Protocol of the Session on May 24, 2018

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich begrüße Sie zur heutigen Sitzung und darf Sie bitten, die Plätze einzunehmen, damit wir mit der Sitzung beginnen können.

Ich freue mich, dass ich auf der Besuchertribüne Kriminalbeamte begrüßen darf, ich hoffe aus Thüringen – ich gehe davon aus, Sie nicken, wunderbar. Herzlich willkommen!

(Beifall im Hause)

Wir freuen uns, dass Sie unsere Arbeit heute beschauen, und freuen uns darüber hinaus, dass Sie Ihre Arbeit so gut verrichten, dass wir regelmäßig positive Ergebnisse in allen Polizeistatistiken haben. Herr Innenminister, das stimmt doch so, oder?

(Zuruf Maier, Minister für Inneres und Kom- munales: Ja!)

Gut, der Innenminister gibt mir recht und ist noch dankbarer, dass Sie da sind, als wir es sind. Herzlich willkommen!

Ich begrüße alle Kollegen und die Mitglieder der Regierung.

Für die Plenarsitzung hat als Schriftführer neben mir Abgeordneter Gruhner Platz genommen. Herr Abgeordneter Kobelt führt die Redeliste.

Für die heutige Sitzung haben sich eine Reihe von Kollegen entschuldigt: Frau Abgeordnete Annette Lehmann, Frau Abgeordnete Muhsal und Frau Abgeordnete Walsmann.

Ich darf für die Tagesordnung darauf hinweisen, dass zu Tagesordnungspunkt 6 eine Neufassung des Entschließungsantrags der CDU-Fraktion in der Drucksache 6/5702 und Änderungsanträge der Abgeordneten Krumpe und Gentele in den Drucksachen 6/5746 und 6/5747 verteilt wurden.

Ich frage, ob es weitere Wünsche zur Tageordnung gibt. Das ist nicht der Fall.

Damit rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 6

Thüringer Gesetz zur Anpassung des Allgemeinen Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680

Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/4943 dazu: Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/5238

dazu: Beschlussempfehlung des Innen- und Kommunalausschusses - Drucksache 6/5722

dazu: Änderungsantrag des Abgeordneten Krumpe (frak- tionslos) - Drucksache 6/5746

dazu: Änderungsantrag des Abgeordneten Gentele (frak- tionslos) - Drucksache 6/5747

dazu: EU-Datenschutzgrundverordnung weiterdenken – Datenschutz praxistauglich und rechtssicher ausgestalten Entschließungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/5702 Neufassung

ZWEITE BERATUNG

Das Wort hat zunächst Herr Abgeordneter Dittes zur Berichterstattung aus dem Innen- und Kommunalausschuss. Bitte, Herr Dittes.

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten! Wenn Sie diese Tage in Ihre Mailpostfächer schauen, dann werden Sie in zahlreicher Form ein wichtiges Ereignis angekündigt finden, nämlich den 25. Mai 2018, das Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung und zwar europaweit und unmittelbar.

Nach Artikel 88 der Verordnung haben die Mitgliedstaaten die Verantwortung, die Rechtsvorschriften der Europäischen Union so weit anzuwenden und das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in Einklang zu bringen und insofern auch von den Öffnungsklauseln der Datenschutz-Grundverordnung Gebrauch zu machen, ohne dabei die Datenschutzvorschriften der Europäischen Union zu unterlaufen oder zu erweitern. Da die Datenschutz-Grundverordnung am morgigen Tag unmittelbar Wirkung entfaltet, ist es notwendig, dass zu diesem Zeitpunkt die jeweiligen landesrechtlichen Umsetzungen erfolgen.

Die Landesregierung hatte am 17. Januar dieses Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf dem Thüringer Landtag überreicht. Dieser wurde durch den Präsidenten im Einvernehmen mit den Fraktio

nen am 23. Januar 2018 vorab an den Innen- und Kommunalausschuss überwiesen. Der Innen- und Kommunalausschuss hat sich seit Januar mit dem Gesetzentwurf befasst. Ich will Ihnen kurz den wesentlichen Verlauf schildern.

