Protocol of the Session on June 24, 2016

Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Sie alle herzlich zu unserer heutigen Sitzung willkommen heißen und Sie bitten, die Plätze einzunehmen. Meine Damen und Herren, heute Nacht ist im Vereinigten Königreich die Entscheidung zum sogenannten Brexit mit 52 Prozent für den Austritt sehr knapp

(Beifall AfD)

und doch klar ausgefallen. Ich hätte mir dies anders gewünscht,

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Abg. Gentele, fraktionslos)

aber eine demokratische Entscheidung ist zu respektieren.

(Beifall AfD)

Die Entscheidung ist ein schwerer Rückschlag für das Projekt der europäischen Einigung, aber nicht ihr Ende. Viele Jüngere unter uns, die das Leben im geteilten Deutschland und im durch den Eisernen Vorhang gespaltenen Europa nicht kennen, kennen auch keine Grenzkontrollen und keine Zollkontrollen. Sie gehörten bisher der Vergangenheit an. Ich würde mir wünschen, dass dies auch künftigen Generationen erspart bleibt.

(Beifall im Hause)

Die Entscheidung wird die Europäische Union und das Vereinigte Königreich vor schwierige Herausforderungen stellen, nicht nur in Bezug auf den eigentlichen Brexit, sondern auch in Bezug auf die jeweilige innere Ordnung. Ich bin mir bewusst, dass die Gegner Europas in allen Mitgliedstaaten diese Entscheidung als Ermutigung empfinden. Dennoch bin ich überzeugt, dass die europäische Idee stärker sein wird als kleinmütiger Nationalismus. Lassen Sie uns dafür gemeinsam streiten.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN; Beifall Abg. Gentele, frak- tionslos)

Vielen Dank. Für die Plenarsitzung hat als Schriftführer Herr Abgeordneter Tischner neben mir Platz genommen, und die Redeliste wird von Herrn Abgeordneten Kobelt geführt. Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Frau Abgeordnete Meißner, Frau Abgeordnete Rosin und Frau Ministerin Keller. Ich frage: Gibt es zu der vorliegenden Tagesordnung Ergänzungsoder Änderungswünsche? Das ist nicht der Fall, sodass wir direkt in die Tagesordnung einsteigen können.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 39

Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission gemäß § 33 des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes

Ich bitte den Vorsitzenden der Parlamentarischen Kontrollkommission, Herrn Abgeordneten Hausold, den Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission vorzutragen. Bitte schön, Herr Hausold.

Danke, Herr Präsident. Sehr geehrte Abgeordnete, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach § 33 Thüringer Verfassungsschutzgesetz unterrichtet die Parlamentarische Kontrollkommission unter Beachtung der Geheimhaltungspflichten den Landtag mindestens alle zwei Jahre über ihre Tätigkeit. Im Rahmen der heutigen Berichterstattung macht sie wiederum von der gesetzlich eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, wonach die Geheimhaltung nicht für die Darstellung und Bewertung bestimmter Vorgänge gilt, wenn eine Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission ihre vorherige Zustimmung erteilt hat. Dies ist erfolgt. Soweit dabei für die Bewertung der Parlamentarischen Kontrollkommission eine Sachverhaltsdarstellung erforderlich ist, wurden die Belange des Geheimschutzes beachtet.

Den letzten Tätigkeitsbericht hat die Parlamentarische Kontrollkommission in der 152. Plenarsitzung der 5. Wahlperiode am 11. April 2014 erstattet. Viele von Ihnen können sich sicher noch an die Sitzung erinnern, war der Tätigkeitsbericht doch vor dem Hintergrund der Berichterstattung über die Beratungen zum Themenkomplex „Umstände der Anwerbung und Führung des Herrn Kai-Uwe Trinkaus sowie Nichteinbindung Dritter“ besonders umfangreich. Der Umfang war insbesondere der Darstellung der Ermittlungsergebnisse des erstmals von der Parlamentarischen Kontrollkommission eingesetzten Sachverständigen geschuldet. Größeren Umfang nahm erneut auch die Auseinandersetzung der Parlamentarischen Kontrollkommission mit dem Thema „NSU“ ein.

