Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen. Ich begrüße Sie sehr herzlich.
In der vergangenen Woche, am 2. August, ist unser ehemaliger Kollege Willibald Böck im Alter von 69 Jahren in seinem Heimatort Bernterode verstorben. Willibald Böck war 1990 Abgeordneter der ersten und einzigen frei gewählten Volkskammer der DDR. Dem Thüringer Landtag gehörte er von 1990 bis 2004 als direkt gewählter Abgeordneter zunächst für den Wahlkreis Worbis I und später für den Wahlkreis Eichsfeld II an. Von 1990 bis 1992 war er erster Innenminister des Freistaats Thüringen und von 1994 bis 2004 Vorsitzender des Innenausschusses. Nach seiner aktiven politischen Zeit widmete er sich mit großer Leidenschaft der Kunst als Maler und Galerist und engagierte sich in besonderer Weise für das Kinderhospiz in TambachDietharz. In seinen zahlreichen politischen und gesellschaftlichen Funktionen stand Willibald Böck stets im Dienst der Menschen im Eichsfeld und in Thüringen. Mit Willibald Böck verliert Thüringen einen Vollblutpolitiker der ersten Stunde, der die friedliche Revolution und den Wiederaufbau unseres Landes maßgeblich mitgeprägt hat. Nicht zuletzt seine bodenständige zupackende und auch begeisternde Art brachte ihm bei einigen den Namen „Willi, der Hammer“ ein. Wir werden Willibald Böck als einen Politiker und Menschen in Erinnerung behalten, der sich um das Wohl unseres Freistaats und seiner Menschen in besonderer Weise verdient gemacht hat. Unsere Gedanken und Gebete sind in diesen Tagen bei seinen Angehörigen und Freunden. Wir, die Abgeordneten des Thüringer Landtags, werden Willibald Böck ehrend im Gedächtnis behalten. Lassen Sie uns nun gemeinsam in einer Schweigeminute des Verstorbenen gedenken.
Die heutige Sitzung wurde gemäß Artikel 57 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Freistaats Thüringen in Verbindung mit Artikel 19 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Thüringer Landtags aufgrund eines Antrags der Fraktion der AfD einberufen. Die entsprechende Unterrichtung liegt Ihnen in Drucksache 6/2442 vor.
Für die Plenarsitzung hat als Schriftführer neben mir Herr Abgeordneter Schaft Platz genommen, die Redeliste wird von Herrn Kollegen Bühl geführt.
Ich darf darauf hinweisen, dass die Fraktion der AfD auch beantragt hat, in dieser außerplanmäßigen Sitzung eine Aktuelle Stunde zu dem mit Fragezeichen versehenen Thema „Erhebliche Kindergartengebührenerhöhung in Erfurt als Folge der Schwerpunktsetzung im Thüringer Landeshaushalt?“ durchzuführen. Dazu liegt Ihnen die Unterrichtung in Drucksache 6/2486 vor.
Gemäß § 19 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz der Geschäftsordnung kann der Landtag in einer außerplanmäßigen Sitzung weitere Beratungsgegenstände auf die Tagesordnung setzen. Demgegenüber besteht kein Minderheitenrecht auf die Durchführung einer Aktuellen Stunde in einer Plenarsitzung außerhalb der Sitzungswochen. Ich verweise auf § 93 Abs. 1 Satz 5 und 6 der Geschäftsordnung. Das Minderheitenrecht gilt nur für die Aktuellen Stunden in den Sitzungswochen des Landtags. Der Zeitpunkt einer Aktuellen Stunde in einer Sitzungswoche ist – wie Sie wissen – in § 21 Abs. 1 Satz 5 der Geschäftsordnung geregelt.
