Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch unsere Gäste auf der Zuschauertribüne, nicht sehr viele, aber dafür sehr interessiert – herzlich willkommen!
Für die Plenarsitzung hat als Schriftführer neben mir Herr Abgeordneter Bühl Platz genommen. Frau Abgeordnete Engel führt schon ganz fleißig die Redeliste.
Für die heutige Sitzung haben sich wieder etliche Kollegen entschuldigt: Herr Abgeordneter Blechschmidt, Herr Abgeordneter Emde, Frau Abgeordnete Floßmann zeitweise, Frau Abgeordnete Holbe, Herr Abgeordneter Kräuter, Herr Abgeordneter Matschie, Herr Minister Prof. Dr. Hoff und Herr Abgeordneter Fiedler.
Wir haben ein Geburtstagskind unter uns: Frau Abgeordnete Anja Müller. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.
Bei manchem Kollegen ist es einfach schön zu sehen, ob er rot oder aschfahl wird, dann weiß man, wie er aufgestellt ist.
Hinweise zur Tagesordnung: Zu Tagesordnungspunkt 16 wurde eine Neufassung des Antrags der Fraktion der AfD in Drucksache 6/3437 verteilt.
Zu Tagesordnungspunkt 22 wurde ein Alternativantrag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/3649 verteilt.
Die Landesregierung hat mitgeteilt, auch zu dem Tagesordnungspunkt 21 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 GO Gebrauch zu machen.
Weitere Wünsche zur Tagesordnung sehe ich nicht, sodass wir vereinbarungsgemäß den Tagesordnungspunkt 22 aufrufen
Antrag der Fraktionen der CDU, DIE LINKE, der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 6/3598 dazu: SuedLink als Folge der verfehlten Energiewende – für eine Neuausrichtung der Energiepolitik ohne unnötigen Netzausbau Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/3649
Ich frage zunächst für den Hauptantrag: Wünscht jemand aus den Reihen der Antragsteller das Wort zur Begründung? Die Reihen sind groß, aber es wünscht niemand das Wort zur Begründung.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, die ganz Große Koalition aus Linken, Grünen, SPD und CDU fordert die Landesregierung auf, doch möglichst viel dagegen zu unternehmen, dass die Trasse der SuedLink-Leitung anders als bisher vom Netzbetreiber geplant verläuft. Schön gerade soll die Leitung nach dem Willen der Großkoalitionäre verlaufen, ganz im Gegensatz zur Autobahn, die um jede Krötenpopulation eine Kurve machen muss. Gleichzeitig soll es doch möglichst da lang gehen, wo bereits Infrastruktur im Kröten- und Hufeisennasenausweichmodus durchs Land kurvt. Diese völlig widerspruchsfreien Zielvorgaben haben CDU, SPD, Linke und Grüne hier im Thüringer Landtag noch durch eine weitere Vorgabe ergänzt – Obacht, jetzt wird es geometrisch anspruchsvoll –: Es möge beim Trassenverlauf der Leitung gefälligst eine ganz geradlinige Kurve um Thüringen gemacht werden.
Die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag kann dieser theoretischen Geometrie nicht ganz folgen und nimmt nun wieder mal die ihr zugewiesene Rolle wahr, nämlich die der Opposition hier im Landtag. Klar, auch wir wollen, dass SuedLink nicht durch Thüringen gebaut wird, wir wollen aber, dass SuedLink gar nicht gebaut wird.
Wir gehen auch sonst noch ein bisschen weiter. Wir lehnen nämlich die Gründe für SuedLink ab, wir lehnen die von Wind und Wetter abhängige Einspeisung gigantischer erneuerbarer Energiemengen ab, die zu einem Großteil dann erzeugt werden, wo und wenn sie keiner braucht. Genau das ist das Konzept der Energiewende. Im Norden steht
der Wind, da stehen die Windkraftanlagen, man hat sie dort nicht nur an Land errichtet, sondern auch umweltverträglich und grün im Meer, in die Kinderstube von Schweinswalen geklopft. Das Problem ist es nun, dass es im Norden nicht nur weniger Schweinswale, sondern auch schon immer viel zu wenig Stromabnehmer für den produzierten Strom gibt. Die befinden sich nämlich in den Ballungszentren im Süden. Das Ganze nennt man dann euphemistisch „dezentrale Stromerzeugung“, wenn man in der einen Ecke der Republik massiv Strom produziert,
Nun hatte es sich nach einigen Jahren Energiewende begeben, dass CDU, SPD, Grüne und Linke die Erfahrung machen mussten, dass man den im Norden überflüssigen Strom nicht durch die Luft nach Süden übertragen kann. Erschrocken hat man festgestellt, dass es so was wie WLAN bei Strom noch nicht gibt.
Was also tun, wenn die bisherigen Stromleitungen zur Übertragung des Windstroms aus dem Norden nicht ausreichen, meine Damen und Herren?
