Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Besucher auf der Tribüne, meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, Vertreter der Regierung, herzlich Willkommen!
Für diese Plenarsitzung hat Frau Abgeordnete Müller als Schriftführerin neben mir Platz genommen. Der Abgeordnete Tischner führt die Rednerliste.
Für die heutige Sitzung haben sich eine ganze Reihe Kollegen entschuldigt: Herr Abgeordneter Gentele, Herr Abgeordneter Herrgott, Herr Abgeordneter Höcke, Frau Abgeordnete Diana Lehmann, Frau Abgeordnete Tasch, Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich zeitweise, Frau Ministerin Keller, Frau Ministerin Siegesmund und Frau Abgeordnete Rosin.
Ich darf zur Tagesordnung darauf hinweisen, dass die Beschlussempfehlung zu Tagesordnungspunkt 2 die Drucksachennummer 6/4558 hat und frage, ob wir in die Tagesordnung einsteigen können. Nein, es gibt noch einen Wunsch. Herr Brandner.
Wir beantragen, die Tagesordnungspunkte 20 a und b heute auf jeden Fall zu behandeln, da nach meiner Kenntnis die Schließung der JVA Gera jetzt im Laufe des Oktober stattfinden soll und es zweckmäßig wäre, vor der Schließung der JVA Gera die entsprechenden Informationen zu bekommen. Abgesehen davon halten wir auch den Antrag der CDU unter 20 b für in dieser Sitzung erörterungswert.
Gut. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der CDU-Fraktion und der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Aus den Koalitionsfraktionen. Damit mit Mehrheit abgelehnt.
Gab es noch einen weiteren Wunsch? Okay, dann treten wir jetzt in die Tagesordnung ein. Ich rufe gemäß der Vereinbarung von gestern Tagesordnungspunkt 7 auf
schulen sowie zur Änderung weiterer hochschulrechtlicher Vorschriften Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/4467 ERSTE BERATUNG
(Zuruf Tiefensee, Minister für Wirtschaft, Wis- senschaft und Digitale Gesellschaft: Habe ich dann noch die Gelegenheit?)
Selbstverständlich, Sie können zu beiden Zeitpunkten, zur Begründung wie auch nachher in der Aussprache noch reden.
Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnen und Kollegen, schönen guten Morgen! Reformen der Hochschulen in Thüringen – Änderungen weiterer hochschulrechtlicher Vorschriften: Ich finde, wenn man an ein Gesetz herangeht, dann muss man sich doch, um ehrlich, redlich und plausibel zu sein, die Frage stellen: Wenn ich etwas verändere, ist das, was ich vorlege, besser als das, was vorher existiert hat? Ich kann Ihnen sagen: Das, was Sie als Landesregierung für die Thüringer Hochschulen vorgelegt haben, ist deutlich schlechter als das, was bisher existiert. Deswegen werden wir dieses Hochschulgesetz ablehnen.
Im Weiteren möchte ich begründen, warum das so ist. Sie vernebeln erstens die Handlungskompetenzen an den Thüringer Hochschulen, Sie verändern die Steuerungsfähigkeit unserer Thüringer Hochschullandschaft hin zu einem Steuerungsverlust. Das Wesentliche ist – das finde ich bemerkenswert –, Ihr Gesetz schafft es, letztlich alle Handlungsgruppen an der Hochschule zu entmachten. Keine klare Handlungsstruktur mehr, sondern totales Governancechaos, was Sie mit Ihrem Hochschulgesetz produzieren. Deswegen lehnen wir es ab, übrigens genauso wie ein Großteil der Landesrektorenkonferenz. Das zeigt letztlich, dass diejenigen, die Hochschulen im Freistaat Thüringen führen wollen, sagen, dass Ihr Gesetz nicht funktionieren wird.
Wenn man das zusammenfassen will, dann kann man schon sagen, dass Ihr Gesetz den Geist einer 70er-Jahre-Hochschulreform atmet. Das ist Reform West, aber wir brauchen eine moderne Hochschullandschaft hier in Thüringen. Das haben Sie nicht vorgelegt und das will ich Ihnen im Weiteren auch zeigen.
(Zwischenruf Tiefensee, Minister für Wirt- schaft, Wissenschaft und Digitale Gesell- schaft: Meinten Sie 2070?)
2070 – so weit sind Sie schon Ihrer Zeit voraus, Herr Tiefensee. Bei all Ihren Handlungen im Freistaat merke ich immer, wie weit Sie Ihrer Zeit voraus sind und dementsprechend sehen wir das auch wieder beim Hochschulgesetz.
