Protocol of the Session on October 17, 2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne.

Ich begrüße die Vertreter der Landesregierung, unsere Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Zuschauer am Livestream und die Vertreter der Medien.

Die Sitzung wurde gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen in Verbindung mit § 19 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags einberufen.

Zugrunde liegen ein Antrag der Fraktion der AfD und ein Antrag der Fraktion der CDU. Die entsprechenden Unterrichtungen liegen Ihnen in den Drucksachen 6/7833 und 6/7834 vor.

Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführer Herr Abgeordneter Herrgott neben mir Platz genommen. Die Redeliste führt Frau Abgeordnete Engel.

Für diese Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Grob, Frau Abgeordnete Annette Lehmann, Herr Abgeordneter Mohring, Frau Abgeordnete Rosin, Herr Abgeordneter Tischner, Herr Abgeordneter Wirkner, Herr Abgeordneter Zippel, Frau Abgeordnete Floßmann, Herr Ministerpräsident Ramelow, Herr Minister Holter, Frau Ministerin Keller, Herr Minister Lauinger – zeitweise –, Frau Ministerin Siegesmund, Herr Minister Tiefensee und Frau Ministerin Werner.

Gibt es noch Anmerkungen zur Tagesordnung? Ich sehe, das ist nicht der Fall.

Dann rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 1

Konsequenzen ziehen aus dem möglicherweise neutralitätsund rechtswidrigen Handeln des Präsidenten des Amtes für Verfassungsschutz Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/7821 -

Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung? Ja. Bitte schön, Herr Abgeordneter Höcke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Sehr geehrte Besucher auf der Tribüne! Bereits 1995 stellte das britische Wirtschaftsmagazin „The Economist“ verwundert fest,

dass in Deutschland der Schutz der Verfassung nicht nur den Wählern und den Gerichten überlassen ist. Nein, in Deutschland gäbe es dazu „Democracy Agencies“ mit „Democracy Agents.“ Wegen dieses Inlandsgeheimdiensts mit Namen „Verfassungsschutz“ – der nicht nur wirklich extremistische Vereinigungen, sondern auch unerwünschte politische Gruppierungen mit nachrichtendienstlichen Mitteln bekämpft, wie es das in keiner liberalen westlichen Demokratie gibt – sah das Magazin Deutschland mal wieder auf einem Sonderweg.

Völlig ausgeblendet werden in den Verfassungsschutzberichten verfassungsfeindliche Positionen und entsprechendes Verhalten der etablierten Politik. Das, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, ist besonders vor dem Hintergrund der bisherigen Weltgeschichte unverständlich. Die stärkste Bedrohung für die Verfassungsordnung ging oft von politischen Kräften aus, welche die Macht ausübten. Aktuell kann hier die Politik der offenen Grenzen genannt werden, die vermutlich gegen das Sozialstaatsprinzip und die Staatsfundamentalnorm des Grundgesetzes exekutiert wird.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wie langweilig!)

Horst Seehofer ordnete sie selbst als Herrschaft des Unrechts ein und Udo Di Fabio sah das ganz ähnlich.

(Beifall AfD)

Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, der Missbrauch des Verfassungsschutzes ist in Thüringen noch offensichtlicher. Eine amtsinterne E-Mail, deren Echtheit das Innenministerium bestätigt hat, wirft dem Präsidenten Stephan Kramer schwere Verfehlungen vor. Drei will ich an dieser Stelle nennen.

Erstens: Kramer hat im sogenannten Prüffallskandal das zuständige Fachreferat bewusst außen vor gelassen und nur die Stabsstelle Controlling, die von Gesetzes wegen gar nicht für Sacharbeit zuständig ist, einbezogen. Im Juni 2018 wurde durch Kramer sogar ausdrücklich angewiesen, das Fachreferat nicht einzubeziehen.

Zweitens: Am Tag der Prüffallverkündung lag nicht ein einziger Vermerk im Amt vor, der dieser Art Öffentlichkeitsarbeit hätte als Grundlage dienen können.

