Peter Porsch

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Last Statements

Herr Kollege Bartl, stimmen Sie mir zu, dass ein deutsches Bundesland in einer sehr merkwürdigen Situation sein muss, wenn es erst eines Erlasses der Staatsregierung bedarf, um Bundesgesetze einzuhalten?
Frau Schütz, es tut mir leid, diese Frage ist grundsätzlicher Natur. Herr Zastrow, Ihr Fraktionsvorsitzender, hat uns heute früh erklärt, dass es das Beste ist, wenn die Menschen das Geld selbst in der Hand haben und entscheiden können, was sie mit dem Geld machen. Sie erklären uns gerade das Gegenteil. Wie kommen Sie damit zurecht? Sie wollen das Geld beim Staat lassen, damit er es für die Kinder ausgibt, was ich gar nicht so schlecht finde. Wie kommen Sie damit zurecht, dass Sie vormittags das eine und nachmittags das andere erklären? Ich verstehe es einfach nicht mehr.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist Strategie der NPD, den Artikel 2 Abs. 3 des Grundgesetzes scheibchenweise abzuschaffen. „Niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ – So steht es im Grundgesetz. Nichts davon dürfen wir Angriffen aussetzen lassen oder gar aufgeben wollen.
Die NPD betreibt ein übles Geschäft: Benachteiligende und bevorzugende Ungleichbehandlung wegen Abstammung, Herkunft, Rasse, Religion usw. ist der Kern ihrer Programmatik. Das hat schon ihr Wahlkampf anschaulich gezeigt, wenn man sich an die einschlägigen Plakate erinnert; und das verrät permanent ihre Sprache – ununterbrochen und in einer Brutalität, die man sich vor noch nicht allzu langer Zeit eigentlich für Deutschland nicht mehr vorstellen konnte.
Wir haben gerade wieder eine Vorstellung davon bekommen. Oder – um ein anderes Beispiel zu nennen – erst vorigen Monat wollten Sie die Benachteiligung wegen Glaubens hier in diesem Hohen Hause rechtfertigen, weil Sie eine Petition unterstützten, die den Bau von Moscheen untersagen sollte.
All das und noch mehr entzieht Ihnen, meine Dame und meine Herren rechts außen, jegliche Glaubwürdigkeit beim Eintreten für die deutsche Sprache.
Wenn es eine wirkliche Gefahr für unsere Sprache gibt, dann geht sie von Ihnen aus.
Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage; ich beschäftige mich hier ernsthaft mit der Sache.
Herrn Gansels Beitrag hat gezeigt, wie gefährlich halbe Bildung ist.
Sie, meine Dame und meine Herren von der NPD, sprechen nach wie vor die Sprache des Dritten Reiches, die Sprache der Unmenschen.
Nein, ich nicht!
Wir erleben es hier tagaus, tagein, und wer so spricht, der denkt auch so; und wer so denkt, will auch so handeln, und dagegen müssen wir antreten.
Mit der NPD kommen Trittbrettfahrer daher, die in einer ernsthaften Debatte um die Pflege und den Erhalt der deutschen Sprache nichts zu suchen haben.
Wir alle haben deshalb aber auch die Pflicht, wenn wir eine solche Debatte führen – ich führe sie gern –, sie so zu führen, dass die Trittbretter nicht von Fremdenfeinden und völkischen Paranoikern besetzt werden können.
Niemand kann bestreiten, dass die eine oder andere Sorge um die deutsche Sprache berechtigt ist. Niemand sollte dies leichtfertig abtun. Manchmal wundere ich mich schon, wie kämpferisch wir uns um den Erhalt von Flora und Fauna engagieren – zu Recht! – und wie gleichgültig wir uns aber meist gegenüber dem Schicksal der Sprachen in dieser Welt und auch gegenüber der eigenen Muttersprache verhalten.
Jede Sprache ist ein eigener, einmaliger und daher mit allen anderen gleichberechtigter Blick auf die Welt.
Da sind die Worte „Kulturvolk“ und „Kultursprache“, die vorhin gefallen sind, ein Verstoß genau gegen diese Gleichberechtigung und ein überheblicher Anspruch.
Wir sollten also keinerlei Sprachen leichtfertig gefährden, zerstören oder aussterben lassen.
Dass wir heute mit Problemen konfrontiert sind, die als Gefahr für die deutsche Sprache interpretiert werden können – das, meine Damen und Herren, war zu keiner Zeit anders. Dazu gehört zum Beispiel ein unangebrachter, soziale Ausgrenzung befördernder – das ist das Gefährliche –, meist von Eitelkeit und elitärer Einstellung geförderter Fremdwortgebrauch in der öffentlichen Kommunikation.
Ich selbst habe zum Beispiel auf einem großen deutschen Bahnhof erlebt, wie sich die Not zur Panik steigern kann, wenn man auf der Suche nach einer Toilette von den Wegweisern zum WC immer wieder an eine Stelle geführt wird, wo der Pfeil plötzlich in die andere Richtung zeigt, ohne dass man dazwischen das benötigte Örtchen hätte ausmachen können. Wer kann aber auch schon wissen, dass die menschliche Entsorgung des vielleicht bei McDonalds verzehrten Plastikfleisches gerade hinter der Tür mit der Aufschrift „McClean“ zu verrichten ist? Und die „Ticketcenter“ schafft man Gott sei Dank bald ab, weil man die Fahrkarten demnächst nur im Internet bekommt.
Wo trifft man sich aber? Zum „Meetingpoint“ wird man vielleicht den Onkel aus Amerika bestellen können, die Großtante aus Buxtehude sollte man lieber zum Ausgang bitten.
Es ist tatsächlich viel Unfug zugange; und weil dem so ist, hat die PDS-Fraktion übrigens schon in der 3. Legislaturperiode einen einschlägigen Antrag gestellt, der mehr Sorgfalt und unter Umständen auch Regulierung im öffentlichen Sprachgebrauch verlangte. Die Antwort der Staatsregierung damals war dümmlich; aber lassen wir das Schnee von gestern sein.
Um gewalttätigen Gebrauch der deutschen Sprache anzuprangern, bedarf es freilich gar nicht des Fremden. Denken wir nur daran, welche Wortungetüme bürokratisches Streben nach wichtigtuerischer Vollständigkeit täglich hervorbringt. „Wohngeldbewilligungsbescheidungültigkeitserklärung“ habe ich da aktuell im „Spiegel“ gelesen – ein gutes Beispiel aber nicht nur für Gewalt, sondern auch für die Beweglichkeit und für die Strapazierfähigkeit unserer Muttersprache.
Unfug darf aber nicht Anlass sein, gleich das Kind mit dem Bade auszuschütten, sich beckmesserisch gegenüber Vorgängen zu verhalten, die eigentlich zum Alltag gehören, seit es Sprachen gibt. Das ist zum Beispiel das Auftauchen von zunächst fremdem Wortgut, wenn eine Sache aus der Fremde zu uns kommt, die wir noch nicht haben. Ich habe gerade von Toilette und WC gesprochen – verzeihen Sie mir die Verortung; aber es geht ja auch um einen braunen Antrag –:
Das eine ist ein fremdsprachliches Wort, das andere eine Abkürzung für fremdsprachliche Wörter. Da waren uns halt die Engländer und die Franzosen mit der Sache
voraus, und als wir sie endlich zu benutzen lernten, übernahmen wir praktischerweise auch gleich die Benennung dafür. Das war mit dem lateinischen „murus“, das wir sprachlich zur Mauer machten, ebenso wie mit lateinisch „tegula“, das wir heute als Ziegel kennen. Die Germanen hatten nur die Wand – ein Gewinde aus Ästen, beschmiert mit Lehm. Im 17. und 18. Jahrhundert kam die Galanterie aus Frankreich, und sie sprach Französisch.
Aktuell ist das nicht anders mit der Computerterminologie, weil die Innovationen zumeist aus dem angloamerikanischen Raum kamen, auch wenn der Ur-Computer eigentlich in Hoyerswerda erfunden wurde, wie wir gerade gehört haben.
Aber zum Trost für die Deutschen: Aus der deutschen Sprache wurden im 19. Jahrhundert viele philosophische Ausdrücke übernommen. Aus verständlichen Gründen wurde andererseits in kaum einer Sprache das Wort „Reich“ übersetzt.
Man könnte weitererzählen, über die mehr als 500 Wörter arabischen Ursprungs in der deutschen Sprache zum Beispiel, zu denen Admiral, Koffer, Mütze, Jacke und Joppe gehören. 500 Wörter! Das ist wahrscheinlich mehr, als der Durchschnittswortschatz von NPD-Mitgliedern.
