Protocol of the Session on June 17, 2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie bitten, zur Ruhe zu kommen, und wir beginnen mit der Sitzung! Heute vor 62 Jahren wurde der Volksaufstand in der DDR gewaltsam niedergeschlagen. Dieses Ereignisses und seiner Opfer wurde heute Vormittag in der Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße in Erfurt gedacht. Im Namen aller Abgeordneten des Thüringer Landtags habe ich dort einen Kranz niederlegen lassen. Herrn Ministerpräsidenten Ramelow danke ich für seine Teilnahme und auch für seine klaren Worte, die er heute anlässlich der gewaltsamen Niederschlagung des Volksaufstands vor 62 Jahren gefunden hat.

(Beifall im Hause)

Der 17. Juni 1953 steht für den erfolglos gebliebenen Versuch der Deutschen in der DDR, das SEDRegime bereits in seinen Anfangsjahren zu stürzen. Es wurde offenbar, dass das SED-Regime nur mithilfe sowjetischer Panzer aufrechterhalten werden konnte. Auch wenn sich zentrale Forderungen des Volksaufstands, wie zum Beispiel nach dem Rücktritt der Regierung, dem Ruf nach freien Wahlen, nicht erfüllten, bleibt der 17. Juni 1953 ein bedeutsamer Markstein der deutschen und europäischen Freiheitsgeschichte. Er macht deutlich, dass ein politisches System auf Dauer nur bestehen kann, wenn es seinen Bürgerinnen und Bürgern Raum zur freien Entfaltung lässt und die Möglichkeit zur Teilhabe an politischen und gesellschaftlichen Prozessen eröffnet. Er zeigt, dass sich die Sehnsucht nach Freiheit nicht dauerhaft eindämmen lässt. Es ist deshalb für uns Demokraten eine Verpflichtung, die Erinnerung an die Opfer der SED-Diktatur auch in Zukunft wachzuhalten, die Opfer des 17. Juni, aber auch alle anderen, die in der DDR Unrecht erlitten haben. Anlässlich des 62. Jahrestags des Volksaufstands eröffnen wir heute Abend um 19.00 Uhr im Foyer die neu konzipierte Wanderausstellung der Point Alpha Stiftung. Sie sind herzlich eingeladen, an dieser Eröffnung teilzunehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie darüber hinaus jetzt herzlich willkommen zur Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne.

(Beifall CDU, DIE LINKE, AfD)

Ich begrüße die Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführerin neben mir Platz genommen Frau Abgeordnete Herold. Die Redeliste führt Frau Abgeordnete Dr. MartinGehl.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Frau Abgeordnete Dr. Lukin, Herr Abgeordneter Wucherpfennig, Frau Ministerin Werner, Frau Ministerin Dr. Klaubert zeitweise sowie Herr Minister Lauinger.

Der meditiative Thüringen e. V. hat für morgen zu einem parlamentarischen Abend eingeladen, der nach dem Ende der Plenarsitzung gegen 20.00 Uhr beginnen soll.

Aufgrund der Eilbedürftigkeit habe ich für Anja Ulbricht und Thomas Gondi von Salve TV Sondergenehmigungen für Bild- und Tonaufnahmen für diese Plenarsitzung gemäß der Regelung für dringende Fälle nach § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung erteilt.

Zur Tagesordnung darf ich auf Folgendes hinweisen: Die Fraktionen sind im Ältestenrat übereingekommen, die Tagesordnungspunkte 2 a bis c am Donnerstag und Freitag jeweils als ersten Punkt aufzurufen. Die Schlussrunde und die Abstimmung zum Landeshaushalt 2015 und weitere Beratungsgegenstände erfolgen in der Plenarsitzung am Freitag.

Weiterhin sind die Fraktionen übereingekommen, am Freitag beide Fragestunden und danach die Wahl in Tagesordnungspunkt 13 aufzurufen.