Drittens und letztens in diesem Zusammenhang: Noch unmittelbar vor der besagten Pressekonferenz hatten sowohl das Fachreferat als auch die Stabsstelle Controlling dem Präsidenten von der öffentlichen Verkündung des Prüffalls abgeraten. Der Präsident hat sich also wider besseres Wissen und

gegen den Sachverstand sowohl des Fachreferats als auch der einzigen Rechtsaufsicht, die zur Tätigkeit des Amts für Verfassungsschutz überhaupt noch existiert, entschlossen, ohne Tatsachengrundlage und ohne rechtliche Befugnis eine im Landtag vertretene Partei zu diffamieren, indem er diese öffentlich zum Objekt der Betrachtung des Verfassungsschutzes machte. Das ist nicht mehr fahrlässig, das ist Vorsatz.

(Beifall AfD)

Doch damit nicht genug hat der Präsident Arbeitsergebnisse – und das ist wohl strafrechtlich relevant – aus dem Haus an amtsferne Dritte ausgereicht und diese Dritten veranlasst, selbige aufzupeppen. Beleuchtet werden muss auch, dass die eigenartige Konstruktion des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes durch den Präsidenten dazu missbraucht wurde, die Rechtmäßigkeitskontrolle des Handelns des Amts auszuhebeln. So ist die Stabsstelle Controlling korrumpiert und zum Mittäter gemacht worden, indem der Präsident sie mit Exekutivaufgaben betraut hat, bei denen sie sich selbst hätte kontrollieren müssen – was für ein Unding!

(Beifall AfD)

Wir fassen hier abschließend noch mal zusammen: Ein Präsident, der mangels formaler Qualifikation – ich erinnere gern noch mal daran, dass Herr Kramer keine zwei juristischen Staatsexamen besitzt, sondern Sozialpädagoge ist – niemals hätte zum Präsidenten ernannt werden dürfen, missbraucht selbstherrlich die ihm übertragenen Befugnisse zu offen rechtswidrigem Handeln aus parteipolitischen Erwägungen. Ein solcher Präsident, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, sehr geehrte Landesregierung – und diese Botschaft geht natürlich in erster Linie in Ihre Richtung –, ist nach Auffassung der AfD-Fraktion auf gar keinen Fall länger tragbar. Wir freuen uns auf die anschließende Debatte. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Danke schön. Ich möchte bekannt geben, dass die Landesregierung angekündigt hat, von der Möglichkeit eines Sofortberichts nach § 106 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung keinen Gebrauch zu machen. Ich eröffne deshalb die Debatte. Als Erste spricht Frau Abgeordnete Marx von der Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben es gehört, die AfD stellt hier einen Antrag und in Ihrem zur Ablösung

des Präsidenten des Amts für Verfassungsschutz gerichteten Antrag beanstanden Sie vor allem eine angeblich unrechtmäßige und fehlerhafte Einstufung der Thüringer AfD zu einem Prüffall des Amts.

Hier möchte ich noch mal zunächst voranstellen, dass im Gegensatz zum Bundesverfassungsschutzgesetz das Thüringer Verfassungsschutzgesetz durchaus einen solchen Prüffall auch kennt und vorsieht. Also es ist nicht rechtswidrig, Prüffälle vorzunehmen bzw. Fälle zu prüfen,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn § 4 Abs. 1 Satz 4 und 5 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes geht über das Bundesgesetz insofern hinaus, als nach dem ersten Satz „Voraussetzung für [die Sammlung und Auswertung von] Informationen [...] das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte“ ist. Ein zweiter Satz folgt: „Zur Prüfung, ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, darf das Amt für Verfassungsschutz aus allgemein zugänglichen Quellen Informationen einschließlich personenbezogener Daten erheben.“ Lesen Sie mal das Gesetz!

Aber etwas anderes ist eigentlich noch empörender. Sie tun in Ihrer Empörung so, als ob Ihr Verhältnis zur Verfassung willkürlich auf die Agenda des Amts gelangt wäre und Ihnen daraus ein Schaden entstünde. Ich frage Sie: Welcher Schaden soll das denn sein, wenn Sie – jawohl, Sie! – selbst das Amt doch schon vor zwei Jahren aufgefordert haben, eine Unterwanderung Ihrer Partei – jawohl, Ihrer Partei! – durch verfassungswidrige Kräfte zu überprüfen?