Bei Fremdwörtern lassen die sich aber nicht lumpen. Im kurzen Text der Begründung des Antrags der NPDFraktion habe ich 23 Fremdwörter gezählt. Vorhin hat Herr Apfel ganz stolz von „oszillieren“ gesprochen. Von den Wörtern übrigens, deren fremde Herkunft nicht mehr zu erkennen ist, will ich gar nicht sprechen. Im Antrag ist von „Amtsdeutsch“ die Rede; das Wort „Amt“ kommt aus dem Keltischen.
Victor Klemperer – um darauf zurückzukommen – hat uns darauf hingewiesen, dass Nazis zwar gegen Fremdwörter kämpfen, solche aber in aufgeblasener Weise besonders häufig und meist unnötig oder gar falsch verwenden.
Fremdwort hin oder her – wir sollten uns an Goethe halten, der da sagte: „Die Gewalt einer Sprache ist nicht, dass sie das Fremde abweist, sondern dass sie es verschlingt.“ Insofern gehen Angst vor dem Fremdwort und Feigheit vor dem Fremden hier halt einfach in die Hose.
Sprachpflegerisches ist nirgends wirklich Gegenstand des vorliegenden Antrags. Der Antrag dient einzig und allein der Diskriminierung von Menschen ausländischer Herkunft und anderer Sprache. Dafür schrecken die Antragsteller – Frau Präsidentin, ich sage es gleich: jetzt wird es einen Moment herb, aber deutsch, und das soll ja nach Herrn Schiemanns Anspruch grundgesetzlich geschützt werden – vor keiner Blödheit zurück.
Wer will denn ernsthaft behaupten, dass die von mir gerade angesprochenen Dinge von Zuwanderermilieus ausgingen? „Zuwanderermilieus“ steht auch in dem Antrag.
Kein Internationalismus, kein Fremdwort, kein Modewort, kein Wortungetüm und keine zwecks Einbringung in die internationale Kommunikation in englischer Sprache abgefasste wissenschaftliche Publikation sind dem Einfluss von Migranten geschuldet. Auch nicht die gerade zum Jugendwort des Jahres gekürte „Gammelfleischparty“ für Tanzveranstaltungen von Menschen über 30
oder das so abstoßende Wort für eine so schöne Sache – wir haben gestern darüber gesprochen –: „Verpartnerung“.
Es sind schon die Deutschen selbst, die ihrer Sprache manchmal Unzumutbares zumuten. Es sind auch vornehmlich die Deutschen, die ihre Sprache in ihrer ganzen Biegsamkeit, ihrer Fähigkeit zu provokanter Originalität und ihrer Anpassungsfähigkeit an neue Kommunikationsbedürfnisse nutzen und dabei natürlich auch verändern und weiterentwickeln. Das ist gut so und notwendig; denn nicht einmal in den innerschweizerischsten Kantonen kommt man mehr allein mit dem Althochdeutsch dortiger Dialekte aus.
Die Antragsteller schrecken vor Verfälschungen nicht zurück. Nie und nimmer hat ein Norbert Dittmar, den ich seit Langem kenne und mit dem ich gerade wieder zusammenarbeitete, mit seiner Feststellung der Entwicklung einer „Misch-Sprache unter dem Einfluss von Migrantenkindern“ den Gedanken einer Gefahr für die deutsche Sprache verbunden. Er sorgt sich vielmehr um diese Kinder, wenn sie auf den Gebrauch dieser Sprache reduziert würden.
Wenn Sie alles zitiert hätten, was da bei „Focus-Online“ zu finden ist, wäre das auch deutlich herausgekommen. Sie haben Herrn Dittmar hier verfälscht in die Debatte gebracht.
Die Antragsteller entlarven sich aber auch. Ausgerechnet „Girls’ Day“ und „Gender Mainstreaming“ bringen Sie als Beispiele für gefährliche Anglizismen. Glauben Sie wirklich, wir sind so doof und fressen diesen Apfel, um an seinem Griebsch zu ersticken? Hier stören Sie doch nicht die Wörter, hier stören Sie die Dinge, die Phänomene, die mit den Wörtern benannt werden!
Sie werden diese aber mit dem Kampf gegen die Wörter nicht abschaffen. Da stehen schon wir auch noch davor.
Würden wir den vorgeschlagenen Wortlaut für einen neuen Artikel 22a im Grundgesetz übernehmen, so würden auch anerkannte sprachliche Minderheiten – in Sachsen: die Sorben – endgültig ihrer Rechte beraubt.
In Österreich zum Beispiel gibt es einen Verfassungsartikel zur deutschen Sprache als Staatssprache. Ich will mich angesichts des in nationalen und regionalen Varietäten gesprochenen Deutsch jetzt gar nicht darüber auslassen, welches Deutsch dies ist; aber dafür gibt es Wörterbücher und -listen in der EU. Wichtiger ist Folgendes – weil Sie „genau“ sagen; Sie sollten immer genau lesen und nicht bloß die Hälfte; Halbbildung ist wirklich gefährlich –: Es steht an gleicher Stelle und in einem Satz in der Österreichischen Verfassung der ausdrückliche Hinweis, dass dadurch die Rechte der anerkannten Minderheitensprachen nicht berührt sind. Dann funktioniert es vielleicht.
Funktioniert es tatsächlich? Auch in Österreich kann man leider beobachten, wie wenig sich rechte, nationalistische Politiker um solche Artikel scheren. Der jüngst durch rücksichtslose Raserei und Alkohol im Straßenverkehr ums Leben gekommene Jörg Haider hat sich als Landeshauptmann selbst um ein höchstrichterliches Urteil nicht gekümmert und Slowenen stur ihre Ortstafeln verwehrt.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz eine Geschichte aus den Anfängen der deutschen Sprache erzählen. Am 14. Februar 842 trafen sich zwei Enkel Karls des Großen mit ihren Gefolgschaften bei Straßburg. Sie hatten gerade ihren Bruder Lothar im Streit um die Aufteilung des Reichs Karls besiegt. Es waren Ludwig – mit Beinamen „der Deutsche“ – und Karl, den man den „Kahlen“ nannte. Karls Heer bestand aus Menschen mit Altfranzösisch als Muttersprache, Ludwigs Heer vornehmlich aus solchen, deren Muttersprache Rheinfränkisches Althochdeutsch war. Karl und Ludwig wollten im Angesicht ihrer Heere die Festigkeit und Fortdauer ihres Bündnisses gegen den dritten Bruder durch einen Eid bekräftigen. Im lateinischsprachigen Bericht eines Chronisten über diese Eide wird zum ersten Mal in der Geschichte von der „deutschen Sprache“ gesprochen, der „teudisca lingua“. Der eine Heerführer legte den Eid in Altfranzösisch – „romana lingua“ – ab, der andere auf Deutsch, eben in „teudisca lingua“. Jetzt kommt der Clou: Altfranzösisch sprach Ludwig der Deutsche, damit er vom Gefolge Karls verstanden werden konnte. Deutsch schwor Karl, damit ihn die Deutschen Ludwigs verstehen konnten. Die Eide wiederholten die Gefolge ebenfalls in der Sprache der jeweils anderen Seite.
Ich stelle für mich und für uns – auch in Richtung der EU übrigens – fest: Älteste europäische Tradition und verbunden mit den Anfängen der deutschen und der französischen Sprache ist die Achtung der jeweils anderen Sprache, ist der tolerante, rücksichtsvolle, entgegenkommende Umgang damit. Die Sprache des anderen zu sprechen, um verstanden zu werden, stand – vor der eigensinnigen Verteidigung des eigenen Idioms – an den Anfängen der französischen und der deutschen Sprache.
Ich für mich leite daraus ab: So wie unser Grundgesetz die Würde d e s Menschen, also die Würde aller Menschen, für unantastbar erklärt, so sollte es das unantastba
re Recht auf Muttersprache sichern und nicht allein die deutsche Sprache schützen.
Herr Kollege Dr. Friedrich! Könnte es möglich sein, dass Sie im weiteren Verlauf nicht Abriss sagen, sondern Rückbau? Das ist der Sprachgebrauch der CDU.
Herr Kollege Zastrow, wenn der künftige Landtag, was richtig ist, alles ändern kann, was in diesem Doppelhaushalt für 2010 beschlossen wurde, wo bleibt dann die von Ihnen beschworene Planungssicherheit? Ist es dann nicht eher der Versuch, die Wählerinnen und Wähler so zu manipulieren, dass diese sagen: „Planungssicherheit ist nur dann, wenn wir die bestehenden politischen Verhältnisse bei der Wahl bestätigen“?