Die Beschlussempfehlung zu Tagesordnungspunkt 1 hat die Drucksachennummer 6/711.

Die Beschlussempfehlungen zu den Tagesordnungspunkten 2 a bis c haben die Drucksachennummern 6/716 bis 6/718.

Die Fraktionen sind mittlerweile übereingekommen, die Gesamtredezeit für die Einzelpläne insgesamt auf sechs Stunden zu erhöhen. Die sich daraus ergebenden Redezeiten haben wir den Fraktionen bereits mitgeteilt.

Der Wahlvorschlag der Fraktion der AfD zu TOP 13 hat die Drucksachennummer 6/719.

Zu TOP 14, der Fragestunde, kommen die Mündlichen Anfragen in den Drucksachen 6/694, 6/700, 6/701, 6/702, 6/704, 6/705, 6/706, 6/713, 6/715, 6/722 hinzu. Die Mündliche Anfrage in Drucksache 6/636 wurde zurückgezogen.

Der Ältestenrat sowie der Vorstand haben sich in ihrer Sitzung in der vergangenen Woche mit zwei Vorkommnissen am Rande des letzten Plenums befasst: Zum einen hatte die Abgeordnete König einen Protokollauszug ihres Redebeitrags einschließlich des nicht freigegebenen Debattenbeitrags eines anderen Abgeordneten in einem Tweet veröffentlicht. Vorstand und Ältestenrat haben dies als einen eindeutigen Verstoß gegen § 108 Abs. 2 der Geschäftsordnung gewertet. Der Vorstand ist übereingekommen, Frau Abgeordneter König dafür eine Rüge zu erteilen, was ich hiermit tue.

(Beifall CDU, AfD)

Zum anderen ist der Ältestenrat aus gegebenem Anlass übereingekommen, dass gegenseitiges Fotografieren durch Abgeordnete sowohl im Plenarsaal als auch im hinteren Teil der Lobby des Landtags zu unterbleiben hat. Ausnahmen bestehen bei sogenannten Selfies oder falls eine Einverständniserklärung

(Heiterkeit im Hause)

des zu Fotografierenden vorliegt. – Das war die Abmachung. – Der Vorstand des Landtags hat dazu beschlossen, dass Verstöße gegen diese Ältestenratsübereinkunft ab sofort mit einem Ordnungsruf zu ahnden sind.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Mindes- tens!)

(Beifall CDU, AfD)

Nun frage ich, ob der Ihnen vorliegenden Tagesordnung zuzüglich der von mir bekannt gegebenen Ergänzungen widersprochen wird. Das ist der Fall. Herr Abgeordneter Blechschmidt.

Ich widerspreche nicht der Tagesordnung. Ich würde einen Antrag stellen, und zwar stelle ich den Antrag, zum Tagesordnungspunkt 3 in erster und zweiter Beratung zu tagen.

Gibt es weitere Anträge? Weitere Anträge sehe ich nicht, sodass wir darüber abstimmen. Wer ist dafür, dass wir zu Tagesordnungspunkt 3 in erster und zweiter Beratung beraten, den bitte ich jetzt um sein Handzeichen. Danke schön. Das ist einstimmig. Ich frage noch einmal nach Gegenstimmen. Enthaltungen? Das ist nicht der Fall, also einstimmig. Dann werden wir das so umsetzen.

Damit rufe ich Tagesordnungspunkt 15 auf, die Aktuelle Stunde. Die Fraktionen Die Linke, der AfD, Bündnis 90/Die Grünen, der CDU und der SPD haben jeweils eine Aktuelle Stunde eingereicht. Jede Fraktion hat in der Aussprache eine Redezeit von 5 Minuten für das Thema. Die Redezeit der Landesregierung beträgt grundsätzlich 10 Minuten für jedes Thema. Bei fraktionslosen Abgeordneten beträgt die Gesamtredezeit in der Aktuellen Stunde 5 Minuten. Diese Gesamtredezeit kann durch einen fraktionslosen Abgeordneten auf die beantragten Themen zur Aktuellen Stunde aufgeteilt werden. Hat die Landesregierung eine Redezeit von mehr als 10 Minuten in Anspruch genommen, so verlängert sich die Aussprache für das jeweilige Thema für die Fraktionen um die über 10 Minuten hinausgehende Zeit.