Ich muss gestehen, ich freue mich sehr auf die Anhörung zu dem Gesetz. Darauf freue ich mich wahnsinnig.
Ich bin mir sicher, Sie werden das dann auch im Internet herausschneiden und das dann immer wieder über Ihre Twitterschleifen fahren lassen.
Erster Punkt, Hochschulautonomie: Wenn Sie sich das anschauen, dann muss man sagen, dass wir in den letzten 20 Jahren Wissenschaftsfreiheitsdebatte in Deutschland immer wieder die Frage im Vordergrund gehabt haben, ob Hochschulautonomie ein schützenswertes Gut ist. Ich musste schon schmunzeln, als der Minister öffentlich erklärt hat: Ja, wir geben den Hochschulen noch mehr Freiheiten zurück.
Tatsächlich machen Sie das Gegenteil. Sie sorgen dafür, dass ein politisch mandatierter Vertreter im Hochschulrat schön den Hochschulen wieder auf die Finger schaut. Sie drehen die Hochschulautonomie, die übrigens in allen Gutachten und Studien, die über die Hochschulgesetze der Länder in Deutschland existieren, für Thüringen bisher als beispielgebend herausgestellt wurde, zurück und sorgen dafür, dass Sie wieder politische Einflussnahme, die Kraken des Ministeriums, in die Hochschulen hinein etablieren. Da kann ich Ihnen
nur sagen, Sie haben ein massives Glaubwürdigkeitsproblem, wenn Sie das verändern wollen, weil es nichts anderes zeigt, als dass Sie ideologisch begründet Hochschulen gängeln wollen. Das lehnen wir als CDU-Fraktion ab.
Dass wir darin nicht die Einzigen sind, haben übrigens Ihre – wie ich schon an anderer Stelle begrüßt habe – Werkstattgespräche gezeigt. Denn angefangen von denjenigen, die in den Hochschulen sind, von den Landesrektorenkonferenzen, über die Hochschulräte bis hin zum Stifterverband, aber selbst ver.di hat Ihnen in Ihren eigenen Werkstattgesprächen ins Stammbuch geschrieben, dass das ein Eingriff in die Hochschulautonomie ist, dass es zu Effizienzeinbußen führen wird, dass es die Entscheidungsfindung schwächen wird und deswegen auch die Handlungs- und Wettbewerbsfähigkeit der Thüringer Hochschulen. Deswegen wird das von Gewerkschaften bis hin zu Fachvertretern. breit abgelehnt. Ich kann Ihnen nur sagen, ich verstehe, warum es abgelehnt wird: weil es totaler Murks ist. Das ist ein Beispiel, warum dieses Hochschulgesetz nicht funktioniert.
Dann gibt es einen zweiten Punkt und der erfüllt mich mit großer Sorge. Das ist die Frage der Governancestrukturen, die Sie verändern, die Sie mutwillig kaputt machen, womit Sie ein Chaos produzieren und am Ende die Steuerungsfähigkeit in unseren Hochschulen gefährden. Ich will es Ihnen ganz klar sagen: Ich vertrete die tiefe Überzeugung und meine Fraktion mit mir, dass die Hochschullehrer, die auf Dauer in diesen Einrichtungen sind, sehr viel größere Verantwortung übernehmen müssen. Das soll übrigens auch verfassungsrechtlich so gesichert sein. Ich weiß, was Sie nachher entgegnen werden: Wir haben da ein Verfassungsgerichtsurteil gehabt. Ich habe mir alle Rechtsprechung zu diesem Verfassungsgerichtsurteil angeguckt. Ich habe mir auch zahlreiche Gutachten angeschaut. Diese Trennung zwischen Verantwortung und Zuständigkeit ist etwas, wozu auch das Bundesverfassungsgericht ganz klar gesagt hat, es gibt eine „je-desto-Formel“. Diese „je-desto-Formel“ wenden Sie im Gesetz nicht an, sondern im Gegenteil: Sie schaffen es, ein großes Chaos in den Organisationseinheiten zu organisieren. Übrigens ist es vollkommen undurchdacht, Sie konzentrieren sich zwar auf die Senate, weil Sie glauben, damit dem Verfassungsgerichtsurteil gerecht werden zu können, aber tatsächlich setzt sich all das, was Sie damit an sogenannten Paritäten etablieren, letztlich bis in die kleinsten Einheiten, bis in die Studienkommission fort. Ich habe es Ihnen auch schon einmal an anderer Stelle gesagt: Wenn wir uns die Frage stellen, wie wir Wettbewerbsfähigkeit in unseren Hochschulen organisieren können, dürfen
Sie nicht dafür Sorge tragen, dass wir ewige Endlosdebatten führen, die letztlich Entscheidungsprozesse verzögern und zu geringeren Reaktionsgeschwindigkeiten an den Hochschulen führen. Noch mal: Wir haben teilweise Berufungsdauern in Thüringen zwischen 18 und 24 Monaten. Wenn Sie so weitermachen, dann kommt gar kein Hochschullehrer mehr hier her, dann wird unsere Hochschullandschaft massiv gefährdet sein.
