Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 8. Sitzung des 4. Sächsischen Landtages. Ich habe zuerst eine sehr angenehme Aufgabe – ich hoffe, dass die anderen auch angenehm werden, aber die ist besonders angenehm –, ich darf nämlich einem Geburtstagskind heute ganz herzlich gratulieren. Es hat heute Geburtstag Herr Minister Thomas de Maizière. Ihnen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag und Gottes Segen.
Meine Damen und Herren! Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Frau Kagelmann, Herr Hilker, Frau Mattern, Frau Simon, Frau Hermenau und Herr Prof. Dr. Schneider. Meine Damen und Herren, bevor wir zur Feststellung der Tagesordnung kommen, möchte ich Sie um Ihre Aufmerksamkeit bitten. Vor uns stehen in den nächsten Wochen wesentliche historische Daten, deren 60. Wiederkehr wir gedenken: am 27. Januar der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz wie zuvor und danach der anderen Konzentrationslager, am 13. Februar der Bombardierung Dresdens wie schon anderer sächsischer Städte. Da dies heute unsere letzte Plenarsitzung vor diesen beiden Tagen ist, möchte ich Sie alle auffordern und bitten, mit mir in würdiger Weise der Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft zu gedenken, gleichviel durch welche Willkür und Gewaltmaßnahmen sie zu Schaden gekommen sind. Bitte nehmen Sie an den
entsprechenden Gedenkveranstaltungen zahlreich teil und erweisen Sie den Opfern die Ehre, indem Sie sich mit mir zu einer Schweigeminute erheben.
(Die Abgeordneten der NPD verlassen den Saal – alle anderen Anwesenden erheben sich von den Plätzen.)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung zu unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat folgende Redezeiten festgelegt: für die Tagesordnungspunkte 3 bis 5 CDU 48 Minuten, PDS 36 Minuten, SPD 21 Minuten, NPD 21 Minuten, FDP 15 Minuten, GRÜNE 15 Minuten und die Staatsregierung 36 Minuten. Meine Damen und Herren, die Fraktionen können die Redezeiten entsprechend den Tagesordnungspunkten je nach Bedarf verteilen.
Meine Damen und Herren, ich frage Sie, ob es weitere Anträge zur Tagesordnung gibt. – Bitte, Herr Leichsenring.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir hatten gestern noch einen Antrag auf Erweiterung der Tagesordnung eingereicht. Den haben Sie jetzt sehr geschickt umgangen. Das gebe ich zu. In dem Fall wäre er dann hinfällig. Ich finde aber die Vermischung trotzdem unpassend.
Meine Damen und Herren, gibt es weitere Anträge zur Tagesordnung? – Wenn das nicht der Fall ist, dann gilt die Ihnen vorliegende Tagesordnung für unsere heutige Beratung als verbindlich.
