Protocol of the Session on June 23, 2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zur heutigen Sitzung, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße natürlich auch die zahlreichen Gäste auf der Besuchertribüne. Herzlich willkommen!

Die Redeliste führt Frau Abgeordnete Mühlbauer und als Schriftführerin hat neben mir Frau Dr. Martin-Gehl Platz genommen.

Für die heutige Sitzung haben sich eine ganze Reihe von Kollegen entschuldigt: Herr Abgeordneter Emde, Frau Abgeordnete Herold, Frau Abgeordnete Annette Lehmann, Frau Abgeordnete Leukefeld, Frau Abgeordnete Lieberknecht, Frau Abgeordnete Walsmann, Herr Abgeordneter Prof. Dr. Voigt, zeitweise jedenfalls, und Frau Ministerin Keller.

Wir haben eine Reihe von Geburtstagskindern am heutigen Tag unter uns. Aber bevor ich denen gratuliere, möchte ich Herrn Kobelt, der offensichtlich noch kein Auge zutun konnte, zur Geburt seiner Tochter Rosalie Emilia gratulieren. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall im Hause)

Wir wünschen ihm und seiner Familie und vor allen Dingen auch Mutter und Tochter alles Gute. Der Blumenstrauß ist für die Mutter und das Besteck für das Kind.

Dann haben wir drei Geburtstagskinder: Frau Abgeordnete Diana Lehmann, Herr Abgeordneter Steffen Dittes, Herr Abgeordneter Jörg Henke. Ihnen allen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

(Beifall im Hause)

Heute Abend haben wir auch auf Ihre Kosten alles so angerichtet wie gestern. Herzlichen Dank!

Ich frage: Gibt es weitere Wünsche zur Tagesordnung? Das scheint nicht der Fall zu sein, sodass wir die Tagesordnung wie besprochen abarbeiten können.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 23

Überprüfung der Abgeordneten des Thüringer Landtags auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) oder dem Amt für Nationale Sicherheit (AfNS)

dazu: Antrag des Abgeordneten Wirkner gemäß § 7 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 des Thüringer Gesetzes zur Überprüfung von Abgeordneten Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/4072 dazu: Bericht des erweiterten Gremiums zu dem Ergebnis der Überprüfung des Abgeordneten Wirkner nach dem Thüringer Gesetz zur Überprüfung von Abgeordneten Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/4073

Der Abgeordnete Wirkner hat gemäß § 7 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 des Thüringer Gesetzes zur Überprüfung von Abgeordneten die Bekanntgabe der Entscheidung des erweiterten Gremiums in öffentlicher Sitzung des Landtags beantragt und mitgeteilt, eine Erklärung dazu abgeben zu wollen.

Als Erstes werde ich daher als Vorsitzender des erweiterten Gremiums den Bericht des erweiterten Gremiums zum Ergebnis der Überprüfung des Abgeordneten Wirkner nach dem Thüringer Gesetz zur Überprüfung der Abgeordneten in der Drucksache 6/4073 bekannt geben. Daran anschließend erhält der Abgeordnete Wirkner das Wort für seine Erklärung. Vielen Dank.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich trage nun als Vorsitzender des Gremiums den Bericht vor.

Zunächst zum Ergebnis: Die Einzelfallprüfung im Fall von Herrn Abgeordneten Wirkner wird eingestellt.

(Beifall CDU, AfD)

Aufgrund der abschließenden Wertung stellen die stimmberechtigten Mitglieder des erweiterten Gremiums einstimmig fest, dass Herr Wirkner schon nicht als Inoffizieller Mitarbeiter mit dem Ministerium für Staatssicherheit/Amt für Nationale Sicherheit zusammengearbeitet hat. Die Frage der Parlamentsunwürdigkeit wurde ebenfalls einstimmig verneint.