Herr Kollege Dulig, erinnere ich mich richtig, dass Sie im Wahlkampf für mehr Lehrer für unsere Kinder geworben haben? Können Sie mir jetzt erklären, warum das nicht mehr gelten sollte?
Herr Kollege Dulig, könnten Sie mir sagen, wie oft Sie in den vergangenen drei Jahren nach vertiefter Beschäftigung und sachlicher Auseinandersetzung mit einem Problem in einem unserer Ausschüsse anders abgestimmt haben als Ihr Koalitionspartner?
Ich hätte gern eine Zahl gehört, aber Sie haben sie offensichtlich nicht parat, oder sie ist null.
Herr Dulig, entschuldigen Sie, dass ich Sie in Ihrem Redefluss unterbreche. Aber Sie haben vorhin gesagt, es sei eine Haushaltsangelegenheit. Angesichts der Besetzung der Regierungsbank frage ich Sie, welches Ressort nun wirklich mit dieser Problematik, die wir hier besprechen, befasst sein sollte.
Ja.
Nein, ich frage, welcher Minister von den auf die Regierungsbank gehörenden zuständig ist. Wo ist er denn? Wir haben keinen. Er gehört auf die Regierungsbank. Ich will ihn sehen.
Das ist doch eine Schande!
Ich komme auf Ihre Äußerung zur Rolle des Ausschusses und zu Änderungsanträgen, die im Ausschuss gestellt wurden, zurück. Herr Prof. Mannsfeld, gestehen Sie mir zu, dass ich als Abgeordneter an keinen Auftrag gebunden bin, auch nicht an das Abstimmungsergebnis eines Ausschusses, sondern nur meinem Gewissen verantwortlich bin und dass es aus dem Grund durchaus sinnvoll erscheint, dass ein Änderungsantrag, der im Ausschuss abgelehnt worden ist, noch einmal in die Debatte gebracht wird? Ich muss mich ja nicht an den Ausschuss halten.
Einmal angenommen, es tritt tatsächlich alles nicht ein, was wir unterstellen. Können Sie mir dann sagen, wozu Sie es privatisieren?
Noch einmal, wegen „Deutsch verstehen“: Wenn Sie prüfen, ob ein Rechtsformwechsel sinnvoll ist, dann – so unterstelle ich einmal – tun Sie das doch, weil Sie mit dem Rechtsformwechsel eine Veränderung vermuten; und wenn Sie damit keine Veränderung vermuten, wozu prüfen Sie dann überhaupt?
Herr Kollege, wissen Sie, wie viel Prozent des gesellschaftlichen Gesamtvermögens die 10 % der Reichsten besitzen?
Herr Kollege Krauß, ehe Sie krause quatschen: Sind Sie in Zukunft bereit, bevor Sie mich zitieren, zu lesen, was ich geschrieben habe, und mich dann auch richtig zu zitieren?
Kollege Dulig, Sie haben gerade gesagt: Man muss alles dafür tun. Sind Sie der Meinung, dass Sie in der Koalition als SPD alles dafür tun?
Herr Morlok, Sie verstehen viel von Wirtschaft, darum will ich jetzt Ihre Kompetenz für mich abrufen und fragen, ob ich recht habe.
Geben Sie mir recht? Wer auf Export verzichtet, wer auf Verkauf von Gütern auf der Welt verzichtet, dem fehlen jene Mittel, die er braucht, um sich Dinge auf dem Weltmarkt zu holen, die er selbst nicht hat. Wenn er diese Dinge nicht bekommt, sie aber dringend braucht, wenn er keine Mittel hat, sie zu kaufen, dann kann er am Ende nur auf die Idee kommen, sich das kriegerisch zu holen. Und ich glaube, die Vorgeschichte dieser Partei beweist, dass ich recht habe.
Herr Kollege Schmalfuß, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass heute die Wahrscheinlichkeit, dass ein Mann bei weiblichen Mitbewerbern nur deshalb Professor wird, weil er ein Mann ist, viel größer ist als das, was Sie gerade im umgekehrten Fall beschworen haben?
Ich will gar nicht bestreiten, dass die Realität auf dem Weg ist, sich zu ändern. Wir haben dafür auch schon eine Menge getan. Aber sind Sie auch bereit einzugestehen, dass der Einzelfall immer gegen das Übliche gestellt werden kann?
Politik hat ja offensichtlich doch etwas mit öffentlichen gesellschaftlichen Verhältnissen zu tun. Herr Dr. Martens stimmen Sie mir nicht zu, dass es legitim ist, wenn Politik und Politikerinnen und Politiker die Gesellschaft, so wie sie ist, zur Kenntnis nehmen, analysieren, feststellen, da könnte man etwas verändern müssen, es wäre nicht schlecht, und das dann auch versuchen? Oder wollen Sie das nicht als Politiker?
Aber etwas verändern wollen?
Nein, darum geht es nicht. Das hat mit Gesellschaftsveränderung nichts zu tun, was Sie hier erzählen.
Herr Kollege Bräunig, können Sie mir zustimmen, dass mein Sohn – wenn ich in meiner Familie die Beschaffung von Winterkleidung für meine Kinder so betrieben hätte, wie Sie es gerade vorgeschlagen haben – mit 21 Jahren die erste Winterjacke bekommen hätte?
Herr Lichdi, können Sie nicht in gewohnter Manier die Klimakatastrophe beschwören? Dann hätte sich die Sache mit den Winterjacken erledigt.
Natürlich werde ich unserem Antrag zustimmen. Dem Antrag der NPD kann man bei aller anderen Problematik schon aus formalen Gründen nicht zustimmen. Ihr Antrag ist nämlich nicht identisch mit unserem. Sie haben beantragt: „Artikel 73 wird wie folgt gefasst: ‚Artikel 73 wird gestrichen’.“ Das heißt, es müsste, hätte Ihr Antrag eine Mehrheit bekommen, schließlich an dieser Stelle im Gesetz stehen: „Artikel 73 wird gestrichen.“ Ein solches Gesetz habe ich auf dieser Welt noch nie gesehen.
Unser Antrag sagt nur „Artikel 73 wird gestrichen.“ Also ist er weg. Bei Ihnen hätte man in das Gesetz schreiben müssen, dass Artikel 73 gestrichen wird. Sie sollten ein bisschen aufpassen, wie Sie mit der deutschen Sprache umgehen, wenn Sie Ihren Ansprüchen gerecht werden wollen.
Herr Staatsminister, könnten Sie mir zustimmen und mir folgen, wenn ich sage, dass auch wir daran interessiert sind, dass wir eine Verwaltungs- und Kreisgebietsreform machen, die in allen Teilen verfassungskonform ist, die sauber ist und die von den Bürgerinnen und Bürgern angenommen wird? Das wäre uns das Liebste. Leider müssen wir deshalb bei dem, was Sie machen, befürchten, dass das nicht so ist und dass es dann beim Verfassungsgericht landet. Insofern war das Verb „befürchten“ sehr angemessen.
Frau Weihnert, im Grunde haben Sie mir mit Ihren Ausführungen eine Antwort gegeben. Glauben Sie ernsthaft, die Opposition ist mit dem Klammerbeutel gepudert?
Ich will in diesem Zusammenhang ungern Nebenschauplätze aufmachen, aber es geht dabei schon ein wenig um Glaubhaftigkeit und um Ernsthaftigkeit. Es ist nicht der Kreissitz der LINKEN von Grimma nach Borna verlegt worden,
sondern es gibt ein Abgeordnetenbüro von Frau Köditz. Auf diesem Schild steht: BürgerInnenbüro. Dieses gibt es nach wie vor. Ich war diese Woche erst dort.
Frau Dr. Raatz, weil Sie gesagt haben, es sei so wichtig, dass die Studenten gerade dort mitbestimmten, wo sie betroffen seien: Können Sie mir irgendein Element einer Hochschule nennen, von dem Studenten nicht betroffen sind? Sie müssen doch bei allem mitbestimmen können.
Frau Raatz, ist Ihnen bekannt, dass an allen Hochschulen als eine der größten Errungenschaften der Hochschulreformen Ende der Sechziger-, Anfang der Siebzigerjahre betrachtet wurde, dass Studierende in Berufungsverfahren beteiligt waren, die Kandidatinnen und Kandidaten mit befragen konnten und eine Stimme in der Berufungskommission hatten? Das war eine der höchsten Errungenschaften.
Frau Kollegin, kann es sein, dass dieses Bild mit der Salami und dem Deutschländer Würstchen entlarvt, dass der NPD die Menschen wurscht sind?
