf selbst zustimmen.
Wir sind aber durchaus auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gespannt und auch optimistisch, dass die zugrunde liegende Regelung in beiden Bundesgesetzen durch diese Klage noch verändert wird und hier wieder ein effektiver Grundrechtsschutz eintritt, den wir gegenwärtig in dieser Region nicht sehen. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, es gehört sicherlich zu den Binsen, dass ein Regierungsabgeordneter hier als Erstes den Regierungsentwurf für den Haushalt lobt. Aber es gehört zu der zweiten üblichen Binse, die man als Regierungsabgeordneter hier vorn vortragen kann, dass der Regierungsentwurf natürlich durch die parlamentarische Beratung noch besser geworden ist, als er ohnehin schon war.
Frau Marx hat es angesprochen – Herr Christ, ich begrüße Sie und Ihre Kollegen der GdP natürlich auch ganz herzlich –, das Zitat hat uns schon gefreut, aber das Überraschende bei dieser Tagung
des Behörden Spiegel war ja, dass – nachdem Sie das gesagt haben, Herr Christ – für Herrn Fiedler als CDU‑Innenpolitiker de facto eine Welt zusammengebrochen ist. Er konnte gar nicht mehr verstehen, was hier eigentlich passiert.
Und das ist, glaube ich, auch das Grundproblem der Auseinandersetzung der CDU mit diesem Haushalt. Sie haben in Ihrem Entschließungsantrag – an dem ich mich orientieren will, weil die Kollegen Adams und Marx schon sehr viel zu vielen konkreten Inhalten gesprochen haben – etwas aufgeschrieben, was Sie im Prinzip seit fünf Jahren permanent hier in diesem Landtag immer wieder erzählen, ohne es konkret zu untersetzen. In den fünf Jahren haben Sie noch nicht einmal gemerkt, dass sich die Welt weitergedreht hat, dass durch diese Landesregierung Entscheidungen getroffen worden sind, dass viele Sachen, die Sie hier einfordern, die aufgeschrieben worden sind, längst in diesem Land Realität geworden sind oder in diesem Haushalt tatsächlich jetzt auch Umsetzung finden.
Ich will auf einige Passagen Ihres Antrags eingehen und an diesen Stellen auch immer noch mal zum Haushalt von Rot‑Rot‑Grün reden. Sie sagten beispielsweise gleich eingangs, die Gewährleistung der inneren Sicherheit gehört zu den Kernaufgaben jeder Regierung. Wir meinen hier, die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit gehört zur Kernaufgabe der Regierung. Aber es gehört natürlich auch zur Kernaufgabe der Opposition. Wenn Sie, Frau Holbe, der Meinung sind, dass die Sicherheit durch diese Landesregierung gefährdet ist, wie das ja aus Ihrem Redebeitrag fast zu entnehmen war, dann hätte ich doch erwartet, dass Sie hier tatsächlich Änderungsanträge einbringen und für Sicherheit in diesem Land sorgen. Auch das wäre Kernaufgabe der Opposition, Versäumnisse der Landesregierung möglicherweise auszubügeln.
Aber das haben Sie nicht gemacht. Offensichtlich sehen Sie keine konkreten Versäumnisse.
Dann sagen Sie, Thüringer Sicherheitsbehörden sind personell so aufzustellen und technisch so auszustatten, dass sie den gestiegenen Gefährdungslagen insbesondere durch islamistische und andere Extremisten auf Augenhöhe begegnen können. Ich glaube, es geht natürlich auch um Vermeidung von Straftaten, Verfolgung von Straftaten als Aufgabe der Sicherheitsbehörden, nicht nur die Verfolgung des politischen Extremismus, wie Sie es immer in den Mittelpunkt stellen. Aber dann frage ich mich: Warum lehnen Sie denn zusätzliche Stellen in der Sicherheitsarchitektur des Freistaats Thü
ringen ab? Warum lehnen Sie im Haushalt eine zusätzliche Ausstattung im Landeskriminalamt mit technischen Mitteln bei der Laboruntersuchung tatsächlich ab? Warum lehnen Sie beispielsweise auch einen Ansatz ab, der es der Landespolizei ermöglicht, im kommenden Jahr 170 Fahrzeuge zusätzlich neu anzuschaffen, um tatsächlich auch einsatzfähig zu sein? Da frage ich mich: Was wollen Sie denn eigentlich, wenn Sie eine gestärkte personelle und technische Ausstattung der Polizei einfordern, dann keinen eigenen Vorschlag machen und genau diese Maßnahmen hier ablehnen, insbesondere auch die Stellen, die Frau Marx schon benannt hat? Darauf komme ich noch mal zu sprechen.