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Sie erinnern sich nicht? Dann darf ich heute aus den Meldungen von „Thüringen 24“ zitieren, dort hieß es 2017: „Laut einer Mitteilung der Thüringer AfD-Landtagsfraktion habe die Partei bereits Unterwanderungsversuche seitens der [...] Thügida verhindert. Um weitere Versuche der Neonazis zu unterbinden, habe die Fraktion eine Anfrage an das Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz gerichtet. [...] Dieses war aber laut AfD nicht gewillt, der Partei über mögliche Verbindungen zu Rechtsextremisten Auskunft zu geben. Der Verfassungsschutz verwies auf die Geheimhaltung. ‚Wenn es also tatsächlich weitere extremistische Absichten einer Unterwanderung der AfD in Thüringen gibt, wäre es ein Gebot der Prävention, dies der Partei umgehend mitzuteilen‘, appelliert der Thüringer AfDSprecher Stefan Möller an den Verfassungsschutzpräsidenten Stephan Kramer.“ Schon vergessen?

(Abg. Höcke)

Zweifel an Ihrer Verfassungstreue, namentlich gegenüber Ihnen, dem Flügel-Führer Herrn Höcke, wird seit Jahren ständig aus den Reihen Ihrer Partei, Ihrer eigenen Partei geäußert.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den Höhepunkt in diesem Jahr markierte laut Berichterstattung vom 5. Juli 2019 der Co-Chef des AfD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen, der bebildert mit Ihrem Konterfei und dem des Herrn Goebbels das Wolf-Zitat von Goebbels dem WolfZitat aus Ihrem Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ gegenübergestellt hat. Ich nenne die beiden Zitate noch einmal: „Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir“ und „Wir müssen uns entscheiden, ob wir Schafe oder Wölfe sein wollen, und wir entscheiden uns dafür, Wölfe zu sein“. Und es ist ja nicht nur unser Verfassungsschutzpräsident, der Ihren Landesverband zunächst nur zum Prüffall erklärt hat. Beim Bundesamt befinden Sie sich mit Ihrem Flügel mittlerweile schon auf der nächsten Stufe, sozusagen dem Level zwei, da sind Sie seit diesem Frühjahr bereits ein Verdachtsfall.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihr Name, Herr Höcke, kommt im Gutachten des Amts zu verfassungswidrigen Bestrebungen der AfD vom 15. Januar 2019 über 60 Mal vor. Einen eigenen Abschnitt hat das Bundesamtsgutachten der Frage gewidmet, ob Sie mit dem Autor Landolf Ladig identisch sind, und es ist zu dem Schluss gekommen, dass dies mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen sei. Viel früher schon hat das auch Ihre eigene Partei interessiert. Wir lasen schon im April 2017, ich zitiere: „Ist Björn Höcke Landolf Ladig?“ Das geht aus dem Anwaltsgutachten hervor, das im Auftrag des AfD-Bundesvorstands für das Parteiausschlussverfahren erstellt wurde. Das Gutachten unterstellt dem umstrittenen Thüringer Landeschef Björn Höcke, unter dem Pseudonym die NPD gelobt zu haben, und beruft sich dabei auf wissenschaftliche Analysen. Und warum interessiert das bis heute nicht nur Ihren Bundesverband, sondern auch den Verfassungsschutz und uns hier? Dazu möchte ich Ihnen, verehrte Kolleginnen und Kollegen, und Ihnen, verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer, zwei Zitate aus Landolf Ladigs Texten in Erinnerung rufen. Das erste: „Eine Ahnung schleicht sich dabei vielleicht bei immer mehr gebildeten Angelsachsen ein, dass eben nicht die Aggressivität der Deutschen ursächlich für zwei Weltkriege war, sondern letztlich ihr Fleiß, ihre Formliebe und ihr Ideenreichtum. Das europäische Kraftzentrum entwickelte sich so prächtig, dass die eta

blierten Machtzentren sich gezwungen sahen, zwei ökonomische Präventivkriege gegen das Deutsche Reich zu führen. Der zweite Krieg war allerdings nicht nur ökonomisch motiviert, sondern darf auch als ideologischer Präventivkrieg angesprochen werden, hatte sich im nationalsozialistischen Deutschland doch eine erste Antiglobalisierungsbewegung staatlich etabliert, die, wären ihr mehr Friedensjahre zur Erprobung vergönnt gewesen, wahrscheinlich allerorten Nachahmung gefunden hätte.“

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das ist ja Volksverhetzung!)

