Protocol of the Session on February 22, 2018

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich grüße einige Bürgermeister auf der Besuchertribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Alle und nicht nur der Kollege Kuschel klatschen laut, halten wir für das Protokoll fest.

Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu unserer heutigen Plenarsitzung.

Für die Plenarsitzung hat Herr Abgeordneter Gruhner als Schriftführer neben mir Platz genommen. Frau Abgeordnete Müller führt die Redeliste.

Für die heutige Sitzung haben sich eine Reihe von Kollegen entschuldigt: Abgeordneter Fiedler, Abgeordneter Gentele, Frau Abgeordnete Hennig-Wellsow, Frau Abgeordnete Dr. Martin-Gehl, Frau Abgeordnete Muhsal und Frau Abgeordnete Tasch.

Zur Tagesordnung darf ich eine ganze Reihe von Hinweisen geben:

Bei der Feststellung sind wir übereingekommen, im Anschluss an die erste Beratung des Tagesordnungspunkts 5 die zweite Beratung durchzuführen, sofern keine Ausschussüberweisung beschlossen wird, und die Tagesordnungspunkte 8 und 16 gemeinsam zu beraten.

Zu TOP 8 gibt es einen Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/4820, der als Neufassung verteilt wurde.

Zu Tagesordnungspunkt 9, Antrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/4939, gibt es einen Alternativantrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 6/5338.

Zu TOP 10, Antrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/4944, gibt es einen Alternativantrag der AfD-Fraktion in der Drucksache 6/5339 und einen weiteren Alternativantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 6/5340.

Zu TOP 11, Antrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in Drucksache 6/4951, wurde eine Neufassung des Antrags verteilt.

Zu TOP 13, Antrag der CDU-Fraktion in Drucksache 6/5311, wurde ein Alternativantrag der Koalitionsfraktionen in der Drucksache 6/5341 verteilt.

Zu TOP 16, Antrag der CDU-Fraktion in Drucksache 6/5314, gibt es einen Alternativantrag der AfDFraktion in der Drucksache 6/5337.

Weitere Wünsche zur Tagesordnung? Das kann ich nicht erkennen.

Dann rufe ich damit als ersten Tagesordnungspunkt für heute Tagesordnungspunkt 6 auf

Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2018 und zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die kommunale Doppik Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/5308 ERSTE BERATUNG

Ich glaube, dass der Innenminister das Wort zur Begründung wünscht und auch bekommt. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Gäste, der vorliegende Gesetzentwurf ist der nächste Schritt zur Umsetzung der Gemeindegebietsreform in Thüringen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir setzen dabei konsequent auf drei Prinzipien: 1. Freiwilligkeit, 2. finanzielle Unterstützung für die Fusionswilligen und 3. Kommunikation und Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Gerade Letzteres ist meines Erachtens von ausschlaggebender Bedeutung. Die Vorgehensweise, dass der Staatssekretär und ich in zahlreichen Gesprächen vor Ort die jeweils individuelle Situation mit den kommunalen Entscheidungsträgern beraten haben, war ein Gewinn für beide Seiten. Ich muss Ihnen sagen, dass ich heute mehr denn je überzeugt bin, dass die Gemeindegebietsreform gut und richtig ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fast überall habe ich gehört, wie beschwerlich es geworden ist, qualifiziertes Personal für die Verwaltung zu bekommen. Mir wurde konkret geschildert, was es für die Kommunen bedeutet, dass die Bevölkerung schrumpft und der Altersdurchschnitt immer weiter ansteigt. Ich habe geschildert bekommen, wie schwierig es gerade für kleine Kommunen sein kann, zum Beispiel den Bauhof am Laufen zu halten oder aber die Eigenanteile für dringend erforderliche Investitionen aufzubringen.

Im Gegenzug konnten wir in den Gesprächen dazu beitragen, Informationsdefizite abzubauen und Unsicherheiten zu beseitigen. Ich bin deshalb froh, dass nach den Rückschlägen im vergangenen Jahr die Reform wieder Fahrt aufnimmt und ich Ihnen heute das erste Gemeindeneugliederungsgesetz mit immerhin fast 60 beteiligten Kommunen vorstel

len kann. Und – so viel kann ich heute schon sagen – es deutet sich an, dass das bereits in Arbeit befindliche zweite Gemeindeneugliederungsgesetz eine weitere Welle von Fusionen auslösen wird.

