Ursula Nonnemacher
Appearances
5/1
5/3
5/4
5/6
5/7
5/8
5/9
5/10
5/11
5/12
5/13
5/14
5/15
5/16
5/18
5/19
5/20
5/21
5/22
5/23
5/24
5/25
5/26
5/27
5/28
5/29
5/31
5/32
5/33
5/34
5/35
5/36
5/37
5/39
5/40
5/41
5/42
5/43
5/44
5/45
5/46
5/47
5/49
5/50
5/51
5/52
5/53
5/54
5/55
5/57
5/58
5/60
5/61
5/62
5/63
5/64
5/65
5/66
5/67
5/69
5/70
5/71
5/72
5/73
5/74
5/76
5/77
5/78
5/79
5/80
5/81
5/82
5/83
5/84
5/85
5/86
5/87
5/89
5/90
5/91
5/92
5/93
5/94
5/96
5/97
Last Statements
Danke, Frau Präsidentin, auch für den Aufruf zur Ruhe; wir haben es ja gleich geschafft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Ich hätte es sehr begrüßt, wenn wir den hier vorliegenden Antrag der FDP zur Einbruchskriminalität gemeinsam mit dem Antrag zur Fachhochschule der Polizei und dem Antrag zu Präventionsmaßnahmen im Bereich der inneren Sicherheit, eingebracht von den Koalitionsfraktionen, unter einem Tagesordnungspunkt diskutiert hätten. Das alles hängt inhaltlich zusammen.
Dann müsste Herr Lakenmacher nicht alles, was er heute gesagt hat, morgen noch einmal sagen.
Der Antrag der FDP-Fraktion enthält einige gute Vorschläge, besonders zur Einbindung von Versicherungs- und Wohnungsunternehmen. Über eine finanzielle Beteiligung an sehr kostspieligen Einbruchsschutzmaßnahmen könnte man durchaus nachdenken. Die FDP-Fraktion stellt in ihrem Antrag in einigen Punkten das Diebesgut, das entwendete Eigentum und dessen Rückgabe in den Mittelpunkt ihrer Betrachtungen. Auch das ist sicher ein zu beachtender Aspekt. Allerdings dürften dort noch weniger nachhaltige Erfolge zu erzielen sein als bei den Aufklärungsquoten.
Leider ist mir der Antrag insgesamt zu kleinteilig. Ich muss der Polizei keine Sofortprogramme wie „Beute zurück“ vorschreiben. Auch Vorschläge, wie die Polizeiführung Beamte und Beamtinnen, die dauerhaft oder zeitweise nicht wach- und wechseldiensttauglich sind, zur Sachfahndung einsetzen kann, gehen mir zu weit. Dann könnte ich dem Bildungsministerium auch vorschreiben, was im Biologieunterricht zu lehren ist, oder das Curriculum der Krankenpflegeausbildung parlamentarisch abstimmen lassen. Nein, das missfällt mir.
Auch muss ich die Begründung im Antrag hinterfragen. Sie führen die steigende Anzahl der Delikte und die sinkenden Aufklärungsquoten auf Bundes- und Landesebene an; nur übersehen Sie, dass die Aufklärungsquote in Brandenburg mit 21 % immer noch höher liegt als die bundesweite Aufklärungsquote von 15 %.
Ihrer Feststellung, dass sich der Erfolg der Arbeit des Innenministers an den Zahlen der Polizeistatistik messen lassen müsse, kann ich auch nur bedingt zustimmen, Herr Goetz. Natürlich spielen die Zahlen der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik eine Rolle. Aber nach Ihrer Logik müssten in der gesamten Bundesrepublik flächendeckend alle Innenminister zurücktreten, weil die Aufklärungsquote so grottenschlecht ist.
Auch der übliche Hinweis auf Stellenabbau bei der Polizei und auf Besoldungsfragen ist mir zu monokausal. Die Gleichung mehr Polizisten gleich weniger Einbrüche ist zu einfach gedacht. Ich hatte das früher schon einmal durch Zahlen belegt und darauf hingewiesen, dass wir 1994 Kriminalitätshäufigkeitszahlen hatten, die wesentlich höher lagen als 2012 - bei kontinuierlicher Absenkung der Beschäftigungszahlen.
Die Einbruchskriminalität ist ein bundesweites, ja EU-weites Phänomen, und vor allen Dingen ist sie ein multikausales Problem.
Über diese Themen werden wir morgen in der Debatte über den Antrag der Koalitionsfraktionen weiter beraten. Ihr Antrag ist für uns nicht zustimmungsfähig. Wir werden uns enthalten.
