Protocol of the Session on April 22, 2016

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie zur heutigen Sitzung des Thüringer Landtags herzlich willkommen, die ich hiermit eröffne.

Ich begrüße auch die Gäste auf der Zuschauertribüne, einen ganz besonders – herzlich willkommen! –, die Zuschauer am Livestream sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführer Herr Abgeordneter Herrgott neben mir Platz genommen. Die Redeliste führt Herr Abgeordneter Kräuter.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Kummer, Frau Abgeordnete Leukefeld, Herr Abgeordneter Primas, Herr Abgeordneter Reinholz, Herr Ministerpräsident Ramelow, Frau Ministerin Siegesmund, Herr Minister Lauinger, Herr Minister Prof. Dr. Hoff, Herr Minister Dr. Poppenhäger zeitweise und Herr Minister Tiefensee zeitweise.

Ich möchte Ihnen noch folgende Hinweise geben:

Die Fraktionen sind übereingekommen, den Tagesordnungspunkt 23 a und b heute nach der Mittagspause aufzurufen und die heutige Plenarsitzung gegen 16.00 Uhr zu beenden.

Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung zuzüglich der von mir genannten Anmerkungen widersprochen? Das kann ich nicht erkennen.

Dann rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 10

Belastungen des Mittelstandes reduzieren – KMU-Test in Thüringen einführen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1752 dazu: Änderungsantrag des Abgeordneten Krumpe (frak- tionslos) - Drucksache 6/1998

dazu: Alternativantrag der Fraktion der AfD - Drucksache 6/2071

Die Fraktion der CDU hat angekündigt, ihren Antrag begründen zu wollen. Das Wort hat Abgeordneter Dr. Voigt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister – dobrij djen, ich hoffe, Sie sind gut zurückgekommen –.

(Zwischenruf Tiefensee, Minister für Wirt- schaft, Wissenschaft und Digitale Gesell- schaft: Dobroje utro!)

Dobroje utro, stimmt. Aber für manche ist es eben schon der Tag, für Sie ist es noch der Morgen. Also insofern ist das schon alles gut.

(Zwischenruf Tiefensee, Minister für Wirt- schaft, Wissenschaft und Digitale Gesell- schaft: Frühaufsteher!)

KMU-Test – Belastungen für den Mittelstand reduzieren, KMU-Test einführen: Wir als CDU-Fraktion schlagen dem Hohen Haus vor, dass wir die besonderen Belange von kleinen und mittelständischen Unternehmen stärker in den Fokus auch der Gesetzgebung und der Gesetzesfolgenabschätzung rücken. Der Normenkontrollrat hat in seinem Bericht 2015 darauf hingewiesen, dass besonders die Belastungen für kleine und mittelständische Unternehmen deutlich höher sind, weil die individuellen Kosten von Bürokratie für den einzelnen Mitarbeiter deutlich höher sind als bei Großunternehmen, die sich teilweise die entsprechenden Abteilungen vorhalten können. Es gibt eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums von Sigmar Gabriel, die belegt, dass ein KMU-Test sinnvoll sein kann. Das hat auch dazu geführt, dass die Bundesregierung ein ähnliches Testverfahren eingeführt hat.

Wir glauben, dass ein solcher Test im Besonderen hier in Thüringen nottut, denn wenn wir uns die ersten eineinhalb Jahre der Landesregierung anschauen, dann ist eines deutlich geworden: Mit Bildungsurlaub, mit Grunderwerbsteuer und auch mit Debatten – zum Beispiel über den Wasser-Cent – sind die Belastungen für die Wirtschaft und die bürokratischen Aufwände viel größer geworden, während eigentlich die wirtschaftlichen Impulse weniger geworden sind. Wenn man normalerweise eine Landesregierung braucht, die wirtschaftsfreundlich ist und bürokratiefeindlich, dann kann man sagen, dass Rot-Rot-Grün eher wirtschaftsfeindlich und bürokratiefreundlich ist. Deswegen wollen wir einen KMU-Test.

(Beifall CDU)

Wir wollen es als Schutzschild gegen den Regulierungswahn und den Bürokratiewahn der Landesregierung. Der Minister hat schon öffentlich erklärt, dass er das Ganze ablehnen wird, weil es angeblich schon in den Gesetzesfolgenabschätzungen der Landesregierung enthalten sei.

