Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, die Regierung ist da mit Frau Werner; ich begrüße Sie als bislang einzige Vertreterin. Bei den Fraktionen sieht es aber auch noch nicht so gut aus. Wir fangen dennoch an.
Ja, bei der AfD ganz hervorragend – Sie haben eine überdurchschnittliche Präsenz heute Morgen. Sie kriegen ein Bienchen. Herr Kuschel ist auch da.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie alle zur heutigen Sitzung. Ich freue mich, dass wir auf der Besuchertribüne 49 Azubis von der Berufsschule Erfurt begrüßen dürfen. Herzlich willkommen.
Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführer Herr Abgeordneter Schaft neben mir Platz genommen. Die Redeliste führt Frau Abgeordnete Floßmann.
Es haben sich eine ganze Reihe von Abgeordneten entschuldigt für die heutige Sitzung: Herr Abgeordneter Gentele, Herr Abgeordneter Henke, Frau Abgeordnete Meißner, Herr Abgeordneter Höcke zeitweise, Herr Minister Prof. Dr. Hoff, Frau Ministerin Keller, Herr Minister Lauinger, Herr Minister Dr. Poppenhäger und Herr Minister Tiefensee zeitweise.
Zur Tagesordnung darf ich darauf hinweisen, dass zu Tagesordnungspunkt 13 ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU in der Drucksache 6/1711 verteilt wurde. Gemäß § 64 Abs. 3 Satz 1 der Geschäftsordnung sind Änderungsanträge zu selbstständigen Vorlagen, die keinen Gesetzentwurf enthalten, nur mit Zustimmung der Antragsteller zulässig. Ich frage deshalb die Fraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/Die Grünen, ob sie Zustimmung zur Einbringung des Änderungsantrags in der Drucksache 6/1711 erteilen.
Ja. Damit ist der Änderungsantrag zulässig. Ich frage, ob es weitere Wünsche zur Tagesordnung gibt. Das ist nicht der Fall.
Asyl- und Flüchtlingspaket der Bundesregierung zügig und vollständig umsetzen Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/1403
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die Asyl- und Flüchtlingspolitik ist derzeit eines der wichtigsten Politikfelder überhaupt und unsere Bürger erwarten von der Politik, sie erwarten von uns, dass wir Rahmenbedingungen schaffen, nach denen einerseits Asylbewerber und Flüchtlinge bei uns integriert werden können, aber andererseits unsere Bevölkerung nicht durch solche Asylbewerber belastet wird, bei denen eine Ablehnung des Asylantrags zu erwarten ist. Andernfalls besteht bei weiter wachsenden Asylbewerberzahlen die Gefahr, dass die in weiten Teilen der Bevölkerung vorhandene Akzeptanz ins Gegenteil umschlägt. Es ist deshalb wichtig, dass mindestens die im Asylpaket I durch die Bundesregierung geregelten Maßnahmen in Thüringen zügig umgesetzt werden, unabhängig davon, dass dringend weitere Maßnahmen wie zum Beispiel die Begrenzung des Familiennachzugs erforderlich sind, was gestern Abend offenbar zumindest in Teilen beschlossen worden ist. Da muss man mal sehen, was da genau beschlossen ist.
Dazu fordern wir die Landesregierung mit unserem Antrag auf: konsequente, unangekündigte Abschiebung, wenn die Gelegenheit zur freiwilligen Ausreise nicht wahrgenommen wird; Begrenzung der finanziellen Leistungen, wenn die verpflichtende Ausreise nicht erfolgt; keine Verteilung von Asylbewerbern auf die Landkreise, bevor über deren Asylantrag entschieden ist, und während dieser Zeit in erster Linie Sachleistungen zum Lebensunterhalt aber ebenso auch die vollständige Weitergabe von Bundesmitteln für die Betreuung unbegleiteter Minderjähriger. Das sind alles Maßnahmen, die als Mindestmaßnahmen unbedingt umzusetzen sind, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, dass ernsthafte Spannungen in unserer Bevölkerung entstehen. Ich will nicht falsch verstanden werden: Zurzeit besteht für solche Spannungen noch kein Anlass. Hält der Flüchtlingsstrom aber unvermindert an, dürfen wir nicht die Augen vor den sich dann vergrößernden Akzeptanzproblemen verschließen. Danke schön.