Frau Kollegin Nicolaus, können Sie mir im Lichte Ihrer Ausführungen, die Sie gerade hinsichtlich der Bildungspolitik gemacht haben und die ich hundertprozentig unterstütze, die Äußerung von Herrn Colditz interpretieren, dass man in der Schule keine Sozialpolitik machen könne?
Herr Kollege Brangs, können Sie mir die Frage beantworten, wer eigentlich die Situation zu verantworten hat, aus der heraus wir überhaupt erst einen Antrag stellen müssen, dass das ALG für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verlängert werden muss? Wer hat diese Situation zu verantworten, dass wir einen solchen Antrag stellen müssen?
Herr Kollege Patt, können Sie mir aus den vergangenen drei Haushaltsdebatten irgendeinen Antrag der Fraktion der PDS bzw. der Linksfraktion nennen, mit denen wir mehr Verschuldung verlangt hätten, als es die Staatsregierung selbst in ihrem jeweiligen Entwurf vorgeschlagen hat? Können Sie mir irgendeinen Antrag nennen, der das verlangt hätte?
Das ist eine Zwischenfrage des Redners gewesen.
Darf ich sie beantworten?
Sie glauben nicht, dass das geht? Ich könnte Ihnen das alles beantworten.
Sie sind der liebe Gott?
Meine Frage ist kurz und bündig: Können Sie mir die Seite im Handbuch des Sächsischen Landtages nennen, wo Oskar Lafontaine als dessen Mitglied eingetragen ist?
Nach der Frage von Herrn Patt muss ich etwas anders formulieren: Herr Pecher, sind Sie bereit, meine Hilfe in Anspruch zu nehmen und Herrn Patt zu sagen, dass es nebst Kausalitäten manchmal auch zufällige Parallelitäten gibt?
Herr Kollege und Herr Präsident, zuvor ein Satz, um die Frage zu erklären. Ich schließe mich Ihnen vollständig an, wenn es darum geht, eine Gesamtlösung zu finden. Wie aber kommen Sie auf die Idee, man dürfe angesichts der Tatsache, dass man von Athen mit dem Zug noch nicht schnell genug nach Dresden kommt, nicht auch schnell von Dresden nach Berlin kommen? Denn das ist der Tenor Ihrer Rede.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich in der vom Unsinn des Themas gebotenen Kürze über zwei Quellen des Eva-Prinzips sprechen.
Da gibt es die alte und erste Quelle, aufgeschrieben im Ersten Buch Moses, Kapitel 3. Im modernen Unterhaltungskino wird dies etwa so dargestellt: Die Männin – Eva wurde sie von Adam erst später genannt – geht durch den Garten Eden so vor sich hin, und nichts zu suchen hat sie im Sinn – außer der Suche nach gutem Essen für ihren
Mann, aus dessen Bein und Fleisch sie ja gebildet war, weshalb sie dachte: Geht es dem Mann gut, geht es auch mir gut.
Die Äpfel des Baumes, der mitten im Paradies stand, stachen ihr besonders ins Auge. „Sie waren“, so schreibt Moses, „eine Lust für die Augen, gut zu essen und verlockend, weil ihr Genuss klug machte.“ – Nun, solch einen Apfel findet man heute nicht mehr, schon gar nicht in diesem Hohen Hause.
Das Problem bzw. der dramatische Konflikt im Sinne des Unterhaltungsfilmes war freilich, dass just die Früchte dieses Baumes verboten waren. In diesem Augenblick erdachte sich aber die Schlange die Werbung und versprach der Männin und ihrem Mann, zu werden wie Gott und unsterblich, wenn sie gerade von diesen Früchten essen würden.
Das war die erste Familie, Herr Gansel; schnattern Sie nicht so!
Und weil die Männin noch nicht von den Früchten gegessen und deshalb auch noch gar nicht klug war, fiel sie nur allzu leicht auf die Werbebotschaft herein – es geht ja heute auch um solche Frauen, wie sie Frau Schüßler beschrieben hat –; sie aß von den Früchten und gab auch ihrem Mann davon. Die Tragödie nahm ihren Lauf – aber nicht, wie in der Werbung versprochen. Der Apfel war schon damals – wie noch so oft und bis heute – für den Menschen nicht bekömmlich, und damit war der Punkt erreicht, an dem das Eva-Prinzip zum ersten Mal scheiterte.
Der Mann und die Männin wussten gar nicht, wie ihnen geschah. Sie sahen sich plötzlich nackt, schämten sich dessen, versteckten sich und erfanden die Bekleidung und damit auch die Mode. Es kam aber noch viel schlimmer. Sie wurden von ihrem Schöpfer verdammt – sie zur Mühsal der Geburt, er zum Schweiß, der fortan zum Essen gehören sollte, und beide zur Sterblichkeit.
Aus dem Paradies wurden sie vertrieben, und dem Manne wurde die Herrschaft über das Weib erteilt. Adam nannte sein Weib jetzt Eva – das heißt hebräisch Leben –, eben, weil sie fortan nur einen Zweck erfüllen sollte: unter Schmerzen die Mutter aller, die da leben, zu gebären. Zeugen und Gebären, Leben und Sterben waren die
Folgen des Sündenfalles; Mord und Totschlag aber auch – und das bereits in der nächsten Generation.
Doch spätestens nach der Sintflut ward die Verdammnis über die Menschen und die Erde in einem Bund zwischen Noah und seinem Schöpfer aufgehoben, nachzulesen im 8. Kapitel im Ersten Buch Moses. Dies hätte auch eine Chance für die Frau sein können, denn Gott wollte nicht mehr schlagen alles, was da lebt. Es galt der Fluch nicht mehr, der Frau keine andere Rolle zuzugestehen als die, dass ihr Verlangen nach ihrem Manne sein sollte, dieser aber ihr Herr wäre. „Doch das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf“ – so die von Moses aufgeschriebene göttliche Resignation –, und gegen Dummheit ist kein Kraut gewachsen – so die menschliche Erfahrung. Es mag ja sein, dass da, wer Eva heißt – und gar noch Herman –, besonders gefährdet ist, selbst wenn der „Her“ in „Herman“ etwas weniger scharf als sonst, nur mit einem „r“, geschrieben wird. – Frau Herrmann, das ist auch gut für Sie; alles, was ich zu „Herman“ sage, trifft auf Sie nicht zu. Nomen ist eben auch oft Omen, weshalb sich Eva immer noch freiwillig in die Verdammnis begeben kann, als Frau den Mann als ihren Herrn anzuerkennen, also ihn zum „Herr-Mann“ zu machen und nichts als die Vereinigung mit diesem Mann und die schmerzhafte Geburt zum weiblichen Lebenszweck zu erheben.
Nun, der Menschin Wille sei ihr Himmelreich, möchte man nun zu Eva Herman sagen und zur Tagesordnung übergehen. Ja, wenn da nicht eben jene wackeren braunen Männer und ihre Evas wären, die in einer solchen Dummheit die neue, die zweite Quelle des Eva-Prinzips sehen würden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich erhebe warnend die Stimme; denn solche Ignoranten haben nebst anderen auch schon einmal einen dicken Herrmann – nun standesgemäß mit zwei „r“ – vergöttert, und der hieß mit Nachnamen – hören Sie einmal zu – bekanntlich Göring.
Das ist, namenkundlich gesehen, ein verkümmerter „Gerhard“ und meint einen strengen Patron mit Speer – einen Mann, wie ihn sich eben braune Männlein und Weiblein erträumen, und Ihre Eva hieß damals auch noch Braun; nun sage wirklich niemand mehr, Nomen sei nicht Omen. Zum Glück war diese Eva unfruchtbar oder ihr Patriarch impotent – ’rum wie ’num, wie das der Sachse sagt; es war aber gut so.
Wir müssen uns aber – ich bin gleich fertig – an die ganze Geschichte erinnern; denn wir wissen, wie gefährlich ein Eva-Prinzip dieser Leute ist.
Hier im Hause sitzen falsche braune Propheten, getarnt als pausbäckige Äpfel. Machen wir ihre archaischen
Kreuzzüge nicht mit, auch wenn es zunächst nur Mutterkreuzzüge sein sollten, – –
meine Damen und Herren, es werden immer Kriege daraus!
Herr Präsident, ich darf gleich von hier aus sprechen. – Ich werde mich mit niemandem außer mit der braunen Fraktion hier polemisch auseinandersetzen, weil ich mich auch an Absprachen halte.
Ich werde nur drei Feststellungen machen.
Erste Feststellung: Meine Erfahrung ist nach wie vor bestätigt – und sie wurde auch heute bestätigt –, dass die falschen braunen Propheten am besten dann getroffen sind, wenn man sie der Lächerlichkeit preisgibt. Nichts anderes war der Zweck meines Vortrags.