Bevor wir zur Abstimmung kommen, will ich daher darauf hinweisen, dass gemäß § 21 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter das Wort für die Begründung der Dringlichkeit der Ergänzung der Tagesordnung ergreifen kann. In diesem Fall erhält auch eine Abgeordnete oder ein Abgeordneter die Möglichkeit, gegen die Dringlichkeit zu sprechen. Ich würde Herrn Abgeordneten Brandner für die AfD das Wort zur Begründung erteilen.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, wir sind etwas überrascht, dass unserem Antrag hier nicht Folge geleistet wird, weil unserer Auffassung nach die Rechtslage eigentlich ganz klar und eindeutig ist. Rechtsgrundlage für die Aktuelle Stunde ist § 93 Abs. 1 der Geschäftsordnung. Wir gehen da mal systematisch vor. Danach ist auf Antrag einer Fraktion – den haben wir gestellt – 48 Stunden vor der Sitzung – die Frist haben wir eingehalten – ein entsprechender Antrag zu stellen. Da gibt es keinen Zweifel. Ausgeschlossen sind Aktuelle Stunden ausdrücklich nur nach § 93 Abs. 1 letzter Satz, wenn es mehr als eine pro Woche ist. Das ist offensichtlich nicht der Fall. § 19 Abs. 3 der Geschäftsordnung regelt die Sondersitzungen des Thüringer Landtags. Auch da finden wir nicht, dass Aktuelle Stunden nicht stattfinden sollen. Es gibt somit eine Regelungslücke in dem Zusammenhang, dass § 93 Abs. 3 der Geschäftsordnung auf § 21 Abs. 1 Satz 5 der Geschäftsordnung verweist, in dem der Mittwoch steht. Jetzt ziehen Sie sich daran hoch und sagen: Heute ist Donnerstag und Aktuelle Stunden gibt es nach der Geschäftsordnung
nur mittwochs. Wir haben also eine Regelungslücke und nach allen juristischen Auslegungsregeln, die jedem Volljuristen geläufig sein sollten, ist diese Regelungslücke so zu schließen, dass heute eine Aktuelle Stunde stattfinden kann. Es gibt keinen Ausschluss für bestimmte Tage, es gibt nur den Ausschluss: mehr als einmal pro Woche. Jetzt stellt sich die Frage, warum in § 21 Abs. 1 Satz 5 von Mittwoch die Rede ist. Das erklärt sich auch ganz leicht damit, dass üblicherweise unsere Sitzungen grundsätzlich mittwochs anfangen und damit die Aktuelle Stunde auch am Anfang der Sitzung stehen soll. Das ist ganz logisch, schließt aber nicht aus, dass auch an anderen Tagen …
Herr Brandner, ich möchte Sie doch bitten, zur Dringlichkeit zu sprechen. Sie sprechen momentan zur Rechtsauffassung.
Nein, Sie sollen zur Dringlichkeit reden, dazu habe ich Ihnen das Wort erteilt, und ich würde Sie bitten …
Meine Ausführungen sind auch nahezu beendet. Wir sehen also hier nur hanebüchene Rabulistik, meine Damen und Herren, und wieder einmal den Versuch, mit Geschäftsordnungsverbiegungen die AfD-Fraktion zum Schweigen zu bringen. Sie zeigen nach außen hin, dass Ihnen die Nöte der Kinder und Eltern und die finanziellen Nöte der Kommunen völlig egal sind. Vielen Dank.
Das war ein Wort zur Zulässigkeit. Wer jetzt gegen die Dringlichkeit sprechen möchte … Bitte schön, Herr Abgeordneter Blechschmidt.
Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren, genau das haben wir jetzt erlebt. Es heißt laut Geschäftsordnung, die Dringlichkeit einer Sache zu erläutern. Da hatte ich schon gehofft, dass man zu seiner eigenen Aktuellen Stunde inhaltliche Argumente bringt, um deutlich zu machen, warum man sie auf diese Tagesordnung setzt.
Das haben wir nicht vernommen. Unabhängig von den dargestellten gegebenenfalls Unzulänglichkeiten der §§ 93 oder 21 der Geschäftsordnung zur Tagesordnung möchte ich auf die aus unserer Sicht eben nicht bestehende Dringlichkeit eingehen. Die Aktuelle Stunde lautet: „Erhebliche Kindergartengebührenerhöhung in Erfurt als Folge der Schwerpunktsetzung im Thüringer Landeshaushalt?“ Wenn es Folgen der Schwerpunktsetzung des Thüringer Landeshaushalts gibt, dann ist die Formulierung „erhebliche Kindergartengebührenerhöhung in Erfurt“ eine Tatsachenbehauptung. Diese Tatsachenbehauptung ist falsch.
Man muss erst einmal die entsprechenden Vorgänge zur Kenntnis nehmen – unabhängig von der kommunalen Selbstbestimmung einer Kommune –, dass die Stadt Erfurt über eine eventuelle Gebührenerhöhung diskutieren will. Sie ist noch gar nicht eingetreten. Wenn es so weit sein sollte, dass im Erfurter Stadtrat eine Entscheidung getroffen ist, können wir uns vielleicht auch diesen Inhalten dringlich zuwenden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind das wie immer Vermutungen, Unwahrheiten, Halbwahrheiten. Demzufolge lehnen wir als Koalition diesen Antrag auf Aktuelle Stunde zur Sondersitzung ab. Danke.
Danke schön, Herr Blechschmidt. Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer für die Aufnahme der Aktuellen Stunde in die Tagesordnung ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der AfD-Fraktion. Danke schön. Gegenstimmen? Aus allen übrigen Fraktionen des Hauses; damit mit Mehrheit abgelehnt.
Danke, Herr Präsident. Namens der Koalitionsfraktionen beantrage ich die gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 1 und 2.
Danke schön, Herr Blechschmidt. Dann frage ich: Wer für die gemeinsame Beratung der Tagesordnungspunkte 1 und 2 ist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktionen, der CDU-Fraktion und des Abgeordneten Gentele. Gegenstimmen? Aus der AfD-Fraktion. Damit hat der Antrag die Mehrheit erreicht und wir beraten gemeinsam die Tagesordnungspunkte 1 und 2. Den Wunsch, weitere Tagesordnungspunkte zu ergänzen, kann ich hier nicht erkennen, sodass wir in die Tagesordnung einsteigen.