Die Jugendorganisation Junge Alternative der Partei „Alternative für Deutschland“ hat am 11. und 12. Mai 2014 auf ihrem Facebook-Auftritt Plakate mit folgenden Aussagen veröffentlicht:
Plakat 1: „Selbstjustiz ist die neue Polizei - Die Politik schaut weg. Wir schauen hin!“
Plakat 2: „Wenn der Staat seine Aufgaben nicht mehr wahrnimmt, werden es ANDERE tun.“, unterlegt mit einem Foto, das eine Frau zeigt, die mit zwei Waffen in Richtung Kamera feuert. Dazu der Slogan „KRIMINALITÄT HÄRTER ANGEHEN!“
Ich frage die Landesregierung: Wie bewertet sie diese Aussagen der Jugendorganisation einer zur Wahl zugelassenen Partei, insbesondere hinsichtlich einer strafrechtlichen Relevanz?
Ich möchte fragen, ob Sie uns die Ergebnisse der Überprüfung seitens der Staatsanwaltschaft, die Sie angeregt haben, zukommen lassen können, weil ja die Initiative praktisch durch eine Anfrage im Landtag ergangen ist.
Der Titel der Frage lautet „Defizite bei der äußeren Leichenschau in Brandenburg“.
Pro Jahr sterben knapp 28 000 Menschen in Brandenburg, nicht immer bekommen sie eine fehlerfreie Todesbescheinigung. Dies zeigt ein besonders spektakulärer Fall aus Prenzlau vom Frühjahr 2014. Eine Notärztin bescheinigte einen natürlichen Tod, obwohl bei einer späteren Obduktion drei Messerstiche im Leichnam entdeckt wurden.
Mangelnde Sorgfalt bei der Durchführung der Leichenschau führt zu falsch festgestellten Todesursachen. Diese gehen in die bundesweite Todesursachenstatistik ein und verfälschen deren Aussage.
Ich frage die Landesregierung: Welche Möglichkeiten sieht sie, die Qualität der ärztlichen Leichenschau zu verbessern, um Straftaten nicht zu übersehen und eine exaktere Todesursachenstatistik zu garantieren?
Frau Ministerin, ich begrüße es ausdrücklich, dass entsprechende Studien in Auftrag gegeben und Daten erhoben werden sollen.
Jetzt die Nachfrage: Planen Sie oder Ihr Haus, den Vorschlag zu unterstützen, in Brandenburg die Leichenschau durch speziell qualifizierte Ärzte durchführen zu lassen? Gerade im Rettungsdienst gibt es das Problem - das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen -, dass man unter Zeitdruck steht. Möglicherweise wird man schnell zum nächsten Einsatz gerufen, der lebensrettend sein kann, weshalb keine Zeit zur Verfügung steht, die Leichenschau in der erforderlichen Sorgfalt durchzuführen. Nochmals meine Frage: Unterstützen Sie den Vorschlag, dass Ärzte dafür ausgebildet und speziell mit dieser Aufgabe betraut werden?
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Aus den Antworten auf die Große Anfrage der CDU wird deutlich, dass Brandenburg den Spielraum, den insbesondere die Osterweiterung der Union 2004 dem Land gegeben hat, bisher gut genutzt hat, obwohl es sich in der Frage der Arbeitnehmerfreizügigkeit nun wahrlich keiner Vorreiterrolle rühmen kann. Da waren die Widerstände ja lange groß.
Ohne die europäische Perspektive wäre Brandenburg heute ein anderes, ein deutlich ärmeres Land. Die Vernetzung mit anderen Regionen, wie zum Beispiel der Ostseeregion, aber auch mit unseren Partnern jenseits der Oder, erweitern die Optionen von Unternehmen und Menschen im ganzen Land. Mit den Partnerschaftsbeauftragten und den Verbindungsbüros des Landes in Polen und Rumänien sind gute Voraussetzungen für eine engere Zusammenarbeit geschaffen worden, die noch intensiviert werden könnten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die für Brandenburg besonders wichtigen Programme der EU-Strukturfonds, des Forschungsrahmenprogramms und des Programms „Connecting Europe“ sind ein Ausdruck eines Europas für die Menschen und zur Bewältigung der großen gesellschaftlichen Herausforderungen in unserem Land. Hier wirkt die EU allerdings inzwischen mehr als Treiber für Innovation und Fortschritt, während die Landesregierung sich eher als Bremser zeigt. In ihrer Antwort auf die Große Anfrage behauptet sie, sich gemäß der Leitidee der Strategie Europa 2020 stets für die Stärkung einer auf Wissen und Innovation gestützten Wirtschaft, die Förderung von Ressourcen- und Umweltschutz sowie den sozialen Zusammenhalt eingesetzt zu haben. - Wie bitte? Mit seinen erheblichen Problemen im Bildungsbereich und seinen notorisch unterfinanzierten Hochschulen ist Brandenburg von einer auf Wissen und Innovation gestützten Wirtschaft noch deutlich entfernt.
