Folgende Abgeordnete, von denen Entschuldigungen zu unserer heutigen Sitzung vorliegen, sind beurlaubt: Herr Eggert, Herr Krauß, Frau Matthes, Frau Hermenau, Herr Morlok, Frau Schulz, Herr Hatzsch und Frau Strempel.
Meine Damen und Herren! Die Tagesordnung unserer heutigen Sitzung liegt Ihnen vor. Das Präsidium hat für die Tagesordnungspunkte 3 bis 11 folgende Redezeiten festgelegt: CDU 101 Minuten, Linksfraktion.PDS 77 Minuten, SPD 47 Minuten, NPD, FDP und GRÜNE je 35 Minuten, fraktionslose MdL je 6 Minuten und die
Staatsregierung 77 Minuten, wenn gewünscht. Die Redezeiten können wie immer von den Fraktionen auf die Tagesordnungspunkte entsprechend dem Bedarf verteilt werden. Ich bitte, in der Ihnen vorliegenden Tagesordnung die Tagesordnungspunkte 3 bis 5, 3. Lesungen, zu streichen, da wir diese bereits gestern behandelt haben.
Ich frage die Abgeordneten, ob es zur heutigen Sitzung und der Ihnen vorliegenden Tagesordnung Änderungsanträge gibt. – Das ist nicht der Fall. Dann gilt die vorliegende Tagesordnung als bestätigt.
2. Aktuelle Debatte: Exzellenz statt Schneckentempo: Mehr Freiheit für sächsische Universitäten durch eine mutige Hochschulreform
Die Verteilung der Gesamtredezeiten der Fraktionen hat das Präsidium wie folgt vorgenommen: CDU 36 Minuten, Linksfraktion.PDS 26 Minuten, SPD 12 Minuten, NPD
Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion der NPD das Wort, danach CDU, Linksfraktion.PDS, SPD, FDP, GRÜNE und die Staatsregierung. Die Debatte ist eröffnet. Ich bitte die Fraktion der NPD, das Wort zu nehmen. Herr Apfel, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Noch nie waren die Befürchtungen der Menschen in den neuen Bundesländern so groß wie im zurückliegenden Jahr. Nach Auswertung des Sozialreports 2006 blicken 38 % mit Sorgen und Ängsten, weitere 45 % mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Vor allem wirtschaftliche Probleme, wie die hohe Arbeitslosigkeit und die Auswirkungen der Hartz-Reform, verursachen die schlechte Stimmung, wie der Verband Volkssolidarität bei der Vorstellung des Sozialreports erklärte.
Es gibt vier Aspekte in der Studie, die besonders besorgniserregend stimmen. Da ist zum Ersten auffällig, dass vor allem Menschen über 50 mit ihrer Situation hadern. Ihre Zufriedenheit ist seit 1999 stetig zurückgegangen.
Gerade einmal 12 % der unter 65-Jährigen sehen ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt als gut an, 69 % als schlecht bis sehr schlecht. Unter den Arbeitslosen herrscht besonders große Hoffnungslosigkeit, denn 93 % von ihnen sehen keine Perspektive mehr. Auch die eigene Lage wird immer schlechter beurteilt. Mehr als jeder Zweite stellte eine Verschlechterung seiner Situation im Vergleich zum Jahr 2001 fest, nur 13 % sahen nichts verbessert, hoffnungsvoll äußerten sich gar nur 8 %. Im Klartext heißt das: Vor allem Arbeitslose und Ältere fühlen sich in der Ego-Gesellschaft von heute abgedrängt.
Der zweite Schock der Studie ist, dass immer mehr Menschen von Armut betroffen sind, also über weniger als 50 % des Durchschnittseinkommens verfügen. 17 % gaben an, in solchen Haushalten zu leben.
Ordneten sich 1992 nur 4 % der Befragten einer Unterschicht zu, waren es 2006 bereits 11 %. Dabei stellten die Forscher fest, dass nicht nur Arm und Reich immer weiter auseinanderdriften, sondern auch die Zukunftserwartungen der Menschen. Während immerhin 57 % der Beamten Zufriedenheit signalisieren, erwarten nur noch 7 % der Arbeitslosen etwas von ihrer Zukunft. Diese Zahlen belegen eine Rückkehr der Armut, wie sie vor 20 oder 30 Jahren noch nicht vorstellbar erschien.
Das dritte Alarmzeichen ist das Ergebnis, dass immer mehr Menschen in Kindern ein Karrierehindernis sehen. Als wichtigste Gründe für Kinderlosigkeit werden berufliche Nachteile und zu hohe Kosten genannt, nämlich 77 bzw. 72 %. Immerhin 46 % machen fehlende Betreuungsmöglichkeiten dafür verantwortlich. Diese Einstellungsmuster, meine Damen und Herren, müssen geändert werden. Das ZDF-Fernsehspiel „Aufstand der Alten“ zeigt uns dieser Tage, was der Gesellschaft droht, wenn wir den Überalterungsprozess nicht aufhalten können.