Sie formulieren in Ihrem Antrag wieder: „Wir stehen zu unserer Polizei.“ Seit 2014 erzählen Sie das. Sie vermitteln damit immer oder wollen damit den Eindruck vermitteln, alle anderen tun das nicht.
Gucken Sie doch mal in den Haushalt hinein und dann sage ich Ihnen: Vielleicht wäre es mal an der Zeit, nicht nur zu sagen, dass Sie zur Polizei stehen, sondern das konkret zu untersetzen. Ich glaube, die Maßnahmen, die wir jetzt im Entschließungsantrag aufgenommen haben – nach fünf Jahren zu ermöglichen, dass Polizeibeamte vom Eingangsamt in das erste Beförderungsamt kommen, im Prinzip auch eine Übernahmegarantie für Polizeianwärter auszusprechen –, das sind doch konkrete Maßnahmen, die tatsächlich auch in der Polizei und bei jedem einzelnen Kollegen konkret ankommen. Daran wird sichtbar, wie es aussieht, wenn man zur Polizei steht, aber beispielsweise auch an der Kampagne, die Frau Marx schon angesprochen hat, für mehr Respekt gegenüber Polizei und Rettungskräften. Das ist doch etwas, wo Politik ganz konkret in der Öffentlichkeit untersetzt, dass wir zur Polizei stehen, aber auch zu den anderen Rettungskräften. Sie sagen, dass Sie zur Polizei stehen, und lehnen im Haushalts- und Finanzausschuss eine Kampagne in der Öffentlichkeit für mehr Respekt vor Polizeikräften einfach ab. Da sage ich: Es ist unglaubwürdig, was Sie hier permanent vortragen.
Ich verstehe wirklich nicht, warum in der Öffentlichkeit und bei Medien oftmals noch der Eindruck entsteht, dass bei Ihnen die Kernkompetenz in der Sicherheit ausgeprägt sei.
Sie sagen, die Aus- und Fortbildungskapazitäten des Bildungszentrums der Thüringer Polizei in Meiningen müssen nachhaltig ausgebaut werden. Da
gebe ich Ihnen recht. Deswegen – Frau Marx hat es gesagt – haben wir zehn zusätzliche Stellen für Lehrkräfte in den Polizeibildungseinrichtungen in diesen Haushalt eingestellt. Wir nehmen zur Kenntnis, dass wir mit dem gestiegenen Anteil der Polizeianwärter seit 2014 bis zum Jahr 2020 von 135 bis auf jetzt 300 natürlich nicht mit demselben Lehrpersonal weiterarbeiten können, um dort eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu garantieren. Wir müssen uns auch um die Ausbildungsräume kümmern und die Situation. Auch das machen wir mit einem Änderungsantrag im Haushalts- und Finanzausschuss. Um erst mal Abhilfe zu schaffen, werden dort Container angeschafft, um so Lehrmöglichkeiten, Lehrkapazitäten zu schaffen.
Was macht die CDU-Fraktion? Sie sagt, es muss gestärkt werden, muss nachhaltig ausgebaut werden und lehnt diese beiden Änderungsanträge ab. Das kann ich nicht verstehen.
Sie fordern in Ihrem Antrag ein gutes Personalmanagement ein und sagen, wir brauchen einen Einstieg in ein Personalentwicklungskonzept. Was machen wir denn mit den 142 Stellen im Haushalt? – Doch nicht nur einfach Stellen hineinschreiben, weil es eine politische Debatte gab, in der sich manchmal Innenministerium, Gewerkschaften, politische Parteien zu überbieten versuchten: Wer fordert mehr? Wir schaffen tatsächlich die Voraussetzung für Personalmanagement, indem wir 65 falsch besetzte Vollzugsbeamtenstellen – die durch Tarifbeschäftigte besetzt sind – freiziehen, indem wir die Tarifstellen schaffen; dasselbe für elf Verwaltungsbeamte. Damit wird einerseits Personalentwicklung/ Personalmanagement möglich, andererseits werden in der Summe auch – ich meine – 76 Vollzugsbeamtenstellen in der Polizei frei, die dann in den Nachfolgejahren besetzt werden können.