Den aktuellen Tätigkeitsbericht hat die Parlamentarische Kontrollkommission in ihrer 18. Sitzung am 15. Juni 2016 beraten und einvernehmlich beschlossen. Zunächst darf ich feststellen: Die Parlamentarische Kontrollkommission ist im Berichtszeitraum ihrem gesetzlichen Auftrag, die Kontrolle der Landesregierung hinsichtlich der Tätigkeit des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz bzw. seit dem 1. Januar 2015 des Amts für Verfassungsschutz gemäß § 24 Abs. 1 Thüringer Verfassungsschutzgesetz unter Nutzung der ihr zur Verfügung stehenden Befugnisse – und mit der letzten Novellierung des Thüringer Verfassungsschutzgesetzes sind noch einige hinzugekommen – nach den

§§ 29 ff. Thüringer Verfassungsschutzgesetz nachgekommen.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal in Erinnerung rufen, dass nach der Konstituierung des 6. Thüringer Landtags am 14. Oktober 2014, nach Bildung der rot-rot-grünen Koalition, nach der Wahl des Ministerpräsidenten und nach der Ernennung der Ministerinnen und Minister das Hohe Haus erst in seiner 5. Sitzung am 29. Januar 2015 die Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission für diese Wahlperiode gewählt hat. Dem Gremium gehören die Abgeordneten Wolfgang Fiedler, Raymond Walk, Dirk Adams und Dorothea Marx sowie meine eigene Person an. Nach der Wahl der Kommissionsmitglieder wählte mich die Kommission in ihrer 4. Sitzung am 18. Februar 2015 zum Vorsitzenden, Kollegen Fiedler zum stellvertretenden Vorsitzenden. Die Mitglieder der CDU, der Linken und von Bündnis 90/Die Grünen haben zudem von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, einen Mitarbeiter der jeweiligen Fraktion zu ihrer Unterstützung zu benennen. Die Zustimmung der Kommission ist in allen drei Fällen erfolgt.

Ich darf darauf hinweisen, dass es eine quasi kommissionslose Zeit bereits von Gesetzes wegen nicht gibt und in der Übergangszeit auch nicht gegeben hat. Vielmehr trat die Kommission in der Zeit zwischen Landtagskonstituierung und der Wahl der Kommissionsmitglieder in ihrer alten Besetzung mehrfach zusammen. An dieser Stelle daher ein herzliches Dankeschön an unsere ehemaligen Kollegen Fritz Schröter und Heiko Gentzel dafür,

(Beifall CDU, SPD)

dass sie auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Thüringer Landtag in der Interimszeit ihre Sitzungsteilnahme ermöglichten, sodass die Kommission handlungsfähig war.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den Berichtszeitraum fiel die Novellierung des Verfassungsschutzrechts. Schwerpunkte der Neuregelungen im Thüringer Verfassungsschutzgesetz, die am 1. Januar 2015 in Kraft traten, sind die Integration der Aufgaben des Verfassungsschutzes in eine selbstständige Organisationseinheit in Form eines Amts beim Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales. Mit dieser sollen Schnittstellenproblematiken beseitigt und die Aufgabenerledigung optimiert, Informationswege durch die Neuorganisation des Amts verkürzt und Synergieeffekte durch eine Verschlankung der Aufbauorganisation zur Unterstützung der fachlichen Aufgaben des Verfassungsschutzes genutzt werden. Zur Vermeidung von Doppelzuständigkeiten wurde die Aufgabe der Beobachtung von Bestrebungen und Tätigkeiten der Organisierten Kriminalität gestrichen. Eine stärkere innerbehördliche Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Verfassungsschutzes soll mit der Regelung klarer Berichtspflichten über maßgeb