Das Land setzt außerdem nach wie vor auf die schonungslose Ausbeutung seiner fossilen Energieressourcen und die Förderung industrieller Landwirtschaft mit ihren nachgewiesenen Problemen für Wasser, Luft und Boden. Die angeblich auf Innovation und Wissen gestützte Wirtschaft unseres Landes hat bundesweit, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, den niedrigsten Anteil an Forschung und Entwicklung. Sollte sich diese Landesregierung also wirklich stets in dem oben genannten Sinne eingesetzt haben, kann man nur Scheitern attestieren.
Das uneingeschränkte Grundrecht auf Freizügigkeit ist für uns ein essenzieller Bestandteil der Europäischen Union und nicht verhandelbar. Die Freizügigkeit garantiert allen das Recht, sich frei in der EU zu bewegen, in einem anderen Mitgliedsstaat Arbeit zu suchen und sich aufzuhalten. Das EU-Recht sichert ein Aufenthaltsrecht ohne Bedingungen von bis zu drei Monaten zu. Wer länger bleibt, muss Arbeit oder ausreichende Ressourcen vorweisen. Dieses Aufenthaltsrecht sichert aber keinerlei Rechte auf Leistungen der Sozialversicherung oder Sozialhilfe zu. Wir finden die populistische Stimmungsmache gegen soge
nannte Armutsflüchtlinge - gemeint sind meistens Bürgerinnen und Bürger aus Rumänien und Bulgarien - unerträglich.
Deutschland und natürlich auch Brandenburg mit seiner bekannten demografischen Entwicklung profitieren von Zuwanderung. Kaum ein Wirtschaftszweig kommt ohne Migrantinnen und Migranten aus. Ein großer Teil der Zugewanderten sind qualifizierte Fachkräfte, beispielsweise Ärztinnen und Ärzte, Ingenieurinnen und Ingenieure sowie Pflegekräfte. Die Landesregierung tut also gut daran, das Bemühen um Fachkräfteanwerbung aus dem Ausland aktiver zu unterstützen.
Nur durch intensive internationale Anstrengungen kann die Einhaltung des 2-Grad-Ziels in der Klimapolitik überhaupt noch erreicht werden. Ambitionierteres Handeln auf europäischer Ebene als Beitrag zum internationalen Klimaschutz wäre dringend erforderlich. Doch selbst von den halbherzigen EUVorhaben ist Brandenburg noch weit entfernt. Die in der Energiestrategie Brandenburgs verankerten Ziele greifen zwar die EU-Strategie auf, aber jeder weiß doch inzwischen, dass Brandenburg diese Ziele nicht erreichen wird. Ein Klimaschutzgesetz, das diese Ziele verbindlich machte, wurde vom Land schon abgelehnt. Statt die Chancen eines Vorreiters im Klimaschutz zu nutzen, verbündet sich Brandenburg eher mit denjenigen Kräften, die einem verbesserten Klimaschutz entgegenstehen, und unterstützt damit auch indirekt die Blockadehaltung der Gegner des Klimaschutzes in Brüssel. - Vielen Dank.
Sehr verehrten Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Herr Präsident, ich kann in vorauseilendem Gehorsam verkünden: Ich werde zum Thema sprechen und auch die Redezeit nicht überschreiten.
Die vorgelegte Bilanz des Familien- und Kinderpolitischen Programms über den Zeitraum 2011 bis 2013 verweist auf regelmäßige Änderungen im Programm. Laufend gab und gibt es abgeschlossene, modifizierte oder neu hinzugekommene Maßnahmen und Projekte. Für ein solch hochdynamisches Programm, das sich laufend ändert, fehlen mir die Maßstäbe, es zu bewerten. Die Landesregierung macht sich bisher nur unzureichend die Mühe, erstens nachvollziehbare Daten zu erheben und zweitens Indikatoren für den Erfolg oder Misserfolg festzulegen.
Die von Frau Dr. Ellsäßer kürzlich vorgestellten Daten zu den „Netzwerk-Kindern“ könnten ja vielleicht Anlass sein, mal einen Umschwung in Richtung systematische Datenerfassung vorzunehmen.
Stattdessen werden ideenreich neue Maßnahmen mit verschiedenen Projekten für Programme entwickelt. Eine zielgerichtete Verschränkung dieser wechselnden Maßnahmen ist eher nicht erkennbar. Die Landesregierung folgt dabei dem Wege von Versuch und Irrtum und nimmt beim Probieren auch die Möglichkeit von Fehlschlägen in Kauf. Macht das Sinn? Ist das besonders mutig? 2011 ging es unter anderem um eine - erstens familienfreundliche Infrastruktur mit dem „Netzwerk Gesunde Kinder“, zweitens um Eltern-Kind-Zentren und Eltern-KindGruppen und drittens um die Lokalen Bündnisse für Familie und die Förderung der Kinder durch Verbesserung ihrer Bildungschancen.