Zunächst die Bemerkung, dass der Gesetzentwurf in seiner ursprünglichen Fassung im Entwurfsstadium der Landesregierung insgesamt 26 Gesetzesänderungen umfasste. Eine Gesetzesänderung war eine Ersetzung des bisherigen Landesdatenschutzgesetzes und in weiteren 25 Gesetzen wurden datenschutzrechtliche Anpassungen vorgenommen. Der Innen- und Kommunalausschuss hat den Gesetzentwurf dann im Februar beraten und eine Anhörung beschlossen, hat 43 Expertinnen, Sachverständige, Interessengruppen eingeladen, sich am Anhörungsverfahren zu beteiligen. 20 der Angeschriebenen gaben eine Stellungnahme ab, drei weitere Interessengruppen haben sich in eigenen Stellungnahmen an den Innen- und Kommunalausschuss gewandt.

Im April kam es dann zur Auswertung der Anhörungsergebnisse und am 17. Mai 2018 zur abschließenden Beratung. Die Koalitionsfraktionen aus Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben zum Gesetzentwurf der Landesregierung in den Ausschuss im Ergebnis der Anhörung einen Änderungsantrag eingebracht. Mit dem Änderungsantrag wurden sieben der geänderten Gesetze nochmals verändert. Es wurden aber sieben weitere Gesetzesänderungen aufgenommen, sodass der Gesetzentwurf letztendlich 33 Änderungen von Einzelgesetzen beinhaltet.

Ich will Ihnen in drei oder vier Punkten wesentliche Punkte des Änderungsantrags, die Aufnahme in die Beschlussempfehlung gefunden haben, mitteilen.

Als Erstes wurde auch nach intensiver Diskussion und nach Vortrag durch die entsprechenden Fachverbände das sogenannte Medienprivileg im Datenschutzgesetz, im Landesmediengesetz sowie im Thüringer Pressegesetz wiederhergestellt, das insofern sicherstellt, dass durch die Anrufung einer Datenschutzaufsichtsbehörde nicht die journalistische Tätigkeit ausgeforscht werden kann und Journalisten, die im Rahmen der Recherche tätig sind, praktisch Auskunft über ihre Quellen geben müssen. Das hohe Gut der Pressefreiheit und der journalistischen Freiheit ist gewahrt. Andererseits gelten auch die Schutzvorschriften natürlich von Betroffenen fort, wie sie beispielsweise im Zivil- oder im Strafrecht auch beinhaltet sind.

Wir haben uns darüber hinaus aber auch entschlossen, das Medienprivileg auf diejenigen journalistisch Tätigen auszuweiten, die nicht dem Kodex des Deutschen Presserats unterlegen, aber zu einer modernen Pressearbeit, Medienarbeit heute hinzugehören, nämlich diejenigen, die beispielswei

se als Blogger, freie Journalisten, freie Fotografen auch überwiegend journalistisch tätig sind.

Wir haben in der Beschlussempfehlung des Ausschusses klargestellt, dass auch der Datenschutzbeauftragte des Landes ein Klagerecht in Verwaltungsstreitsachen hat. Das Gesetz in der Entwurfsfassung der Landesregierung sah ja schon den Verwaltungsgerichtsweg vor. Uns war es aber auch wichtig, im Gesetz deutlich zu machen, dass der Verwaltungsgerichtsweg nicht nur durch betroffene Behörden und öffentliche Stellen gegangen werden kann, sondern auch durch den Datenschutzbeauftragten, wenn beispielsweise durch Behörden Anordnungen des Datenschutzbeauftragten nicht Folge geleistet worden ist.

Wir haben eine Regelung für den Thüringer Landtag selbst vorgenommen, dass natürlich die Datenschutz-Grundverordnung und das Datenschutzgesetz insofern gelten, wenn der Landtag in Verwaltungsangelegenheiten tätig ist. Alle weiteren Bereiche, die die parlamentarische Arbeit betreffen, müssen dann natürlich auch datenschutzrechtskonform in einer entsprechenden Datenschutzordnung für den Landtag geklärt werden.