Ich freue mich ja immer, wenn Sie eine zusätzliche Ausbildungshundertschaft fordern. Das habe ich kennengelernt. Seit 2014 fordern Sie das immer – eine zusätzliche Ausbildungshundertschaft. Ich will es Ihnen nur noch mal sagen: 2014 hatten wir von Ihnen 135 Polizeianwärter übernommen. In diesem Haushalt stehen 300 Polizeianwärter im Jahr.
Wir sind zwischen 2014 bis 2020 stetig nach oben gestiegen. Diese Ausbildungshundertschaft, die Sie da immer fordern, die haben wir seit 2014 schon mehrfach umgesetzt.
Aber da ist es so ein bisschen ähnlich wie beim Kommunalen Finanzausgleich. Da fehlen ja auch immer 200 Millionen, egal wie viel Geld drinsteckt.
Ich könnte noch vieles sagen. Mein Kollege Kalich, der zu den Kommunalfinanzen noch reden will, braucht natürlich auch die notwendige Zeit. Ich will nur sagen: Wir haben, glaube ich, auch mit diesem Haushalt einen großen Schritt gemacht, weil wir vier Jahre Sachen – Herr Staatssekretär – vorbereitet und diskutiert haben, die jetzt die Umsetzung finden. Sie führen zu einer attraktiven Polizei, zu einer Stärkung und sie legen auch die Grundlagen für eine weitere Arbeit. Das muss fortgesetzt, verstetigt werden.
Wir schaffen in der Feuerwehr natürlich auch Grundlagen dafür, dass wir die Aufgaben des örtlichen Brandschutzes bei den Kommunen sicherstellen und die Katastrophenschutzaufgaben bewältigt werden können. Auch hier müssen wir Aufgaben verstetigen. Das ist alles nicht der letzte Schritt, den wir hier gegangen sind. Aber es ist ein guter und ein großer Schritt. Dafür bedanke ich mich bei allen, die daran mitgewirkt haben. Vielen Dank.
Meine Damen und Herren, ich will einräumen, das ist vielleicht nicht der Höhepunkt der heutigen parlamentarischen Beratung, aber so unwichtig ist das Thema, das wir in dieser Aktuellen Stunde diskutieren, nun auch nicht, dass so wenige Abgeordnete hier im Raum sein müssen.
Es ist natürlich auch interessant, wie unterschiedlich, Herr Wucherpfennig, die Fraktionen an die Themenstellung herangehen. Das ist natürlich das Besondere bei einer Aktuellen Stunde, weil man das eigentliche politische Anliegen des Antragstellers auch mit der neuen Begründungserfordernis nur unzureichend erfassen kann. Ich bin schon – sage ich mal – überrascht gewesen, wie unterschiedlich doch die Fraktionen herantreten, und vielleicht werden Sie auch in meinem Redebeitrag einen fünften Aspekt, wie man sich dem Thema nähern kann, entnehmen können.
Ich will mich nicht weiter zu dem Youtuber Rezo äußern, aber ich will so viel dazu sagen: Ich finde es immerhin bemerkenswert, dass die Reaktionen in der Gesellschaft doch verdeutlicht haben, welche hohe Anerkenntnis die Presse- und auch die Meinungsfreiheit in diesem Land noch haben. Wenn eine Bundesvorsitzende einer so bedeutenden Partei als Reaktion auf die Kritik einer Politik der CDU und auch der SPD schwadroniert, vielleicht Regeln der Meinungsfreiheit vor Wahlen im Netz einzuschränken, dass es dann so eine gesellschaftspolitische Debatte gibt, die auch den Politikern, diesen Gedankenspielen die Grenzen aufzeigt, zeigt das für mich, dass die Presse- und insbesondere die Meinungsfreiheit ein wirklich hohes Gut, aber auch ein breit gesellschaftlich anerkanntes hohes Gut sind. Man sollte dieses hohe Gut der Meinungsfreiheit und diese gesellschaftliche Anerkenntnis auch nicht aufs Spiel setzen.