1. Aktuelle Debatte: Probleme bei der Planung und Durchführung von Einsätzen des Spezialeinsatzkommandos der sächsischen Polizei (SEK)
2. Aktuelle Debatte: Verhalten der Sächsischen Staatsregierung und des Landtages zu Erinnerungs- und Gedenkveranstaltungen zum 60. Jahrestag der angloamerikanischen Terrorangriffe auf die sächsische Landeshauptstadt Dresden
Die Verteilung der Gesamtredezeit der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, PDS 26 Minuten, SPD 12 Minuten, NPD 17 Minuten,
FDP 17 Minuten, GRÜNE 12 Minuten und die Staatsregierung, wenn gewünscht, 20 Minuten. Wir kommen nun zu
Probleme bei der Planung und Durchführung von Einsätzen des Spezialeinsatzkommandos der sächsischen Polizei (SEK)
Als Antragstellerin hat zunächst die FDP-Fraktion das Wort, danach CDU, PDS, SPD, NPD, die GRÜNEN und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Bitte, Herr Dr. Martens.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gegenstand der von uns bereits im Dezember beantragten Aktuellen Stunde heute sind die Planung und Durchführung von Einsätzen der Spezialeinsatzkommandos der Polizei im Freistaat Sachsen, und dieser Gegenstand, um es noch einmal zu verdeutlichen, ist ein anderer als der Gegenstand, mit dem sich das Haus bereits vorgestern auf Antrag der Koalitionsfraktionen im Rahmen des Berichtsantrages hinsichtlich des Einzeleinsatzes in Dresden-Loschwitz vom 17.12. beschäftigt hat. Dieser Einsatz in Loschwitz war zwar der Anlass für diese beantragte Aktuelle Stunde, aber erschöpft nicht dessen Gegenstand. Die heute zu führende Debatte betrifft in allgemeiner politischer Hinsicht die Fragen nach dem Umgang mit diesem Einsatz, anderen Einsätzen, aber zusätzlich auch weitere neue Fragen im Hinblick darauf, wie Einsätze allgemein vorbereitet, geplant und durchgeführt werden. Das betrifft insbesondere auch die Frage danach, wie bei der Vorbereitung und Durchführung solcher Einsätze insbesondere mit den Rechten unbeteiligter Dritter umgegangen wird, das heißt, welche Maßnahmen ergriffen werden, um Unbeteiligte vor ungerechtfertigten, unnötigen und wahrscheinlich bisweilen auch unzulässigen Eingriffen zu schützen.
Dies betrifft nicht nur einen Einsatz. Bei uns haben sich verschiedene Bürger gemeldet, die von anderen Einsätzen berichtet haben, bei denen ebenfalls Unbeteiligte im Rahmen von Zugriffsmaßnahmen der SEKs erheblichen Rechtsbeeinträchtigungen unterworfen wurden. Das betrifft einen weiteren Einsatz zum Beispiel in Dresden, bei dem eine Wohnung am 1.1.2004 gestürmt wurde oder eine andere Wohnung in Dresden vor längerer Zeit, bei der eine unbeteiligte ältere Dame – so jedenfalls unsere bisherige Kenntnis – ebenfalls vom Spezialeinsatzkommando in ihrer Wohnung überwältigt und festgehalten wurde, obwohl sie, wie sich eigentlich hätte unschwer feststellen lassen können, nicht Beteiligte war.
Das heißt, zur Planung der Einsätze stellen sich Fragen: Wie sorgfältig wird hier geplant, wie sorgfältig wird im Vorfeld ermittelt, welche Gefahrenlage tatsächlich zu erwarten steht? Aus unserer Sicht stellt sich die besonders bedeutsame Frage: Welche möglichen Unbeteiligten sind hier zu erwarten bzw. zu schützen oder welche besonderen Gefahrenlagen bestehen im Hinblick auf Dritte, die nicht unmittelbar Gegenstand des Zugriffs der SEKs sind.
Diese Frage betrifft auch die Durchführung der Einsätze. Bei der Durchführung von Einsätzen ist aus unserer Sicht ebenfalls bisher zu wenig der Frage Rechnung ge
tragen worden, wie Rechte von Unbeteiligten zu schützen sind; Unbeteiligte, die es – so jedenfalls lassen es Äußerungen vonseiten der Polizei annehmen – in der Einsatzphilosophie der SEK gar nicht zu geben scheint.
Meine Damen und Herren! Wenn in der konkreten Debatte gefragt wird: „Wie wollen Sie eigentlich die Rechte Unbeteiligter schützen und von der Polizeiführung wird angegeben, dort, wo das SEK zum Einsatz kommt, sei auch das Verbrechen und Unbeteiligte gäbe es gar nicht“ – das war eben ein Zitat –, dann findet das unseren Widerspruch. Es gibt sehr wohl Unbeteiligte. Die Behauptung, dort, wo das SEK zum Einsatz komme, gebe es keine Unbeteiligten, verdrängt einfach bestimmte Sachverhalte und eine solche Wahrnehmungsstörung kann in der Tat zur massiven Grundrechtsbeeinträchtigung bei Unbeteiligten führen.
