Protocol of the Session on January 25, 2006

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 40. Sitzung des 4. Sächsischen Landtags.

Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Herr Albrecht und Herr Dr. Pellmann.

Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Folgende Redezeiten hat das Präsidium festgelegt: Für die Tagesordnungspunkte 2 bis 7 CDU 106 Minuten, Linksfraktion.PDS 82 Minuten,

SPD 52 Minuten, NPD 46 Minuten, FDP 40 Minuten, GRÜNE 40 Minuten und die Staatsregierung 82 Minuten.

Ich bitte in der Ihnen vorliegenden Tagesordnung die Streichung des Tagesordnungspunktes 13, Kleine Anfragen, vorzunehmen.

Ich frage Sie, ob es zu der Ihnen vorliegenden Tagesordnung Ergänzungs- oder Änderungswünsche gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung als bestätigt und wir werden die Tagesordnung jetzt abarbeiten.

Meine Damen und Herren! Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 1

Aktuelle Stunde

1. Aktuelle Debatte: Endspurt in der Bewerbung von Görlitz/Zgorzelec als Kulturhauptstadt Europas 2010

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

2. Aktuelle Debatte: Strom- und Gaspreise auf Rekordniveau und die Energieaufsicht der Sächsischen Staatsregierung

Antrag der Linksfraktion.PDS

Die Verteilung der Gesamtredezeit auf die Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 39 Minuten, Linksfraktion.PDS 31 Minuten, SPD 14 Minuten, NPD

12 Minuten, FDP 12 Minuten, GRÜNE 12 Minuten und die Staatsregierung 20 Minuten, wenn gewünscht.

Wir kommen zu

1. Aktuelle Debatte

Endspurt in der Bewerbung von Görlitz/Zgorzelec als Kulturhauptstadt Europas 2010

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD

Zunächst haben die Antragstellerinnen CDU und SPD das Wort. Es folgen die Linksfraktion.PDS, NPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die Debatte ist eröffnet. Die CDU-Fraktion; Herr Heitmann, bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als vor etwa drei Jahren langsam allgemein bekannt wurde, dass Görlitz deutsche Kulturhauptstadt werden wollte, haben viele gefragt: Wieso Görlitz? Heute, nach einem manchmal mühsamen, manchmal dynamischen Prozess, fragen die Meisten: Wieso Görlitz nicht? Allein dies ist ein gewaltiger Erfolg der KulturhauptstadtBewerbung.

Der Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien war kürzlich in Görlitz, um sich noch einmal vor Ort einen Eindruck über den heutigen Stand der Bewerbung zu verschaffen. Ich bin hoffnungsvoll nach Hause gefahren, denn die Präsentation dort war konzentrierter, frischer und professioneller geworden gegenüber

dem, was ich in den Jahren zuvor gehört habe. Man spürte den Prozess, der grenzüberspannend und bevölkerungserfassender geworden ist.

In einem Gespräch mit engagierten Bürgern war spürbar: Die Stadt am Rande, seit Jahrzehnten schmerzhaft amputiert und ihrer historischen Last kaum noch gewachsen, ist wieder zu sich selbst gekommen, ist sich ihrer außerordentlichen historischen, politischen und kulturellen Besonderheit bewusst geworden.

Eine Bürgerin in diesem Kreis sagte: „Wie die Bewerbung auch ausgeht, wir haben schon gewonnen.“

Das, was der Kollege Volker Bandmann hier in diesem Hohen Hause in 15 Jahren mit unzureichendem Erfolg versucht hat, nämlich die besondere Bedeutung von Görlitz für Sachsen und Deutschland ins allgemeine Bewusstsein zu heben, das hat die KulturhauptstadtBewerbung bewirkt.

(Beifall bei der CDU)

Ich glaube, man kann jetzt ohne Übertreibung sagen: Landtag und Staatsregierung, Kulturinstitutionen unseres Landes und die Region um Görlitz stehen geschlossen hinter Görlitz, wenn es um die Kulturhauptstadt geht. Wir übersehen dabei auch gern und geflissentlich ein paar Querelen in der Görlitzer Lokalpolitik; denn hier geht es um eine einmalige Chance für eine wunderbare Stadt, für eine wirtschaftlich schwierige Region, für den ganzen Freistaat, ja für Deutschland und Europa.

Es gibt nach meiner Überzeugung in Europa kaum einen geeigneteren Ort als das deutsche Görlitz und das polnische Zgorzelec, um die Bedeutung der Kultur für die Gewinnung einer gemeinsamen europäischen Identität darzustellen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Denn es ist meine feste Überzeugung: Wurzel und Zukunft der europäischen Einigung kann nur die Kultur sein, nicht die Wirtschaft.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Linksfraktion.PDS)

Deshalb ist es so wichtig, dass die Bewerbung eine doppelte, eine deutsch-polnische geworden ist. Allen medialen Unkenrufen zum Trotz: Polen hat die Chance erkannt, die in dieser gemeinsamen Bewerbung liegt, und deshalb ist auch die Konzentration auf fünf zentrale Projekte mit nachhaltiger Wirkung so bedeutsam. Sie wirken nicht aufgesetzt, sondern sie sind aus dem Eigenen gewachsen.