Zum Tatbestand:

1. Die Abgeordnetenüberprüfung wurde mit Schreiben des Landtagspräsidenten vom 06.05.2015 an den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR – im Weiteren dann nur noch: der Bundesbeauftragte – mit der Bitte um Übermittlung von Unterlagen zum Zweck der Überprüfung der Mitglieder des 6. Thüringer Landtags eingeleitet. Mit Schreiben vom 19.02.2016 übersandte der Bundesbeauftragte

eine Auskunft bezüglich des Abgeordneten Wirkner. Nachdem alle Auskünfte über die unter den Geltungsbereich des Thüringer Gesetzes zur Überprüfung von Abgeordneten fallenden Abgeordneten eingetroffen waren, konstituierte sich das Gremium am 15.11.2016. In dieser Sitzung gab sich das Gremium eine Verfahrensordnung mit den Paragrafen, die Ihnen aus der Unterrichtung bekannt sind – in der Anlage –, und wegen der näheren Einzelheiten möchte ich auf diese Anlage 1 dann auch nur verweisen.

Am 12.12.2016 beschlossen die Mitglieder des Gremiums einstimmig aufgrund der vom Bundesbeauftragten übermittelten Unterlagen, dass im Fall des Herrn Wirkner der begründete Verdacht einer wissentlichen inoffiziellen Zusammenarbeit mit dem MfS/AfNS besteht und daher eine Einzelfallprüfung durchzuführen ist.

Mit Schreiben vom 16.12.2016 teilte die CDU-Fraktion mit, dass Herr Wirkner seine Tätigkeit als Mitglied des erweiterten Gremiums nach § 4 des Thüringer Abgeordnetenüberprüfungsgesetzes nicht wahrnehmen werde. Seine Aufgabe könne vom gewählten Stellvertreter übernommen werden, weshalb eine Nachwahl nicht erforderlich sei.

Über die Entscheidung des Gremiums vom 12.12.2016 wurde Herr Wirkner nach Maßgabe des § 3 der Verfahrensordnung informiert. Gleichzeitig wurde er auf seine in der Verfahrensordnung geregelten Verfahrensrechte hingewiesen. Herr Wirkner brachte nach Einsicht in die dem Thüringer Landtag zu seiner Person vorliegenden Unterlagen zum Ausdruck, dass die ihm persönlich vorliegende Akte umfänglicher sei als die dem Landtag vorliegende. Er übergab zusätzliche Unterlagen an den Landtag. Mit Schreiben vom 19.01.2017 bat der Thüringer Landtag dann den Bundesbeauftragten um Überprüfung der Authentizität der durch Herrn Wirkner übersandten Dokumente und Zuleitung der dem Landtag noch nicht zugänglich gemachten Unterlagen.

In der dann folgenden ergänzenden Auskunft des Bundesbeauftragten vom 01.02.2017 übersandte dieser weitere, bisher noch nicht zur Verfügung gestellte Kopien von Unterlagen aus der 78-seitigen IM-Vorlauf-Akte des MfS, mit Ausnahmen der Seiten BStU-Nummern 19 bis 20, 26 bis 39 und 54 bis 59. Diese enthielten Informationen über persönliche Verhältnisse des Herrn Wirkner sowie Ermittlungen zu anderen Personen. Die unterschiedliche Zuleitung von Dokumenten begründete der Bundesbeauftragte damit, dass Herr Wirkner als Privatperson nach § 3 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes ein anderes Zugangsrecht als der Thüringer Landtag zu den Unterlagen des Bundesbeauftragten habe. Der Bundesbeauftragte bestätigte, dass die von Herrn Wirkner an den Landtag übergebenen Kopien aus

der zu ihm angelegten IM-Vorlauf-Akte des MfS stammen. Die Authentizität war damit gegeben.

Am 13.02.2017 konstituierte sich das erweiterte Gremium nach § 4 Thüringer Abgeordnetenüberprüfungsgesetz und gab sich ebenfalls eine Verfahrensordnung, die in der Anlage 2 der Unterrichtung enthalten ist. Das erweiterte Gremium beschloss zudem in seiner 1. Sitzung, vom Bundesbeauftragten eine ergänzende Stellungnahme zum Vorgang des Herrn Wirkner zu erbitten. Danach sollten die Fragen beantwortet werden, ob zu den beiden vom Führungsoffizier gefertigten Tonbandabschriften die Originaltonbänder noch vorhanden seien und ob weitere Tonbandaufzeichnungen vorlägen, die bislang noch nicht zu Papier gebracht wurden. Ferner seien dem erweiterten Gremium Paginierungslücken in den zugeleiteten Unterlagen aufgefallen, weshalb der Bundesbeauftragte um Aufklärung gebeten wurde.