Das schrieb Landolf Ladig unter dem Titel „Deutsche Impulse überwinden den Kapitalismus – Krisen, Chancen und Auftrag“ in „Volk in Bewegung“, Nummer 5/2011, Seite 6. Und ein zweites Zitat: „Seit 1964 ist die NPD die einzige politische Kraft, die sich gegen alle Widerstände für das Lebensrecht unseres Volkes eingesetzt und immer wieder auf die verhängnisvolle Kombination von Massenzuwanderung und deutschem Geburtenschwund hingewiesen hat.“ – Ladig Landolf, „Was wird aus unserer Heimat? – Der demografische Wandel ist kein Naturgesetz“ in „Eichsfeldstimme“, Jahrgang 4, Ausgabe 8, Seite 1. 2017 hat Ihre Partei – ja, Ihre Partei –, Sie aufgefordert, eidesstattlich zu erklären, dass Sie nicht Landolf Ladig sind. Das haben Sie abgelehnt, dazu sei alles gesagt, Sie würden sich dazu nicht mehr äußern, schon seit 2017. Was bitte schön soll das heißen? „Ich bin es nicht gewesen, aber beschwören möchte ich es nicht“? Und auch heute werden Sie sich vermutlich wieder nicht dazu äußern. Im Rahmen der Ihnen von Ihrem, wie Sie ihn nennen, geistigen Manna-Lieferanten, Herrn Kubitschek, empfohlenen Selbstverharmlosungsstrategie wollen Sie ja bis zum Wahltag auch keine Interviews mehr geben. Der Wolf ist also derzeit verschnupft und hat sich mit der Mütze der Großmutter ins Bett verzogen, damit Sie, liebe Wählerinnen und Wähler, Ihre Stimmen für die Thüringer AfD dem Rotkäppchen unbelastet von Zweifeln ins Körbchen legen können, die ihm dann zum Verzehr angereicht werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber, Herr Höcke, wissen Sie was: Die Frage, ob Sie Landolf Ladig sind, müssen Sie heute hier vorne am Rednerpult auch nicht beantworten. Es reicht dafür ein Stift. Ich habe da nämlich etwas für Sie und uns alle hier vorbereitet, und zwar eine eidesstattliche Erklärung, die Sie, ohne ein einziges Wort dazu sagen zu müssen, einfach nur unterschreiben brauchen. Dann wäre das endlich erledigt, ohne dass Sie weiter als Drückeberger dastehen. Ich lese das hier mal vor: „Eidesstattliche Er

klärung: In Kenntnis der Bedeutung einer eidesstattlichen Erklärung und der Strafbarkeit der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Erklärung erkläre ich, Björn Höcke, geboren am 1. April 1972 in Lünen, wohnhaft in Bornhagen, hiermit Folgendes an Eides statt: Ich, Björn Höcke, habe zu keinem Zeitpunkt unter dem Pseudonym ‚Landolf Ladig‘ Texte verfasst, die in den Zeitschriften ‚Volk in Bewegung‘ und ‚Eichsfeldstimme‘ veröffentlicht wurden. Ort, Datum, Unterschrift.“ Ich lege es Ihnen gleich hin, Sie können es unterschreiben.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat allerdings noch viele weitere Zitate von Ihnen aufgegriffen. Ich nehme nur eine Äußerung heraus, die auch schon hier im Thüringer Landtag gefallen ist, und die lautet so: „Die AfD ist die letzte evolutionäre, sie ist die letzte friedliche Chance für unser Vaterland.“

(Beifall AfD)

Das haben Sie 2017 gesagt und Herr Möller klatscht dazu.