Deswegen will ich auf weitere Punkte eingehen, die in diesem Themenbereich in diesen letzten Wochen eine besondere Rolle gespielt haben. Frau Marx ist darauf eingegangen: Seit März 2019 ist der Entwurf eines Gesetzes zur Harmonisierung des Verfas
sungsschutzrechts aus dem Hause des Bundesinnenministers Horst Seehofer öffentlich bekannt. Und, liebe Kollegin Marx, mein Problem an diesem Gesetz ist nicht – das ist ein riesiger politischer Fauxpas, aber das ist nicht mein Problem –, dass das Bundesinnenministerium Journalisten hier nicht zu den besonders geschützten Berufsgruppen gezählt hat. Mein Problem ist, dass mit diesem Gesetz der Staatstrojaner für den Verfassungsschutz, also weit vor der eigentlichen Gefahrenabwehr, eingeführt werden soll. Das ist eben, anders, als viele Sicherheitspolitiker immer versuchen glauben zu machen, nicht die Übertragung der Telekommunikationsüberwachung auf die Onlinekommunikation, sondern das ist eine deutliche Erweiterung der Ausforschung von menschlichen Gedanken,
auch Entwürfen, von Skizzen, weil die Kompromittierung von elektronischen Geräten nämlich dazu führt, dass nicht nur die Kommunikation, wie sie tatsächlich stattgefunden hat, gespeichert, abgegriffen und durch Sicherheitsbehörden ausgewertet wird, sondern bereits Skizzen, Textentwürfe und damit praktisch Teilhabe an der Gedankenwelt genommen wird. Das haben wir nicht vergleichbar bei der Telekommunikationsüberwachung, es zeigt aber die neue Dimension auf. Deswegen war es ja auch Rot-Rot-Grün, Frau Marx, die 2014 vereinbart haben, nicht nur dass wir den Staatstrojaner ablehnen, sondern dass wir auch alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nutzen, die Anwendung in Thüringen zu verhindern. Ich schließe mich Frau Henfling an, da erwarte ich auch vom Innenminister einen deutlichen Widerspruch heute bei der Innenministerkonferenz in Kiel, weil das auch Geschäftsgrundlage unserer Koalition ist.
Ich will aber auch noch auf weitere Punkte eingehen, denn die orwellschen Fantasien enden ja nicht bei diesem Gesetzentwurf. Die Innenminister beraten heute in Kiel auch noch weit Weiteres. Und zwar verständigen sich die Innenminister heute auch, beim neuen Mobilfunkstandard 5G über abgesenkte Verschlüsselungsstandards zu reden. Das muss man sich mal vorstellen. Wir diskutieren in der Bundesrepublik Deutschland über eine neue Form der mobilen Kommunikation, der Datenübertragung und wollen einen neuen aktuellen technischen Standard den Menschen, aber auch den Wirtschaftsunternehmen anbieten. Und was machen wir? Wir opfern die Daten- und Kommunikationssicherheit von Menschen, von Unternehmen zugunsten der Zugriffsmöglichkeiten des Staats.
Da will ich Ihnen sagen: Wir gefährden damit natürlich auch den Wirtschaftsstandort. Welches Wirtschaftsunternehmen wollen Sie denn wirklich hier in
die Bundesrepublik locken, wenn man sagt, Sie können sich bei uns ansiedeln, Sie kriegen auch ein Grundstück, Sie kriegen vielleicht auch mal in ein, zwei, drei Jahren einen 5G-Standard – während andere Länder das schon längst realisiert haben –, aber die Sicherheit können wir Ihnen nicht garantieren? Was macht man denn, wenn man Sicherheitsstandards absenkt oder wie beispielsweise auch bei Smart Homes oder bei dem beabsichtigten sogenannten WhatsApp-Gesetz, wenn man die Provider verpflichtet, Backdoors einzubauen? Man öffnet diese Backdoors, diese Lücken in den elektronischen Systemen, in der Software nicht nur für staatliche Institutionen. Sie schaffen diese Lücken auch für kriminelle Hacker, für Leute, die es auf die Daten von Wirtschaftsunternehmen abgesehen haben,
auf die Daten und persönlich sensiblen Informationen von Personen, von Menschen, die sich mit ihren Freunden, Geliebten usw. austauschen. Das heißt, alles das, was hier in Kiel vermeintlich als sicherheitspolitische Maßnahme verabredet werden soll, schafft eigentlich Sicherheitslücken. Ich glaube, Sicherheitspolitik ist dazu da, Sicherheit zu stärken und nicht Sicherheitslücken zu manifestieren.