Nun, zunächst träumt man von effektiven, wirtschaftlichen Stromspeichern. Das tut gut. Auch kleine energiepolitische Lichter können sich dann nämlich mal als große Visionäre fühlen. Nur blöd ist es halt, dass es wahrscheinlich so viel Lithium, wie man für entsprechende Batteriekapazitäten brauchte, auf der ganzen Welt nicht gibt. So viele Täler, die man volllaufen lassen müsste, um Pumpspeicherkraftwerke daraus zu machen, gibt es in Deutschland leider auch nicht, schon gar nicht im Norden, wo der Strom produziert wird.
Gespeichert werden kann der real produzierte Strom, also EEG-Strom, aus dem Norden nur theoretisch, praktisch hingegen nicht. Durch die Luft übertragen werden kann er nicht mal theoretisch, denn die Physik ist in ihren Ansichten wirklich konservativ. Das müssen Sie sich einfach so vorstellen wie das Gegenteil von der CDU.
Nun muss der Energiewendestrom aber trotzdem vom Norden nach Süden zu den Abnehmern. Man braucht also Leitungen vom Norden in den Süden.
In der Mitte unseres Landes, sozusagen in der Mitte der Mitte, liegt Thüringen. Diese geografische Tatsache macht es ziemlich wahrscheinlich, dass dank des Energiewendekonzepts von CDU, SPD, Grünen und Linken Leitungen von Norden nach Süden durch Thüringen führen oder zumindest Thüringen tangieren.
Will man das nicht, hat man drei Möglichkeiten. Man kann mit Parolen um sich schmeißen, wie das bisher geschehen ist, wenn es um das Thema „Netzausbau/Energiewende“ geht. Ein paar Wähler merken es nicht und wählen dann trotzdem RotRot-Grün. Die zweite Variante wäre, man verfährt nach dem Sankt-Florian-Prinzip. Dafür haben Sie sich entschieden und sagen, Netzausbau ja, aber nicht in Thüringen, zumindest nicht diesmal. Das Blöde ist, dass Ihre Kollegen in Hessen im Grunde genau dasselbe fordern, nur umgekehrt. Die wollen eben, dass das in Thüringen gebaut wird und nicht in Hessen. So schiebt man sich den Schwarzen Peter zu, produziert aber keine Lösungen. Das ist Ihre Vorgehensweise. Die dritte Variante ist die der AfD; man beendet die Energiewendepolitik, die Strom da produziert, wo man ihn nicht benötigt und den Netzausbau dann auch erst gar nicht notwendig macht. Warum das ehrlicher, ökologischer, sozialer ist, das erkläre ich Ihnen, wenn Sie es nicht schon in Ansätzen meinem Vortrag entnommen haben, nachher gern in der Debatte. Danke.
Vielen Dank. Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer 1 des Antrags der Fraktionen der CDU, Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Für die Landesregierung haben Sie, Frau Ministerin Keller, das Wort.
Vielen Dank. Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Zuhörerinnen und Zuhörer – egal wo Sie zuhören –, ich bedanke mich bei allen vier Fraktionen, dass die Landesregierung die Möglichkeit hat, zum SuedLink einen Sofortbericht zu erstatten, und zwar auf sachlicher, fachlicher und rechtlicher Grundlage.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Übertragungsnetzbetreiber TenneT und TransnetBW haben am 7. März 2017 das aktualisierte Trassenkorridornetz und den sogenannten Vorschlagskorridor für das Erdkabelvorhaben SuedLink vorgestellt. Der SuedLink soll ab 2025 Windstrom von SchleswigHolstein nach Baden-Württemberg und Bayern transportieren und so das Abschalten der Kernkraft
werke kompensieren. Dabei wurde der mögliche Trassenkorridor durch Thüringen als Vorschlagskorridor bezeichnet. Der ebenso mögliche Trassenkorridor durch Hessen wurde als durchgehende Alternative eingestuft. Das Korridornetz enthält darüber hinaus verschiedene Querspangen zwischen dem westlichen und östlichen Korridor als sogenannte ernsthaft in Betracht kommende Alternativen. Die Vorhabenträger haben betont, dass es keine großen Unterschiede zwischen dem östlichen Erdkabelkorridorverlauf durch Thüringen und dem westlichen Verlauf durch Hessen gebe. Der Korridor durch Hessen werde aufgrund der bautechnischen Voraussetzungen derzeit als etwas schlechter geeignet eingestuft. Weder bautechnische Details noch der Artenschutz seien bisher abschließend und umfassend geprüft. Die Bekanntgabe des Vorschlagskorridors sei noch keine Vorwegnahme des Endergebnisses, so die Vorhabenträger. Auf diese Feststellung lege ich sehr großen Wert.
Am 27. September 2016 hatte der Freistaat Thüringen im Vorfeld eines sogenannten kommunalen Infoabends der Firma TenneT in Eisenach erstmals vom Ausmaß der potenziellen Betroffenheit Thüringens an der vorgesehenen Erdkabel-GleichstromÜbertragungsleitung SuedLink erfahren. Bis zu diesem Zeitpunkt schien die Gefahr einer konkreten Betroffenheit Thüringens nicht vorhanden, ja sogar im Vergleich zu den ehemaligen Freileitungsplanungen deutlich geringer zu sein.