Ich will abschließend auch weitere Änderungen am Beispiel des Polizeiaufgabengesetzes deutlich machen. Die EU-Datenschutz-Grundverordnung sieht vor, dass Doppelregelungen in Gesetzen zu vermeiden sind. Insofern haben wir natürlich Auskunfts-, Löschungs- und Berichtigungsrechte von Betroffenen in Bezug auf Datenerfassungen im Polizeiaufgabengesetz in dieser detaillierten Form, wie sie da bisher verankert waren, gestrichen, weil sie eben im Datenschutzgesetz verankert sind. Wir fanden es aber dennoch wichtig, im Fachgesetz selbst darauf aufmerksam zu machen, dass die entsprechenden Rechtsregelungen, die entsprechenden Rechte an anderer Stelle zu finden sind, damit diejenigen, die sich im Fachgesetz informieren, gleichzeitig auch darüber in Kenntnis gesetzt sind, welche Rechte zum Schutz ihrer personenbezogenen Daten sie in Anspruch nehmen können.

Im Ergebnis kommt dann der Innen- und Kommunalausschuss zu der mehrheitlichen Empfehlung an den Thüringer Landtag – unter Beachtung der Änderungen, die Sie der Beschlussempfehlung in Drucksache 6/5722 entnehmen können –, Ihnen zu empfehlen, den Gesetzentwurf anzunehmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Dittes. Ich frage, ob die CDU-Fraktion das Wort zur Begründung wünscht. Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich damit die Beratung. Als Erste hat Abgeordnete Henf

(Abg. Dittes)

ling für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr geehrter Herr Präsident, in Europa wird wieder über Datenschutz diskutiert und das ist aus unserer Sicht eine gute Sache. Viel zu lange ist das Thema aus dem öffentlichen Diskurs herausgehalten worden, wurde als Langweilerthema für vermeintliche Nerds deklariert. Damit ist aber spätestens heute Schluss – eigentlich schon länger, weil wir das schon länger wieder diskutieren –, denn Datenschutz geht uns alle an. Die Kehrseite der Medaille ist, und das haben wir in den letzten Wochen deutlich erlebt, dass jeder jetzt glaubt, ein umfangreiches Wissen zu diesem Thema zu haben, und so wird aus einer – wie wir finden – großartigen Sache, dass wir zumindest weitestgehend einheitliche europäische Datenschutzstandards haben, ein heraufbeschwörendes, apokalyptisches Endzeitszenario. Besonders das Agieren der CDU auf Bundesund auch auf Landesebene lässt da eine unglaubliche Ahnungslosigkeit und technisches Unverständnis erkennen. Das belegt unter anderem auch der heute vorliegende Entschließungsantrag der CDU.

Doch bleiben wir erst mal bei den harten Fakten. Datenverarbeitungen sind in der digital vernetzten Gesellschaft Alltag. Hier herrscht bisher ein Status quo des wilden Datenwestens. Viele Menschen haben dabei das Gefühl, keinerlei Kontrolle darüber zu haben, welche Organisation was über sie weiß, und dass von diesem Informationsungleichgewicht viele profitieren, nur eben nicht sie selbst. Damit soll nun Schluss sein. Die europäische Grundverordnung legt einheitliche Grundsätze für die gesamte Europäische Union fest. Sie sollen sicherstellen, dass die Nutzung persönlicher Daten nach verbindlichen Regeln abläuft und Betroffene garantierte Rechte haben.

Nach Artikel 5 Abs. 1 werden konkrete Grundsätze der Verarbeitung personenbezogener Daten dargestellt. Erstens geht es um die Rechtmäßigkeit, die Verarbeitung nach Treu und Glauben und die Transparenz. Es geht zweitens um die Zweckbindung von Daten. Es geht um die Datenminimierung, um die Richtigkeit von Daten, um die Speicherbegrenzung und um die Integrität und Vertraulichkeit von Daten. Flankiert werden diese Grundsätze mit neuen ernsthaften Durchgriffsrechten der Datenschutzaufsichtsbehörden und konkreten Rechten der Nutzerinnen und Betroffenen. Bisher hatten die Aufsichtsbehörden nur wenig an der Hand, um Verstöße zu ahnden, und wirkten eher wie zahnlose Tiger.