(Unruhe SPD)

Ich habe mir einmal eine zu einem kontroversen Thema herausgegriffen, nämlich zur Erhebung einer Wasserentnahmeabgabe, habe mir da die Gesetzesfolgenabschätzung angeschaut. Da heißt es zum Beispiel, ich zitiere: „Im Bereich der Landwirtschaft werden voraussichtlich Wasserentnahmen

im Rahmen der Tierhaltung von etwa 10,5 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr veranschlagt. Die konkrete Belastung ist derzeit nicht ermittelbar, da keine belastbaren Angaben zum Entnahmeort gegeben sind.“ Wenn das Ihre Kostenfolgenabschätzung und die Bewertung für kleine und mittelständische Unternehmen im Freistaat ist, kann ich nur sagen, sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen bei Ihnen in den falschen Händen. Deswegen braucht es einen KMU-Test. Deswegen braucht es klare Transparenz, damit Sie in Ihren Ministerien genau abprüfen, was an personellem Neuaufwand, was an zusätzlichen Belastungen auf die Unternehmen zukommt, wenn Sie gesetzesinitiativ werden. Der Bildungsurlaub hat gezeigt, dass Sie tatsächlich in die Tiefen dieser Debatte nicht einsteigen wollen. Umso wichtiger ist es, einen KMU-Test einzuführen. Deswegen fordern wir das als Unionsfraktion. Schönen Dank.

(Beifall CDU)

Wünscht die Fraktion der AfD das Wort zur Begründung? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung erstattet einen Sofortbericht zu Nummer I des Antrags. Für die Landesregierung erteile ich Minister Tiefensee das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, es ist eine Schimäre, wenn die Öffentlichkeit glaubt oder wenn sie glauben gemacht werden soll, die kleinen und mittelständischen Unternehmen, der Mittelstand insgesamt, wäre bei der CDU in guten Händen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Immer wieder wird das wie ein Mantra vor sich hergetragen, wie eine Monstranz,

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Weil es so ist!)

aber die Begründung fehlt. Man kann sich hier hinstellen, gut brüllen und am Morgen genauso wie am Abend immer wieder verkünden:

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Das ist am Morgen schon schmerzhaft!)

Wir sind für den Mittelstand da. Wenn man einmal genauer hinschaut, sieht das sehr schlecht aus. Sehr geehrter Herr Dr. Voigt, ich habe mir in vielen Veranstaltungen – ich gehe jetzt einmal auf die Bundesebene – die Mühe gemacht, das Publikum zu fragen: Ihr hattet doch die Traumehe von Schwarz-Gelb von 2009 bis 2013 auf Bundesebene. Ich gebe Ihnen jetzt eine halbe Minute Zeit, mir

einen Punkt zu nennen, der in dieser Zeit der schwarz-gelben Regierung für den Mittelstand – außer der Hotelsteuer – verbessert worden ist.

(Beifall SPD)

(Heiterkeit DIE LINKE)

Dann warte ich eine Weile und es kommt nichts. Es hat sich sogar einmal einer gemeldet und gesagt: Wissen Sie, Herr Tiefensee, wir haben mit Schwarz-Gelb wenigstens verhindert, dass noch mehr Bürokratiekosten entstehen. – Na klasse! Vier Jahre Regierungsarbeit auf Bundesebene; es ist nichts für den Mittelstand herausgekommen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Das Wirt- schaftswachstum in Deutschland!)

(Unruhe CDU)

Es wird Zeit, dass der Öffentlichkeit deutlich gemacht wird: Der Mittelstand ist in dieser Konstellation der Regierung, hier im Freistaat Thüringen, in allerbesten Händen. Wir verstehen etwas von Mittelstand.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das will ich Ihnen gern nachweisen. Sehr verehrter Herr Dr. Voigt, wir sprechen eigentlich, wenn wir über den KMU-Test, über den Test für die kleinen und mittelständischen Unternehmen, reden, darüber, wie es um die Geschäftsordnung der Landesregierung bestellt ist. Die Landesregierung gibt sich eine Geschäftsordnung und in dieser ist zu finden, wie sie sich bei der Verabschiedung von Rechtsvorschriften zu verhalten hat. Jetzt müssen wir fragen: Wer hat denn die Rechtsverordnung verabschiedet, auf deren Basis wir jetzt momentan agieren? Wenn ich das richtig sehe, sind das die Vorgängerregierungen, denn in der letzten Zeit, in den letzten Jahren, ist sie nicht geändert worden. Herr Dr. Voigt, bitte reagieren Sie auf den Vorwurf, dass Sie jetzt, wo Sie in der Opposition sitzen, plötzlich aufwachen und sagen, man könnte dort etwas machen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Voigt, CDU: Ja, weil Sie in der Regierung sind!)