Zweitens. Ich zitiere Tucholsky: „Mache in Deutschland Satire und die halbe Nation sitzt auf der Couch und nimmt übel.“ – Dieser Spruch stimmt immer noch.
Drittens. Mein Beitrag war zwar nicht gereimt, und insofern waren es auch keine Verse, aber ich nehme mit Interesse zur Kenntnis, dass auch in Deutschland mittlerweile satanische Worte möglich sind.
Herzlichen Dank. Ich wollte nur § 32 Geschäftsordnung mit der Überschrift Berichterstattung, Abs. 3, soweit es die Sache betrifft, zitieren: „Der Bericht zur überwiesenen Vorlage muss die Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses mit Begründung sowie die Ansicht der Minderheit und allenfalls die Stellungnahme der mitberatenden Ausschüsse enthalten.“
Ich stelle fest, dass das bis dato überhaupt nicht geschehen ist, und ich bitte Sie, dafür zu sorgen, dass § 32 Abs. 3 eingehalten wird.
Kollege Dr. Pellmann, sind Sie mit mir einer Meinung, dass man aus dem Grad der Anwesenheit von CDU-Abgeordneten – es sind sieben Personen – ableiten könnte, welches Interesse diese für die soziale Lage der Bevölkerung haben?
Herr Kollege, ich weiß nicht, ob Sie mitbekommen haben, dass jetzt insgesamt schon zehn CDU-Abgeordnete im Saal sind. Halten Sie dies für den Quantitätssprung, der auch den Qualitätssprung der Aufmerksamkeit verdeutlicht?
Im Übrigen: Die selbsternannten Verteidiger der Hartz-IVOpfer, die NPD, sind zu dritt hier. Meinen Sie, dass das die selbsternannte Qualität, Verteidiger der Hartz-IVOpfer zu sein, bestätigt?
Sie müssten dann, wenn es geht, auch gestatten, dass ich noch einmal auf Ihre Rechnung zurückkomme, die Sie offensichtlich für beispielhaft angesehen haben: Wenn man diejenigen aus der Arbeitslosenstatistik herausnimmt, die gar nicht
arbeiten wollen, dann sind die Zahlen gar nicht mehr so schlimm, jedenfalls sinken sie um 4 %.
Wissen Sie, dass diese glorreiche Rechnung eine glorreiche Analogie hat? Die DDR hat am Ende ihrer Zeit diejenigen, die nicht wählen gehen wollten, einfach aus der Statistik der Wählerinnen und Wähler herausgenommen und kam dann auf 100 % Wahlbeteiligung.
Kollege Krauß, können Sie mir im Lichte Ihrer Ausführungen erklären, warum dann Ihre Parteifreunde in den Jahren nach der Wende der DDR immer vorgeworfen haben, verdeckte Arbeitslosigkeit produziert zu haben, weil sie Leute in Arbeit brachte und diese Arbeit mit staatlichen Mitteln bezahlte, obwohl sie eigentlich nicht nötig war?
Gestatten Sie mir, Ihnen den Glückwunsch dafür auszusprechen, dass es Ihnen gelingt, das Bild der DDR derart positiv zu malen, wie mir das nie gelingen könnte?!
Herr Kollege Colditz, habe ich Sie jetzt recht verstanden, dass Sie mit Ihrer Äußerung kundgetan haben, dass, wenn sich die Koalition auf etwas geeinigt hat, die Opposition gefälligst den Mund zu halten hat und sich nicht mehr zu Wort melden braucht?
Herr Morlok, würden Sie mir zustimmen, dass Ihr Ansatz, konsequent zu Ende gedacht, zum Beispiel der Versuch, Torf wieder zur Verstromung einzuführen, eine ganz andere Subvention erhalten müsste als die Braunkohle oder die Steinkohle?
Könnten Sie mir garantieren, falls Sie einmal die politische Mehrheit erreichen, den Import von Torf aus der Republik Irland so zu subventionieren, dass ich ihn verstromen kann?
Herr Morlok, würden Sie mir auf der Basis der letzten Bemerkung zugestehen, dass Sie, wenn Sie Braunkohle, die mehr CO2-Ausstoß bei der Verstromung hat als zum Beispiel Steinkohle, deshalb besser subventionieren, von CO2Ausstoß und den Problemen damit auch keine Ahnung haben?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident, eine Sternstunde Ihrer Amtsführung war das gerade nicht,
und die Aufregung, mit der Sie ans Pult gegangen sind, ist wahrlich kein Mittel dafür, die Wahrheit Ihrer Behauptungen zu stützen oder gar zu belegen – im Gegenteil. Ich kann ja Ihre Aufregung verstehen. Natürlich ist der Untersuchungsausschuss für Sie gefährlich. Daran besteht überhaupt kein Zweifel; und wenn er nicht gefährlich wäre, würden Sie in aller Ruhe abwarten. Aber Sie warten nicht in aller Ruhe ab, das heißt, wir haben recht mit dem Willen, einen solchen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Ich kann verstehen – Herr Kollege Prof. Weiss hat es im Grunde gesagt –, Sie wollen einen Untersuchungsausschuss, der entweder vom Untersuchungsauftrag her Ihren Interessenlagen entspricht, – –
Nein, nein. Die Verfassung schützen Sie vor; über die Verfassung hat Herr Bartl gesprochen.
Sie wollen entweder einen Untersuchungsausschuss, der Ihrer Interessenlage entspricht, oder – Sie haben es angedeutet – Sie drohen damit, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses zumindest zu torpedieren versucht wird, indem Zeugen nicht aussagen, indem Sie sich auf irgendwelche Behauptungen, die Sie heute aufgestellt haben, berufen, und ähnliche Dinge.
Herr Ministerpräsident, wenn Sie Argument gegen Behauptung stellen, dann sollten Sie als Ministerpräsident in diesem Land mit den Argumenten anfangen. Sie haben vorhin nur Behauptungen aufgestellt – böswillige oder nicht belegbare Behauptungen, und ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich gehe auf die Kalte-Krieg-Rhetorik – sowohl von Herrn Hähle als auch von Ihnen – nicht ein. Dabei gäbe es ja dann viel über Akten zu diskutieren, trefflich zu diskutieren: was man bewahrt, was man schreddert, was man wieder zusammensetzt, was man zerschreddert lässt usw. Das ist nicht der Stil, den wir hier brauchen, das hilft auch nichts in diesem ganzen Zusammenhang.
Wenn Sie die Energie
und die Aufregung, die Sie heute in Ihren Vortrag gelegt haben, von Anfang an verwendet hätten, um sich erst
einmal über den Sauhaufen Innenministerium und den Sauhaufen Verfassungsschutz aufzuregen –
und dann zu sagen: Wollen wir einmal gemeinsam die Sache anpacken und versuchen, wieder Ordnung hineinzubringen, und aufklären, was schiefgegangen ist; und dann wollen wir uns mit dem auseinandersetzen, was schiefgegangen ist. Da schaue ich nicht so sehr nach Opposition oder Regierung, sondern es geht doch im Grunde, denke ich, um Sachsen. Kann das sein?
Es geht nicht darum, ob Sie nun die Wahrheit gepachtet haben und die anderen nicht. Ich gehe nicht auf die KalteKrieg-Rhetorik ein, aber die Methode „alte Stasi“, die Sie uns unterstellt haben, weise ich entschieden zurück. Einen Untersuchungsausschuss einzusetzen – wenn das die Methode „alte Stasi“ ist, dann haben Sie gehörige Probleme mit der Verfassung, Herr Ministerpräsident.
Es gibt eine andere Methode. Es gibt die Methode „Paunsdorf“, und zur Methode „Paunsdorf“ gehörte, dass Staatsanwälte Weisungen bekommen haben, Dinge zu unterdrücken, und dass Staatsanwälte, die dies nicht tun wollten, versetzt und aus dem Amt gebracht wurden.
Nun einmal eine ganz elementare Unterrichtseinheit: Sie haben Herrn Bartl gesagt, wenn er Vorsitzender des Untersuchungsausschusses werden will, dann ist er nicht Ankläger, sondern Gericht. Das ist doch klar. Wir haben dieses Gericht doch noch gar nicht eingesetzt. Erst müssen wir den Untersuchungsausschuss einsetzen, das heißt das Gremium, in dem es dann um Anklage und Gericht geht. Zunächst einmal muss dafür eine Anklage vorliegen. Selbstverständlich ist der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eine Anklageschrift, in der Dinge benannt werden, die im Untersuchungsausschuss zu untersuchen sind.