Mir lag hierbei besonders die sprachliche Bildung der Kinder am Herzen. Jedoch erfahre ich auch aus diesem Bericht der Landesregierung leider gar nichts über die Sprachförderung unserer Kinder, die bereits im Alter von zweieinhalb bis viereinhalb Jahren zunehmend mit Sprach- und Sprechstörungen zu kämpfen haben. Der Bericht führt Projekte zur Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern, die Vorverlegung der Sprachstandsfeststellung und die Umstellung der kompensatorischen Sprachförderung auf alltagsintegrierte Sprachförderung auf - alles Maßnahmen, die ich an sich sehr begrüße. Besonders über die Vorzugswürdigkeit der alltagsintegrierten Sprachförderung haben wir im Ausschuss länger diskutiert. Trotzdem würde ich weiterhin zu gerne wissen, ob mittlerweile weniger als 25 % der Kinder aus der Gruppe der Zweieinhalbbis Viereinhalbjährigen an Sprach- und Sprechstörungen leiden. Dazu müsste die Landesregierung die eben schon erwähnten Daten sauber erheben und Indikatoren erstellen, um nachweisen zu können, dass die Maßnahmen wirken und Erfolge zeigen, Kinder also mit einem gut entwickelten Sprachschatz in die Schule kommen.
Im Bericht wird die Bildungsmaßnahme Sprachförderung für Kinder dadurch belegt, dass die Ausgaben für Fortbildungen
von Erzieherinnen und Erziehern im Bereich Sprachstandsfeststellung beziffert werden, oder es werden die Kosten für die Praxis-CD „Wie kommen Kinder zu Wort?“ aufgeführt. Diese Beiträge zeigen zwar, dass die Landesregierung Geld für Maßnahmen ausgibt, aber dies sagt nichts über die Wirksamkeit der Maßnahmen aus. Wirklich nachweisbare Fortschritte bei der Bildungsmaßnahme Sprachförderung zu erzielen, das wäre im Sinne einer vorsorgenden Sozialpolitik, die sich diese Landesregierung auf ihre Fahnen geschrieben hat. Der Bericht der Landesregierung scheut sich aber vor einer nachprüfbaren Prioritätensetzung. Es fehlt einfach ein roter Faden in der Familien- und Kinderpolitik der Landesregierung.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Es wird Sie überraschen, aber wir Grüne sind bei diesem Thema ausnahmsweise einmal einer Meinung mit der CDU.
Wir wollen eine saubere Polizeiliche Kriminalitätsstatistik haben, die über jeden Vorwurf der Manipulation erhaben ist. Insofern unterstützen wir den Antrag, denn die seit den „Klartext“-Sendungen im Raum stehenden Manipulationsvorwürfe konnten vom Innenminister bisher weder im Innenausschuss noch im Landtagsplenum ausgeräumt werden. Diese Vorwürfe haben durch das von der CDU beauftragte Gutachten weitere Nahrung erhalten. Das Gutachten belegt, dass die Erfassung der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik nicht durchgängig nach den bundesweit geltenden Kriterien vorgenommen wurde, da die Handlungsanweisung in der Polizeidirektion West eben nicht den BKA-Richtlinien entspricht. Das Gutachten kommt sogar zu dem Ergebnis, dass „offensichtlich bewusst und gezielt die PKS-Erfassung in eine bestimmte Richtung manipuliert werden sollte“.
In besagter Handlungsanweisung hieß es - das lassen wir uns einmal auf der Zunge zergehen -:
„Ich weise hiermit an, aufgrund des kriminalistischen Erfahrungswissens in folgenden Sachverhaltskonstellationen in der Regel nur eine Anzeige (…) zu fertigen:
3.1.1 Diebstahl an/aus Kfz.
Bei Angriffen innerhalb desselben Zeitraums (max. eine Nacht bzw. ein Tag) innerhalb derselben Straße/desselben Parkplatzes, sofern jedes angegriffene Objekt in Sichtweite zumindest zu einem weiteren Angriffsobjekt liegt. (…)“
Und dabei ist in der BKA-Richtlinie ein ähnlicher Fall - aus zehn Kfz unterschiedlicher Halter werden Gegenstände entwendet = 10 Fälle - als Beispiel für mehrere Taten angeführt.