Gestatten Sie mir einen Blick in die Vergangenheit, um dies zu erläutern. Mit der Aufnahme in das Bundesbedarfsplangesetz vom 23. Juli 2013 wurde der Bau des Vorhabens SuedLink mit seinen Netzverknüpfungspunkten rechtsverbindlich festgeschrieben. Der SuedLink besteht demnach aus zwei Leitungsneubauprojekten. Die erste Verbindung von Wilster in Schleswig-Holstein in den Raum Grafenrheinfeld in Bayern ist als Vorhaben Nummer 4 im Bundesbedarfsplangesetz gekennzeichnet. Die zweite Verbindung von Brunsbüttel in SchleswigHolstein nach Großgartach bei Heilbronn in BadenWürttemberg ist als Vorhaben Nummer 3 gekennzeichnet. Beide Vorhaben werden von TenneT und TransnetBW in Projektpartnerschaft geplant und gebaut. Im Jahr 2013 hatten die Übertragungsnetzbetreiber den Ländern sogenannte Grobkorridore für das SuedLink-Vorhaben 4 Wilster – Grafenrheinfeld vorgestellt. Der SuedLink war damals als Freileitung geplant. Nach den damaligen Planungen waren neben zahlreichen Landkreisen in den Nachbarländern neun Landkreise und die kreisfreie Stadt Eisenach in Thüringen potenziell betroffen. Ein Grobkorridor sollte sogar den Harz östlich umgehen.
Die damalige Landesregierung hat sich unter Federführung meines Vorgängers, Herrn Christian Carius, in ihrer Kabinettssitzung am 25. November 2013 mit dem Sachverhalt beschäftigt. Die damali
ge Vorgehensweise und Methodik wurden abgelehnt. Bereits damals wurde auf die unverhältnismäßig hohe Belastung Thüringens verwiesen. Die zuständigen Übertragungsnetzbetreiber legten im Dezember 2014 einen Vorschlag für einen Freileitungskorridor vor; dieser verlief außerhalb Thüringens durch Hessen. In der Folgezeit gab es vehemente Widerstände gegen die Planungen, insbesondere in Bayern, aber auch in Hessen und Niedersachsen, wie berichtet wurde.
Am 1. Juli 2015 erfolgte dann der Systemwechsel von der Freileitung zum Erdkabel. Die entsprechenden Gesetze wurden im Dezember 2015 geändert. In diesem Zusammenhang wurde das Gebot der Geradlinigkeit in das Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz, NABEG, aufgenommen. Es heißt dort in § 5 Abs. 2 konkret – ich zitiere –: „Bei der Durchführung der Bundesfachplanung für ein Vorhaben im Sinne von § 2 Absatz 5 des Bundesbedarfsplangesetzes prüft die Bundesnetzagentur insbesondere, inwieweit zwischen dem Anfangsund dem Endpunkt des Vorhabens ein möglichst geradliniger Verlauf eines Trassenkorridors zur späteren Errichtung und zum Betrieb eines Erdkabels erreicht werden kann.“ In der Gesetzesbegründung, Bundestagsdrucksache 18/6909, Seite 39 und folgende, wird „ein möglichst an der ‚Luftlinie‘ orientierter, geradliniger Verlauf des Trassenkorridors zwischen Anfangs- und Endpunkt“ als Idealmaßstab bezeichnet. Es heißt weiter: „Damit geht auch einher, dass der zu untersuchende Raum […] sich im Vergleich zur bisherigen Rechtslage verkleinert, da ein geradliniger Verlauf grundsätzlich keine weiträumige Suche eines geeigneten Trassenkorridors erfordert.“ Dies ist meines Erachtens ein entscheidender Aspekt, auf den ich später noch einmal eingehen werde. Damit schien jedenfalls die Gefahr in Thüringen erst recht gebannt zu sein.
Ich komme nun zum aktuellen Plenarantrag. Die Übertragungsnetzbetreiber ermöglichten den Ländern wie auch allen anderen Betroffenen, im Anschluss an den eingangs genannten Septembertermin bis zum 29. November 2016 eine frühzeitige Stellungnahme vor dem formellen Verfahrensbeginn abzugeben, also im sogenannten vorförmlichen Verfahren. Die bis zum Jahr 2015 getrennt betrachteten SuedLink-Äste nach Baden-Württemberg und nach Bayern werden nunmehr gemeinsam betrachtet. Von den Übertragungsnetzbetreibern wird eine möglichst lange gemeinsame Streckenführung beider Vorhaben angestrebt. Diese gemeinsame Streckenführung wird „Stammstrecke“ genannt. Formell handelt es sich aber um zwei verschiedene Vorhaben.
Das förmliche Verfahren mit Thüringer Betroffenheit hat übrigens am 17. März 2017 für den südwestlichen Landesteil mit dem Antrag auf Bundesfachplanung nach § 6 NABEG begonnen. Für den nordwestlichen Landesteil soll dies heute der Fall sein.