Ein letzter Satz
in Richtung Landesregierung, Herr Staatssekretär Götze: Meine eindringliche Bitte ist
nicht nur, dass der Innenminister in Kiel deutlich Position bezieht, sondern Sie auch heute hier im Plenum. Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr verehrten Damen und Herren, eine Vorbemerkung: Wie wirksam ein Landesversammlungsgesetz bei der
Bekämpfung der Feinde der Demokratie tatsächlich ist, konnten wir am 1. Mai in Plauen in Sachsen erleben.
Ich bin dem Innenminister durchaus dankbar, dass er Position bezogen hat. Ich hoffe, dass wir das in Thüringen auch rechtlich umsetzen können, und zwar ganz ohne eigenes Landesversammlungsgesetz, weil das nämlich eine der wesentlichsten Forderungen ist, im Umgang mit Neonazis den vorhandenen rechtlichen Rahmen auszuschöpfen. Diesen Rahmen haben wir, im Rahmen des Grundrechts und im Rahmen des bestehenden Bundesversammlungsgesetzes. Da braucht es kein Landesversammlungsgesetz und vor allen Dingen keinen falschen Eindruck, Herr Geibert, den Sie versuchen hier zu erwecken, dass wir die Probleme des Neonazismus in dieser Gesellschaft mit einem Versammlungsgesetz lösen können.
Sie haben in Ihrem zweiten Redebeitrag in der ersten Beratung gesagt: „Herr Dittes, ich danke Ihnen für Ihren Beitrag.“ Das ist ja aus meiner Sicht durchaus etwas Überraschendes. Mich überrascht dieser Satz vor allem deshalb, weil ich Ihnen dargelegt habe, wie viele Fehler in Ihrem Gesetzentwurf vorliegen, die uns eben daran hindern, ein so fehlerhaftes Gesetz im Innenausschuss zu beraten.
Der erste Fehler, der eigentlich über allem steht, der aber Ihrer Motivation für dieses Gesetz zugrunde liegt, ist der, dass Sie glauben, mit einem Landesgesetz die Grundrechtswahrnahme beschränken oder begrenzen zu können. Das ist tatsächlich ein verfassungsrechtlicher Irrglaube,
aber den versuchen Sie auch immer wieder hier in den Vordergrund zu schieben, als Motiv hervorzuheben.
Ich will Ihnen auch noch einmal die Fehler schlaglichtartig hier aus Ihrem Gesetzentwurf wiederholen. Sie formulieren in § 2 Abs. 3, dass das kommunikative Anliegen des Veranstalters maßgebend für die Einordnung einer Veranstaltung als Versammlung zu bewerten oder heranzuziehen ist. Was heißt das denn in der Konsequenz? Dass Sie die Versammlungsbehörden in die Pflicht setzen, im Prinzip das Anliegen, das zugrunde liegende Motiv des Veranstalters auszuforschen, gegebenenfalls diesen sogar in die Situation bringen, seine Inanspruchnahme des Rechts auf Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit gegenüber der Behörde begründen zu müssen, und das ist schlichtweg mit
dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit nicht vereinbar.
Ein zweiter Rechtsfehler in Ihrem Gesetz findet sich in § 11 Abs. 3, wo Sie sich mit Videoaufnahmen von Versammlungen bevorraten wollen und diese noch nicht einmal löschen wollen, wenn keine Vorfälle zu verzeichnen waren, keine Straftaten zu verzeichnen waren, sondern wenn Sie einfach nur annehmen, dass zu besorgen sei, dass von dieser Person erhebliche Gefahren für künftige Versammlungen ausgehen – „zu besorgen sei“. Eine solche Regelung zur Bevorratung mit Videoaufnahmen ist schlichtweg verfassungswidrig. Da gibt es schon einschlägige Urteile auch des Bundesverfassungsgerichts, auch im Übrigen zum Landesversammlungsgesetz Bayern, die ähnlich weitreichende Befugnisse für die Polizei mit verankert haben.
