Protocol of the Session on December 13, 2017

Ich darf Sie herzlich zu unserer heutigen Plenarsitzung begrüßen. Vor allen Dingen begrüße ich fast einhundert Schüler aus dem Albert-SchweitzerGymnasium in Erfurt hier auf der Besuchertribüne.

(Beifall im Hause)

Herzlich willkommen.

Für die Plenarsitzung hat als Schriftführer Abgeordneter Tischner neben mir Platz genommen. Die Redeliste wird von Frau Dr. Martin-Gehl geführt.

Für die heutige Sitzung hat sich Abgeordneter Fiedler entschuldigt.

Ich darf darauf hinweisen, dass vor der Kantine heute die UNICEF-Arbeitsgruppe in Erfurt einen Stand hat und nach den guten Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr auch der Arnstädter Verein Herzblatt seine Arbeit vorstellen möchte.

Zu Tagesordnungspunkt 19 b wird ein Alternativantrag der Fraktionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 6/4850 verteilt.

Ich frage noch mal, ob es weitere Wünsche zur Tagesordnung gibt. Das ist nicht der Fall, sodass wir direkt in die Tagesordnung einsteigen.

Ich rufe wie vereinbart den Tagesordnungspunkt 8 auf

Siebtes Gesetz zur Änderung des Thüringer Blindengeldgesetzes Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/4802 ERSTE BERATUNG

Ich vermute, dass die Ministerin das Wort zur Begründung wünscht. Frau Ministerin Werner, Sie haben das Wort für die Landesregierung.

Einen recht schönen guten Morgen. Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, die die Landesregierung tragenden Parteien haben im Koalitionsvertrag neben der schrittweisen Erhöhung des Landesblindengelds auch die Prüfung der Einführung eines Sinnesbehindertengelds für gehörlose und taubblinde Menschen vereinbart. Bereits im vergangenen Jahr wurde das Landesblindengeld in drei Schritten auf 400 Euro monatlich ab dem Jahr 2018 angehoben und ein finanzieller Nachteilsausgleich für taubblinde Menschen in Höhe von 100 Euro monatlich ein

geführt. Die ebenfalls geplante Einführung eines Sinnesbehindertengelds auch für gehörlose Menschen wurde jedoch mit Rücksicht auf die Haushaltslage zunächst zurückgestellt. Gehörlose Menschen haben aber wie blinde und taubblinde Menschen auch einen unvermeidbaren Mehrbedarf. Dieser sollte vom Staat auch vor dem Hintergrund der internationalen Verpflichtungen Deutschlands aus Artikel 28 der UN-Behindertenrechtskonvention zur Verwirklichung gleichberechtigter Teilhabe ausgeglichen werden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da das zwischenzeitlich in Kraft getretene Bundesteilhabegesetz keine finanzielle Leistung zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile vorsieht, halte ich es für geboten, auf Landesebene einen Nachteilsausgleich für alle Sinnesbehinderten und damit auch für gehörlose Menschen zu schaffen. Dies ist im Übrigen in unseren mitteldeutschen Nachbarländern Sachsen und Sachsen-Anhalt schon seit vielen Jahren der Fall. Wesentlicher Inhalt des Gesetzentwurfs ist daher die Einführung eines einkommens- und vermögensunabhängigen finanziellen Nachteilsausgleichs für gehörlose Menschen in Höhe von 100 Euro monatlich. Mit der Einbeziehung von gehörlosen Menschen in den Kreis der Leistungsberechtigten werden zukünftig in Thüringen alle Menschen mit einer schweren Sinnesbehinderung einen Nachteilsausgleich erhalten. Daher wird dieser Nachteilsausgleich als „Sinnesbehindertengeld“ bezeichnet werden. Dementsprechend wird das Gesetz künftig die Bezeichnung „Thüringer Gesetz über das Sinnesbehindertengeld“ tragen. Der Freistaat Thüringen leistet damit zugleich, wie bereits erwähnt, einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung gleichberechtigter Teilhabe dieser Personengruppe im Sinne der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen.

Das Gesetz soll rückwirkend zum 1. Juli 2017 in Kraft treten. Um den Nachteilsausgleich an Betroffene rückwirkend auszahlen zu können, wurde eine entsprechende Regelung in das Gesetz aufgenommen, die bei Antragstellung innerhalb einer bestimmten Frist seit Verkündung des Änderungsgesetzes eine rückwirkende Leistungsgewährung ermöglicht.

Im Rahmen der Beratungen innerhalb der Landesregierung wurde die erforderliche Anhörung durchgeführt. Als Ergebnis der Anhörung ist festzustellen, dass die geplante Einführung des Nachteilsausgleichs für gehörlose Menschen bei den Selbsthilfeorganisationen auf breite Zustimmung gestoßen ist.