Ich rufe auf den ersten Teil der Aktuellen Stunde

a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE zum Thema: „Ehe für alle auch in Thüringen“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/695

Das Wort hat Frau Kollegin Karola Stange.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen, werte Gäste auf der Tribüne, liebe Mitglieder! Lieber Bodo Ramelow, werte Mitglieder der Thüringer Landesregierung, danke für Ihr konsequentes Umsetzen des Koalitionsvertrags. Danke für das Hissen der Regenbogenfahne vor der Thüringer Staatskanzlei und der Thüringer Vertretung in Berlin.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Und nochmals danke für die klaren Worte im Bundesrat am vergangenen Freitag – es ist ein Zeichen von Akzeptanz, ja ein tolles Zeichen. „Es ist höchste Zeit, dass die [...] Diskriminierung von gleichgeschlechtlichen Paaren in Deutschland beendet wird“, sagte Bodo Ramelow im Bundesrat.

(Unruhe im Hause)

Ja, so klare Worte, werte Kolleginnen und Kollegen hat es …

Frau Stange, ich unterbreche ungern, aber ich bitte den Saal um etwas mehr Aufmerksamkeit für die Rednerin.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt können Sie fortfahren.

Ja, so klare Worte hat es in den letzten 25 Jahren weder von einer Ministerpräsidentin noch von einem Ministerpräsidenten aus Thüringen gegeben. Danke dafür.

Werte Kolleginnen und Kollegen, Victor Hugo sagte: „Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist.“. Diesen Worten ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Die ist aber nicht gekommen!)

Wir, die Linken, sagen, es ist allerhöchste Zeit, denn in den zurückliegenden Jahren hat das Bundesverfassungsgericht bereits fünf Urteile gefällt, in denen deutlich gemacht wurde, dass die Ehe als

(Präsident Carius)

sogenanntes zivilrechtliches Institut für Lesben und Schwule geöffnet werden könnte. Bereits im Sommer 2002 wurde das erste Grundsatzurteil gefällt, doch leider wurde bis heute keine Öffnung der Ehe vorgenommen. Der konservative Teil des Gesetzgebers hat sich bisher geweigert, gesellschaftspolitische und rechtspolitische Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen.

Die CDU in Thüringen gehörte in den letzten 25 Jahren zu der Speerspitze der konservativen Verhinderer.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Nun, werte Kolleginnen und Kollegen, scheint wieder Bewegung in die Diskussion zur Öffnung der Ehe für alle gekommen zu sein. Ich könnte es auch anders sagen: Von Irland lernen heißt, die Ehe für alle zu öffnen. Über 62 Prozent der Iren haben bei einer Volksabstimmung Ja zur gleichgeschlechtlichen Ehe gesagt, ausgerechnet im erzkonservativen Irland. Das ist – so finde ich – ein wunderbares Ereignis, ein Riesenerfolg für die Lesben- und Schwulenbewegung, zu dem wir auch von dieser Stelle – also von Thüringen aus – recht herzlich gratulieren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der AfD, dass es für euch ein sehr unangenehmes Thema ist. Sie sind in den letzten Wochen mit viel Hohn und Spott für Ihre fadenscheinigen Argumente bedacht worden. Aber heute, in unserer Aktuellen Stunde, haben Sie die Möglichkeit, Ihr verstaubtes Weltbild zu richten und noch besser fände ich, wenn Sie sich von den Äußerungen der Kollegin Kramp-Karrenbauer distanzieren würden,

(Zwischenruf Abg. Brandner, AfD: Unser Weltbild ist in Ordnung!)