Es trifft zu, dass die Arbeit des Untersuchungsausschusses völlig ergebnisoffen ist. Wieso denn nicht? Aber wir haben Fragen gestellt und wir haben auch Behauptungen aufgestellt. Wir wollen sie in einem Untersuchungsausschuss überprüft wissen. Wir wollen dann ein Ergebnis haben. Das kann so oder so aussehen. Das hat doch niemand von uns bestritten.
Also, das ist doch genau die Flucht. Sie wollen uns zwar gestatten, dass wir einen Untersuchungsausschuss einrichten, aber Sie wollen uns nicht gestatten, dass wir in diesem Untersuchungsausschuss etwas untersuchen, von dem wir behaupten, dass es untersuchungswürdig sei. Wie sollen wir denn das machen? Das ist doch eine Abstraktion von Untersuchungsausschuss, die nicht geht. Sie können ja auch kochen ohne Zutaten, wenn Sie wollen.
Das stammt nicht von mir, das habe ich irgendwo gelesen.
Zu dem, was die Akten betrifft, und dazu, was vernichtet werden darf und was nicht, haben Juristen sicherlich differenziertere Auffassungen. Da gibt es Klassifikationen von Akten, über Sachakten, Beiakten, Beweismittelakten usw. Darüber will ich mich nicht laienhaft auslassen. Aber ob Akten vernichtet werden durften oder nicht, wäre vielleicht auch eine Frage, die der Untersuchungsausschuss zu klären hätte.
Weil Sie gerade „PKK“ sagen, ich hätte es beinahe vergessen: Das ist für mich eigentlich ein Nebenschauplatz, aber er zeigt natürlich, wie Sie bei diesen Dingen vorgehen. Wenn Sie ernsthaft behaupten, die PKK wäre dem Vorschlag des Innenministers gefolgt und nicht umgekehrt, dann wissen Sie entweder wirklich nicht, wovon Sie sprechen, und dann sind Sie fehl im Amt, oder Sie wissen sehr genau, wovon Sie sprechen, dann werden wir überprüfen müssen, ob das im Amt so geht.
Sie unterstellen uns generelles Misstrauen gegenüber dem Vorgehen der Staatsregierung. Na ja, das ist zwar von einem Klassiker des Marxismus-Leninismus, wenn ich das richtig weiß, aber es ist allgemein gültig: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! – Und die Kontrolle ist in der Verfassung vorgeschrieben, komischerweise nicht das Vertrauen. Davon steht nichts drin.
Wir haben Vertrauen in die Justiz. Wir haben selbstverständlich Vertrauen in die große Zahl von Polizisten, von Beamten, von Richtern, von Staatsanwälten. Das haben wir nie bestritten. Den Dank und die Anerkennung kann ich nur unterschreiben. Genau deshalb müssen die schwarzen Schafe gefunden werden, und genau deshalb muss aufgeklärt werden, wenn es Unregelmäßigkeiten gibt.
Und dann muss gefragt werden, wer die einzelnen schwarzen Schafe sind. Mein Verdacht – ich sage „mein Verdacht“, er muss aufgeklärt werden – ist, sie sitzen ganz oben, nicht unten! Darum auch Dank an Polizisten, Richter und Staatsanwälte. Es ist kein Generalverdacht, sondern es ist unsere Pflicht, wenn so ein Verdacht da ist, ihn von der Ebene des Generalverdachts auf die Ebene der Aufklärung zu bringen und zu fragen, wer der Einzelne war. Dann ist es kein Generalverdacht mehr.
Wenn Sie daran Interesse haben, dass der Generalverdacht aus der Welt geschafft wird und dass wir wissen, wer was wann falsch gemacht hat, absichtlich, zufällig, missgeschicklich oder ähnlich, dann müssen Sie allerdings diesem Untersuchungsausschuss zustimmen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mir die Vorbemerkung nicht verkneifen. Nach allem, was ich hier in 17 Jahren in diesem Parlament erlebt habe: Wenn die Regierungsparteien plötzlich Fürsorglichkeit für die Opposition signalisieren, dann werde ich sehr misstrauisch. Das zum Anfang.
Zum Zweiten werde ich jetzt einfach fragen: Wie stellen Sie sich das eigentlich vor? Zum Usus gehört – und es spricht in der Geschäftsordnung nichts dagegen –, dass die Fraktion oder die Fraktionen, die eine Auszeit verlangen, hinterher eine Erklärung abgeben. Wollen Sie für uns anschließend eine Erklärung abgeben?
Für uns? Das ist eine neue Art des Umgangs mit der Opposition.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Hähle, Sie haben in Ihrem letzten Halbsatz endlich einen Anflug von Ehrlichkeit gehabt. Sie wollen doch nicht, dass der Untersuchungsausschuss mit diesem Untersuchungsauftrag eingesetzt wird.
Das widerspricht Ihren Interessen. Das widerspricht ganz offensichtlich auch Ihrer konkreten Situation, in der Sie sich mit all diesen Skandalen befinden.
Nun wollen Sie einen Weg gehen, der einmalig wäre in der Parlamentsgeschichte. Sie wollen sozusagen als Mehrheit Einfluss nehmen auf einen Untersuchungsauftrag, den die Minderheit formuliert hat, und wollen sich den genehm machen. Das ist verfassungswidrig! Dann gehen Sie bitte den ordentlichen parlamentarischen Gang, den das Untersuchungsausschussgesetz vorgibt, aber den ehrlichen. Dann sagen Sie: Jawohl, wir wollen mit dem Ding noch einmal in den Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss.
Dort können wir auch nur eine Woche verhandeln, genau so, als wenn wir es außerhalb machen. Nur außerhalb machen wir es außerhalb der vorgesehenen Rechtsstruktur, innerhalb machen wir es in den vorgesehenen Rechtsstrukturen. Dann werden wir sehen, was dabei herauskommt. Am Ende können Sie den Untersuchungsauftrag nicht formulieren. Den können nur die formulieren, die ihn eingereicht haben.
Herr Staatsminister Jurk, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie uns jetzt sagen wollten, der Ministerpräsident ist abwesend, weil Bundesratssitzung ist?
Es steht in der Liste: Begleitung des Bundespräsidenten zum Drillingstreffen im Freizeitpark Belantis.
Herr Zastrow, erinnere ich mich richtig, dass Sie gestern die Koalition als die Koalition der großen Wahlverlierer bezeichnet haben?
Und können Sie mir jetzt sagen, warum Sie mit denen gemeinsame Sache machen wollen?
Herr Zastrow, natürlich nicht. Sie glauben, Sie hätten noch mehr Zeit. Aber Herr Zastrow, ist Ihnen entgangen, dass die einzige Partei, die seit 1990 in diesem Landtag ist und die bei jeder Wahl zugelegt hat, die Linksfraktion.PDS ist?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident! „Spät kommt er, doch er kommt!“, möchte man aus Schillers „Piccolomini“ zitieren. Aber da war, anders als bei Schiller, kein weiter Weg, der Euer Säumen entschuldigen könnte. Sie sind einfach zu spät – aus eigener Schuld, und die Halbzeit ist schon lange herum. Sie kommen mir heute vor, als würde Günter Netzer mit seinem Kommentar zur ersten Halbzeit erst in der 55. Minute anfangen, obwohl das Spiel schon lange wieder läuft. Es läuft offensichtlich so schlecht und recht wie in der ersten Halbzeit, und auch deren Lob hilft wohl nicht mehr viel weiter.
„Leicht beieinander wohnen die Gedanken, doch hart im Raume stoßen sich die Sachen“, vermerkt uns wiederum Schiller in „Wallensteins Tod“. Sie, Herr Ministerpräsident, haben durch ihn, Schiller, uns dies heute eindrucksvoll bestätigt.
Nehmen Sie eigentlich wahr, wie hart im Raume sich die Sachen stoßen? Ihre heutige Rede hat bewiesen, Sie nehmen es nicht wahr.
„Da stehen Sie, ein entlaubter Stamm“, wiederum frei nach Schillers „Wallenstein“.
Frei nach Schillers „Don Carlos“ könnte man der Koalition ins Stammbuch schreiben: „Zweieinhalb Jahre und nichts für die Unsterblichkeit getan!“
Was aber war des Ministerpräsidenten langer Rede kurzer Sinn? Vergleiche zur Frage in Schillers “Piccolomini“. Es war der kurze Sinn beileibe nicht „Ich bin besser als mein Ruf!“, wie Schillers „Maria Stuart“ von sich meinte, sondern es hilft nichts: Sie sind noch schlechter als Ihr Ruf, meine Damen und Herren von der Koalition.