Aber nicht nur wir wundern uns: Auch Andreas Schuster von der GdP hatte die Zählweise von Einbrüchen als schwer nachvollziehbar bezeichnet. Der Vorsitzende des Brandenburger Bundes der Staatsanwälte Ralf Roggenbuck sagte sogar:
„Uns ist aufgefallen, dass es vermehrt zu Abweichungen kommt.“
Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter findet, durch das Gutachten sei bestätigt worden, dass mit den Regelungen der Polizeidirektion West bei der Erfassung „gedreht“ worden sei. Tja, die Beweislast ist doch ziemlich massiv. Und nun? Wir finden, diese unrühmliche ungenaue Erfassung von Straftaten muss nicht nur beendet, sondern auch korrigiert werden. Immerhin wurden in einem Viertel des Landes wichtige Straftaten wie Autodiebstähle über ein halbes Jahr lang nicht so erfasst, wie es nach der bundesweiten Richtlinie hätte sein sollen. Dabei hatte der Minister im Februar-Plenum auf meine Anfrage zu den Manipulationen der Einsatzzeiten per Verfügung in einer Polizeidirektion noch gesagt, die Führungskräfte seien hinreichend sensibilisiert, dass der Polizeipräsident und er selbst derartige Praktiken nicht dulden würden. Mir scheint, Ihre Führungskräfte sind unsensibler, als Sie dachten.
Wir werden dem Antrag also zustimmen. Zwar hat die Aussagekraft der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik ihre Grenzen Interpretationen sind sowieso schwierig, dem Argument kann man zustimmen -, aber wenigstens auf eine bundesweite Vergleichbarkeit muss man sich verlassen können.
Von den üblichen Einlassungen der CDU hinsichtlich der Polizeistrukturreform wollte ich mich eigentlich distanzieren, aber das hat sich ja seit letzter Woche offensichtlich erübrigt. Ich finde es in Anbetracht der jahrelangen erbitterten inhaltlichen Auseinandersetzungen um die Reform unglaublich, dass sie zwei Wochen vor den Kommunalwahlen ankündigen, alle Reviere rund um die Uhr offenhalten zu wollen.
Damit ist das letzte Stück Konzept über Bord geworfen, und Sie wissen, dass Sie die aus dem Ärmel geschüttelte neue Zielzahl 7 800 damit auch nicht halten können. Selbst die CDU ging bei ihrer Zielzahl von 8 000 davon aus, dass ein Teil der Wachen „bedarfsgerecht“ geöffnet sei. Das heißt, mit 7 800 kommen Sie nicht hin. Eine durchgängige 24-stündige Öffnung aller Reviere wird nicht einmal von den Polizeigewerkschaften gefordert.
Die Polizeireform ist erledigt und beerdigt. Mir nimmt Ihr Opportunismus fast den Atem. Ihre Maxime lautet: „Was küm
mert mich mein Geschwätz von gestern, Hauptsache die SPD gewinnt die Wahl.“
Wie wollen Sie jemals Bürger von einem anderweitigen Reformvorhaben überzeugen?
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Parlamentarische Abend naht. Ich will auch nicht auf die Mütterrente und die Ost-West-Rentenangleichung eingehen, sondern mich relativ eng an den FDP-Antrag halten.
Die FDP-Fraktion möchte mit ihrem Antrag Korrekturen an den Rentenplänen der Bundesregierung erreichen, um die Beschäftigung von Personen im Rentenalter zu erleichtern. Deshalb soll sich die Landesregierung bei der Bundesregierung mittels einer Initiative im Bundesrat für folgende Änderungen einsetzen:
Erstens: Die beschäftigten Rentnerinnen und Rentner und auch die Arbeitgeber sollen bei Inkrafttreten der geplanten Rentenreform von der Beitragspflicht für die Arbeitslosen- und Rentenversicherung entlastet werden.
Zweitens: Die Arbeitgeber erhalten das Recht, bislang unbefristet beschäftigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Übergang ins Rentenalter befristet einzustellen.
Damit greift der FDP-Antrag die Vorschläge zur Flexi-Rente erneut auf und will die Situation für die Unternehmen verbessern. Dabei wurde doch schon von Carsten Linnemann von der CDU-Mittelstandsvereinigung selbst auf die drohenden Beitragsausfälle für die Sozialversicherungen hingewiesen. Er hatte die Beitragsausfälle mit 317 Millionen Euro pro Jahr für die gesetzliche Rentenversicherung und für die Arbeitslosenversicherung mit ca. 50 Millionen Euro berechnet. Jedoch müssen diese Berechnungen aufgrund einer Anfrage unserer grünen Bundestagsfraktion beim Bundesarbeitsministerium wesentlich höher angesetzt werden. Die von der Union und der CDU-Mittelstandsvereinigung geforderte Flexi-Rente verursacht deutlich höhere Beitragsausfälle. Vor allem die Rentenkasse müsste mit jährlichen Einnahmeverlusten in Höhe von knapp 1 Milliarde Euro rechnen, und die Arbeitslosenversicherung müsste Ausfälle von bis zu 90 Millionen Euro pro Jahr verkraften. Diese Zahlen müssen erst einmal ernst genommen werden.