Vielen Dank, Herr Scherer. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort erhält die Abgeordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Besucherinnen – Auszubildende aus Erfurt habe ich gehört – herzlich willkommen hier im Thüringer Landtag! Herr Scherer, ich hätte von Ihnen, ehrlich gesagt, schon erwartet, dass Sie auf der Höhe der Zeit sind. Der Antrag, den Sie mit der Überschrift „Asyl- und Flüchtlingspolitik der Bundesregierung zügig und vollständig umsetzen“ in der Drucksache 6/1403 vorgelegt haben, hätte – um dem gerecht zu werden – allerdings einer Überarbeitung bedurft, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Es greift auch zu kurz, zu sagen, dass Sie noch nicht wüssten, auf was sich da gestern verständigt wurde. Da hätte ich von Ihnen ein bisschen mehr erwartet, denn jede und jeder, der heute früh die Zeitung gelesen oder die Nachrichten gehört hat, konnte dort zur Kenntnis nehmen, dass man sich in der Großen Koalition offenkundig darauf verständigt hat, das Nachholen von Angehörigen für Migranten mit dem sogenannten subsidiären Schutz für zwei Jahre auszusetzen. Ich kann Ihnen meine persönliche Meinung dazu sagen: Ich halte das im wahrsten Sinne des Wortes für lebensgefährlich für Frauen und Kinder,
die damit auf tödliche Fluchtrouten gezwungen werden, wenn Familien nicht mehr nachgeholt werden können, und auch für ein riesengroßes Integrationshemmnis. Das kann nicht in Ihrem Interesse sein. Außerdem sollen wohl weitere Länder wie Marokko und Algerien zu sogenannten sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Auch das kann nicht meine Zustimmung finden, meine sehr geehrten Damen und Herren, da Sie alle wissen, dass „sichere Herkunftsstaaten“ ein politisches Konstrukt sind, was mitnichten etwas mit den tatsächlichen Zuständen in den jeweiligen Ländern zu tun hat.
Die CDU hat in ihrem Antrag unsere Landesregierung aufgefordert, und das finde ich auch spannend, die von der Bundesregierung vorgesehenen Maßnahmen auf Landes- und Kommunalebene zügig umzusetzen. Dann benennt sie in ihrem Antrag eine Reihe von asylrechtlichen Aspekten, die in den letzten Monaten auf Bundesebene verhandelt wurden und maßgeblich durch das sogenannte Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz – man könnte es auch Asylrechtsverschärfung nennen – Eingang in die bundesdeutsche Asylgesetzgebung gefunden haben. Ehrlich gesagt, das hatte ich auch schon in meinen Einführungssätzen gesagt, erschließt sich
die Relevanz dieses Antrags nicht wirklich. Besser wäre es gewesen, Sie hätten diesen Antrag zurückgezogen und sich inhaltlich mit den aktuell anstehenden Fragen befasst, die auf Landesebene zu lösen sind, meine sehr geehrten Damen und Herren. Außerdem sollte die CDU zur Kenntnis nehmen, dass die Landesregierung sich selbstverständlich an Gesetz und Recht hält. Da braucht es auch keine Berichterstattung der Landesregierung über die Umsetzung von Bundesgesetzen, denn die sind für uns natürlich maßgeblich. Im Übrigen berichtet die Landesregierung, und Herr Scherer weiß das sehr genau, in jedem Ausschuss über die aktuelle Situation und hat auch in den letzten Wochen mehr als ein Mal öffentlich Stellung zu diesen Fragen genommen. Einen Mangel an Transparenz und Information können wir also nicht konstatieren. Der Vorwurf ist reiner Populismus von der CDU, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Lassen Sie uns aber noch mal zurückschauen: Was ist eigentlich in den letzten 25 Jahren in Thüringen in Sachen Asyl- und Flüchtlingspolitik passiert? Da ist uns die CDU vor allem durch eine planlose, eine diskriminierende und eine rechtskonservative Flüchtlingspolitik aufgefallen. Daher sind wir gemeinsam, das müssen Sie sich jetzt anhören, mit den Linken und der SPD im letzten Jahr angetreten, um das in den kommenden fünf Jahren zumindest in Thüringen, soweit uns das möglich ist, grundlegend zu ändern. Unser Anspruch ist es, vor allem die Standards zu verbessern und auf eine Politik auf Augenhöhe zu setzen, die Selbstbestimmung und Menschenwürde, Herr Emde, in den Mittelpunkt ihres Handelns setzt.