Ein weiterer Fehler in Ihrem Gesetzentwurf: Sie benennen in § 17 bei den Orten, die besonders zu schützen sind, Orte, die es in Thüringen in dieser Form überhaupt nicht gibt. Das ist ein ganz klassischer handwerklicher Fehler. Und ein dritter Fehler: Da sagen Sie, Sie hätten einfach aus dem Bundesversammlungsgesetz abgeschrieben, wenn Sie sagen, dass die §§ 15 und 16 Bundesversammlungsgesetz für Wallfahrten, Bittgänge, Gottesdienste unter freiem Himmel, kirchliche Prozessionen nicht gelten, und deswegen kann das doch im Landesversammlungsgesetz nicht falsch sein, wie ich Ihnen vorgeworfen habe. Nur leider haben Sie nicht nur das Bundesversammlungsgesetz zitiert, sondern auch in § 18 Abs. 2 Nr. 3 noch ein weiteres Verbot aufgenommen. Und dann wird eben auch Ihre Übernahme der restlichen Regelungen aus dem Bundesversammlungsgesetz höchst absurd, nämlich Sie haben das Verbot aufgenommen, sich im Anschluss an oder sonst im Zusammenhang mit derartigen Veranstaltungen mit anderen zu einem gemeinschaftlichen friedensstörenden Handeln zusammenzuschließen, und dann dafür eine Ausnahme formuliert, dass das zulässig sein kann, wenn man zum Gottesdienst kommt. Also nach dem Gottesdienst soll das gemeinschaftliche Begehen von friedensstörendem Handeln erlaubt sein. Herr Geibert, das ist doch letztendlich der Grund, weswegen wir aus handwerklichen und rein fachlichen Gründen Ihr Gesetz hier nicht zu einer Grundlage der Beratung im Ausschuss hätten machen können. Hätten Sie sich am Mustergesetzentwurf beim Versammlungsgesetz der Länder orientiert, dann hätten wir tatsächlich im Ausschuss darüber geredet.
Aber das wäre dann eben auch fachlich begründet gewesen.
Das wird aber nicht Ihrem Anliegen gerecht. Und, Herr Mohring, Sie haben eben bei Frau Henfling erwidert, immer haben Sie geschrien: Wort und Tat stimmen bei dieser Koalition nicht überein, die Koalition redet nur bei der Bekämpfung des Neonazismus; aber Sie handeln!
Dann will ich Ihnen auch mal einige Punkte benennen, wo Sie handeln, wo wir handeln, und ich fange mal mit der Koalition an, das fällt mir ein bisschen leichter. 2015 haben wir das Landesprogramm für Demokratie, Weltoffenheit und Toleranz sofort in die Hand genommen, überarbeitet und gemeinsam mit der Zivilgesellschaft und Strukturprojekt über einen langen Zeitraum verstetigt, dass das, was Zivilgesellschaft und Unterstützung erfährt, auch tatsächlich dauerhaft Substanz hat und eine gute fachliche Arbeit geleistet werden kann.
2016 hat diese Koalition die Informationsstelle „Demokratie und Zivilgesellschaft“ auf den Weg gebracht, die sich genau um gesellschaftliche Einstellungsentwicklungen bemüht, Gegenkonzepte entwickelt, analysiert und Politik tatsächlich berät. Das heißt, wir kämpfen tatsächlich auch mit dem Element von Analyse und Wissenschaft „Einstellungsentwicklungen in der Gesellschaft“.
Wir haben auf Ebene der Landesregierung 2017 – die Staatskanzlei war, glaube ich, der Auftraggeber – versammlungsrechtlich geprüft, was ist denn eigentlich möglich im Wege der versammlungsrechtlichen Anwendung an Beschränkungen, und kamen zu dem Ergebnis, ein Landesversammlungsgesetz wird es wohl nicht sein. Und 2018 kündigt der Thüringer Innenminister eine Taskforce zur besseren und stetigen Beratung der Versammlungsbehörden an. All das sind Elemente tatsächlich zur Auseinandersetzung mit Neonazismus, zur Stärkung der Behörden, auch im Umgang mit versammlungsrechtlichen Anmeldungen von Neonazis vor Ort.
Was macht allerdings die CDU bei der Bekämpfung des Neonazismus? Daran will ich Sie mal erinnern, Herr Mohring – und jetzt sage ich, Wort und Tat stimmen da wahrscheinlich doch sehr wohl überein –, Sie bringen am 26. September 2018 einen Antrag in den Thüringer Landtag ein und fordern in
diesem Antrag – das ist die Drucksache 6/6217 –, die sogenannten Interventionsfonds im Rahmen des Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit wären umgehend abzuschaffen. Wissen Sie überhaupt, was dieser Interventionsfonds im Landesprogramm ist, den Sie da abschaffen wollen? Das ist der Fonds im Rahmen des Landesprogramms, der kurzzeitig örtlich begrenzten Initiativen in der Auseinandersetzung mit Neonazismus die Unterstützung zuteil werden lässt, damit sie sich eben auch entschlossen gesellschaftlich zur Wehr setzen können. Das wollen Sie aber streichen, das ist Ihr Beitrag bei der Bekämpfung des Neonazismus. Nehmen Sie es mir nicht übel, Herr Mohring, Ihr Zwischenruf, an den Worten und an den Taten soll man sie messen – das tue ich sehr gern. Das, was Sie hier vorgetragen haben, ist halbherzig,
das, was Sie hier aber zu Papier gebracht haben, zeigt Ihr wahres Motiv.