Mit ergänzender Stellungnahme vom 21.03.2017 teilte der Bundesbeauftragte mit, dass die Originaltonbänder bzw. Kassetten zu den beiden Tonbandabschriften des Führungsoffiziers in dem Tonarchiv der Zentralstelle des BStU nicht vorhanden seien. Die diesbezügliche Recherche sei sowohl unter dem Klarnamen des Herrn Herbert Wirkner als auch unter dem Decknamen „Bert Maurer“ erfolgt. Des Weiteren lägen keine Tonbandaufzeichnungen zu Herrn Wirkner, „Bert Maurer“ und „Hans Wassermann“ vor, die bisher noch nicht zu Papier gebracht wurden. Die Paginierungslücken betreffend wies der Bundesbeauftragte wie bereits in seiner ergänzenden Auskunft vom 01.02.2017 darauf hin, dass in den zugeleiteten Unterlagen die Seiten mit den BStU-Nummern 19 bis 20, 26 bis 39 und 54 bis 59 fehlen. Dies ergäbe sich daraus, dass die Dokumente Informationen über persönliche Verhältnisse von Herrn Wirkner und Ermittlungen des MfS zu anderen Personen enthielten.

In Bezug auf die Zählung der Blätter der IM-VorlaufAkte durch das MfS bestätigte der Bundesbeauftragte, dass in der Akte die Unterlagen mit der Nummerierung 5, 6, 37, 38, 62 und 63 fehlen. Bei diesen Unterlagen handelt es sich laut Inhaltsverzeichnis der IM-Vorlauf-Akte des MfS um leere Formblätter und Umschläge. Sie seien vermutlich vom Führungsoffizier aus der Akte entfernt worden, da sie ohne Inhalt waren.

Aus den vom Bundesbeauftragten übermittelten Unterlagen ergibt sich folgender Sachverhalt: Zu Herrn Wirkner liegt eine IM-Vorlauf-Akte der Bezirksverwaltung Gera, Abteilung II – Spionageabwehr –, vor. Sie enthält zwei kurzzeitig hintereinander angelegte IM-Vorläufe.

Eine Verpflichtungserklärung unterzeichnete Herr Wirkner nicht.

(Präsident Carius)

Laut dem Aufklärungsplan des Führungsoffiziers sollte Herr Wirkner als inoffizieller Mitarbeiter gewonnen werden, mit dem Ziel, die Abwehr der Feindtätigkeit im Schwerpunktbereich Rudolstadt/ Saalfeld zu gewährleisten und operativ interessante Personenkreise zielgerichtet aufzuklären und zu bearbeiten. Hierzu sollte er persönliche Kontakte zu Personen aus diesen Kreisen herstellen und strafbare Handlungen ermitteln bzw. feststellen, die sich aus dem Tätigkeitsbereich des Herrn Wirkner ergeben könnten, beispielsweise Erschleichen von Baugenehmigungen, Schiebungen bei Baumaterialien und anderes. Das MfS erachtete Herrn Wirkner unter anderem als geeignet für eine inoffizielle Tätigkeit, da er durch seine berufliche Tätigkeit als Bauingenieur umfangreiche Kontakte zu Geschäftsleuten und bürgerlichen Kreisen besitze und eine Reihe von Personen kenne, die eine negative Grundeinstellung zur DDR besäßen.

Zu dem ersten IM-Vorlauf unter dem vorläufigen Decknamen „Bert Maurer“ liegen sechs Berichte des Führungsoffiziers zu sechs Gesprächen bzw. Treffen und drei handschriftliche Berichte des Herrn Wirkner vor.

