Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße einzelne Gäste auf der Tribüne, die Zuschauer am Livestream sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
Für diese Plenarsitzung hat neben mir als Schriftführer Herr Abgeordneter Tischner Platz genommen. Die Redeliste führt Abgeordnete Müller.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Brandner, Frau Abgeordnete Engel, Herr Abgeordneter Hey zeitweise, Herr Ministerpräsident Ramelow, Frau Ministerin Keller, Frau Ministerin Dr. Klaubert und Herr Minister Tiefensee.
In der Zeit von 11.00 Uhr bis 13.00 Uhr wird das Projekt „Wiederbelebung“ an Thüringer Schulen der Landesarbeitsgemeinschaft der Thüringer Hilfsorganisationen in der Lobby vorgestellt. Das als Hinweis.
Ich möchte noch Hinweise zur Tagesordnung geben: Der Tagesordnungspunkt 8, der Gesetzentwurf der Landesregierung in Drucksache 6/2990, wurde von der Tagesordnung abgesetzt.
Die Landesregierung hat außerdem mitgeteilt, zu dem Alternativantrag der Fraktion der AfD zu Tagesordnungspunkt 15 von der Möglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen.
Regierungserklärung des Ministers für Inneres und Kommunales zur Kreisgebietsreform Unterrichtung durch die Landesregierung - Drucksache 6/2781
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Landesregierung zählt die Durchführung einer Funktional-, Verwaltungsund Gebietsreform zu den wichtigen Aufgaben dieser Legislaturperiode. Dieses große Reformvorhaben gliedert sich in mehrere Teile, die jetzt Fahrt
aufnehmen und zusammen zur Modernisierung und Stärkung des Freistaats Thüringen beitragen werden. Daran führt auch kein Weg vorbei. Wir alle kennen die großen Herausforderungen, vor denen unser Land steht.
Der demografische Wandel wird unsere Gesellschaft und die Rahmenbedingungen für staatliches und kommunales Handeln verändern. Verwaltungsleistungen, Daseinsvorsorge für eine geringere und ältere Bevölkerung stellen insbesondere die Kommunen vor neue Herausforderungen. Zugleich reduziert der demografische Wandel auch die Möglichkeiten der Kommunen, qualifiziertes Fachpersonal vorzuhalten und öffentliche Einrichtungen ausreichend auszulasten. Dieses Personalproblem betrifft auch das Land. Zugleich wird das Land große Einnahmedefizite kompensieren müssen, die nicht nur durch die Verringerung der Bevölkerung, sondern beispielsweise auch durch das Auslaufen des Solidarpakts II und die Verringerung der Fördermittel der Europäischen Union entstehen. Ab dem Jahr 2020 greift dann auch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse
und die haben Sie ja auch, Herr Mohring, begrüßt. Diese geänderten Rahmenbedingungen haben uns dazu bewogen, einen umfassenden Reformprozess in Gang zu setzen. Im Zuge der Verwaltungsreform erfolgt eine kritische Prüfung der Organisationseinheiten und der Aufgabenwahrnehmung der Landesverwaltung. Im Zuge der Funktionalreform wird geprüft, ob Aufgaben der Landesverwaltung oder aus Gründen der Orts- und Adressatennähe besser von der kommunalen Ebene wahrgenommen werden sollen.
Die Gebietsreform zielt in erster Linie auf den Erhalt und die Stärkung der Leistungsfähigkeit der Kommunen im Bereich ihrer Selbstverwaltungsaufgaben. Die Stärkung der kommunalen Gebietskörperschaften bildet aber auch die Voraussetzung für die Übertragung von Landesaufgaben. Hieran anschließend kann das Land seine Planungs- und Verwaltungsstrukturen auf die neuen Gebietsstrukturen ausrichten, um der sogenannten Einräumigkeit der Verwaltung näherzukommen.
Ziel des Reformpakets insgesamt ist es, Thüringen zum Wohl der Bürgerinnen und Bürger zukunftsfest zu machen. Die Landesregierung hat hierfür die notwendigen Reformschritte seither kontinuierlich vorangetrieben.
Mit der Verabschiedung des Leitbilds „Zukunftsfähiges Thüringen“ am 22. Dezember vorigen Jahres hat das Kabinett die Gebietsreform auf den Weg
gebracht. Daran anknüpfend hat die Landesregierung am 12. April 2016 dem Landtag den Entwurf für ein Vorschaltgesetz zur Durchführung der Gebietsreform in Thüringen vorgelegt, der am 23. Juni verabschiedet wurde und am 13. Juli 2016 in Kraft getreten ist. Darin finden sich die Leitlinien für die künftigen kommunalen Strukturen in Form von Zielen und Grundsätzen, die den Thüringer Kommunen den notwendigen Rahmen für die dann anlaufende Freiwilligkeitsphase gegeben haben.
Wir wollen mit der Gebietsreform die Leistungsfähigkeit unserer Kommunen langfristig sichern und weiter verbessern. Sie sollen auch zukünftig ihre Aufgaben erfüllen und im Wettbewerb um qualifiziertes Personal bestehen können. Sie brauchen Strukturen, in denen sie koordiniert handeln und planen sowie wirtschaftliche Spielräume haben.