Natürlich, meine Damen und Herren, finden wir es alle gemeinsam – und da schließe ich Sie ein, Herr Geibert, wir kennen uns, glaube ich, viele Jahre, da schließe ich Sie mit ein – unerträglich, wenn Neonazis ihre Hassideologie mit dem Mittel der Musik in die Öffentlichkeit tragen, auf Jugendliche einwirken, Neonazistrukturen dadurch manifestiert werden und am Ende sogar noch Hunderttausende Euro dabei Kasse machen. Das ist überhaupt keine Frage. Das heißt aber nicht, wenn wir ein Landesversammlungsgesetz ablehnen, was in dieser Form von Ihnen vorgeschlagen worden ist, dass man dagegen nichts tun muss, sondern man muss sowohl gesellschaftlich dagegen vorgehen durch den zivilgesellschaftlichen Protest, man muss aber auch behördlich dagegen vorgehen. Da ist es eben auch falsch, wenn Sie hier vortragen, dass es eine Lücke gäbe, weil sich das Bundesversammlungsgesetz nicht mit der Rechtsprechung weiterentwickelt hat. Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, das Bundesversammlungsgesetz hat sich nicht weiterentwickelt, es ist im Prinzip auf dem Stand – sage ich jetzt mal – seines Inkrafttretens aus den 50erJahren stehen geblieben.
Genau. Sie wissen aber genauso gut wie ich oder vielleicht sogar besser, dass im Prinzip daraus aber keine Lücke im Versammlungsrecht als solches entsteht
nein –, weil natürlich die Anwendung des Bundesversammlungsgesetzes nur dann immer verfassungskonform möglich ist, wenn ich die entsprechende Rechtsprechung daneben lege. Das macht es in der Praxis vielleicht für die Behörden durchaus schwierig, das ist richtig, in der Anwendung ist es durchaus schwieriger, aber daraus entstehen kein anderes Grundrecht und keine andere Grundrechtsauslegung,
als das, was das Bundesverfassungsgericht die letzten Jahrzehnte immer wieder geurteilt hat. Deswegen ist es wesentlich zielführender, das, was die Petition, die wir hier im Thüringer Landtag beraten haben, als Zielstellung formuliert hat, weiter zu verfolgen.
Ich will es noch mal erwähnen, Frau Henfling ist darauf auch eingegangen. Die Petition begehrt von der Landesregierung eine stärkere Unterstützung der Versammlungsbehörden bei deren Arbeit. Als Zweites begehrt die Petition, dass im Rahmen der behördlichen Bearbeitung von versammlungsrechtlichen Lagen, von Versammlungsanmeldungen die Rechtsprechung umgesetzt wird. Und als Drittes begehrt die Petition, dass wir erreichen, dass genau die Frage der Kommerzialisierung von scheinbar politischen Versammlungen höchstrichterlich neu bewertet wird, denn wir haben eine neue Entwicklung und das heißt im Prinzip, dass wir gemeinsam einen Weg finden müssen, dass man mal so eine Streitfrage tatsächlich durchklagt.
Nur was ist dafür tatsächlich an Voraussetzungen notwendig? An Voraussetzungen ist erstens notwendig, dass wir wirklich mal einen handfesten, belastbaren, rechtlich sauberen und fachlich-sachlich begründeten Bescheid einer Versammlungsbehörde bekommen. Daran mangelt es gegenwärtig in vielen Versammlungsbehörden. Da will ich Sie alle an das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zur Verbotsverfügung zum Rechtsrockkonzert in Themar erinnern. Da sagt das Oberverwaltungsgericht, es könnte ja durchaus sein, auch wenn das Bundesverfassungsgericht bereits zur Kommerzialisierung geurteilt hat, dass hier Gründe vorliegen, die den Versammlungscharakter eigentlich dann infrage stellen, aber die Behörde hat nicht ausreichend ausermittelt und vorgetragen, dass es überhaupt zu einer richterlichen Bewertung kommt. Dass heißt, wir brauchen als Erstes in den Versammlungsbehörden den Zustand, dass fachlich korrekte, rechtlich ausbegründete Bescheide erstellt werden, die dann noch Grundlage einer gerichtlichen Überprüfung sein können, wo wir dann auch wirklich zu einer richterlichen Beurteilung der Rechtslage kommen und nicht zur der Feststellung, dass es einfach
sachlich nicht ausreichend ermittelt ist, was vorgetragen wurde.
