Protocol of the Session on April 30, 2015

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich darf Sie herzlich willkommen heißen zu unserer heutigen Plenarsitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße auch unsere Gäste auf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.

Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführerin Frau Abgeordnete Floßmann neben mir Platz genommen, die Redeliste führt Frau Abgeordnete Diana Lehmann. Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Abgeordneter Emde, Frau Abgeordnete Lieberknecht, Frau Abgeordnete Annette Lehmann, Frau Abgeordnete Tasch sowie Herr Minister Prof. Dr. Hoff zeitweise und Herr Minister Lauinger zeitweise.

Ich frage, ob der vorliegenden Tagesordnung widersprochen wird. Das sehe ich nicht. Es gibt keine Ergänzungswünsche, sodass wir direkt in die Beratung einsteigen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5 in seinen Teilen

a) Thüringer Gesetz über die Feststellung des Landeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2015 Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 6/513 ERSTE BERATUNG

b) Mittelfristiger Finanzplan für die Jahre 2014 bis 2018 für den Freistaat Thüringen Unterrichtung durch die Landesregierung - Drucksache 6/514

c) Bericht über den Stand und die voraussichtliche Entwicklung der Finanzwirtschaft des Landes Unterrichtung durch die Finanzministerin - Drucksache 6/515

Ich frage: Wünscht die Landesregierung das Wort zur Begründung? Dies ist mir signalisiert worden. Frau Finanzministerin Taubert, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Gäste, namens der Landesregierung

lege ich Ihnen heute den Entwurf des Thüringer Haushaltsgesetzes 2015 zur Beratung und zur Beschlussfassung vor.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf ist ein solides Stück Arbeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er beweist das Verantwortungsbewusstsein dieser Regierung für unser Land und die Menschen. Ich möchte mich an dieser Stelle ausdrücklich bei meinen Kolleginnen und Kollegen im Kabinett und den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien für die oftmals unter großem Zeitdruck geleistete Arbeit bedanken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer diesen Haushaltsplanentwurf ernsthaft einordnen will, der muss dies eingebettet in das finanzpolitische Umfeld in Deutschland, Europa und der Welt tun, denn weltwirtschaftliche Rahmenbedingungen und die Kraft unserer regionalen Wirtschaft beeinflussen die öffentlichen Haushalte. Die Höhe der Steuereinnahmen ist ganz zentral von der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung abhängig. Politik, auch in Thüringen, agiert nicht losgelöst von diesen äußeren Einflüssen. Lassen Sie mich das anhand einiger Schlaglichter verdeutlichen.

Stärker als in vielen zurückliegenden Jahren, ist die Welt heute von Krisen politischer und wirtschaftlicher Art geprägt. Krisen wirken sich auf das volkswirtschaftlich relevante Exportgeschäft aus, zum Teil brechen Exportmärkte komplett weg. Dies hat unmittelbare Auswirkungen auf die Wirtschaftsleistung in Deutschland, aber auch auf Thüringer Unternehmen. Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft bezifferte den Exportrückgang im Außenhandel mit Russland zum Beispiel für 2014 auf rund 6 Milliarden Euro. In diesem Jahr wird mit einem weiteren Rückgang gerechnet. Auch anderswo in der Welt trübt sich die wirtschaftliche Lage ein. China zum Beispiel, ganz aktuell, hat seine Wachstumserwartung für 2015 auf 7 Prozent reduziert. Dies ist das geringste Wachstum seit sechs Jahren. Doch wenn China langsamer wächst, bekommen das auch der Rest der Welt und Deutschland zu spüren.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Das stimmt!)

China war für Deutschland – ich will untermauern, dass das stimmt – der viertwichtigste Handelspartner im Jahr 2014.

Sicher muss das Bild aber auch um positive Einflüsse komplettiert werden. So hilft der niedrige Ölpreis auch der Thüringer Wirtschaft und der niedrige Eurokurs begünstigt Exporte außerhalb des Euroraums. Thüringen soll attraktiver Unternehmensstandort sein und Menschen gute Arbeitsplät

ze zu fairen Bedingungen bieten. Deshalb unterstützt die Thüringer Landesregierung unsere Unternehmen.