Ich bitte Sie um eine zügige Fortberatung des vorliegenden Gesetzentwurfs im parlamentarischen Verfahren und bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Ich darf noch darauf aufmerksam machen, dass die Debatte durch einen Gebärdendolmetscher per Video nachverfolgbar ist, der die Debatte im Raum 125 übersetzt.

Dann eröffne ich damit die Beratung und als Erster hat Abgeordneter Zippel für die CDU-Fraktion das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, das Landesblindengeld und ein zusätzlicher Betrag für taubblinde Menschen sollen nun zu einem Sinnesbehindertengeld ergänzt werden. Auch gehörlose Menschen erhalten Leistungen zur Deckung ihres behinderungsbedingten Mehraufwands, wie es heißt. Das ist positiv und es folgt auch einer inneren Logik, Menschen mit Sehbehinderung und Menschen mit Hörbehinderung gleichzustellen.

(Beifall CDU)

Damit erhalten erstmals alle sinnesbehinderten Menschen in Thüringen einen finanziellen Nachteilsausgleich. Die CDU-Fraktion steht dem Antrag deshalb grundsätzlich erst einmal positiv gegenüber.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso wie blinde oder taubblinde Menschen haben auch gehörlose Menschen einen Mehrbedarf durch ihre Behinderung. Das wurde dargelegt. Es geht hier um Lichtsignalanlagen wie Türklingeln, Wecker, Rauchmelder, aber auch Leistungen von Gebärdensprachdolmetschern. Gehörlose erhalten ebenfalls einen Ausgleich für diesen Mehraufwand. Es erleichtert die gesellschaftliche Teilhabe gehörloser Menschen enorm. Es ist ein wichtiger Beitrag für ein selbstbestimmtes Leben, für einen eigenständig organisierten Alltag. Besonderen Situationen von gehörlosen Menschen wird hier Rechnung getragen.

Seit Jahren ist es Anliegen der Sozialverbände, allen sinnesbehinderten Menschen Leistungen durch das Land zu gewähren. Die CDU-Fraktion trägt deswegen auch die Überweisung an den Sozialausschuss mit. Wir werden die Diskussion im Ausschuss positiv, aber auch kritisch begleiten.

Wichtig für uns ist, dass zusätzliche Leistungen des Landes nachhaltig finanziert werden müssen. Die Landesregierung geht derzeit mit der Spendierhose durchs Land und ich bin mir nicht sicher, ob auch alle verstanden haben, dass die derzeitigen Ein

nahmen nicht für alle Zeiten weiter so üppig sein werden. Das Land geht mit dieser neuen Sozialleistung eine langfristige Verpflichtung ein. Wir werden uns deshalb ganz genau im Ausschuss anschauen, wie dies geplant ist und wie die Umsetzung stattfinden soll. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Als Nächste hat Abgeordnete Pfefferlein für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Gäste, ich bin auch sehr froh, dass wir heute diesen Gesetzentwurf der Landesregierung beraten. Das Wichtigste, was ich dazu sagen will, ist, dass dieser Nachteilsausgleich wie auch das Blindengeld und das Geld für taubblinde Menschen keine Luxusleistung ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er erlaubt den Betroffenen lediglich eine halbwegs gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Und das ist unser Ziel. Wir wollen diese Teilhabe möglichst gleichberechtigt gestalten. Aus diesem Grund unterstützen wir als Fraktion der Grünen ausdrücklich diesen Gesetzentwurf.

Die Geschichte des Thüringer Blindengeldgesetzes gleicht einer Achterbahnfahrt: erst kürzen, dann streichen und auf Druck wieder einführen. Seit 2010 wurde diese rücksichtslose Sparpolitik der Landesregierung gegenüber Blinden glücklicherweise beendet. Seit Juli 2010 ist Thüringen mit 270 Euro Blindengeld gemeinsam mit Brandenburg und Niedersachsen Schlusslicht. Im letzten Jahr wurde beschlossen, dass in einem mehrstufigen Verfahren nun endgültig ab dem 1. Juli 2018 400 Euro für blinde Menschen und noch einmal 100 Euro für taubblinde Menschen gezahlt werden. Dazu kommen jetzt die Mittel für gehörlose Menschen in Höhe von 100 Euro. Das Land Thüringen plant für den zusätzlichen Nachteilsausgleich für gehörlose Menschen circa 2,2 Millionen Euro im Jahr ein. Nicht nur blinde, taubblinde und gehörlose Menschen haben einen unvermeidbaren Mehrbedarf, der vom Staat vor dem Hintergrund der internationalen Verpflichtung Deutschlands aus Artikel 28 der UN-Behindertenrechtskonvention auszugleichen und nicht länger von einer Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen der Sozialhilfe abhängig zu machen ist. Unser Wunsch ist natürlich seit Langem eine bundeseinheitliche Lösung, die sicherstellt, dass benachteiligte Menschen in allen Bundesländern in den Genuss eines gleichen und angemessenen Nachteilsausgleichs kommen. Es