So stellt der Landesrechnungshof in seinem neuen Jahresbericht 2016 zur überörtlichen Kommunalprüfung fest, dass kleine Kommunalverwaltungen Schwierigkeiten haben, ihre Aufgaben rechtskonform zu bewältigen. Vergabeverfahren würden nicht in dem erforderlichen Umfang und nicht ordnungsgemäß durchgeführt. Regelmäßig fehlten die erforderlichen Gebührenkalkulationen. Diese Probleme führt der Rechnungshof auf das Fehlen gut ausgebildeten Personals zurück. Darüber hinaus führt der Rechnungshof aus, der kleinsträumige Standortwettbewerb habe dazu geführt, dass Fördermittel in Größenordnungen in unwirtschaftlichen Investitionen gebunden seien. Das alles zeigt: Wir müssen unsere Kommunen stärken und zukunftsfähig machen. Nur so wird es uns gelingen, die Eigenverantwortlichkeit der kommunalen Selbstverwaltung und die Qualität der öffentlichen Leistung auch in Zukunft aufrechtzuerhalten.
Wir wollen im Interesse der Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft, in unser aller Interesse, die Handlungsfähigkeit der kommunalen Selbstverwaltung gewährleisten, das derzeitige Angebot an öffentlicher Verwaltung sichern und seine Qualität ebenso. Aus diesem wichtigen Grund ist es weder angemessen noch zutreffend, die Gebietsreform zu einem Sparprogramm kleinzureden. In diesem Zusammenhang möchte ich alle, die glauben, dass die Gebietsreform mit einem Sparprogramm gleichzusetzen sei, noch einmal daran erinnern, dass die Ziele der Gebietsreform im Vorschaltgesetz klar festgelegt worden sind. Die Gebietsreform zielt auf die Schaffung leistungs- und verwaltungsstarker Gebietskörperschaften, die dauerhaft in der Lage sein sollen, ihre Aufgaben in geordneter Haushaltswirtschaft sachgerecht, bürgernah, rechtssicher und eigenverantwortlich wahrzunehmen und die gleichzeitig ein dauerhaft tragfähiges Fundament für die demokratische Mitwirkung der Bürger bilden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, seit dem Inkrafttreten des Vorschaltgesetzes befinden wir uns nun in der Vorbereitung der konkreten Neugliederung. Die gesetzlichen Leitlinien der Reform müssen in Neugliederungsgesetzen konkretisiert werden. Mit diesen entscheidet der Gesetzgeber über die zukünftige Struktur der Landkreise, der kreisfreien Städte und Gemeinden. Und hier gilt es die Betroffenen anzuhören, wichtige Abwägungsentscheidungen in einer Vielzahl von Einzelfällen zu treffen, die Vor- und Nachteile der jeweiligen Neugliederungsoptionen zu berücksichtigen und gleichzeitig eine Struktur zu finden, die in ihrer Gesamtheit für ganz Thüringen tragfähig ist. Für die erforderlichen Neugliederungen auf der Ebene der Gemeinden hat am 13. Juli 2016 die im Vorschaltgesetz vorgesehene Freiwilligkeitsphase begonnen, die am 31. Oktober 2017 enden wird. Die Landesregierung begleitet seitdem den Prozess freiwilliger Gemeindeneugliederungen kontinuierlich und intensiv. Sie hat den Gemeinden Anwendungshinweise zur Verfügung gestellt, um die rechtlichen Rahmenbedingungen und das Verfahren der freiwilligen Neugliederung zu erläutern. Manchen ging das nicht schnell genug. Aber auch hier gilt: Genauigkeit geht vor Schnelligkeit. Im Übrigen ist es an dieser Stelle durchaus erstaunlich, dass der Oppositionsführer einerseits die Gebietsreform ablehnt, aber andererseits schnellere Anwendungshinweise anfordert. Sie werden sich entscheiden müssen.
Wollen Sie als CDU die Dagegen-Partei sein oder wollen Sie den Gestaltungsanspruch einer Oppositionspartei wahrnehmen?
Viele Ihrer kommunal Verantwortlichen machen bereits mit. Und ich habe selbst im Rahmen von Bürgermeisterdienstberatungen in den Landkreisen eine Vielzahl von Gesprächen geführt und mich den Fragen vor Ort gestellt.
Frau Tasch legt Wert darauf, dass es „Bürgermeisterberatung“ heißt. Parallel dazu fanden und finden im Ministerium auf Arbeitsebene nahezu täglich Beratungsgespräche – insbesondere auch zu den möglichen Neugliederungsoptionen – statt.