Im Koalitionsvertrag – also vor Tisch – las man’s anders – frei nach Schillers „Piccolomini“: „Vor Tische las man’s anders“, als es jetzt als magere Speise serviert wird. Auf das Verhältnis von Koalitionsvertrag und Wirklichkeit passt genau, was der Chor in Schillers „Braut von Messina“ rezitiert: „Hinter den großen Höhen folgt auch der tiefe, donnernde Fall.“
Ich kehre von Schiller zurück in die Bilderwelt des Sports und stelle fest: Sie, Herr Ministerpräsident, haben hier ein Steherrennen versucht, sind aber zu spät aufgewacht. Sie meinten, wer sich zuerst bewegt, verliert. Die Linksfraktion.PDS hat sich tatsächlich zuerst bewegt. Wir haben die wirkliche Halbzeitbilanz unter die Leute gebracht. Sie haben heute versucht, aus dem Windschatten heraus anzugreifen, und sind kläglich gescheitert. „Es treibt Sie das verworrene Streben blind und sinnlos durchs wüste Leben“, Schiller „Braut von Messina“.
Wir haben zur Halbzeitbilanz der Koalition unter dem Titel „Versprochen, gebrochen, vertagt“ zwölf Felder aufgezeigt, auf denen diese Koalition versagt hat, und zwar gravierend. Nichts davon, was Sie, Herr Ministerpräsident, heute gesagt haben, hat uns in diesem Urteil zweifeln lassen.
Auch wenn die Arbeitslosenzahlen gesunken sind, haben Sie nur einen unzureichenden Beitrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit geleistet. – Ich komme darauf zurück.
Die Mauer zwischen Gymnasium und Mittelschule ist nicht niedriger geworden, sondern höher. In der Schulpolitik spricht Martin Dulig immer darüber, wie Schule gemacht werden müsste, und malt das in den schönsten Farben aus.
Wenn es jedoch an die konkrete Umsetzung seiner farbigen Visionen von Schule geht, dann muss man feststellen, dass nichts davon Wirklichkeit geworden ist. Selbst das hochgelobte Projekt der Gemeinschaftsschule, das als Einstieg in den Umbau der Schule angekündigt worden war, kommt nicht voran. Der Stellenabbau geht weiter, anders als in der Koalitionsvereinbarung versprochen.
Völlige Fehlanzeige bisher beim vollmundig angekündigten modernen neuen Hochschulgesetz. Die CDU schlägt in der Hochschulpolitik alles über einen Leisten, den Leisten des wirtschaftlichen Nutzens. In der Praxis bedeutet das, den Umbau der Universitäten und Hochschulen zu Dienstleistungsunternehmen vorzunehmen.
Man will eine Entpolitisierung der Hochschule zugunsten einer technokratischen Institution. Damit – am Beispiel der Hochschulen – sind wir ganz offensichtlich beim entscheidenden Charakteristikum für die Politik der CDU unter Georg Milbradt insgesamt. Die moderne Gesellschaft gilt Ihnen, Herr Ministerpräsident, als ein technokratisches Projekt, bei dem allzu viel Mitsprache nur stört.
Auf diese Weise wird die ganze Gesellschaft entpolitisiert und demokratischer Protest sogar tendenziell kriminalisiert – und das bei einem Koalitionspartner, der einmal einen Bundeskanzler stellte, dessen Politik unter dem Motto stand: „Mehr Demokratie wagen!“
Wohl nicht umsonst hat Angela Merkel in ihrer Antrittsrede vor dem Deutschen Bundestag zwar an Willy Brandt erinnert, ihre politische Maxime dann aber mit „Mehr Freiheit wagen!“ umschrieben. Die politische Freiheit des Citoyen, die wir auch wollen, ist dabei jedoch ganz offensichtlich nicht gemeint. Vielmehr geht es der Kanzlerin und der CDU einzig um die unternehmerische Freiheit. Dahinter haben dann Ansprüche auf Demokratie zurückzustehen. Herr Ministerpräsident, Sie gehören eigentlich auch hinter den Zaun von Heiligendamm –
nicht, weil auch Sie einer dieser angeblich Großen sind, sondern weil all jene, die der Liberalisierungs- und Globalisierungstyrannei anhängen, die Isolation in Heiligendamm als Strafe verdient haben.
Auf dem Altar einer merkwürdigen neuen Freiheit werden politische Freiheiten geopfert, so eben auch die Wissenschaftsfreiheit. Wissenschaft und akademische Ausbildung sind nicht mehr Partner der Wirtschaft – das sollten sie sein –, sondern sie werden zu deren Mägden degradiert. Freilich kann ich in diesem Zusammenhang – dies tue ich sehr gern – den Widerstandsgeist der SPD nur
loben. Herr Prof. Weiss, im Streit um die Personal- und Tarifhoheit im Hochschulbereich geht es sicher auch um die Arbeiterklasse. Die Sorge um diese ehrt Sie; eine solche ist unter Sozialdemokraten kaum noch üblich. Es geht aber noch mehr um die Qualität unserer Universitäten und Hochschulen, um die sich nicht zuletzt auch die Arbeiterklasse sorgen muss.
Gehen die Tarif- und Personalhoheit auf die Universitäten und Hochschulen über, so wird sich sehr schnell die Universitas Litterarum auflösen; sie ist aber immer noch die billigste Organisationsform von Interdisziplinarität. 50 % des Personalfonds wird man dann künftig für drei bis vier Spitzen ausgeben, mit denen man sich schmücken will; die zweite Hälfte des Geldes für den Restbetrieb, aus dem sehr bald ein scheinbar verzichtbares Fach nach dem anderen herausfallen wird. Lassen sich das die Betroffenen nicht gefallen – und sie werden es sich nicht gefallen lassen –, so werden sie danach streben, eine eigene Hochschule bzw. Universität mit der Dominanz ihrer Fächer zu gründen. Sie können diesen Prozess sehr schön dort beobachten, wo man die Personalhoheit bereits auf die Universitäten und Hochschulen übertragen hat, zum Beispiel in Österreich. Am Ende wird die Sache teurer statt billiger, und vor allem wird sie kleinkarierter. Verraten ist das Recht auf Bildung, zu dem doch auch das Recht auf akademische Bildung gehört.
Aber so sehr, wie sie immer beteuern, sind den Koalitionären die kommenden Generationen ohnehin nicht ans Herz gewachsen, sonst wären wir nicht ostdeutsches Schlusslicht bei der Krippenbetreuung, und Sie hätten beim letzten Doppelhaushalt nicht den Rotstift bei der Jugend angesetzt.
Dass die Jugendhilfe als Gegenfinanzierungsmasse für Vorhaben im Bildungsbereich herhalten musste, davon konnten kein Theaterblitz und kein Theaterdonner in der Haushaltsdebatte ablenken. Aber: „Wenn man für jeden Donner und jeden Blitz, den ihr losbrennt mit eurer Zungenspitz’, die Glocken müsst’ läuten im Land umher – es wäre bald kein Mesner zu finden mehr.“ – So sagt der Kapuziner in Schillers „Wallenstein“, und dies gilt wohl auch für diese Koalition.
Ärztemangel breitet sich im Lande aus, Armut ebenso, und der dazugehörige Bericht wird uns vorenthalten. Beim Klimaschutz blockiert sich die Koalition. Der in der Koalitionsvereinbarung angekündigte regelmäßige Lagebericht über die sozialen, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Entwicklungen in den Grenzregionen mit entsprechenden Schlussfolgerungen ist bisher nicht ein einziges Mal veröffentlicht worden. Zur Gleichberechtigung komme ich noch; aus der Koalition hört man dazu vorwiegend Unverbindliches. Im Kampf gegen die Kriminalität gibt es erhebliche Defizite. Der Runde Tisch gegen Gewalt führt, anders als versprochen, nach wie vor ein Schattendasein. Korruption wird nur unzulänglich bekämpft, und wie es scheint, ist Kriminalität auch in höchsten Kreisen von Politik, Justiz, Polizei und Verwal
tung fest verankert. Ich möchte ganz deutlich sagen: Das ist kein Pauschalurteil und keine Generalverdächtigung. Im Gegenteil: Es gilt, die überwiegende Mehrheit der Anständigen endlich zu schützen. Das braucht sichere und schnelle Aufklärung der jetzt im Raum stehenden Vorwürfe, und das braucht nicht zuletzt die Aufdeckung der Strukturen und Verantwortlichen der Vertuschung.