(Ministerin Werner)

ist nicht nachvollziehbar, dass sinnesbehinderte Menschen in einem Bundesland mehr und in einem anderen Bundesland erheblich weniger oder gar keinen Nachteilsausgleich bekommen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Unser Wunsch wäre ein Bundesteilhabegeld gewesen. Vielleicht kommt es ja noch als Nachbesserung zum Bundesteilhabegesetz. Wir als Grüne werden die Entwicklung auf Bundesebene sehr genau beobachten und natürlich aktiv darauf hinwirken, dass hier in Thüringen Verbesserungen für Menschen mit Behinderung eintreten. Das uns heute hier in Thüringen vorliegende Gesetz ist eine wirkliche Verbesserung eines Zustands, der viele Menschen in diesem Land sehr aufgebracht hat. Auch aus diesem Grund arbeitet die rot-rot-grüne Koalition intensiv an den Verbesserungen der Lebensverhältnisse für alle Menschen, besonders für die schwächeren in der Gesellschaft.

(Beifall DIE LINKE)

Die bündnisgrüne Fraktion wird sich auch weiterhin für gleiche Rechte und Chancen für Menschen mit Einschränkungen und besonderen Bedarfen starkmachen. Wir werden diesen Gesetzentwurf gern an den Sozialausschuss überweisen. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Pfefferlein. Als Nächste hat Abgeordnete Pelke für die SPD-Fraktion das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren, auch für die SPD-Fraktion kann ich sagen, dass wir uns natürlich sehr freuen, dass wir heute diese Änderung des Thüringer Blindengeldgesetzes vornehmen können, dass wir ein Sinnesbehindertengeld auch für gehörlose Menschen in Höhe von 100 Euro monatlich einführen und – ich lege noch mal Wert darauf – dass dieses einkommens- und vermögensunabhängig gezahlt wird. Ich halte das für eine ganz wichtige Sache. Die positiven Dinge sind von meinen Kollegen und Kolleginnen vorher schon gesagt worden. Wichtig finde ich auch, dass durch dieses Gesetz, das uns jetzt vorliegt, die entsprechenden Änderungen vorgenommen werden können, dass es eben nicht nur mehr ein Blindengeldgesetz ist, sondern dass es ein Sinnesbehindertengeld für den Bereich der blinden Menschen, der Gehörlosen und auch der Taubblinden beinhaltet.

Ich will mich gern dem anschließen, was Kollegin Pfefferlein hier eben gesagt hat. Natürlich sind auch vonseiten der Behindertenverbände Wünsche deutlich geworden, dass es nicht nur ausschließlich um

den Bereich der Sinnesbehinderungen geht, sondern es noch weitaus mehr Gruppierungen von Menschen mit Behinderungen unterschiedlichster Art gibt, die auch entsprechende Nachteile ausgleichen müssen und besondere Aufwendungen haben. Insofern würde ich mir sehr wünschen, dass die Bundesebene ihrer Verantwortung nachkommt – wie auch immer es heißen mag, ob es dann ein Benachteiligtenausgleich sein mag oder ein Teilhabegeld oder wie auch immer.

(Beifall SPD)

Ich glaube, es ist eine ganz wichtige Sache, dass wir auch innerhalb der Menschen mit Behinderungen nicht auseinanderdividieren, sondern dass wir Nachteilsausgleich geben können für die Menschen, die es brauchen.

(Beifall SPD)

Insofern: Die Ministerin hat darum gebeten, dass wir an dieser Gesetzesgrundlage zügig weiterarbeiten. Es wird am morgigen Donnerstag eine Sondersitzung des Sozialausschusses geben, wo wir dann über die Anhörung reden und die Anhörung beschließen, sodass sich dann auch die entsprechenden Behindertenverbände noch mal mit dieser Gesetzesgemengelage auseinandersetzen können. Es ist auch schon darauf hingewiesen worden, dass bereits in der Anhörung vonseiten der Regierung positiv festgestellt worden ist, dass dieses Gesetz notwendig war.

Ich freue mich sehr, dass wir nunmehr ein Gesetz über Sinnesbehindertengeld beschließen können, das rückwirkend zum 1. Juli 2017 in Kraft tritt. Ich freue mich auch sehr, dass wir uns im Sozialausschuss sehr einmütig mit diesem Thema beschäftigt haben. Deswegen konnten wir auch so zügig die morgige Sondersitzung beschließen. Ich wünsche mir weiterhin eine sehr gute Beratung und hoffe, dass wir sehr einmütig dieser Gesetzesgrundlage zustimmen können. Herzlichen Dank dafür.