Das vierte erschütternde Ergebnis der Studie liegt darin, dass die Lebenszufriedenheit einen neuen Tiefpunkt erreicht hat. Waren 2000 noch 59 % zufrieden, so waren es im Jahr 2006 nur noch 39 %. Sie müssen sich diese Zahl einmal vergegenwärtigen: Fast zwei von drei Bürgern sind mit ihrem Leben nicht mehr zufrieden. Das ist als Ergebnis von langfristigen Prozessen zu verstehen, als bitteres Ergebnis der ausbleibenden blühenden Landschaften und der ausbleibenden Vollbeschäftigung, die den Menschen 1989 versprochen wurde. Die Enttäuschung über gebrochene Versprechen hat zu tiefen kollektiven Traumata geführt, weil die Menschen das Vertrauen in die Politik immer mehr verloren haben.
Spätestens durch den Sozialbericht müsste Ihnen auf schockierende Weise klar werden, in welchem Ausmaß unsere Mitbürger im sozialen Abseits – –
– in welchem Ausmaß unsere Mitbürger im sozialen Abseits von Ihnen seit der Wende vergessen wurden, und das, während auf der anderen Seite Hunderte von Milliarden Euro in die Integration von Ausländern, in die EU-Bürokratie in Brüssel und in Hilfsprojekte für das Ausland gesteckt wurden.
Doch die soziale Schieflage lässt sich nicht nur am nackten Einkommen ablesen, sondern auch an der atmosphärischen Stimmung, die sich im Ergebnis des Sozialreports widerspiegelt. Das Ergebnis zeigt, dass gerade die ältere Generation jene Geduld verliert, die bisher durch ihre Bescheidenheit und eine gewisse altruistische Grund
stimmung geneigt war, die Lage nach dem Motto „es geht uns ja immer noch gut“ zu beurteilen. Durch die vielen misslungenen Reformen und die Rentennullrunden der letzten Jahre wandelt sich bei ihnen aber der Optimismus, der für diese Generation eigentlich prägend ist, mehr und mehr in Pessimismus.
Dieser Stimmungswandel darf nicht ausgesessen werden. Deshalb müssen vor allem folgende Fragen glaubwürdig beantwortet werden: Wie kann die Massenarbeitslosigkeit durch eine naturverträgliche Vollbeschäftigung abgelöst werden? Warum werden wenige immer reicher, während bei vielen Bürgern das Geld immer knapper wird? Wie konnte die soziale Marktwirtschaft zu einer ausbeuterischen Raubtierwirtschaft verkommen, in der Kommunen, Länder und Bund wegen hoher Zinsen inzwischen fast zahlungsunfähig sind? Was ist das für eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, in der ein Großkonzern nur die Vernichtung von ein paar Tausend Arbeitsplätzen anzudeuten braucht, damit seine Aktien steigen und daneben auch die Gehälter der Vorstandsmitglieder?
– darf nicht ohne Folgen bleiben. Die heute herrschende Leitkultur des Egoismus muss durch eine Leitkultur der sozialen Gerechtigkeit abgelöst werden. Auf diese wird mein Kollege Dr. Müller gleich näher eingehen.
Ich erteile der Fraktion der CDU das Wort. Das wird nicht gewünscht. Ich frage die Linksfraktion.PDS. – SPD-Fraktion? – FDP-Fraktion? – Von der SPD-Fraktion kommt Herr Gerlach. Bitte.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich zitiere aus einem Unterstützungsschreiben des NPD-Kreisverbandes Ludwigshafen in Verbindung mit verschiedenen Kameradschaften und dem Nibelungensturm Odenwald zur Bürgerinitiative „Soziale Gerechtigkeit“: „Soziale Gerechtigkeit kann es nur in einer Volksgemeinschaft geben, nicht aber in einer seelenlosen globalisierten Klassengesellschaft, wo sich jeder selbst der Nächste ist. Wir sind nationale Sozialisten und setzen uns für tief greifende Änderungen ein.“
Die NPD hat, nachdem sie sich in der Diskussion zu Hartz IV eine Menge Wählerstimmen herangeholt hat, heute zum ersten Mal versucht, das Thema soziale Gerechtigkeit zu besetzen. Sie haben sich inhaltlich noch nie in den Ausschüssen eingebracht, und ich sitze seit einer ganzen Weile in diesem Ausschuss.
Dann kommen Sie auch noch mit dem Begriff „Leitkultur“ – ein Begriff, den ursprünglich einmal ein Politikwissenschaftler in Deutschland in die Diskussion eingebracht hat, der dann eine Zeit lang durch die politischen Instanzen kreiste, um am Ende im Zusammenhang mit der Zuwanderungsproblematik beerdigt zu werden.
Nun verbindet die NPD Leitkultur mit sozialer Gerechtigkeit. Wahrscheinlich ist das ein Produkt ihrer „viel gerühmten“ Dresdner Schule. Das kann ja sein.
Wer von sozialer Gerechtigkeit redet, der muss auch vom Sozialstaat reden. Dazu möchte ich ein paar Worte sagen, weil ich denke, dass es notwendig ist, damit das, was Sie so von sich lassen, nicht so im Raum stehen bleibt.
Der Sozialstaat, den Sozialdemokraten entscheidend mitgestaltet haben, hat in der alten Bundesrepublik vielen Menschen aus sozial schlechter gestellten Bevölkerungsschichten den sozialen Aufstieg in die gut ausgebildete Mitte unserer Gesellschaft ermöglicht. Er hat den Wandel von der klassischen Industriegesellschaft hin zur wissensbasierten Wirtschaft unterstützt.
Nun aber – das wissen wir und das diskutieren wir seit langer Zeit, die NPD war noch lange nicht im Landtag – stößt der Sozialstaat, wie wir ihn bisher kennen, an seine Grenzen.