Zunächst dazu: Am 18.02.1975 fand das erste Kontaktgespräch des Führungsoffiziers mit Herrn Wirkner in dessen Arbeitszimmer im Rathaus Rudolstadt statt. Laut Bericht des Führungsoffiziers habe sich Herr Wirkner im Verlauf des Gesprächs bereit erklärt, das MfS zu unterstützen. Er habe aber konkrete Angaben zu seinen künftigen Aufgaben gefordert. Wie dem Bericht des Führungsoffiziers vom 06.03.1975 zu entnehmen ist, erklärte Herr Wirkner in dem zweiten Kontaktgespräch erneut seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit und forderte wiederholt eine Erläuterung seiner künftigen Aufgaben. Der Führungsoffizier legte Herrn Wirkner die im Aufklärungsplan vorgesehene Zielstellung und die Aufgaben dar, woraufhin Herr Wirkner sich mit der Aufgabenstellung einverstanden erklärte. Herr Wirkner wurde mündlich zum strengsten Stillschweigen verpflichtet und erhielt den Auftrag, eine schriftliche Aufstellung über seinen Kollegenkreis anzufertigen. Dem Bericht des Führungsoffiziers über das dritte Kontaktgespräch am 11.04.1975 liegt eine handschriftliche Aufstellung des Herrn Wirkner über vier Kollegen, allerdings ohne Unterschrift, bei. In dieser werden die Kollegen namentlich benannt und über deren Arbeitsweise, Charakter, Parteizugehörigkeit und persönliche Situation, insbesondere Fragen des Familienstands, Verwandtschaft in der BRD, berichtet. Der Führungsoffizier erteilte Herrn Wirkner den Auftrag, eine Liste mit Personen aus seinem Freizeitbereich anzufertigen. Während eines Treffens am 17.04.1975 übergab Herr Wirkner dem Führungsoffizier eine handschriftliche, mit Klarnamen unterzeichnete Aufstellung über seinen Bekanntenkreis. Die Liste enthält Namen, Adressen, Berufe und Ar

beitsstellen von fünf Personen. Mündlich habe Herr Wirkner erklärt, dass er mit zwei der genannten Personen besonders gut befreundet sei, und habe weitere persönliche Daten über diese Personen bekannt gegeben. Er erhielt den Auftrag, umfassende Personeneinschätzungen über zwei Personen abzugeben, eine Namensaufstellung über Schwarzbauer sowie eine Namensliste der Personen anzufertigen, die sich für eine Garage oberhalb eines Objekts der Sowjetarmee in Rudolstadt bewerben.

Seit dem Treffen am 17.04.1975 wurde Herr Wirkner in den Berichten des Führungsoffiziers nicht wie bislang als „IM-Kandidat“, sondern als IMVorlauf „IM-VL ‚Bert Maurer‘“ oder „IM-VL ‚B. Maurer‘“ bezeichnet.

Der Bericht zu einem weiteren Treffen am 20.08.75 enthält einen handschriftlichen Bericht des Herrn Wirkner über drei Personen aus seinem Bekanntenkreis, ebenfalls ohne Unterschrift. Laut Angaben des Führungsoffiziers sei Herr Wirkner zuvor zu mehreren geplanten Treffen nicht erschienen und habe keine plausible Entschuldigung vorbringen können. Während eines Treffens am 27.08.1975 informierte Herr Wirkner mündlich über einen Kollegen und einen Bekannten, was der Führungsoffizier auf Tonband aufzeichnete. Die Tonbandabschriften beinhalten Äußerungen des Kollegen bei einer Baubesprechung und persönliche Angaben des Bekannten wie Wohnverhältnisse und Freizeitaktivitäten.

Im Abschlussbericht vom 14.09.1976 stellte der Führungsoffizier fest, dass Herr Wirkner die ihm übertragenen Aufgaben nur zögernd und ohne innere Bereitschaft erfüllt. Im Laufe der Zeit habe sich bei ihm eine negative Einstellung zu einer weiteren Zusammenarbeit gezeigt und ab Ende August 1975 wurden vom IM-VL keine Treffs mehr eingehalten. Herr Wirkner ließ sich sowohl zu Hause als auch auf der Arbeitsstelle verleugnen. Daraufhin wurden die Unterlagen des ersten IM-Vorlaufs archiviert.