Wir wehren uns dagegen, dass solche Probleme einfach ausgeblendet werden. Unbeteiligte sind weder Gegenstand strafprozessualer Maßnahmen und sie können auch unter Gefahrenabwehrgesichtspunkten – Thema 1, Selbstschutz – nicht so behandelt werden, wie das hier bisweilen der Fall gewesen ist.
Wir werden jetzt in der Debatte sicherlich noch einiges hören, aber uns interessiert diese Frage vor allem im Hinblick auf zukünftige Einsätze. Die Frage stellt sich: Welche Maßnahmen sollen getroffen werden oder sind notwendig, damit in Zukunft besser als anscheinend bisher die Rechtsposition unbeteiligter Dritter bei Einsätzen hinreichend gewahrt werden?
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Dr. Martens, Sie sind mit Ihren bisherigen Ausführungen weitestgehend im Bereich der Fragen geblieben. Sie haben genannt, dass Bürger zu Ihnen gekommen sind und das Gespräch mit Ihnen gesucht haben. Sie sind uns aber bisher schuldig geblieben, wo denn der materielle Gehalt dessen ist, was Sie beschwert.
Ich kann nur aus der Erfahrung von fast 15 Jahren Freistaat Sachsen sagen, dass Spezialeinsatzkommandos dort zum Einsatz kommen, wo in der Tat Unbeteiligte nicht selten von Verbrechen betroffen sind und Unbeteiligte in der Situation sind, dass sie um Gesundheit und Leben fürchten müssen, dort, wo organisierte Kriminalität scheinbar Gewalt über Menschen hat, wo Rauschgifthandel, wo Kinderprostitution und wo Mord und Totschlag
Das, was uns in dem vorgestrigen Fall ja auch in der Ausschusssitzung beschäftigt hat, war die Tatsache, dass es nicht im Ermessen des SEK selber war zu beurteilen, ob dieser Einsatz notwendig ist, sondern er wurde durch Gericht angeordnet. Uns geht es darum, dass wir natürlich dafür Sorge tragen müssen, dass wir der Polizei a) die rechtlichen Mittel in die Hand geben, b) aber natürlich auch die Mittel, die die Qualifikation des Personals, also der sächsischen Polizei, so garantiert, dass sie mental und körperlich, aber auch mit entsprechenden präventiven Ansätzen in der Lage ist, die Einsätze durchzuführen, aber auch Sorge zu haben, dass die Polizisten, unsere Mitbürger, die für uns an vorderster Front ihr Leben bei diesen Einsätzen selbst in Gefahr bringen, auch das Leben von Unbeteiligten schützen, aber vor allem auch selbst aus diesen Einsätzen lebend wieder herauskommen. Nach allem, was mir bisher bekannt ist, kann ich an dieser Stelle den Führungen der sächsischen Polizei nur Dank sagen. Wir haben eine Vielzahl von spektakulären Fällen in Sachsen gehabt. Ich erinnere nur an den Fall Schmökel, wo ein Sexualverbrecher in einem anderen Bundesland entwichen war und durch gute Arbeit der sächsischen Polizei letztlich gestellt werden konnte. Ich erinnere auch an die Polizeiarbeit, die zwar keinen SEKEinsatz erforderlich machte, im Zusammenhang mit dem Bombenleger auf dem Hauptbahnhof in Dresden.