In der Zeit, wo es Möglichkeiten in Hülle und Fülle gab, ist das nicht geschehen. Es ist also wieder nur ein Mantra, das man vor sich herträgt, aber wenn man etwas konkret tun kann, tut man nichts.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt schauen wir auf das, was Sie ansprechen. Am 30.12.2015 hat der Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, den ich sehr schätze, eine Informationsbroschüre vorgelegt. Diese Informationsbroschüre nennt sich KMU-Test. Wir haben die Zeit genutzt, sehr verehrte Frau Präsidentin – der Ta

(Abg. Dr. Voigt)

gesordnungspunkt ist mehrfach verschoben worden; das ist also eher kein Sofortbericht, sondern kommt relativ spät –, und haben uns das angeschaut. Wir haben uns in der Landesregierung zusammengesetzt und kommen zu folgendem Ergebnis:

Der KMU-Test beinhaltet eine Reihe von Anregungen. Diese Anregungen haben wir nicht nur geprüft, sondern wir haben auch entschieden, wie wir damit umgehen wollen. Das will ich Ihnen jetzt deutlich machen. Aber zunächst zur Lage, wie es momentan ist: Wir haben also eine Rechtsverordnung, die sich damit beschäftigt: Wenn ein Gesetz vorgelegt wird, was ist dann von dem entsprechenden Kabinettskollegen an Vorarbeit zu leisten? Er muss in einem Fragenkatalog – da gibt es einen Punkt 6, der beschäftigt sich mit den Folgen für Kommunen, für Bürger, für Unternehmen – darlegen, ob es finanzielle oder bürokratische Mehrbelastungen gibt. Wir haben das mit dem KMU-Test der Bundesregierung verglichen und stellen fest, da gibt es einen Punkt, der interessant ist: der Punkt nämlich, dass Sigmar Gabriel vorschlägt, wenn Kosten entstehen, dann sollte die Regierung – in dem Fall die Bundesregierung – gehalten sein, Alternativen vorzulegen, wie diese Kosten minimiert oder sogar ganz ausgeschlossen werden können. Das finden wir gut und das sollte durchaus in unsere Prüfung einbezogen werden.

Wie geschieht das jetzt? Wir haben in der Staatskanzlei intensive Gespräche darüber geführt und haben festgestellt, abseits des KMU-Tests wäre es gut, wenn wir unsere Geschäftsordnung auch daraufhin noch einmal unter die Lupe nehmen, ob wir nicht auch beispielsweise Fragen der Umweltverträglichkeit noch gründlicher prüfen. Sie haben auf das Wasserentnahmegesetz abgehoben und auch da ist es sicherlich interessant, etwas mehr darüber zu wissen. Das werden wir also in der Zukunft tun. Wir sind dabei, diese Geschäftsordnung – hier ganz speziell diesen Prüfkatalog – zu ergänzen. Aber, und das haben Sie in der Öffentlichkeit von mir gelesen, dass dieser KMU-Test einen grundstürzend neuen Ansatz bringen würde, ist nicht der Fall. Wir tun das, was momentan nötig ist, und wollen es bei zwei, drei Punkten sinnvoll ergänzen, die uns der KMU-Test offeriert.

Jetzt schauen wir uns die Unternehmen an, und da komme ich zu Ihrer zweiten Frage, nämlich der Frage, wie das mit dem Bildungsfreistellungsgesetz und den Bürokratiekosten ist. Ich darf vorweg sagen, meine Damen und Herren: Bei meinen Betriebsbesuchen, bei den Gesprächen, die ich regelmäßig führe mit allen Kammern oder dem Arbeitgeberverband, wenn ich Betriebsräte frage bzw. mich mit Gewerkschaften zusammensetze, überall wird beklagt, dass die Bürokratiekosten zu hoch seien. Ich bin auf der Seite der Unternehmen, die sagen, wir müssen alles dafür tun, dass das minimiert wird.

Ich werbe aber auch dafür, dass, beispielsweise wenn wir Fördergelder ausreichen – und die KMUs sind, was zum Beispiel die europäische Ebene, die europäischen Gelder betrifft, momentan sehr gut gestellt –, wir natürlich ein Mindestmaß an Bürokratie brauchen. Denn es geht hier in der Regel, zum Beispiel bei EU-Geldern, bei Bundesgeldern, wenn es um die Gemeinschaftsaufgabe geht, oder bei Landesgeldern, um Steuergeld und hier muss gründlich geprüft werden. Sie wissen, dass an dieser oder jener Stelle Geld zurückgefordert werden musste, weil die Prüfung ergeben hat, dass nicht ordentlich gearbeitet worden ist. Also auf der einen Seite Abbau der Bürokratie, wo es nur geht, auf der anderen Seite aber die Möglichkeit, dass wir tatsächlich genau hinschauen, was mit dem Steuergeld passiert.

Ich spreche mich dafür aus, dass wir einen Punkt – da komme ich noch mal kurz zu Sigmar Gabriel zurück – in der Landesregierung, aber auch im Landtag gründlich bedenken, nämlich die Frage: Was ist eigentlich, wenn wir eine neue Belastung einführen? Können wir nicht – so wie er vorschlägt – eins zu eins eine weitere Belastung abbauen, damit es quasi einen Gleichstand gibt? Das werden wir prüfen und ich denke, wir können Ihnen da die Antwort geben.