Protocol of the Session on February 24, 2016

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen Sitzung, die ich hiermit eröffne, und darf Sie auch bitten, auf Ihren Plätzen Platz zu nehmen. Auch die Medienvertreter bitte ich, sich jetzt aus dem Rund zurückzuziehen. Ich begrüße auch die Gäste auf der Besuchertribüne, darunter Schülerinnen und Schüler aus der Regelschule in Meiningen.

(Beifall im Hause)

Dann vom Bildungszentrum in Jena eine Gruppe – herzlich willkommen auch Ihnen in dieser Plenarsitzung.

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommen Herr Abgeordneter Kräuter und die Redeliste führt Frau Abgeordnete Floßmann. Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt Herr Minister Lauinger zeitweise, Herr Abgeordneter Fiedler, Herr Abgeordneter Höhn sowie Herr Abgeordneter Wirkner und Frau Abgeordnete Meißner.

Der Ältestenrat hat gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung für Herrn Rougé Reinsperger, Herrn Falk Fleischmann, Frau Alice End und Frau Beate Sieg Dauerarbeitsgenehmigungen für Bildund Tonaufnahmen im Plenarsaal für die 6. Wahlperiode erteilt. Aufgrund der Eilbedürftigkeit habe ich für Herrn Michael Kappeler für die heutige Sitzung, Herrn Jochen Binnig und Herrn Martin Loose für die heutige und die morgige Sitzung und für Herrn Peter Schubert für die morgige Sitzung Sondergenehmigungen für Bild- und Tonaufnahmen gemäß der Regelung für dringende Fälle nach § 17 Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung erteilt.

Die Thüringer Landesmedienanstalt hat für heute zu einem parlamentarischen Abend eingeladen, der nach dem Ende der Plenarsitzung gegen 19.00 Uhr beginnen soll.

Nun noch einige Hinweise zur Tagesordnung: Wie Sie der Plenumseinladung entnehmen können, ist der Ältestenrat übereingekommen, die Wahl in Tagesordnungspunkt 25 heute als ersten Punkt, den Tagesordnungspunkt 13 am Donnerstag gegen Mittag, den Tagesordnungspunkt 24 am Donnerstag als letzten Punkt und den Tagesordnungspunkt 23 in diesen Plenarsitzungen auf jeden Fall aufzurufen.

Weiterhin haben die Fraktionen sich dazu verständigt, morgen keine Mittagspause durchzuführen und die beiden Fragestunden aufzurufen.

Darüber hinaus wird angeregt, den Gesetzentwurf der Fraktion der AfD, Fünftes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Freistaats Thüringen, in dieser

Plenarsitzung abschließend zu beraten. Ich gehe davon aus, dass dem niemand widerspricht. Doch!

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Auf Bitten meiner Fraktion tue ich das!)

Wenn widersprochen wird, müssen wir darüber abstimmen. Wer dafür ist, sofern keine Ausschussüberweisung beschlossen wird, im Anschluss an die zweite Beratung gleich die dritte Beratung zum Gesetzentwurf durchzuführen, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stimmen aus den Koalitionsfraktionen sowie der CDU-Fraktion und des Abgeordneten Reinholz und der fraktionslosen Abgeordneten Herrn Gentele, Herrn Krumpe und Herrn Helmerich. Vielen Dank. Eine Mehrheit. Gegenstimmen? Mit Gegenstimmen aus der AfD-Fraktion. Damit ist das aber so beschlossen, dass wir dann im Anschluss an die zweite Beratung auch gleich die dritte Beratung durchführen können, soweit keine Ausschussüberweisung beschlossen wird.

Der Wahlvorschlag der Fraktion Die Linke zu Tagesordnungspunkt 25 hat die Drucksachennummer 6/1782.

Zu Tagesordnungspunkt 26, der Fragestunde, kommen die Mündlichen Anfragen in den Drucksachen 6/1759, 6/1774, 6/1775, 6/1776, 6/1779, 6/ 1780, 6/1786, 6/1787, 6/1788, 6/1790, 6/1791 hinzu.

Ich frage: Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung widersprochen bzw. gibt es Ergänzungswünsche? Das ist nicht der Fall – okay.

Ich komme noch auf einen anderen Punkt, bevor wir mit der Abarbeitung der Tagesordnung beginnen. Eine kurze Information zur Plenarsitzung im Monat Januar: Hier wurde im Präsidium gehört, dass der Abgeordnete Fiedler dem Abgeordneten Harzer zugerufen habe, er sei ein „Drecksack“.