Deswegen ist es für mich wichtig, dann in der Tat auch die Stellungnahme der Staatsregierung zu hören. Sie sind im Moment mit Ihren Fragen ja weitestgehend im Nebel geblieben. Jetzt müssen wir sehen, wie die Debatte weitergeht, um darauf sachgerecht zu reagieren. Ich gehe davon aus, dass sich die sächsische Polizei für die Menschen in Sachsen eingesetzt hat und wir keinen Grund haben, an dieser Einsatzwilligkeit und an der Einsatzqualität zu zweifeln.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Dr. Martens, ich gebe zunächst zu, dass wir voller Respekt in Erwartung der Debatte wegen des Themas waren, also „Probleme bei der Planung und Durchführung von Einsätzen des Spezialeinsatzkommandos der sächsischen Polizei“. Die erste Not, die wir im Prinzip haben, ist: Wo ist denn überhaupt für den normalen Abgeordneten, geschweige denn den Bürger, den Adressaten, den Betroffenen oder den ominösen eventuellen Beteiligten nachzulesen: Ad 1: Was ist Aufgabe? Ad 2: Was ist Kompetenz? Ad 3: Wie ist die Struktur? Ad 4: Wie sind die Befehlsstränge etc. pp., im Grundsatz und nicht im Detail beschrieben? Welche Kompetenzen und Rechte hat das SEK? Da geht das Problem doch schon los. Ich habe einen Riesenrespekt vor dem, was die Soko Rex macht. Ich habe einen Riesenrespekt vor dem, was die MEK macht. Es gibt nämlich nicht, wie Sie gesagt haben,
Herr Staatsminister des Innern, mehrere SEKs – das sollen Sie im Innenausschuss gesagt haben – in Sachsen, es gibt nur eines. Es gibt aber noch das MEK, das Mobile Einsatzkommando, das wiederum anders strukturiert ist.
Was aber mein Problem ist: Keines dieser Sondereinsatzkommandos, gleich mit welchem Gegenstand, steht außerhalb der Strafprozessordnung oder außerhalb des Kompendiums des Polizeigesetzes. Exakt da gibt es überhaupt keine Ausnahmebefugnisse im Rechtsstaat. Da beginnt das Problem: Wieso kann ich als Beteiligter, als Betroffener, als Bürger nirgendwo nachlesen, was die Rechtsgrundlagen für die Einsätze des SEK sind?
Es gibt eine Verwaltungsvorschrift, bezeichnet als „Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums des Innern über das Spezialeinsatzkommando der Polizei des Freistaates Sachsen“ vom 15.12.1992, zuletzt verlängert durch die Verwaltungsvorschrift vom 15.12.2002.
Ich bin seit 14 Jahren im Landtag, ich bin Mitglied im Verfassungs- und Rechtsausschuss, bin der Obmann meiner Fraktion und Stellvertreter im Innenausschuss. Es ist mir nicht gelungen – auch in den letzten Tagen nicht –, an diese Verwaltungsvorschrift heranzukommen. Mit der Maßgabe VVD, geheim, VVS – ich weiß es nicht; nicht einmal die Geheimhaltungsstufe wurde offenbart.
Was ist denn das für eine Rechtslage? Wie soll denn der Verteidiger – meinetwegen im Fall Loschwitzer Straße – exakt an der Norm prüfen, ob korrekt gehandelt worden ist?
Deshalb meine Frage: Wie wollen wir einschätzen, ob korrekt geplant wird, wenn wir überhaupt nicht wissen, was der Maßstab für die korrekte Planung ist?
Ich bleibe dabei: Mein Thema bei der Einsatzproblematik in der Loschwitzer Straße sind nicht die handelnden SEK-Beamten, nicht die – ich sage es einmal so hemdsärmlig –, die den Hintern hinhalten. Mein Problem ist: Mit welcher Konsequenz wird von denjenigen, die die politische Verantwortung in diesem Fall haben, dafür gesorgt – das beginnt beim Staatsminister, geht über das LKA und geht meinetwegen auch über den den Einsatz anfordernden Leiter der Kriminalpolizeiinspektion Dresden –, dass bei jedem dieser Einsätze im Grundsatz nach Recht und Gesetz verfahren wird? Darin eingeschlossen die entsprechenden Bestimmungen zur Durchsuchung zur Nachtzeit, zur Beiziehung unbeteiligter Zeugen, zur Problematik der Sicherung der entsprechenden Beweise etc. pp.