Weil ich glaube, dass natürlich die Praxis immer der beste Beleg dafür ist, wie etwas funktionieren kann oder nicht, habe ich mir einmal die Länder angeschaut, in denen dieses Paritätsmodell oder das Paritätsmodell in abgewandelter Art und Weise in Deutschland existiert. Die Stellungnahmen sowohl aus Berlin als auch aus Nordrhein-Westfalen dazu sind katastrophal. Es geht immer um die Frage, dass es zu einer Missachtung der bisherigen Leistungen der Hochschullehrer kommt. Es ist ein Schlag in das Gesicht. Ich zitiere einfach nur Leute, die bisher Erfahrungen damit gemacht haben. In Berlin wird gesagt: Ja, die paritätische Besetzung des Senats führt zu einem Dauerkonflikt, der Abstimmungen im Bereich der Hochschule schier unmöglich macht. Es gibt Stellungnahmen der Kanzler der Universitäten des Landes Nordrhein-Westfalen, die das bemängeln. Ich könnte das endlos fortsetzen. Deswegen verstehe ich nicht – Sie haben viel mehr Leute im Ministerium, können sich das genauso in Ruhe angucken wie ich auch –, warum Sie nicht aus der Erfahrung und der Praxis anderer Länder lernen. Wenn Sie sich angucken, BadenWürttemberg hat ja gerade eine Hochschulgesetznovelle gemacht, wo auch solche Debatten geführt worden sind. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, warum Sie mutwillig hiermit das gut etablierte Thüringer System so in Gefahr bringen. Dass Ihnen Pluralität nicht wichtig ist, sieht man unter anderem auch daran, dass Sie die Sitzanzahl der Gruppe der Hochschullehrer verringert haben und es damit natürlich auch zu einer Abnahme der Repräsentation von fachlicher Vielfalt im Senat kommt. Sie wollen also bewusst gar keine Pluralität mehr haben, sondern Sie wollen sowohl durch den Eingriff im Hochschulrat, aber eben auch durch eine Reduzierung im Senat dafür Sorge tragen, dass ja keine anderslautenden Meinungen mehr Gehör finden. Idealerweise verschleppen Sie die Strukturdebatten noch dadurch, dass Sie durch Paritäten letztlich Endlosschleifen in den Diskussionen an den Hochschulen führen. Das ist ein absolutes Chaos und es entmachtet quasi jegliche Einflussgruppe und führt dazu, dass wir die Thüringer Hochschulen unregierbar machen. Das finde ich, offen gestanden, in einer Wissenschafts- und globalen Forschungslandschaft hoch katastrophal und ich habe noch niemanden gehört, der das ernsthafterweise begrüßt.
Das bringt mich zum dritten Punkt, zu der Frage „Eingriff in die Forschungsvielfalt“. Ich finde das hoch spannend. Der Minister stellt das Gesetz vor und Ihr Koalitionspartner, namentlich Herr Schaft, gibt am nächsten Tag eine Pressemitteilung raus, wo er quasi das, was Sie da vorgeschlagen haben, ad absurdum führt und sagt: Ja, also das, was da das Ministerium aufgeschrieben hat, also sorry, das ist mir zu wenig. „Wir brauchen eine einheitliche Form der Zivilklausel für alle Hochschulen, die klare Rahmenbedingungen vorgibt“, zitiere ich hier den Abgeordneten Schaft – 14.09.
Dann dauert es 14 Tage, bis Frau Mühlbauer ihre Stimme gefunden hat und sagt dann: Nein, das ist schon ein guter Kompromiss, der da gefunden wurde.
Das ist quasi rot-rot-grüne Hochschulpolitik im Land. Aber ich kann Ihnen sagen: Sie sind beide auf dem falschen Dampfer, denn wir leben in einer Forschungslandschaft, die davon lebt, Forschungsfreiheit zu haben. So wertvoll und so sinnvoll es sein kann, darüber nachzudenken, wie man letztlich ein – sage ich mal – verankertes Friedensprimat formulieren kann – und nichts anderes ist das, was Sie wollen –, so klar kann ich Ihnen doch sagen: Wir haben eine grundgesetzliche Absicherung einer verbürgten Wissenschaftsfreiheit