Außerdem trifft das Argument der FDP, ältere und jüngere Beschäftigte würden durch die Entlastung der Arbeitgeber im Rentenalter nicht gegeneinander ausgespielt, ebenfalls nicht zu. Leben Sie denn in Wolkenkuckucksheim, Herr Büttner?
Natürlich werden Firmen in solchen Fällen ältere Arbeitnehmer besonders schätzen, wenn sie billiger zu bekommen sind als jüngere Arbeitnehmer, besonders wenn diese dann nach Eintritt ins Rentenalter auch noch befristet beschäftigt werden sollen. Die Unternehmen behalten die erfahrenen und vermutlich gut qualifizierten Fachkräfte, die auf eigenen Wunsch gern länger arbeiten wollen und motiviert sind, sparen die Abgaben für die Sozialversicherung und können sie jederzeit wieder loswerden. Der FDP-Antrag führt schlicht und einfach dazu, auf Kosten der Sozialkassen die Lohnnebenkosten zu senken.
Den Wunsch vieler vitaler älterer Beschäftigter, länger zu arbeiten, unterstützen wir natürlich. Die aktuellen Umfragen bestätigen ja auch, dass das einem erstaunlich hohen Prozentsatz der Befragten vorstellbar und wünschenswert erscheint. Auch das Interesse der Wirtschaft, erfahrene Fachkräfte zu behalten, ist durchaus legitim und erfreulich. Nur müssen die Konditionen der Weiterbeschäftigung fair verhandelt und nicht ein einseitiges Lohnkostensparmodell für Unternehmer sein. Auch die befristete Beschäftigung der Mitarbeiter im Rentenalter birgt allerlei Probleme. Zumindest sollen die Beschäftigten selbst entscheiden können, wie lange sie denn weiter arbeiten möchten.
Wir Grünen kritisieren die Flexi-Rente und den vorliegenden FDP-Antrag, weil im koalitionsinternen Abwehrkampf gegen die Rente mit 63 Vorschläge gemacht werden, die nicht zu Ende gedacht sind. Die Kombipackung einer unzuträglichen Rentenreform, nämlich der Rente mit 63 - gegen die wir ja auch sind - mit einer nicht ausgearbeiteten Flexi-Rente würde keinen Sinn machen. Der Vorschlag von Herrn Oppermann, dazu eine Arbeitsgruppe einzusetzen, erscheint mir erst einmal vernünftig.
Bei der Diskussion um die verlängerten Beschäftigungen von Rentnerinnen und Rentnern, die länger arbeiten wollen, dürfen wir ein gravierendes Problem nicht aus den Augen verlieren: Wir müssen für all jene Berufs- und Beschäftigungsgruppen, die ihre Tätigkeit wegen sehr hoher physischer oder psychischer Anforderungen nicht bis zum Eintritt des regulären Rentenalters ausüben können, flexiblere Übergänge in die Rente finden. Hier muss zum Beispiel über Teilrenten und - ganz wichtig Verbesserungen der Erwerbsminderungsrente nachgedacht werden. Hier liegen die sozialpolitisch wichtigeren Probleme, weil hier gravierende Abschläge und Altersarmut drohen.
Bis solche Dinge geklärt sind, lehnen wir den FDP-Antrag einstweilen ab. - Danke.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Besuchertribüne! Wir von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßen außerordentlich, dass der Ministerpräsident dieses Plenum zu einer Regierungserklärung und Aussprache zu Brandenburg und Europa nutzt. Kaum eine Region könnte besser als Brandenburg, hart am ehemaligen Eisernen Vorhang gelegen, geografisch und politisch für die Mitte Europas stehen. Und kaum ein Datum wie der vor uns liegende 25. Mai im Jahr 2014 bietet so viel Gelegenheit, an historische Ereignisse anzuknüpfen. Das Jahr 2014 ist ein Europajahr.
Wir gedenken des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs vor hundert Jahren, des Überfalls auf Polen und Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren, wir gedenken der Landung der Alliierten in der Normandie vor 70 Jahren, der manipulierten Kommunalwahlen, der Montagsdemonstrationen und der friedlichen Revolution in der ehemaligen DDR vor 25 Jahren. Das Jahr 1989 steht auch für die Umwälzung in Mittel- und Osteuropa hin zu Demokratie, es steht für das Zerreißen des Eisernen Vorhangs und das Ende des Kalten Krieges. Zudem begehen wir dieser Tage das zehnjährige Jubiläum der EU-Osterweiterung, einer beispiellosen Erfolgsgeschichte.