liche nachrichtendienstliche Handlungen gegenüber der Behördenleitung gewährleistet werden. Mit dem Gesetz sollen auch präzise rechtliche Vorgaben für eine erfolgreiche und transparente Tätigkeit unseres Verfassungsschutzes im demokratischen Rechtsstaat geschaffen werden. Zudem sollen die Kontrollbefugnisse der Parlamentarischen Kontrollkommission gestärkt und präzisiert werden. Auch wurden klare Regelungen zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel, insbesondere zum Einsatz und zur Führung von V-Leuten, vor allem hinsichtlich der Auswahl, Führung und Kontrolle, getroffen. Zudem wurden Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung beim Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel eingeführt. Darüber ist eine Mitteilungspflicht des Amts für Verfassungsschutz gegenüber betroffenen Personen in der Anwendung besonders eingriffsintensiver nachrichtendienstlicher Mittel normiert. Auch die Zusammenarbeit zwischen Verfassungsschutz und Polizei wird durch das Gesetz intensiviert und stärker institutionalisiert, insbesondere durch die gesetzliche Verankerung des Zusammenwirkens des Verfassungsschutzes und des Landeskriminalamts in der Thüringer Informations- und Auswertungszentrale – kurz TIAZ. Darüber hinaus ist durch die Normierung bezüglich gemeinsamer projektbezogener Dateien die Möglichkeit geschaffen worden, auch Projektdateien einzurichten, um so eine befristete projektbezogene Zusammenarbeit von Nachrichtendiensten und Polizei bei der Extremismusbekämpfung zu unterstützen. Schließlich besteht nunmehr die Möglichkeit der Einrichtung einer zentralen V-Leute-Datei.

Im Rahmen der Beratungen zum Gesetzentwurf hat sich auch die Parlamentarische Kontrollkommission eingebracht, Änderungsvorschläge erarbeitet und dem zuständigen Innenausschuss zugeleitet. Diese Änderungsvorschläge finden zu einem Großteil Eingang in die Beschlussempfehlung und das spätere Gesetz. Auf einige dieser Neuregelungen, insbesondere diejenigen, die die Kommission besonders betreffen, werde ich in meinen weiteren Ausführungen eingehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein Schwerpunkt der Beratungen der Parlamentarischen Kontrollkommission im Berichtszeitraum war die sogenannte allgemeine Kontrolltätigkeit nach § 27 Abs. 1 Thüringer Verfassungsschutzgesetz. Das Gesetz spricht hier von der umfassenden Unterrichtung über die allgemeine Tätigkeit des Amts für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Dies betrifft somit Informationen, die die Landesregierung von sich aus allein aufgrund gesetzlicher Verpflichtung gibt, ohne dass sie seitens der Kommission oder einzelner Kommissionsmitglieder hierzu besonders aufgefordert worden ist. In der Regel berichtet die Landesregierung monatlich über aktuelle Entwicklungen

bei den Schwerpunkten der Beobachtungstätigkeit in den einzelnen Phänomenbereichen sowie über Angelegenheiten haushalterischer und personeller Art. Dabei hat die Schwerpunktberichterstattung zu den sogenannten Vorgängen von besonderer Bedeutung nach § 27 Abs. 1 Thüringer Verfassungsschutzgesetz und zu sonstigen Vorgängen nach besonderer Aufforderung der ParlKK nach § 27 Abs. 1 Satz 4 Thüringer Verfassungsschutzgesetz, auf die ich später exemplarisch eingehen werde, einen breiten Raum eingenommen.

Neben diesen quasi Altbefugnissen wurden der Parlamentarischen Kontrollkommission mit dem Inkrafttreten des neuen Verfassungsschutzgesetzes am 1. Januar 2015 neue Befugnisse eingeräumt. Zum einen besteht nun die Möglichkeit, dass die Kommission bei besonderen oder schwerwiegenden Vorkommnissen von der Stabsstelle Controlling unmittelbar unterrichtet wird. Die Stabsstelle Controlling ist als nunmehr gesetzlich normierte Unterstützungseinheit für den Präsidenten des Amts bei der Wahrnehmung seiner Leitungsfunktion und der Beurteilung der Recht- und Zweckmäßigkeit der eingesetzten nachrichtendienstlichen Mittel nicht an Weisungen gebunden. Dies und die weiteren umfangreichen Kompetenzen der Stabsstelle machen die besondere Stellung des Controllings innerhalb des Amts für Verfassungsschutz aus, weshalb eine unmittelbare Unterrichtungsmöglichkeit mehr als gerechtfertigt ist. Die Stelle des Leiters des Controllings ist zwischenzeitlich besetzt, wobei wir uns ein schnelleres Stellenbesetzungsverfahren gewünscht hätten.