Mit Beschluss vom 17.05.1977 wurde durch die Bezirksverwaltung Gera, Kreisdienststelle Rudolstadt, ein zweiter IM-Vorlauf zu Herrn Wirkner unter dem vorläufigen Decknamen „Hans Wassermann“ angelegt. Dieser enthält zwei Berichte des Führungsoffiziers zu drei Gesprächen. Die beiden Gespräche am 09.06. und am 30.06.1977 wurden in einem Bericht zusammengefasst.

Zu den Inhalten: Während des ersten Gesprächs am 09.06.1977 erklärte sich Herr Wirkner bereit, das MfS zu unterstützen, und forderte erneut konkrete Angaben zu künftigen Aufgaben. Im zweiten Gespräch am 30.06.1977 gab Herr Wirkner zu bedenken, dass er sehr wenig Zeit habe und sich als kleiner Spitzel fühlen würde. Er sei der Meinung, dass er für eine solche Zusammenarbeit nicht der geeignetste Mann wäre und die Zusammenarbeit offiziellen Charakter tragen könne. Der Führungsof

(Präsident Carius)

fizier schätzte ein, dass der Kandidat versucht, einer inoffiziellen Bindung aus dem Wege zu gehen.

Beim letzten dokumentierten Treffen am 30.09.1977 bat Herr Wirkner den Führungsoffizier aufgrund gesundheitlicher Probleme und privater Vorkommnisse von einer weiteren Zusammenarbeit vorerst Abstand zu nehmen. Herr Wirkner wurde nochmals zum Stillschweigen verpflichtet. In dem Abschlussbericht zur Einstellung der IM-Vorlauf-Akte vom 12.01.1978 stellte der Führungsoffizier fest, dass Herr Wirkner, nachdem er den inoffiziellen Charakter dieser Zusammenarbeit voll erkannte, versuchte, eine Zusammenarbeit zu umgehen. Dabei habe sich deutlich gezeigt, dass Herr Wirkner nicht bereit sei, das MfS inoffiziell zu unterstützen. Die IM-Vorlauf-Akte wurde laut Beschluss vom 13.01.1978 dann eingestellt und zur Archivierung abverfügt.

Nun kommen wir weiter zum Verfahren: Mit Schreiben vom 29.03.2017 bestätigte Herr Wirkner den Eingang der Einladung für die 2. Sitzung des erweiterten Gremiums am 03.04.2017 und kündigte sein Erscheinen an. Er wies darauf hin, dass er davon ausgehe, dass unmittelbar nach Beendigung der Anhörung eine Entscheidung zu seiner Einzelfallprüfung getroffen und ihm dies mitgeteilt werde. Anderenfalls werde er rechtliche Schritte mit dem Ziel einleiten, das Verfahren zu überprüfen und die Einstellung des Verfahrens mit allen daraus resultierenden Konsequenzen zu erwirken. Daraufhin informierte der Thüringer Landtag Herrn Wirkner mit Schreiben vom 30.03.2017 vorsorglich darüber, dass die von Herrn Wirkner erwartete Entscheidung aufgrund der im Gesetz vorgesehenen Verfahrensschritte keinesfalls zum Termin erfolgen oder mitgeteilt werden könne.

In der 2. Sitzung des erweiterten Gremiums am 03.04.2017 äußerte sich Herr Wirkner in seiner Stellungnahme zu dem ihm im Gremium eröffneten Sachverhalt insofern, als er zunächst die Zeitumstände der 70er-Jahre darlegte, Ausführungen zu seinem persönlichen Werdegang und seiner familiären Situation machte und sodann die Anwerbungsversuche des MfS aus seiner Sicht schilderte. Im Weiteren beantwortete er Fragen der Mitglieder des erweiterten Gremiums. Seine Ausführungen wurden wörtlich protokolliert. Auf das entscheidungsrelevante Vorbringen werde ich dann im Rahmen der Darlegungen zu Punkt III, der Bewertung, eingehen.