An dieser Stelle möchte ich ausdrücklich meinem Staatssekretär Uwe Höhn danken, der unermüdlich Gespräche mit der kommunalen Familie führt

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und damit einen hohen Anteil an diesem Gesetz hat. Darüber hinaus danke ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meines Hauses für ihren herausragenden Einsatz. Gleiches gilt auch für die Regierungsfraktionen und hier den kommunalpolitischen Sprechern, aber auch – das sage ich ganz ausdrücklich – Dank an die CDU-Fraktion, die die freiwilligen Fusionen ebenfalls unterstützt und damit die Rahmenbedingungen für unsere kommunale Familie im Konsens und nicht im Streit mitentwickelt. Ich begrüße dies ausdrücklich. Nicht vergessen will ich die kommunalen Spitzenverbände, die den Prozess ebenfalls positiv begleiten und wertvolle Hinweise für das Gelingen geben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es herrscht ein neuer Geist der Zusammenarbeit und das freut mich sehr.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will nun näher auf das Gesetz selbst eingehen.

Artikel 1 des Gesetzentwurfs umfasst die Vorschläge der Landesregierung zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2018. Er gibt den ausdrücklichen Willen der Gemeinden wieder und ist somit Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltung. Es werden insgesamt 13 Neugliederungsmaßnahmen vorgeschlagen. Betroffen sind die Landkreise Altenburger Land, Eichsfeld, Gotha, Hildburghausen, Ilm-Kreis, Nordhausen, SaalfeldRudolstadt, Schmalkalden-Meiningen, Sömmerda, Sonneberg und der Wartburgkreis. Von den in diesem Gesetzentwurf vorgesehenen Neugliederungsmaßnahmen sind insgesamt 58 Gemeinden betroffen. Für 242.000 Bürgerinnen und Bürger unseres Landes machen wir damit den Weg frei für moderne Verwaltungsstrukturen.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Gesetzentwurf konkretisiert in der allgemeinen Begründung ausführlich den von Ihnen gefassten Beschluss vom 13. Dezember letzten Jahres über die Eckpunkte des Leitbildes und der Leitlinien für die Neugliederungen der Gemeinden in Thüringen unter Berücksichtigung des Urteils des Verfassungsgerichtshofs vom 9. Juni 2017. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs bedurfte es neuer Grundlagen, um den Gemeinden einen verlässlichen

Rahmen für ihre freiwilligen Neugliederungsbestrebungen zu gewährleisten.

Mit dem gerade genannten Beschluss haben Sie, verehrte Damen und Herren Abgeordnete, diese Grundlage geschaffen. Eine flächendeckende Gebietsreform muss stets auf einem Leitbild und auf Leitlinien beruhen, mit denen die Ziele der Reform und die Maßnahmen zu ihrer Umsetzung festgelegt werden. Leitbild und Leitlinien bilden den Rahmen, der für jede einzelne kommunale Neugliederung zu konkretisieren ist. Dieser Rahmen wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ausgefüllt. Das Leitbild und die Leitlinien der Reform – so wie sie in das ehemalige Vorschaltgesetz eingeflossen sind und vom Thüringer Verfassungsgerichtshof bestätigt wurden –, werden hier unter Berücksichtigung der gerichtlichen Hinweise im Wesentlichen beibehalten.

Die Schaffung leistungs- und verwaltungsstarker Gebietskörperschaften, die dauerhaft in der Lage sind, die ihnen obliegenden Aufgaben sachgerecht, bürgernah, rechtssicher und eigenverantwortlich wahrzunehmen, ist nach wie vor das oberste Ziel der Gemeindegebietsreform in Thüringen. Die Gebietskörperschaften sollen ein dauerhaft tragfähiges Fundament für die demokratische Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger bilden. Wir sagen damit also ausdrücklich nicht, dass die heutigen Strukturen eine schlechte Arbeit leisten, sondern wir wollen sicherstellen, dass ihre gute Arbeit auch zukünftig noch gewährleistet werden kann. Zentralörtliche Strukturen sollen dabei gestärkt werden. Die künftige Gemeindestruktur soll die Belange der im Landesentwicklungsprogramm Thüringen 2025 festgelegten Ober- und Mittelzentren in ihrer Stadt-Umland-Beziehung mit den unmittelbar angrenzenden Gemeinden im besonderen Maße berücksichtigen. Die Leitlinien, die zum Erreichen dieser Ziele dienen, sind insbesondere die künftig geltende Mindesteinwohnerzahl von 6.000 Einwohnern bezogen auf 2035, die vorrangige Bildung von Einheits- und Landgemeinden, die Stärkung der Zentralen Orte sowie die Möglichkeit der kreisübergreifenden Gemeindeneugliederung.

Die Begründung des Gesetzes stellt – wie bereits das Leitbild „Zukunftsfähiges Thüringen“ und der Eckpunktebeschluss vom Dezember des letzten Jahres – noch einmal klar, dass neben diesen Zielsetzungen weitere Aspekte wie etwa die Identität, Ortsnähe, Erreichbarkeit, landsmannschaftliche, historische, traditionelle und religiöse Gemeinsamkeiten für jede konkrete Neugliederung eine Rolle spielen. Damit besteht für die mit diesem Gesetz neu zu gliedernden Gemeinden Klarheit über die Kriterien, die ihrer Neugliederung zugrunde gelegt werden.