(Beifall CDU)

Der Leiter der Stabsstelle hat bereits an Sitzungen der Parlamentarischen Kontrollkommission teilgenommen und wir werden ihn um Berichterstattung bitten, sollte es sich als erforderlich zeigen.

(Beifall CDU)

Im Weiteren ist die Parlamentarische Kontrollkommission über den Inhalt der Dienstanweisungen des Amts für Verfassungsschutz und über jede Änderung vor deren Erlass nach § 27 Abs. 5 Thüringer Verfassungsschutzgesetz zu unterrichten. Eine besondere Stellung nimmt dabei die Dienstanweisung zum Einsatz von Vertrauensleuten ein. Zu dieser und zu jeder Änderung ist die Kommission nach § 12 Abs. 6 Thüringer Verfassungsschutzgesetz vor deren Erlass anzuhören. Diese Regelungen ermöglichen es der Kommission, stets einen aktuellen Überblick über die verwaltungsinternen Rechtsvorschriften und somit über die internen Arbeitsgrundlagen des Amts für Verfassungsschutz zu haben, was eine weitere Stärkung der Kontrolle des Verfassungsschutzes bedeutet. Einige Dienstanweisungen sind nach Auskunft der Landesregierung in Überarbeitung und werden uns vor Inkraftsetzung zur Beratung vorgelegt.

Von ganz besonderer Bedeutung sind die neuen Unterrichtungspflichten im Zusammenhang mit dem Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. Exemplarisch möchte ich hier den Einsatz von Vertrauensleuten, Observationen, Bildaufzeichnungen, verdeckte Ermittlungen und Befragungen, die Verwendung von Legenden oder auch das Mithören und Aufzeichnen des nicht öffentlich gesprochenen Worts unter Einsatz technischer Mittel nennen. Grundsätzlich sind die Zielpersonen und die erheblich mitbetroffenen Personen nach § 18 Thüringer Verfassungsschutzgesetz von dem Einsatz einer Reihe nachrichtendienstlicher Mittel zu benachrichtigen. Nur in bestimmten gesetzlich abschließend geregelten Fällen kann diese Benachrichtigung unterbleiben. Erfolgt die Benachrichtigung nicht binnen sechs Monaten nach Beendigung der Maßnahme, bedarf die weitere Zurückstellung der Zustimmung durch die Parlamentarische Kontrollkommission. Diese Zustimmung ist in bestimmten Abständen erneut einzuholen. Mit Zustimmung der Kommission kann die Benachrichtigung auf Dauer unterbleiben, wenn gesetzlich bestimmte Voraussetzungen dies rechtfertigen. Die Parlamentarische Kontrollkommission hat sich mit der Landesregierung auf ein Verfahren geeinigt, wonach in der Regel monatlich eine schriftliche und ergänzende mündliche Unterrichtung über die beabsichtigte Zurückstellung von Benachrichtigungen sowie über beabsichtigte Benachrichtigungen erfolgt. Auf die Parlamentarische Kontrollkommission sind damit neue und für die Sicherung der Grundrechte betroffener Bürger umfangreiche Aufgaben zugekommen. Die Erfüllung dieser Aufgaben stellt auch hohe Anforderungen an die Unterstützung durch die Geschäftsstelle der Kommission.

Zudem ist die Parlamentarische Kontrollkommission regelmäßig über weitere sogenannte besondere Vorgänge nach § 27 Abs. 2 Thüringer Verfassungsschutzgesetz zu unterrichten. Hierzu zählen unter anderem: Art, Anzahl und Dauer des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel in den beobachteten extremistischen Phänomenbereichen und bei Personenzusammenschlüssen, die Feststellung der zu beobachtenden Personenzusammenschlüsse, die Regelungen über die Vergütung von Vertrauensleuten oder auch die Feststellung eines Übermittlungsverbots durch das Amt für Verfassungsschutz. Eine strukturierte Zusammenstellung zu diesen besonderen Vorgängen wird der Kommission jeweils halbjährlich sowohl schriftlich vorgelegt als auch mündlich erläutert und bietet in der längerfristigen Zusammenschau die Möglichkeit, Entwicklungstendenzen abzuleiten, beispielsweise bei der Art und der Intensität des Einsatzes nachrichtendienstlicher Mittel wie den verdeckt handelnden Personen zur Informationsbeschaffung, den beobachteten Personenzusammenschlüssen oder auch der Vergütung von Vertrauensleuten. An dieser Stelle geht für die in der Regel rechtzeitigen und

schriftlich gut begründeten Anträge ein besonderer Dank an die Landesregierung.