In Bezug auf die aktuellen Rahmenbedingungen müssen wir aber auch die Finanzmärkte in den Blick nehmen und damit auch die aktuelle Zinsentwicklung, die unmittelbare Auswirkung auf den Thüringer Landeshaushalt hat. Die Europäische Zentralbank hat die Zinsen seit geraumer Zeit historisch niedrig gehalten und durch weitere Maßnahmen stellt sie erhebliche Liquidität für die Märkte bereit. Zum einen ist dies Ausdruck anhaltender wirtschaftlicher Probleme in der Eurozone. Die deshalb instabilen Haushalte mehrerer europäischer Partnerstaaten sind auch mit erheblichem Gefahrenpotenzial für Deutschland verbunden. Zum anderen gibt es einen günstigen Effekt: Deutschland und die öffentliche Hand refinanzieren sich aktuell so günstig wie nie. Zahlte Thüringen im Jahr 2006 noch rund 708 Millionen Euro für Zinsen, sind das im Jahr 2015 bei einem Schuldenstand auf Vorkrisenniveau nur noch rund 549 Millionen Euro. Das sind 160 Millionen Euro weniger Zinsausgaben in diesem Jahr.

Aber auch die auf europäischer Ebene getroffenen Vereinbarungen, etwa im Rahmen des Fiskalpakts, haben Einfluss auf Thüringen. Ich denke da zuerst an die Begrenzungen der Staatsverschuldung und des strukturellen Defizits.

Entscheidend für die Beurteilung Deutschlands hinsichtlich der Einhaltung der Verträge ist dabei eben nicht allein das Defizit des Bundes, sondern das gesamtstaatliche Defizit, also auch die Haushaltssituation Thüringens und seiner Kommunen. Noch sind die Länder von einer Außenhaftung befreit, aber ab dem Jahr 2020 werden die Länder nach den Bestimmungen in Artikel 109 Abs. 5 Grundgesetz an möglichen Sanktionszahlungen im Zuge des Fiskalpakts beteiligt. Dies würde dann auch Thüringen treffen.

Sehr geehrte Damen und Herren, Deutschland hat sich dieser Verpflichtung zum Maßhalten und zur Defizitbegrenzung aus dem europäischen Übereinkommen gestellt. Auch Thüringen verfolgt mit der Verschuldungsregelung in § 18 der Landeshaushaltsordnung diesen Weg der Schuldenbegrenzung. Ich will an dieser Stelle betonen: Thüringen und die Thüringer Landesregierung nehmen die fiskalische Verantwortung ernst. Die Partner dieser Regierungskoalition haben sich im Koalitionsvertrag ausdrücklich dazu bekannt, zum Ersten Haushalte ohne neue Schulden aufzustellen, zweitens die Schuldentilgung fortzusetzen und/oder drittens durch Rücklagen vorzusorgen. Der vorliegende Haushaltsentwurf setzt die Vereinbarungen der Koalition um und erfüllt die Vorgaben sowohl der Landeshaushaltsordnung als auch des Grundgesetzes.