Die Standards zu verbessern, ist nicht gerade einfach angesichts der Anzahl von Asylsuchenden, die in Deutschland Aufnahme suchen. Ich will noch einmal allen, die das immer nicht so genau vor Augen haben, deutlich machen, was das heißt: Nach dem Königsteiner Schlüssel kommen 2,7 Prozent der Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen, zu uns. Das grün geführte Migrationsministerium und auch unsere anderen Ministerien haben in dieser Hinsicht bereits viele positive Entwicklungen angestoßen. Mit dem Doppelhaushalt – Sie erinnern sich sicher – haben wir unter anderem Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Thüringen seine Aufgaben im Rahmen der Integration und der Aufnahme von Asylsuchenden leisten kann. Dazu gehört eben beispielsweise auch, umfassende Beratung für die Asylsuchenden anzubieten. Wir wissen zudem alle, dass Integration langfristig nur durch ausreichende Bildungsangebote gelingt. Da ist das Allererste natürlich immer die Förderung der Sprachkenntnisse
und die Bereitstellung von menschenwürdiger Unterkunft, womit sich unser Ministerium, aber auch alle untergeordneten Behörden wirklich intensiv befasst haben. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an alle, die sich tagtäglich darum kümmern und dafür Sorge tragen, dass in Thüringen niemand in einem Zelt untergebracht sein muss, sondern jeder Asylsuchende tatsächlich ein festes Dach über dem Kopf hat. Es geht aber neben der Sicherstellung einer menschenwürdigen Unterbringung perspektivisch um eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration. Diesen nicht einfachen Weg werden wir gehen, auch wenn uns dies viel Geld kostet, weil uns das die Menschen selbstverständlich allemal wert sind, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir haben die Anzahl der Plätze in den Erstaufnahmeeinrichtungen verzehnfacht und erst kürzlich ein Strukturmodell für die Ausrichtung der Erstaufnahme in Thüringen erarbeitet – Minister Lauinger hat es vorgestellt –, welches nach dem Heidelberger Modell ausgestaltet ist und für klare Strukturen sowie feste Abläufe in der Erstaufnahme sorgt. Die Kommunen erhalten die Erstattung der Kosten für die Aufnahme der Asylsuchenden nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz und der dazugehörigen Flüchtlingskostenerstattungsverordnung. Darin – und das ist uns besonders wichtig – ist auch die Sozialbetreuungspauschale enthalten, die wir erst kürzlich auf 46 Euro erhöht haben, um zumindest einen Schlüssel von 1 zu 100 zu gewährleisten. Wir haben mit dem Doppelhaushalt neben der Investitionspauschale für Gemeinschaftsunterkünfte jetzt auch eine Pauschale für die Schaffung von Plätzen in Wohnungen von 1.000 Euro je Platz zur Verfügung gestellt. Außerdem stellen wir Mittel für Maßnahmen zur Integrationsförderung in Höhe von etwa 3 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Damit können wichtige Integrationsprojekte, wie zum Beispiel die ThINKA-Plus-Projekte, in den Kommunen gefördert werden. Und, das ist uns auch wichtig, wir stellen mehr Mittel für Rückführungshilfen zur Verfügung. Damit werden die freiwilligen Ausreisen finanziert. Um die solidarische, ehrenamtliche und zivilgesellschaftliche Hilfe für Geflüchtete zu unterstützen, haben wir zudem mit einem Änderungsantrag zum Haushalt die nötigen finanziellen Voraussetzungen für eine wirksame Ehrenamtskoordinierung geschaffen.
Jetzt will ich noch mal im Einzelnen auf die Punkte in Ihrem Antrag eingehen: Ein positiver Aspekt, wie ich meine, an der Asylrechtsänderung auf Bundesebene war die Tatsache, dass Menschen aus dem Westbalkan nun die Möglichkeit haben, in Deutschland eine Arbeit zu suchen, und dass die Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte erleichtert wurde. Das Gesundheitsministerium mit Ministerin Werner ist gerade dabei, mit den Kassen eine
Vereinbarung für Thüringen auszuhandeln. Wir sind da manchmal etwas ungeduldig, wir wünschen uns das alles etwas schneller und daher eine rasche Verständigung und die flächendeckende landesweite Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in Thüringen. Positiv war übrigens auch die finanzielle Entlastung der Länder und Kommunen. Allerdings – das muss sich jeder vor Augen führen – ist der monatliche Pauschalbetrag von 670 Euro pro Flüchtling zu gering und deckt lange nicht die vollständigen Kosten der Länder ab. Dass Flüchtlinge nunmehr gezwungen werden können, bis zu sechs Monate in den sowieso oft schon schwierigen – ich nenne es mal vorsichtig so – Erstaufnahmeeinrichtungen zu bleiben, halten wir allerdings für grundlegend verfehlt. Wenn wir uns aber die Realität in Thüringen anschauen, ist der Durchlauf – zum Glück – sehr viel schneller. Insbesondere die Verpflichtung zur dauerhaften Unterbringung von Flüchtlingen aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten in diesen Einrichtungen ist falsch, auch wenn die Zahlen der Asylsuchenden aus diesen Ländern sehr stark zurückgegangen sind. Die Forderungen nach eigenständigen Einrichtungen für Asylsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ist diskriminierend. Das haben wir hier schon mehrfach ausgeführt und lehnen es deshalb ab.