Schließlich – und darauf möchte ich auch hinweisen – ist die Landesregierung verpflichtet, die Kommission über die beabsichtigte Bestellung des Präsidenten des Amts für Verfassungsschutz zu unterrichten. Herr Minister Dr. Poppenhäger informierte die Kommission über die beabsichtigte Bestellung von Herrn Stephan Kramer zum 1. Dezember des letzten Jahres. Herr Kramer, an dieser Stelle – Sie sind ja hier bei uns im Saal – ein herzlicher Gruß an Sie, denn wir gehen davon aus, dass wir eine gute Zusammenarbeit erreichen werden. Ein Dank gilt auch Herrn Derichs, dem nunmehr offiziellen Vizepräsidenten, für die langjährige Vertretung des vakanten Präsidentenamts.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die neuen Befugnisse und die bereits in die Novelle aus dem Jahr 2012 Eingang gefundenen Befugnisse ermöglichen der Kommission – zumindest von Rechts wegen – eine noch wirksamere Kontrolle unseres Verfassungsschutzes. Gleichwohl möchte ich an dieser Stelle nochmals darauf hinweisen, dass es die Pflicht der Landesregierung ist, von sich aus und ohne besondere Aufforderung umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Amts für Verfassungsschutz und über Vorgänge von besonderer Bedeutung vollständig zu unterrichten. In der Vergangenheit haben wir nicht nur einmal die Erfahrung gemacht, dass verfassungsschutzrelevante Sachverhalte zuerst in den Medien veröffentlicht wurden, bevor die Kommission darüber informiert wurde.

(Beifall CDU)

In einigen Fällen sahen wir es deshalb als erforderlich an, die Diensträume des Verfassungsschutzes aufzusuchen, um die erfragten Informationen zu bekommen.

Sehr geehrter Herr Minister Dr. Poppenhäger, sehr geehrter Herr Präsident Kramer, wir, die Mitglieder der Kommission, möchten Ihnen an dieser Stelle für Ihre Auskunftsbereitschaft und Ihre Kooperationsbereitschaft der letzten Monate danken. Dies, ich sagte es bereits, war in der Vergangenheit leider nicht immer so. Wir möchten Ihnen aber auch an dieser Stelle mit auf den Weg geben: Sehen Sie uns, sehen Sie die Kommission als Ihre Partner. Sie wissen, sollte es erforderlich sein, besteht die Möglichkeit, dass die Kommission ohne lange Vorlaufzeiten kurzfristig zusammentritt, um den Unterrichtungsansprüchen zu genügen. Hierfür hat unsere Kommissionsgeschäftsordnung die entsprechende Vorsorge getroffen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich bereits an dieser Stelle einen weiteren Aspekt ansprechen, welcher für die Zukunft sicher