Wir werden im Jahr 2015 keine neuen Schulden im Landeshaushalt aufnehmen, wir werden tilgen. Und wir behalten es uns in im Haushaltsgesetz neu aufgenommenen Regelungen in § 2 Abs. 2 vor, auch am Jahresende – wenn möglich – zusätzlich Rücklagen zu bilden oder zu tilgen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zu den politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Hinblick auf die Einnahmeentwicklung gehört besonders auch die Frage der künftigen finanziellen Ausstattung Thüringens ab 2020 im innerdeutschen Finanzgefüge. So begreife ich die Arbeit im Rahmen der Neuordnung der Bund-LänderFinanzbeziehungen als einen Schwerpunkt der Arbeit der Landesregierung, insbesondere für mich als Finanzministerin. Hier werden sich Veränderungen vollziehen, die weit über das Jahr 2020 hinausreichen. Unsere Möglichkeiten, den Aufbau des Freistaats durch Investitionen weiter voranzubringen, werden von diesem finanziellen Fundament abhängen. Im Jahr 2015 zum Beispiel sind noch 724 Millionen an Sonderbedarfs-Ergänzungszuweisungen wegen teilungsbedingter Lasten eingestellt. Im Haushalt 2019 werden es nur noch 300 Millionen Euro sein und im Jahr 2020 laufen die Hilfen aus dem Solidarpakt II vollständig aus. Für Thüringen geht es um wichtige Finanzmittel, die für die Entwicklung des Landes weiterhin dringend gebraucht werden. Wir stehen hier in einer Reihe mit den ostdeutschen Ländern. Deshalb werden wir uns in die aktuell laufenden Verhandlungen der künftigen Bund-Länder-Finanzbeziehungen mit unseren Forderungen nachdrücklich einbringen.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, nach wie vor bestehen gravierende Unterschiede in der Wirtschafts- und Steuerkraft zwischen den neuen und alten Ländern. Die Wirtschaftskraft der neuen Länder liegt gegenwärtig bei knapp 70 Prozent der alten Länder. Die Steuerkraft verharrt gar bei circa 55 Prozent. Somit bedarf es eines Länderfinanzausgleichs, der diese Unterschiede mindestens auf dem bisherigen Niveau ausgleicht. Darüber hinaus muss der Bund die notwendigen Mittel für Sonderbedarfe und besondere Aufgaben, die über das Jahr 2019 hinaus fortbestehen, auch nach 2019 zur Verfügung stellen. Das betrifft beispielsweise die Entflechtungsmittel oder die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen für strukturelle Arbeitslosigkeit.

Ebenso fordere ich, dass die Ausgaben für die Sonder- und Zusatzversorgungssysteme der ehemaligen DDR in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. Denn die Zahlungen betreffen allein die neuen Länder. Gegenwärtig beläuft sich die Haushaltsbelastung für Thüringen auf circa 400 Millionen Euro jährlich. Aus meiner Sicht muss zudem

(Ministerin Taubert)

ein reformiertes Ausgleichssystem bisher nicht gedeckte Regel- und Sonderbedarfe kompensieren. So ist die kommunale Finanzkraft der neuen Länder deutlich unterproportional entwickelt. Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb die Formulierung aufgenommen: Die kommunale Finanzkraft soll vollständig in den Länderfinanzausgleich einbezogen werden.

Meine Damen und Herren, wenn Sie so wollen, haben wir als Freistaat die doppelte Last zu tragen. Wir haben zum einen beim Länderfinanzausgleich nur 64 Prozent dieser kommunalen Finanzkraft enthalten und müssen auf der anderen Seite natürlich diese schwachen Kommunen auch in erheblichem Maße stärker unterstützen.

Eine angemessene und bedarfsgerechte Finanzausstattung der Länder nach 2020 zu fordern, ist richtig. Aber das ist auch nur die eine Seite der Medaille. Klar ist auch, dass sich Thüringen mittelfristig bei den Einnahmen im Durchschnitt den finanzschwachen westdeutschen Bundesländern annähern wird. Das hat ganz handfeste Konsequenzen für den Thüringer Haushalt, denn es bedeutet, dass wir auch das Ausgabenniveau der finanzschwachen alten Länder erreichen müssen.

Thüringen gibt jedoch bislang insbesondere im Bereich des aktiven Personals überdurchschnittlich viel Geld aus. Während in den Flächenländern West im Durchschnitt 21,4 Vollbeschäftigte auf 1.000 Einwohner kommen, sind es in Thüringen 23,7. Zum Vergleich: Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt 20,7 Bedienstete. Noch deutlicher zeigt sich der Personalüberhang im Vergleich mit Schleswig-Holstein. Hier kommen 18,9 öffentlich Beschäftigte auf 1.000 Einwohner. Das heißt im Klartext: Kein Land hat mehr Bedienstete, bezogen auf die Zahl der Einwohner, als Thüringen. Und diese Tatsache ist nicht wegzudiskutieren, sie zwingt uns zum Handeln. Aus diesem Grund wird auch diese Landesregierung den bereits in den letzten Jahren begonnenen Weg des Stellenabbaus fortführen und fortführen müssen und am vereinbarten Stellenabbauziel festhalten.

Ausgewogene Politik heißt hierbei aber auch: Um eine leistungsfähige öffentliche Verwaltung zu erhalten, wird die notwendige Rückführung der Zahl der Bediensteten mit einem zukunftsweisenden Einstellungskorridor verbunden. Personalstrukturen werden wir an den Bedürfnissen unseres Landes und an der Thüringer Bevölkerung ausrichten. Neben den Verwaltungsstrukturen sind auch die Gebietsstrukturen deshalb auf den Prüfstand zu stellen.