Keine „Stasi 2.0“ für Thüringen – gegen die Überwachung und Archivierung von Meinungsäußerungen Thüringer Bürger unter der Leitung einer ehemaligen informellen Mitarbeiterin der Staatssicherheit – keine Kooperation mit der AmadeuAntonio-Stiftung in Thüringen Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/2440
Neuausrichtung des Thüringer Landesprogramms für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit: Ausgewogene Bekämpfung des Extremismus – öffentlich nachvollziehbare, rechtskonforme Mittelvergabe – keine Förderung von Extremisten Antrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/2441 dazu: Alternativantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/2497
Dazu ist ein Alternativantrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 6/2497 verteilt worden, den ich hiermit auch aufrufe. Ich frage, ob das Wort zur Begründung der jeweiligen einzelnen Anträge gewünscht wird. Wird das Wort zur Begründung zum Antrag 6/2440 der AfD-Fraktion gewünscht?
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Zuschauer auf der Tribüne und im Internet, am 1. September wird in Thüringen die Dokumentationsstelle für Grundrechte, Menschenrechte und Demokratie, getragen durch die Amadeu Antonio Stiftung, in Jena ihren Dienst aufnehmen. Diese soll neonazistische und andere gegen die Grundsätze der Verfassung gerichtete Aktivitäten in Thüringen dokumentieren und Inhalte, Wirkungsweise und Verbreitung neonazistischer, rassistischer, antisemitischer, homophober und antiziganistischer Einstellungen erforschen sowie geeignete Gegenkonzepte entwickeln. Seit Wochen, seitdem dieses Thema in den Medien präsent ist, fällt mir jeden Tag das Sprichwort ein, das mir mein alter Großvater in Kindertagen beigebracht hat. In diesem deutschen Sprichwort reimt sich Land auf Denunziant.
Das Bewerbungsverfahren mit nur einer Bewerbung ist offensichtlich abgeschlossen. Der Direktor wurde gefunden: Herr Dr. Matthias Quent. Bemerkenswert ist, dass schon weit vor der Ausschreibung die TA am 22.06. titelte, dass Dr. Quent Direktor wird. Hellseherei oder gute Informanten? Die Dokumentationsstelle soll laut der Stellenausschreibung Protestereignisse, Rechtsextremismus, Hassgruppen, Diskriminierung und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wissenschaftlich erheben und untersuchen. Wir lesen nichts von der Untersuchung islamistischer Taten, Organisationen und Denkweisen. Wir erkennen nicht, dass Sie linksradikale Strömungen untersuchen und linksextremistische Taten dokumentieren wollen. Da brennt schon mal ein Bus, aber das interessiert hier niemanden. Nein, stattdessen machen Sie, geehrte Landesregierung, einen ausgewiesenen Hasser der AfD zum neuen Direktor Ihrer Dokumentationsstelle.
Damit offenbaren Sie, dass es Ihnen mitnichten darum geht, Gefahren für die Demokratie zu untersuchen und zu erforschen. Ihnen geht es darum, jedweden politischen Gegner zu denunzieren und auszuschalten.
Was Sie wirklich wollen, ergibt sich schon aus der Beauftragung dieser Stiftung mit der Errichtung der Dokumentationsstelle. Aus aktuellen Publikationen wissen wir, was die Amadeu Antonio Stiftung, geleitet von Anetta Kahane alias IM Victoria, unter Hassgruppen versteht.
Deutschenhass verpflichtet fühlt. Einen Eindruck von dieser Ideologie kann sich jeder machen, der einen Blick in die steuerfinanzierte Broschüre „Hetze gegen Flüchtlinge in sozialen Medien – Handlungsempfehlungen“ wirft. Das ist so eine Art Kochbuch zur Denunziation.
Dort wird jeder zum rassistischen Hetzer, den es zu melden und anzuzeigen gilt, der sich kritisch gegenüber der ungesteuerten Zuwanderung äußert oder auch nur einfache Vergleiche zieht zwischen „die“ und „wir“. Die geplante Dokumentationsstelle wird als Propagandainstrument und Geheimdienstersatz für die Verunglimpfung liberaler, patriotischer und konservativer Strömungen des bürgerlichen Lagers missbraucht werden und der faktischen Umgehung des Landesamts für Verfassungsschutz dienen, wie es der damalige innenpolitische Sprecher der Linken schon 2014 angekündigt hat. Dass ausgerechnet eine ehemalige Stasi-Spitzelin mit der Überwachung und Dokumentation von Meinungsäußerungen und Protesten von Bürgern beschäftigt werden soll, ist ein Skandal und ein Beleg für die fehlende historische Sensibilität unserer Landesregierung.