Der Gedanke der europäischen Integration geht auf Robert Schuman zurück, der schon 1950 vorausschauend formulierte:
„Der Beitrag, den ein organisiertes und lebendiges Europa für die Zivilisation leisten kann, ist unerlässlich für die Aufrechterhaltung friedlicher Beziehungen.“
Der Beginn der europäischen Integration stand im Zeichen der deutsch-französischen Freundschaft. Das Fortschreiten des Integrationsprozesses nach Mittel- und Osteuropa ist ohne die Aussöhnung und Freundschaft zwischen Polen und Deutschland nicht denkbar.
Wir Grünen sagen ja zu Europa. Für uns ist die Europäische Union verknüpft mit dem Gedanken an Freiheit und Vielfalt, an einklagbare Menschenrechte, an Demokratie und offene Grenzen. Diese offenen Grenzen sind ein hohes Gut, meine Damen und Herren, und der Ruf nach dem Schlagbaum wegen der Kriminalitätsbelastung kontraproduktiv. Auch die Organisierte Kriminalität können wir nur partnerschaftlich bewältigen, und deshalb ist die morgige Unterzeichnung des deutschpolnischen Polizeiabkommens ein ganz großer Schritt in die richtige Richtung.
Die EU hat geholfen, jahrhundertealte Gegensätze und Konflikte zu überwinden und dem Kontinent eine historisch einmalig lange Friedensperiode zu bewahren. Dafür ist sie zu Recht 2012 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden.
Die Europäische Union, das sind heute 500 Millionen Menschen, 24 Sprachen und 28 Staaten; das ist der größte Binnenmarkt der Welt. Brandenburg profitiert durch seine Lage im Herzen Europas in wirtschaftlicher, politischer und kultureller Hinsicht ganz außerordentlich von den Vorteilen der europäischen Zusammenarbeit. Die Europäischen Strukturfonds haben entscheidend zur wirtschaftlichen Entwicklung und zur Verbesserung der Lebensverhältnisse in Brandenburg beigetragen. Seit 1991 flossen 10 Milliarden aus dem EU-Haushalt nach Brandenburg, von 2007 bis 2013 allein 3,1 Milliarden Euro. Wenn wir in der jetzt beginnenden Förderperiode als Übergangsregion weniger Mittel - immerhin noch 2,2 Milliarden Euro - erhalten werden, so ist dies fair. Brandenburg hat große Fortschritte gemacht, und andere Regionen haben jetzt höheren Förderbedarf.
Knappere Mittel und strengere Vorgaben bedeuten aber auch eine Chance, das Geld zukunftsweisender in die Kernbereiche Innovation, Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Inklusion zu investieren. Daran hat es in der Vergangenheit ja häufig gehapert. Die Brandenburger Landwirtschaft erhielt in der letzten För
derperiode 360 Millionen Euro an Direktzahlungen, die als Flächenprämien an die Betriebe ausgezahlt wurden.
Während die EU-Kommission die Zahlungen stärker an Naturschutz- und Umweltauflagen binden und nach Betriebsgröße staffeln wollte, hat sich die Brandenburger Landesregierung im Bund und bei der EU massiv für die Verteidigung dieses Status quo, gegen Greening, gegen Degression und Kappungsgrenzen eingesetzt.
Auch im Fall der Braunkohle ist Brandenburgs Landesregierung immer wieder gegen Ausweitung des Emissionshandels tätig geworden, hat CCS propagiert und sich für die Befreiung der Braunkohleförderung von der EEG-Umlage in die Bresche geworfen. Die Vorgabe der Union, Projekte, die die Minderung des CO2-Ausstoßes zum Ziel haben, zu fördern, wird durch die Energiepolitik der Landesregierung konterkariert.
Mit den Entwürfen zu den Operationellen Programmen hat die Landesregierung ihre Schwerpunkte für die kommenden sieben Jahre benannt. Während bisher noch ein Großteil der Mittel des Fonds für Regionalentwicklung EFRE in Infrastrukturprojekte geflossen ist, dürfen ab jetzt 80 % der Gelder nur noch für Maßnahmen zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit, zur Innovationsförderung und zur Senkung des CO2-Ausstoßes eingesetzt werden.