Ich will zu einem weiteren Thema in unserem Haushaltsentwurf kommen. Zur Einordnung des Haushaltsentwurfs 2015 müssen auch die Investitionsausgaben betrachtet werden. Auch diese sind im Vergleich mit den anderen Ländern noch über

durchschnittlich hoch, aber wir brauchen diese Investitionen. Der Nachholbedarf bei der Infrastrukturinvestition und bei öffentlich geförderten Investitionen im privaten Bereich besteht weiter. Deshalb hat sich diese Landesregierung zum Ziel gesetzt, die Investitionsquote, also den Anteil der Investitionsausgaben an den gesamten Ausgaben des Landes, weiterhin auf hohem Niveau fortzuführen. Der vorliegende Haushaltsentwurf ist Beweis dafür. Dabei helfen uns natürlich auch die sogenannten SoBEZ, die Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen, die Bundes- und Europamittel. Auch diese stehen den neuen Ländern im Vergleich noch immer in großem Umfang zur Verfügung. Um diese Hilfen auszuschöpfen, wird das Land mit diesem Haushalt Bundes- und EU-Mittel vollständig kofinanzieren. In der mittleren Perspektive jedoch darf nicht verkannt werden: Mit dem Absinken der Landeseinnahmen auf den Durchschnitt der Flächenländer West und dem absehbaren Rückgang der europäischen Mittel nach 2020 wird das bisherige Investitionsniveau kaum zu halten sein. Auch dies verdeutlicht der Ländervergleich. Während Rheinland-Pfalz eine Investitionsquote von 9,17 Prozent und SchleswigHolstein von 7,23 Prozent aufweist, plant die Landesregierung Investitionsausgaben in Höhe von 13,51 Prozent der Gesamtausgaben des Haushalts 2015.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich habe ganz bewusst die Rahmenbedingungen für den Thüringer Haushalt sehr ausführlich an den Anfang meiner Rede gestellt. Diese Rahmenbedingungen bilden das wirtschaftliche und politische Umfeld, in dem sich auch Thüringer Politik bewegen muss, will sie verantwortungsvoll handeln. Der eingebrachte Haushaltsentwurf ist Beleg dafür, dass die Landesregierung die Verantwortung übernimmt und dabei zukunftsgewandt für alle Menschen, die hier in Thüringen leben, Politik gestalten möchte. Ich zähle dazu ausdrücklich auch die Menschen, die auf der Flucht sind und in unserem Freistaat eine Unterkunft und Asyl suchen und finden.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als diese Landesregierung im Dezember vergangenen Jahres ihr Amt antrat, hat sie einen höchst rudimentären Entwurf des Doppelhaushalts für das Jahr 2015/2016 vorgefunden.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Weil Ihr es nicht verstanden habt!)

Ganz langsam, Herr Mohring, ganz langsam. Sehr früh im Aufstellungsverfahren hatte die vormalige Landesregierung den Prozess der Haushaltsaufstellung beendet. Das damals vorliegende Zahlenwerk –

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Darauf kommen wir dann zu sprechen!)

(Ministerin Taubert)

und da möchte ich den Vorhaltungen aus den Reihen der CDU-Fraktion ganz ausdrücklich widersprechen – bot eben keine geeignete Grundlage für die Fortführung der Haushaltsaufstellung. Und Herr Mohring, das können wir Haushaltsplan für Haushaltsplan einfach mal rausnehmen, Sie wissen, es waren fast 900 Millionen, die mehr angemeldet wurden.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Aus Ihrem Ministerium ein Großteil!)

Nein, nein, nein! Es waren alle dabei. Ich habe mit dem Vorgänger von mir darüber sehr ausführlich gesprochen. Nein, nein! Alle waren dabei, Herr Mohring, alle waren dabei.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Von euch, Frau Sozialministerin!)

Deswegen, wir reden ja auch nicht darüber, Sie reden darüber.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Ja, na klar, weil Ihr euch schämt!)

Ich schäme mich nicht, nein!

(Heiterkeit im Hause)