Mit den Neugliederungsmaßnahmen werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die betei

(Minister Maier)

ligten Städte und Gemeinden ihre Leistungs- und Verwaltungskraft sichern und weiter verbessern können. Gleichzeitig wird es damit möglich, die bürgerschaftliche Mitwirkung an der gemeindlichen Selbstverwaltung und das kommunalpolitische Engagement vor Ort weiter zu gewährleisten und zu stärken. Es liegt nunmehr an Ihnen, die antragstellenden Gemeinden in ihrem Streben nach zukunftsfähigen Strukturen zu unterstützen. Die Akteure vor Ort werden dann gefragt sein, die vorgeschlagenen Neugliederungen zum Erfolg zu führen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Artikel 2 des Gesetzentwurfs beinhaltet die haushaltsrechtlichen Regelungen für gemeindliche Neugliederungen und Regelungen zur Änderung des Thüringer Gesetzes über die kommunale Doppik.

Lassen Sie mich noch ein Wort zur finanziellen Unterstützung der neugliederungswilligen Kommunen sagen. Für die freiwillige Neugliederung sind Prämien und Strukturbeihilfen in Höhe von 155 Millionen Euro vorgesehen. Die Neugliederungsprämie beträgt bei der Bildung einer Einheits- und Landgemeinde 200 Euro pro Einwohner der Gemeinde, die den Antrag auf Bildung einer freiwilligen Gemeindeneugliederung gestellt hat. Außerdem sollen für Gemeinden Zuweisungen zum Abbau deutlich überdurchschnittlicher Verschuldung von mindestens 65 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Zur weiteren Entlastung der neugegliederten Gemeinden wird zusätzlich eine Kompensation von Nachteilen beim Hauptansatz durch die unterjährige Neugliederung gewährt. Nicht zuletzt werden die Rückzahlungsforderungen aus rückzahlbaren Bedarfszuweisungen erlassen, die durch die Bescheide bis zum 31. Dezember 2017 festgesetzt wurden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist der erste Schritt zur Schaffung einer flächendeckenden Gemeindegebietsreform in Thüringen auf freiwilliger Basis. Alle weiteren Neugliederungsanträge werden für eine Aufnahme in das Gesetz zur freiwilligen Neugliederung im Jahr 2019 geprüft. Dabei können jedoch nur solche sicher dem gesetzgeberischen Prozess zugeführt werden, wenn ihre Anträge bis zum 31. März 2018 vorliegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, diesen Kurs der freiwilligen Gemeindeneugliederung auf Augenhöhe weiterhin zu unterstützen und das Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2018 auf den Weg zu bringen. Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich eröffne die Beratung und zunächst hat Abgeordneter Henke für die Fraktion der AfD das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Werte Abgeordnete, werte Gäste, auch wir von der AfD befürworten grundsätzlich freiwillige Neugliederungen zur Schaffung von leistungs- und verwaltungsstarken Gemeinden, die in der Lage sind, ihre kommunalen Aufgaben dauerhaft in geordneter Hauswirtschaft eigenständig und sachgerecht wahrzunehmen. Was wir aber ablehnen, ist die Gebietsreform durch die Hintertür, die lediglich nach außen als freiwillig dargestellt und in Wirklichkeit von den Gemeinden erkauft wird. Denn diese Landesregierung hat den Gemeinden bereits seit Jahren diejenigen Finanzmittel vorenthalten, die sie so dringend benötigt hätten, um ihre Aufgaben angemessen erfüllen zu können. Gleichzeitig hat die rot-rot-grüne Landesregierung aber permanent immer mehr Aufgaben an die Kommunen und Gemeinden delegiert. Namentlich sei hier zum Beispiel die Verpflegung und Unterbringung der angeblichen Flüchtlinge zu nennen. Zur Krönung hat es diese Landesregierung auch noch fertiggebracht, diejenigen Finanzmittel, die vom Bund vorgesehen waren, um die Gemeinden bei der Flüchtlingsbetreuung zu unterstützen, kurzerhand für sich zu behalten und nicht an die Gemeinden weiterzureichen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Das ist eine Lüge!)

Sie können gern etwas dazu sagen. – Auf diese Weise hat Rot-Rot-Grün die Kommunen und Gemeinden bereits seit Jahren finanziell ausbluten lassen und systematisch an die Erschöpfungsgrenze getrieben. Genau diese Notsituation ist aber der eigentliche Grund, warum die Kommunen und Gemeinden nun dazu bereit sind, so schnell wie möglich gemeinsam zu fusionieren.

(Zwischenruf Abg. Korschewsky, DIE LINKE: Völliger Blödsinn!)

Dieses Verhalten der Landesregierung ist zutiefst verwerflich und kann in meinen Augen nur noch als Erpressung bezeichnet werden.