an Bedeutung gewinnen wird. Mit Gesetz vom 17. November 2015 wurde unter anderem § 6 Bundesverfassungsschutzgesetz neu gefasst. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 dieses Gesetzes übermitteln sich die Landesbehörden für Verfassungsschutz und das Bundesamt für Verfassungsschutz unverzüglich die für ihre Aufgaben relevanten Informationen, einschließlich der Erkenntnisse ihrer Auswertungen. Die übermittelten Daten dürfen allerdings nur mit Zustimmung der übermittelnden Behörde an Stellen außerhalb der Behörden für Verfassungsschutz übermittelt werden, wenn die übermittelnde Behörde sich dies vorbehält. Nähere Angaben zu den Voraussetzungen einer solchen Sperrerklärung enthält die bundesrechtliche Regelung nicht. Im Vergleich mit unserem Landesrecht ergibt sich daraus Folgendes: Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 und 4 unseres Verfassungsschutzgesetzes unterrichtet die Landesregierung, wie bereits benannt, die Kommission umfassend über die allgemeine Tätigkeit des Amts und über Vorgänge von besonderer Bedeutung. Sie berichtet zu sonstigen Vorgängen aus dem Aufgabenbereich des Amts, sofern die Kommission dies verlangt. Diese Verpflichtung der Landesregierung zur umfassenden Unterrichtung, die im Lichte des verfassungsrechtlichen Kontrollauftrags der Kommission nach Artikel 97 Satz 3 der Landesverfassung zu würdigen ist, erstreckt sich laut § 28 Abs. 1 Thüringer Verfassungsschutzgesetz nur auf Informationen und Gegenstände, die der Verfügungsberechtigung des Amts für Verfassungsschutz unterliegen. Nach § 28 Abs. 2 Thüringer Verfassungsschutzgesetz kann die Landesregierung die Unterrichtung nach § 27 Abs. 1 dieses Gesetzes zudem nur verweigern, wenn dies aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs oder aus Gründen des Schutzes von Persönlichkeitsrechten Dritter notwendig oder der Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung betroffen ist.

Die Kommission beschäftigt sich vor diesem Hintergrund seit Kurzem mit der Frage, wie im Rahmen der grundsätzlich umfassenden Unterrichtungspflicht der Landesregierung nach dem Verfassungsschutzgesetz mit einem von der Verfassungsschutzbehörde eines anderen Landes oder vom Bundesamt für Verfassungsschutz nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Bundesverfassungsschutzgesetz erklärten Zustimmungsvorbehalt umzugehen wäre und unter welchen Voraussetzungen eine solche Sperrerklärung rechtlich Bestand hätte. Dabei ist es grundsätzlich positiv, wenn sich die Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern über relevante Erkenntnisse unterrichten und auch Thüringen in diesen Informationsfluss voll eingebunden ist. § 6 Abs. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz normiert nun aber, anders als unsere Regelungen, keine Voraussetzungen, unter denen eine Sperrerklärung durch die Landesregierung abgegeben werden kann. Eine Lösung sollte daher auch im Dialog mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bun

des und der Kontrollgremien der deutschen Länder dergestalt gefunden werden, den Zustimmungsvorbehalt nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Bundesverfassungsschutzgesetz so auszulegen, dass dem Kontrollauftrag nach Artikel 97 Abs. 3 Thüringer Verfassung umfassend Genüge getan werden kann. Die amtliche Begründung zu § 6 Bundesverfassungsschutzgesetz deutet bereits in diese Richtung.

(Beifall CDU, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wie Sie sich erinnern, wurde der vormalige Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, Herr Thomas Sippel, im Juli 2012 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Die Kommissionsmitglieder mussten seinerzeit leider feststellen, dass die Vertrauensbasis zur Hausleitung des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz immer brüchiger wurde und zum Schluss als zerrüttet anzusehen war.

(Beifall CDU)

Dies hatte sicherlich maßgeblich mit der unzureichenden Informations- und Auskunftsbereitschaft der damaligen Landesregierung zu tun und gipfelte schließlich in der zur „Operation Rennsteig“ herausgegebenen Pressemitteilung des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, in der das Amt unter anderem – unzutreffenderweise – erklärte, dass die Parlamentarische Kontrollkommission über diese Operation zutreffend unterrichtet worden sei. Ich spreche diesen Aspekt deshalb heute nochmals an, da es bis zum 1. Dezember 2015 und somit dreieinhalb Jahre dauerte, die vakante Präsidentenstelle nachzubesetzen. Dieser Umstand war vor dem Hintergrund der besonderen Stellung des Verfassungsschutzes, seines Präsidenten als politischer Beamter und der Umbruchsituation im Thüringer Landesamt für Verfassungsschutz mehr als unbefriedigend.

Der Thüringer Minister für Inneres und Kommunales informierte die Kommission gemäß der im neuen Verfassungsschutzgesetz verankerten Informationspflicht – ich hatte sie bereits benannt – über die beabsichtigte Bestellung von Herrn Stephan Kramer, wenngleich ein früherer Informationszeitpunkt vor der Beratung der Personalie im Kabinett wünschenswert gewesen wäre.

(Beifall CDU)