Das Zweite, was wir brauchen, ist, dass wir eine umfassende, sage ich mal, Betrachtung auch der bisherigen Rechtsprechung machen. Es war durchaus richtig – im Jahr 2018 war es, glaube ich –, in Themar auch die Fragen des Naturschutzes mit zu berücksichtigen. Es war aber falsch, sich ausschließlich auf diese einzelne Frage zu konzentrieren, weil damit natürlich das Risiko vorprogrammiert ist, wenn ich in der einen Sache scheitere, dass ich dann im Prinzip auch auf ganzer Linie verliere, wenn ich nicht gleichzeitig die Fragen beispielsweise des Jugendschutzes, des Lärmschutzes, der allgemeinen Störung der öffentlichen Sicherheit durch Verkehrsbeeinträchtigung mit prüfe und gegebenenfalls mit in meine Beurteilung einbeziehe.
Und drittens ist natürlich auch notwendig, dass ich mir mit dem juristischen Sachverstand – ich habe es immer wieder gesagt –, mit dem Vertreter des öffentlichen Interesses, mit dem Justizministerium, mal überlege, wie komme ich denn auch über das öffentliche Interesse bis zum Bundesverwaltungsgericht oder wie komme ich vielleicht über den Weg eines Drittbetroffenen einer versammlungsrechtlichen Entscheidung auch zum Bundesverfassungsgericht, um diese Frage neu zu bewerten.
Das sind jedenfalls die Wege, die wir versuchen zu gehen. Ich hoffe, dass die Taskforce verstetigt wird und die Menschen, die dort arbeiten, sich auch darauf konzentrieren, Rechtsprechung auszuwerten, Anwendungshinweise zu geben, und zwar unabhängig von politischen Motiven, sondern orientiert am Grundrecht, und die dann eben auch dauerhaft Bestand haben, damit wir hier zu einer Professionalisierung kommen und dann auch zu einer Rechtsklärung. Denn, Herr Geibert, von Ihrem Gesetzentwurf geht tatsächlich auch ein fatales Signal aus, auch von dieser Debatte, die Sie hier führen. Sie erwecken in der Öffentlichkeit den Eindruck, dass wir in Thüringen einfach nur ein anderes Gesetz bräuchten als das, was wir gegenwärtig mit dem Bundesversammlungsgesetz anwenden, und dann wäre automatisch der Spuk der Rechtsrockkonzerte vorbei. Das ist einfach falsch, da streuen Sie den Menschen im Land einfach Sand ins Auge und das wissen Sie,
dass es auch im Lichte der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zu keiner anderen Beurteilung der grundrechtlichen Bewertung dieser Fragen kommen kann, egal, ob wir ein Landesversamm
lungsgesetz haben oder nicht und egal, wie dieses Landesversammlungsgesetz ausgestaltet ist.
Was ich aber noch verheerender und noch fataler finde in dem Signal, was Sie ausstrahlen, dass man in die Zivilgesellschaft – in Mattstedt, in Themar, in Magdala und in vielen anderen Orten – auch das Signal aussendet, der zivilgesellschaftliche Widerstand ist eigentlich gar nicht notwendig, wir machen hier mal auf Landesebene ein Gesetz, dann wird sich das mit dem Rechtsrock schon erledigen. Und damit senden Sie das Signal in die Zivilgesellschaft, dass sie eigentlich nicht zuständig ist.
Und ich sage: Wenn wir so eine gefährliche Einstellungsentwicklung in der Gesellschaft haben, die so was wie Rechtsrock-Konzerte über die Jahre hat manifestieren lassen in Thüringen, dann ist auch in erster Linie die Gesellschaft gefragt, gesellschaftlichen Widerstand zu leisten. Ihr Landesversammlungsgesetzentwurf ist kein Beitrag dazu und deswegen werden wir diesen auch in der heutigen Beratung ablehnen. Vielen Dank.