(Beifall AfD)

Dafür gab es einen Ordnungsruf. Dagegen hatte Herr Abgeordneter Fiedler mit der Begründung, er hätte nicht „Drecksack“, sondern „Bläksack“ gesagt, gemäß § 37 Abs. 7 der Geschäftsordnung Einspruch eingelegt. Wir haben das natürlich alles ausführlich geprüft, auch der Ältestenrat hat beraten. Wir haben herausgefunden, dass der Ausdruck „Bläksack“ im rheinischen Wörterbuch als Synonym für „Schreihals“ aufgeführt wird. Er leitet sich von „bläken“ bzw. „blöken“ ab, womit also Laute von Kälbern und Schafen bezeichnet werden.

(Heiterkeit im Hause)

(Beifall CDU, AfD)

Und natürlich könnte man objektiv auch auf den Gedanken kommen, dass es sich hier um eine namensbezogene herabsetzende Äußerung handeln

würde, aber Herr Fiedler hat das wohl gar nicht gemeint.

(Heiterkeit DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Vizepräsident Höhn hat den Ordnungsruf mittlerweile zurückgenommen und erteilt Herrn Abgeordneten Fiedler für den Zwischenruf „Bläksack“ keinen Ordnungsruf, sondern eine Rüge. Damit unterbleibt die Abstimmung hier im Landtag.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Jetzt rufe ich auf den Tagesordnungspunkt 25

Wahl eines neuen Schriftführers Wahlvorschlag der Fraktion DIE LINKE - Drucksache 6/1782

Das geänderte Stärkeverhältnis der Fraktionen untereinander hat Auswirkungen auf die Zusammensetzung der 14 Schriftführer. Frau Abgeordnete Holzapfel hat daraufhin leider ihre Funktion als Schriftführerin niedergelegt. Die nun vorschlagsberechtigte Fraktion ist

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Linke – vielen Dank, Frau Holzapfel – und sie hat als weitere Schriftführerin Frau Abgeordnete Anja Müller vorgeschlagen. Der Wahlvorschlag liegt Ihnen in der Drucksache 6/1782 vor. Ich frage: Wird dazu Aussprache gewünscht? Gibt es weitere Vorschläge? Das ist nicht der Fall. Ich gehe davon aus, dass wir offen abstimmen können. Dann bitte ich um das Handzeichen; wer für diesen Vorschlag ist, der hebt jetzt bitte die Hand. Vielen Dank. Übergroße Mehrheit aus dem Haus. Gegenstimmen? Enthaltungen? Enthaltungen aus den Reihen der AfD-Fraktion. Damit können wir Frau Müller herzlich zu diesem neuen Amt und dieser wichtigen Funktion beglückwünschen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich gehe davon aus, dass Sie die Wahl annehmen. Das Lachen werte ich so. Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf Tagesordnungspunkt 27, die Aktuelle Stunde. Die Fraktionen haben insgesamt vier Aktuelle Stunden eingereicht. Jede Fraktion hat in der Aussprache eine Redezeit von 5 Minuten für ein Thema. Die Redezeit der Landesregierung beträgt grundsätzlich 10 Minuten für jedes Thema und bei den fraktionslosen Abgeordneten beträgt die Gesamtredezeit in der Aktuellen Stunde 5 Minuten.

Ich eröffne den ersten Teil der Aktuellen Stunde

a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktionen DIE LINKE und der SPD zum Thema: „Brandanschlag in Kahla – neue Eskalationsstufe rechter Gewalt in Thüringen?“ Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags - Drucksache 6/1778

Das Wort hat zunächst Frau Abgeordnete Lehmann für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste, ich weiß, dass viele von uns hier im Raum die politische Entwicklung oder zumindest einige politische Entwicklungen in Thüringen mit großer Sorge betrachten, und zwar vor allem, wenn wir uns mit den Fragen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit auseinandersetzen. Das wurde schon deutlich, als wir uns im vergangenen Jahr oder ungefähr vor einem Jahr hier mit der Frage des Thüringer Pegida-Ablegers in Suhl beschäftigt haben. Das wurde auch deutlich, als wir Ende des vergangenen Jahres über die Ergebnisse des Thüringen-Monitors hier im Hause beraten haben. Das wird aber auch deutlich – und deswegen haben wir diese Aktuelle Stunde auch beantragt –, wenn wir über die Übergriffe auf den Demokratieladen in Kahla und den Übergriff auf das Büro meiner Abgeordnetenkollegin Marion Rosin beraten.