Meine Damen und Herren! Ich glaube jedenfalls, wir haben eine gute Chance, den Zuschlag zu bekommen, und wir sollten diese Stunde jetzt noch einmal nutzen, um keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass die Bewerbung von Görlitz unser aller Sache ist.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Ich erteile der Fraktion der SPD das Wort. Herr Abg. Hatzsch.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Görlitz/Zgorzelec hat sich auf eine Reise gemacht. Es ist eine Reise, um aus dem bisherigen Randlagedasein herauszutreten. Wie heißt es so schön in der Bewerbung: „Vom Niemandsland zum Herzen Europas“. Es ist eine Reise, auf der die Idee Europas täglich gelebt wird.

Doch diese Reise ist nicht ohne Schwierigkeiten; denn es gibt sie, die Ängste bezüglich der europäischen Einigung und die Vorurteile dem Fremden und dem Anderen gegenüber. Diese Ängste lassen sich nicht einfach durch politische Beschlüsse abbauen. Europa entsteht nicht am Schreibtisch. Europa entsteht durch die Begegnung der Menschen.

Görlitz/Zgorzelec als Stadt in zwei Ländern steht symbolhaft für den lebendigen europäischen Einigungsprozess.

Die heutigen Bewohner von Görlitz/Zgorzelec haben unterschiedliche Lebenserfahrungen, doch in der Rückbesinnung auf die gemeinsame kulturelle Geschichte der Stadt bestehen die Zukunft und die Chance, die Unterschiede auch zu akzeptieren, sich anzunähern. Sowohl die gemeinsame als auch die getrennte Geschichte zu verarbeiten, um Neues gemeinsam entstehen zu lassen, darin besteht die Chance für die Zukunft. Doch die Reise der Annäherung, des Zusammenwachsens und der Zusammenarbeit begann nicht erst mit dem Entschluss und Beschluss beider Stadtparlamente im Jahr 2001, sich für die Ausrichtung der Kulturhauptstadt 2010 zu bewerben.

Seit April 1991 besteht zwischen Zgorzelec und Görlitz eine Städtepartnerschaft. Im Mai 1998 hatten sich beide Städte zur binationalen Europastadt erklärt, und mit dem EU-Eintritt Polens hat die Bewerbung der Stadt Görlitz eine neue Dimension gewonnen.

Die Bewerbung zur Kulturhauptstadt 2010 ist ein wesentlicher Antrieb und Motivation für ein neues Kapitel der Zusammenarbeit. Natürlich steht hinter dem Kulturhauptstadt-Engagement auch das Motiv, die touristische und wirtschaftliche Attraktivität der Stadt und der Region zu erhöhen. Doch darauf lässt sich „Kulturhauptstadt Europas“ nicht oder nicht mehr reduzieren. Während der ersten Bewerbungsphase haben sich daher die Verantwortlichen der Kulturhauptstadt-Bewerber zusammengesetzt und in einer Reihe von über fünf Kolloquien und mit den bestehenden Auswahlkriterien kritisch auseinander gesetzt und Vorschläge für die Anforderungen an künftige Kulturhauptstädte abgeleitet. Die Ergebnisse wurden im Mai 2005 in der so genannten Budapester Erklärung zusammengefasst.

Dort wird unter anderem empfohlen: „Künftige Kulturhauptstädte sollten weniger Schaufenster des gesellschaftlich und kulturell Errungenen als vielmehr solche des kulturell und gesellschaftlich Leistbaren sein.“ An anderer Stelle heißt es in dieser Erklärung: „Der Titel und die Kulturhauptstadt-Programme sollten nicht als Programme an sich, sondern als Resultate, quasi als Krönung und Ausgangsbasis langfristiger Prozesse ganzheitlicher Stadtentwicklung, verstanden werden.“

Ich habe diese beiden Punkte herausgegriffen, weil die Görlitzer Bewerbung genau dies widerspiegelt. Die Stadt hat Probleme der Arbeitslosigkeit und des Wohnungsleerstandes wie viele andere Kommunen auch, die nicht ausgeblendet werden dürfen. Doch die Görlitzer haben sich nicht entmutigen lassen. Der Entschluss zur Bewerbung hat unvermutete Kräfte freigesetzt. Mit Kreativität, Entschlusskraft und Mut hat man sich auf die Reise gemacht, aus dem scheinbar Unmöglichen das Machbare zu gestalten und noch zu übertreffen. Und so heißt es denn auch in der Begründung der nationalen Jury zur Entscheidung für Görlitz: „Angesichts der Geschichte und der gegenwärtigen Probleme beider Teilstädte ist dies eine Bewerbung von visionärer Kraft.“

Wenn Görlitz 2010 Kulturhauptstadt Europas ist, dann ist dieses Jahr eine Anerkennung einer langen Reise, bei der

kulturelles Engagement wesentlich zur Entwicklung der Stadt und zum Zusammenwachsen Europas beigetragen hat.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, der CDU, der FDP, den GRÜNEN und vereinzelt bei der Linksfraktion.PDS)

Ich erteile der Linksfraktion.PDS das Wort. Herr Dr. Külow, bitte.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ob die Koalition bei der Wahl der Überschrift für ihre Aktuelle Debatte eine glückliche Hand hatte, scheint mir etwas fraglich. Die Metapher vom Endspurt stammt aus dem Sport und legt damit – gewollt oder ungewollt – eine Assoziation zur gescheiterten Olympiabewerbung nahe.

(Widerspruch bei der CDU und der SPD)