Das erweiterte Gremium hat in der Sitzung vom 03.04.2017 eine vorläufige Wertung vorgenommen, ob Herr Wirkner wissentlich als inoffizieller Mitarbeiter mit dem MfS/AfNS zusammengearbeitet hat und deshalb unwürdig ist, dem Landtag anzugehören. Das erweiterte Gremium hat in der 3. Sitzung am 22.05.2017 den Entwurf des vorläufigen Berichts zur Prüfung des Einzelfalls von Herrn Wirkner erör

tert. Nach Einarbeitung einiger Änderungen und Ergänzungen wurde die aktualisierte Fassung des Entwurfs des vorläufigen Berichts Herrn Wirkner verlesen. Herr Wirkner hat seinerseits keine Änderungswünsche geäußert. Die im Ergebnis der 3. Sitzung des erweiterten Gremiums entstandene Fassung des vorläufigen Berichts zur Prüfung des Einzelfalls des Herrn Wirkner wurde diesem per Kurier am 23.05. dieses Jahres zugestellt. In der 4. und letzten Sitzung am 29.05. dieses Jahres hat das erweiterte Gremium den vorläufigen Bericht zur Prüfung des Einzelfalls des Herrn Wirkner erörtert. Anschließend wurde Herrn Wirkner das Ergebnis der Einzelfallprüfung eröffnet, wobei Herr Wirkner auf die Verlesung des ihm bereits zugestellten vorläufigen Berichts verzichtete. Herr Wirkner hat darum gebeten, in dem Bericht durchgängig redaktionell klarzustellen, dass es sich bei den dem erweiterten Gremium vorliegenden Akten des Bundesbeauftragten um IM-Vorlauf-Akten handelt. Diesem Wunsch hat das erweiterte Gremium dann auch entsprochen.

Zur Bewertung: Zur Bewertung, ob Herr Wirkner wissentlich als inoffizieller Mitarbeiter mit dem MfS/ AfNS zusammengearbeitet hat und deshalb unwürdig sei, dem Landtag anzugehören, führte das erweiterte Gremium eine Verständigung zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen durch und traf Tendenzentscheidungen. Das Tatbestandsmerkmal „inoffizieller Mitarbeiter“ steht nach § 6 Abs. 4 Nr. 2 des Stasi-Unterlagen-Gesetzes für Personen, die sich wissentlich und willentlich zur Lieferung von Informationen an den Staatssicherheitsdienst bereit erklärt haben. Herr Wirkner gab in seiner Einlassung an, niemals inoffizieller Mitarbeiter gewesen zu sein und weder Geld noch Sachleistungen vom MfS erhalten zu haben. Eine Verpflichtungserklärung hat er nicht abgegeben. Zudem hat Herr Wirkner versucht, sich einer Zusammenarbeit mit dem MfS zu entziehen. Daher kamen die stimmberechtigten Mitglieder des erweiterten Gremiums mit 6 Neinstimmen und 3 Enthaltungen zu dem Schluss, dass Herr Wirkner kein inoffizieller Mitarbeiter des MfS/AfNS gewesen ist.

Das erweiterte Gremium ging davon aus, dass das Tatbestandsmerkmal der wissentlichen Zusammenarbeit mit dem MfS/AfNS in der Regel gegeben ist, wenn es sich um ein bewusstes und gewolltes Übermitteln von Informationen an Mitarbeiter des MfS/AfNS gehandelt hat. Ein Teil der Mitglieder des erweiterten Gremiums erblickte einen inhaltlichen Widerspruch zwischen dem von Herrn Wirkner in seiner Stellungnahme geschilderten Sachverhalt und dem Inhalt der IM-Vorlauf-Akte. Die Schilderungen des Herrn Wirkner stimmten in mehreren Punkten nicht mit der Aktenlage überein. Der Widerspruch kann allerdings auch daher rühren, dass die Aktenlage auch nicht den tatsächlichen Sachverhalt widerspiegelt.