Ich möchte noch ein paar Worte zu dem Demokratieladen in Kahla sagen, weil ihn vielleicht nicht jeder kennt. Es ist ein Projekt, das seit 2014 aus dem Landesprogramm für Toleranz, Demokratie und Weltoffenheit gefördert wird. Es eröffnet eine Vielzahl von Veranstaltungen und Ausstellungen. Das ist nicht der erste Anschlag, den es auf diesen Demokratieladen gab. Jetzt ist Kahla, auch das wissen einige von Ihnen hier im Haus, ein relativ schwieriges Umfeld. Dort sind rechte Strukturen im Gemeinwesen relativ deutlich verankert und es gibt immer wieder verbale Angriffe gegen diejenigen, die sich gegen rechts engagieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist eine Entwicklung, die mich mit großer Sorge um unsere demokratische Kultur erfüllt, nicht nur deswegen, weil es hier längst nicht mehr nur um Einstellungen geht, sondern nicht selten eben auch um Taten. Das zeigt sich, wenn wir uns die Entwicklung rechtsextremer Straftaten in den vergangenen Jahren angucken – also insbesondere die Bereiche Volksverhetzung, Körperverletzung und gefährliche Körperverletzung –; da sieht man, dass es hier im Jahr 2013 65 gab, im Jahr 2015 – und das nur bis September – waren es schon 114, also nur für die ersten drei Quartale und trotzdem schon eine Ver

(Präsident Carius)

dopplung. Das sehen wir auch, wenn wir uns die Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte ansehen. Auch hier gibt es eine deutliche Vervielfachung. Im Jahr 2014 waren es in Thüringen 9, im Jahr 2015 – und hier wieder nur bis einschließlich November – 58. Dabei bleiben uns, das sind jetzt Zahlen, aber einige dieser Ereignisse sicherlich immer besonders in Erinnerung. Herr Präsident, es ist relativ unruhig.

Sehr richtig, aber jetzt hat sich alles schon wieder beruhigt. Sie können fortfahren. Entschuldigung.

Einige dieser Ereignisse bleiben uns dabei – glaube ich – besonders in Erinnerung: Wenn wir zum Beispiel an den 1. Mai in Weimar denken, als organisierte Rechtsextreme eine DGB-Kundgebung gestört und versucht haben, dort zu reden, wenn wir an die Ausschreitungen am 1. Mai am Rande von rechtsextremen Demonstrationen in Saalfeld denken oder auch im Jahr 2014 an den Überfall von Nazis auf ein Vereinsheim in Ballstädt.

Es gibt unterschiedliche Versuche, das auch aus wissenschaftlicher Perspektive einzuordnen. Ein Versuch ist eine relativ neue Publikation von Andreas Zick und Beate Küpper, die sagen: Es gibt hier einen Dreiklang aus Wut, Verachtung und Abwertung. Sie beschreiben: Auf der einen Seite entwickelt sich unsere Demokratie oder unsere Gesellschaft tatsächlich in die Richtung, dass sie offener und toleranter wird, und auf der anderen Seite werden negative Stimmungen immer lauter. Die Ursache sehen sie darin, dass Rechtspopulisten und Rechtsextreme Verunsicherung, Unzufriedenheit und latenten Rassismus aufnehmen und nicht nur in Richtung von Wut, Verachtung und Abwertung kanalisieren, sondern diese Stimmung sogar anheizen. Das geht einher mit einer Abwertung von Geflüchteten, von Muslimen, von Jüdinnen und Juden, von Homosexuellen, sozial Schwachen, aber auch mit einer pauschalen Abwertung von Eliten, Medien und Intellektuellen. Bei alldem müssen wir uns die Frage stellen, was wir eigentlich tun wollen. Deswegen haben wir als Koalitionsfraktionen im vergangenen Doppelhaushalt gesagt, wir wollen das Landesprogramm für Demokratie, Toleranz und Weltoffenheit stärken. Deswegen haben wir gesagt, wir investieren dort mehr Geld, um sowohl lokale als auch landesweit tätige Strukturen zu unterstützen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben gesagt, dass wir das Landesprogramm auch in der Frage weiterentwickeln wollen: Welche Zielgruppen erreichen wir und wie können wir eine stärkere lokale Verankerung erreichen? Liebe Kol

leginnen und Kollegen von der CDU, da müssen Sie mir den Seitenhieb erlauben: Da geht es dann auch nicht um die Frage des Ausspielens der Landeszentrale für politische Bildung gegen dieses Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, sondern dann ist klar, dass wir alle Strukturen, die sich in Thüringen für Demokratie einsetzen, stärker untersetzen müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN)

Ein Punkt, der mir an der Stelle noch besonders wichtig ist, ist: Wie schaffen wir es eigentlich, lokale Strukturen zu stärken? Wie schaffen wir es, dass sich die Vereine, Verbände, die Feuerwehr, der Sport vor Ort stärker engagieren? Ich glaube, dass es dafür notwendig ist, die lokalen Strukturen auch auf politischer Ebene zu ermutigen, sich stärker gegen Rechtsextremismus zu positionieren. Auch wenn es abgedroschen klingt: Hier braucht es den Schulterschluss der Demokraten und wir brauchen eine Zusammenarbeit aller demokratischen Parteien vor Ort, um zu zeigen: Diese Angriffe sind auch Angriffe auf uns und die werden wir nicht hinnehmen, weil es um unsere Demokratie geht und um die Frage, wie wir zusammenleben wollen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Lehmann. Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Walk für die CDU-Fraktion.