Ein wichtiger Punkt ist, dass die Mitgliedstaaten an einigen Stellen einen konkreten Gestaltungsspiel

raum haben. Hier soll der Gesetzgeber konkrete Rechtssicherheit schaffen. In Thüringen haben wir das mit dem vorliegenden Datenschutzanpassungsgesetz getan. Neben dem Datenschutzgesetz wurde dabei eine Vielzahl weiterer Anpassungen an Gesetze vorgenommen. Auch die besondere Stellung beispielsweise der Presse und der Polizei wurde berücksichtigt. Kollege Dittes hat darauf hingewiesen, dass wir hier ganz konkret das Medienprivileg umsetzen, wie es der DJV in den letzten Wochen auch mehrfach angemahnt hat, und sogar noch über die Forderung hinausgehen, indem wir sozusagen die Anpassung auch an eine moderne Medienlandschaft vornehmen, indem wir beispielsweise Blogger bei dem Medienprivileg auch berücksichtigen.

Nun sind die meisten der Grundsätze der Datenschutz-Grundverordnung nichts Neues und doch rankt sich schon jetzt ein ziemliches Durcheinander und eine apokalyptische Mythenbildung um die neue Grundverordnung. Unter anderem sehen Netzaktivistinnen, kollektiv netzpolitik.org und der Verein Digitale Gesellschaft hierbei insbesondere die CDU als Rädelsführer der Verunsicherung. Dies kann man auch sehr schön an deren Entschließungsantrag zeigen und gleich mit ein paar Mythen aufräumen. Liebe CDU, Demut habt ihr in der Opposition ja schon gelernt, also spitzt die Ohren, man kann jetzt und heute noch was über das Internet lernen.

Zuallererst: Die Datenschutz-Grundverordnung tritt nach fünf Jahren Verhandlungen und zwei Jahren Übergangsfrist in Kraft. Hier hat auch die CDU auf Bundesebene mitverhandelt. Im Ministerrat haben Sie der Verordnung zugestimmt. Jetzt fordern Sie die Landesregierung dazu auf, eine Verordnung auf Europaebene nachzuverhandeln, die Sie selbst dort verhandelt haben. Sorry, aber das wirkt jetzt schon ein bisschen schizophren, erinnert ein bisschen an die Debatten der AfD zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: So was von schlau!)

Es ist ja bekannt, dass Sie diesen Entschließungsantrag auch in anderen Bundesländern so ähnlich oder in ähnlicher Form, auch ein Moratorium fordernd, einbringen werden und eingebracht haben. Auch die Kanzlerin hat wohl einigen CDU-Kreisvorsitzenden versprochen, mit dem Innenminister über das Problem zu reden. Ich finde, das macht die Sache eher bedenklicher und nicht unbedingt besser. netzpolitik.org kommt hier zu dem Schluss – ich zitiere –: „Die Intervention der Kanzlerin ist gleich in zweierlei Hinsicht absurd: Zum einen ist es schon aus formalen Gründen ausgeschlossen, dass an den EU-Regeln jetzt noch etwas geändert wird. Zum anderen sind es Merkel und die von ihr geführ

(Präsident Carius)

te Bundesregierung selbst, die die jetzige Panik maßgeblich verschuldet haben.“

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Auf Bundesebene haben Sie es einfach verschlafen, den gegebenen Gestaltungsspielraum sinnvoll zu nutzen. Hier werfen Sie jetzt mit Nebelkerzen um sich, die sich weit entfernt vom Faktischen bewegen. Und ernsthaft: Wer nimmt Ihnen das eigentlich ab? Sie verhandeln fünf Jahre an einer Verordnung mit und fordern am Tag vor dem Inkrafttreten von der Landesregierung die Nachbesserung. Ganze zwei Jahre haben Sie nichts gemacht. Wie der Herr, so auch der Sklave, würde ich an dieser Stelle sagen.