Wenn die Menschen ihr Vertrauen in die staatlichen Institutionen mehr und mehr verlieren, so liegt dies auch daran, dass das Versprechen vermehrter Mitsprache der Bürger gebrochen wurde. Die anstehende Funktional- und Verwaltungsreform ist ein unrühmliches Beispiel dafür. Sie ist eine Reform „von oben“, weit vorbei an Bürgerwillen und Bürgerbedürfnissen, weit vorbei an der Mehrheit der Bevölkerung. Lassen wir gerade bei dieser Reform nicht zu, dass einst über unser Hohes Haus gesagt wird, was Fiesco in Schillers „Verschwörung des Fiesco zu Genua“ sagt: „Der Feigen waren mehr denn der Streitbaren, der Dummen mehr denn der Klugen. Mehrheit setzte durch.“
Ich meine, mehr Streitbarkeit und Klugheit sollten endlich die Mehrheit auch in diesem Hause beseelen. Dies gilt für alle Entscheidungen, und es ist nur im demokratischen Diskurs erreichbar; auch darauf komme ich noch einmal zurück.
Nun, Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Reihe „versprochen – gebrochen – vertagt“ ließe sich noch sehr lange fortsetzen. Ich will mich auf Schwerpunkte konzentrieren. Lassen Sie mich deshalb zur Problematik von Wirtschaft und Arbeit kommen. Zunächst das durchaus Erfreuliche – und niemand wird es leugnen –: Ja, wir alle freuen uns über eine Konjunktur, die nach Sachsen durchschlägt und in Sachsen deutliche Verbesserungen bei der Beschäftigung bringt: 52 000 Arbeitsplätze mehr als zuvor, viel mehr Arbeitsplätze als in vielen Jahren der Stagnation, und weiteren Zuwachs. Das soll niemand gering schätzen, obwohl man schon hier darauf aufmerksam machen muss, dass 325 000 Arbeitslose nach wie vor eine viel zu große Zahl ausmachen. Aber daran sind ja selbst Sie, Herr Ministerpräsident, heute nicht vorbeigekommen. Deshalb muss man schon fragen, ob die Staatsregierung alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um der Arbeitslosigkeit mit den ihr gegebenen Mitteln zu begegnen. Die Antwort ist leider ein deutliches Nein. Meine Kollegin Caren Lay hat dazu am 11.05.2007 hier im Plenum ausführlich gesprochen, Sie können es im Protokoll nachlesen.
Ich möchte nur noch einmal einige schwere Sünden in Erinnerung rufen – ausdrücklich ohne Anspruch auf Vollständigkeit. In der Förderpolitik beobachten wir seit jeher eine Gewichtung zugunsten der Wirtschaftspolitik und zuungunsten der Arbeitspolitik, und, Herr Ministerpräsident, selbstverständlich, auch wenn die Förderung der Wirtschaft an erster Stelle für die Schaffung von Arbeitsplätzen steht; wir haben eine Struktur von Arbeitslosigkeit, mit der allein damit nicht zurechtzukommen ist.
Ich komme auch darauf später noch zu sprechen. Sachsen quittiert die Verschleuderung von 88 Millionen Euro ESFGeldern in zwei Jahren, im Wesentlichen durch restriktivbürokratisches Vorgehen bei der Mittelbewilligung. Staatsminister Jurk hat eine halbe Legislatur ohne arbeits- und beschäftigungspolitisches Programm regiert. Erst im letzten Plenum wurde beschlossen, ein solches aufzulegen. Der 2003 erst einmal angekündigte, 2004 im Koalitionsvertrag wieder versprochene und im Doppelhaushalt 2005/2006 endlich mit 30 Millionen Euro veranschlagte mittelständische Wachstumsfonds ist bis 2005 überhaupt nicht zur Wirkung gekommen. 2006 – hört, hört! – wurden erstmalig ganze vier Unternehmen aus diesem Fonds gefördert.
Ein Innovationsbeirat ist bis heute, zwei Jahre nach seiner Ankündigung, noch immer nicht berufen, und das Ziel einer regional ausgewogenen Technologieförderung wurde nicht erreicht. Im Gegenteil: Die ab 2007 gültige Richtlinie für Technologietransfer birgt die Gefahr in sich, dass Technologiegründerzentren in strukturschwachen Gebieten Sachsens von der Förderung abgekoppelt werden. Wir verzeichnen Fantasie- und Kreativitätslosigkeit bei der Entwicklung von Arbeitsmarktinstrumenten. Berlin hingegen – Sie bringen ja immer das Beispiel –, wo die Linkspartei mitregiert, schuf 2 500 Stellen im öffentlichen Beschäftigungssektor, und in Sachsen-Anhalt profiliert sich selbst die CDU mit dem Konzept „Bürgerarbeit“. In Sachsen: Fehlanzeige. Es gibt keine Initiative für Mindestlöhne, obwohl Sachsen eines der Niedriglohnländer und das Bundesland ist, in dem am häufigsten Hartz IV zusätzlich zu einer Vollzeitbeschäftigung beantragt werden muss. Herr Staatsminister Jurk, Sie haben den Aufruf der SPD zu Mindestlöhnen unterschrieben. Und was folgt daraus? – Offensichtlich nichts. De facto freilich – und jetzt muss ich Staatsminister Jurk wirklich in Schutz nehmen – ist der Minister als Arbeitsminister ohnehin entmachtet, weil die ESF-Gelder auf die Ministerien verteilt worden sind. Deshalb kann der Ministerpräsident auch erklären, dass die sächsische Wirtschaftspolitik nach wie vor CDU-Politik sei.
Für die Konjunktur, die die erfreulichen Zahlen bringt, kann die Staatsregierung schlicht nichts.
Sie ist nicht in Sachsen entstanden, diese Konjunktur. Wie sie aber und für wen sie in Sachsen ankommt, dafür kann die Staatsregierung schon etwas. Da gönne ich Ihnen die positiven Aspekte durchaus. Aber das Schicksal der Langzeitarbeitslosen und das Schicksal der strukturschwachen Regionen zeigen uns, dass die Quantität der Arbeitslosigkeit zwar sinkt, ihre Struktur aber weitgehend gleichbleibt.
Genau für die Struktur aber ist die Staatsregierung verantwortlich zu machen. Dieser Verantwortung wird sie nicht gerecht. Wir registrieren unzureichende Arbeitsförderungspolitik, faktische Vernachlässigung der strukturschwachen Gebiete und eine Bildungspolitik, die vor allem männliche Langzeitarbeitslose und zu wenig Facharbeiter produziert.
Jetzt frage ich mich und frage für meine Fraktion: Für wen hat der Ministerpräsident eigentlich heute gesprochen und für wen macht die Koalition Politik?
Für Sie, Herr Tillich, das ist richtig. Sie gehören zu den Besserverdienenden. Das war in Ordnung. Aber die Rede war für mich eine Bestätigung dafür, dass der Ministerpräsident die Lebensentwürfe und Lebenslagen vieler Menschen in diesem Land offensichtlich nicht kennt oder nicht zur Kenntnis nehmen will. Nicht jeder ist Minister, Herr Tillich.
Hat er denn für jene 25 % gesprochen, die in Ostdeutschland dem sogenannten abgehängten Präkariat zuzuordnen sind? Was hat er über Armut gesagt? Was hat er über Existenzangst und Angst vor Erwerbslosigkeit gesagt, was über die Verwirklichung von Gerechtigkeit für alle?
War das eine Rede, die darauf Bezug nahm, was eine alleinerziehende Mutter mit oder ohne Arbeit in diesem Land bewegt? Über solche Mütter steht übrigens auch nichts im Koalitionsvertrag, obwohl ihr Anteil an den Müttern seit 1996 immerhin um 7 % gestiegen ist.
Es bleibt abzuwarten, was der bevorstehende Lebenslagenbericht zur Situation der Ein-Eltern-Familien aussagen wird, nachdem Frau Orosz in ihrer Regierungserklärung vom 5. April vergangenen Jahres darauf hinwies, dass diese öfter von Armut betroffen sind als Ehepaarfamilien. Es bleibt auch abzuwarten, ob der Bericht aufgreifen wird, dass die Zahl der Teenagerschwangerschaften in den letzten Jahren angestiegen ist, obwohl die Altersgruppe zahlenmäßig kleiner wurde. Es wäre dringend erforderlich, denn das sind Lebenslagen, die vor Jahren nicht in dem Maße aufgetreten sind. Zu beiden Zielgruppen hat die Staatsregierung in dieser Wahlperiode hinsichtlich konkreter Maßnahmen bisher beharrlich geschwiegen.
Gab es ernsthafte Ursachenforschung, warum wir in vielen ländlichen Regionen inzwischen viel mehr junge Männer als Frauen haben, Männer mit eher schlechten als guten Qualifikationen? In den Veröffentlichungen der Demografiekommission der Staatsregierung jedenfalls steht dazu nichts.