Ansonsten hält sich die Landesregierung an Bundesrecht, so auch beispielhaft beim Vollzug der Ausreisepflicht. Die Forderung, komplett Sachleistungen auszugeben, zeugt von der diskriminierenden Attitüde der CDU-Flüchtlingspolitik. Wir sind froh, dass die Landesregierung sehr genau darauf achtet, den Verwaltungsaufwand in einem vertretbaren Maß zu halten. Diesen Spielraum gibt das Asylbewerberleistungsgesetz den Ländern im Übrigen ausdrücklich – lesen Sie nach in § 3 Abs. 1 Satz 5. Dort heißt es: „Soweit mit vertretbarem Verwaltungsaufwand möglich, sollen diese durch Sachleistungen gedeckt werden.“ Wir wissen alle, dass dies letztlich teurer käme und zudem stigmatisierend und diskriminierend wirkt.
Realsatire pur – anders kann ich es leider nicht sagen – ist die Forderung, die Mittel für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge eins zu eins an die Kostenträger weiterzureichen. Der Bund stellt hier circa 9,5 Millionen Euro für die Aufnahme der unbegleiteten Minderjährigen zur Verfügung. Das sind gerade einmal etwa 10 Prozent der tatsächlichen Kosten. Etwas mehr Realismus wäre also auch vonseiten der CDU angebracht. Vielleicht sollten Sie sich mal dafür einsetzen, die Finanzierung der Länder in dieser Hinsicht weiter zu verbessern, anstatt immer öfter Symbolpolitik und Asylrechtsverschärfungen zu betreiben.
Abschließend lassen Sie mich konstatieren: Wir werden auch in den kommenden Monaten und Jahren mit den Folgen der weltweiten Flüchtlingssituation zu tun haben. Über 60 Millionen Menschen sind derzeit weltweit auf der Flucht. Ich sage es hier noch einmal: Niemand flieht freiwillig.
Unser Migrationsminister hat immer wieder deutlich gemacht, dass gewaltige Aufgaben vor uns liegen und wir uns den Aufgaben stellen, den geflüchteten Menschen eine menschenwürdige und humane Aufnahme und einen wirklichen Schutz zu gewähren. Integration gelingt langfristig nur durch ausreichende Bildungsangebote, die Förderung der Sprachkenntnisse, die Bereitstellung von menschenwürdiger Unterkunft, die Sicherstellung einer menschenwürdigen und einer erfolgreichen Arbeitsmarktintegration. Weitere Asylrechtsverschärfungen, wie beispielsweise im Rahmen des Asylpakets II, helfen uns nicht weiter.
Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung aus aktuellem Anlass zum Schluss: Gestern sind in Schmölln zwei Asylsuchende aus Syrien, die vor dem Krieg hierher zu uns geflohen sind, von einer Gruppe von jugendlichen Menschen angegriffen und verletzt worden. Es ist unser aller Aufgabe, diesen Menschen Schutz zu gewähren und Rassismus und Gewalt gegen Flüchtlinge immer wieder ganz klar und entschieden zu begegnen – auch auf der Straße.
Die Gewalt beginnt mitunter auch mit Hetze, wenn gegen Asylsuchende gehetzt wird wie auf den Mittwochsdemos der AfD.
Das kann ich Ihnen nicht ersparen, da haben gerade Sie eine Verantwortung. Für uns heißt es weiter „refugees welcome“, alle Menschen sind gleich in ihrer Würde und diese ist auch migrationspolitisch nicht zur relativieren. Vielen herzlichen Dank.