stattgefunden, mit über 450 Teilnehmern. Hierbei werden auch die Gemeinden zu einer Frage beraten, die häufig gestellt wird und die ich deshalb kurz aufgreifen möchte. Ja, auch Anträge auf kreisübergreifende Zusammenschlüsse von Gemeinden können gestellt werden, wie beispielsweise im Fall von Kaltennordheim und den Mitgliedsgemeinden der Verwaltungsgemeinschaft „Hohe Rhön“, die schon länger im Gespräch sind. Die Landesregierung unterstützt solche Zusammenschlüsse, wenn sie unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Wohls sinnvoll sind. Ich ermutige deshalb alle Gemeinden, sich bei ihren Bemühungen in der Freiwilligkeitsphase weder von den derzeitigen noch von den vorgeschlagenen künftigen Landkreisgrenzen beirren zu lassen, wenn es gute Gründe für einen grenzüberschreitenden Zusammenschluss gibt. Insgesamt hat sich bei den Beratungsgesprächen mit Gemeindevertretern gezeigt, dass vielerorts bereits sehr konkrete Neugliederungsbestrebungen bestehen und die Gemeinden engagiert darauf hinarbeiten, gemeinsam mit ihren Nachbarn neue, stärkere Einheiten zu bilden. Ich will an dieser Stelle beispielhaft die Städte Nordhausen und Ilmenau nennen. Das sind übrigens zwei Städte, deren Oberbürgermeister nicht meiner Partei angehören. Die kommunale Ebene ist in diesen Fragen realpolitischer als manche dogmatische Dagegen-Position auf Landesebene.
An dieser Stelle rufe ich auch alle Gemeinden nochmals dazu auf, die Möglichkeiten der Freiwilligkeitsphase zu nutzen und hierzu gegebenenfalls auch das Beratungsangebot in meinem Hause in Anspruch zu nehmen. Die Landesregierung beabsichtigt, im nächsten Jahr ein Gesetzgebungsverfahren für ausschließlich freiwillige Gemeindeneugliederungen auf den Weg zu bringen. Für das Jahr 2018 ist ein abschließendes Gemeindeneugliederungsgesetz vorgesehen. Dieses wird dann voraussichtlich sowohl freiwillige als auch nicht freiwillige Neugliederungen enthalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Hinblick auf die Kreisebene hat die Landesregierung damit begonnen, einen Gesetzentwurf für die Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte zu erarbeiten. Wie Sie wissen, habe ich am 11. Oktober 2016 dem Kabinett meinen Vorschlag für die künftige Struktur der Kreisebene in der Öffentlichkeit vorgestellt. Der Vorschlag sieht die Gliederung Thüringens in acht Landkreise und die zwei kreisfreien Städte Erfurt und Jena vor.
Damit ist die Grundlage für eine weitere Diskussion geschaffen. Dabei sind wir offen für eine breite Debatte. Dies bezieht sich jedoch nicht mehr auf das „Ob“, sondern auf das „Wie“ der Reform. Wir lassen
uns gern von Argumenten überzeugen, wenn es bessere Argumente sind, wenn sie das Ziel im Blick haben, Thüringen stark zu machen und eine landesweit sinnvolle Gesamtstruktur zu schaffen. Der von mir am 11. Oktober 2016 vorgestellte Neugliederungsvorschlag findet seine Grundlage unter anderem in der Empfehlung des renommierten Sachverständigen Prof. Dr. Bogumil, der zuvor in einem Gutachten verschiedene Neugliederungsoptionen untersucht hat. Prof. Bogumil hat im Rahmen seiner Untersuchung die Anforderungen des Vorschaltgesetzes zugrunde gelegt und die Vor- und Nachteile verschiedener Zusammenschlüsse betrachtet. Lassen Sie mich insoweit auf einige Punkte eingehen. Wie ich bereits betont habe, besteht das Ziel der Gebietsreform auch auf der Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte darin, dauerhaft leistungsfähige Einheiten zu schaffen. Die Landkreise in Thüringen sind mit durchschnittlich etwa 95.000 Einwohnern bundesweit am kleinteiligsten. Verweisen auf den Freistaat Bayern möchte ich an dieser Stelle schon jetzt entgegnen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit von Thüringen und Bayern, so bedauerlich das auch ist, derzeit keineswegs vergleichbar ist.
Die Einwohnerzahlen unserer Landkreise, die teilweise noch rapide abnehmen werden, liegen damit etwa 40 Prozent unter dem Durchschnitt der ostdeutschen Bundesländer. Ähnliches gilt für die durchschnittliche Einwohnerzahl der kreisfreien Städte Thüringens; diese liegt etwa 47 Prozent unter dem Durchschnitt der ostdeutschen Bundesländer.
Zum Erhalt und zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit legt das Vorschaltgesetz Regelmindestgrößen von 130.000 Einwohnern für die Landkreise und 100.000 Einwohnern für kreisfreie Städte zugrunde, jeweils bezogen auf die Bevölkerungszahlen im Jahr 2035. Diese Mindestgrößen berücksichtigen sehr wohl die historische Kleinteiligkeit Thüringens und fallen im Vergleich der neuen Bundesländer immer noch am niedrigsten aus. Darüber hinaus sollen die Landkreise nach dem Vorschaltgesetz eine Größe von 3.000 Quadratkilometern und eine Einwohnerzahl von 250.000 nicht überschreiten.
In Umsetzung dieser Leitlinien des Vorschaltgesetzes sieht das von mir vorgeschlagene Neugliederungsmodell Landkreise mit einer Einwohnerzahl zwischen 131.000 – also am unteren Rand – und