Jetzt kann Brandenburg endlich gezielt seine Schwäche im Bereich der betrieblichen Innovation beheben. Auch kleine und mittlere Unternehmen, die in Brandenburg mit 98 % die überwiegende Mehrheit der Unternehmen darstellen, werden jetzt dank geänderter EU-Regeln endlich deutlich bessergestellt. Eine solche mittelstandsfreundlichere Regelung haben wir bisher vermisst. Wir erwarten, dass die Neuausrichtung der EU-Förderung ernst genommen und die Mittel nicht wieder durch die Hintertür vornehmlich bei großen Logistikunternehmen, bei Hotelkomplexen oder Erweiterungen klassischer Industrieunternehmen landen.
Auch der Entwurf der neuen Agrarförderung Brandenburgs hat immer noch die Industrialisierung einer exportorientierten Agrarwirtschaft mit immer weniger Betrieben und Beschäftigten zum Ziel. Der Ausverkauf unserer ländlichen Räume an Kapitalgesellschaften ist so nicht zu stoppen.
Gerade im wichtigen Natur- und Umweltbereich hat die Europäische Union weitreichende Kompetenz. Etwa 80 % der nationalen Gesetzgebung fußen auf europäischem Regelwerk. Europa hat hier ohne Zweifel großen Einfluss auch auf Brandenburg. Wir verdanken Europa zum Beispiel das europäische Schutzgebietssystem Natura 2000, welches sich hierzulande mit FFH- und Vogelschutzgebieten auf 26 % der Landesfläche erstreckt. Europa will auch für bessere Wasserqualität sorgen. Mit der europäischen Wasserrahmenrichtlinie sollen sämtliche Grund- und Oberflächengewässer einen guten chemischen und ökologischen Zustand erreichen. Hierfür werden entsprechende Gewässerentwicklungskonzepte erarbeitet.
Für die Umsetzung dieser Maßnahmen stellt die EU auch viel Geld zur Verfügung. Gut gedachte EU-Richtlinien und darauf
fußende Pläne helfen aber nicht, wenn die Landesregierung diese nicht ernst nimmt. Das Verschlechterungsverbot der EUWasserrahmenrichtlinie scheint die Landesregierung beispielsweise im Hinblick auf die Erweiterung des Tagebaus WelzowSüd und die Auswirkungen auf die Spree und ihre Zuflüsse nicht die Bohne zu interessieren,
wohl wissend, dass sie schon jetzt mit der Eisenocker- und Sulfatproblematik und der Versauerung von Gewässern überfordert ist, Frau Ministerin Tack.
Ob die sanierte Dorfkirche, das deutsch-polnische Polizeitandem in der Grenzregion, zahlreiche Beschäftigungs- oder Qualifizierungsprogramme oder die Umgestaltung des Falkenseer Bahnhofsvorplatzes - EU-Gelder sind immer dabei. Unser Alltag ist ohne ein vereintes Europa nicht denkbar: das Auslandssemester in Lissabon, der Jugendaustausch, die Familie aus Stettin, die in die Uckermark zieht, der brandenburgische Handwerker, der in Polen arbeitet.
Auch wenn uns Europa in Brandenburg auf Schritt und Tritt begegnet: Das Interesse an den Europawahlen ist gering. Die Wahlbeteiligung lag in Brandenburg mit 26,9 % 2004 und 29,9 % 2009 deprimierend niedrig. Dass der Vertrag von Lissabon die Rechte der Bevölkerung - Stichwort „Europäische Bürgerinitiative“ - und die Kompetenz des Europaparlaments gestärkt hat, wird kaum wahrgenommen.
Martin Schulz beklagte kürzlich, dass sich viele Lokalpolitikerinnen und -politiker das mit EU-Geldern realisierte Bauprojekt nur zu gerne an die eigene Brust heften, Misserfolg und Schwierigkeiten aber schnell bei dem „Moloch Brüssel“ abladen. Wir brauchen ein Narrativ, eine europäische Erzählung, die die Menschen wieder anspricht, die sie positiv berührt.
Überall in unserem Land sind Menschen unterwegs, ihr Europa mit Leben zu füllen. Es gibt Europaschulen und Europakitas, es entstehen Netzwerke von Städten, Gemeinden und Vereinen, seien es die europäischen Hansestädte oder das Netzwerk der Jakobswege, das Europa und Brandenburg durchzieht. Mit besonderer Aufmerksamkeit registrieren wir, dass gerade in der Grenzregion zu Polen die Kontakte kontinuierlich wachsen und vertieft werden. Es entstehen Infrastrukturen über Oder und Neiße hinweg, Grenzstädte wachsen immer weiter zusammen und versuchen, durch Kooperation Entwicklung voranzubringen. Kitas und Schulen, Sportvereine und Kulturinstitutionen entwickeln enge Kontakte ins Nachbarland. Diese Menschen füllen unseren Verfassungsauftrag in Art. 2 mit Leben. Hier leistet das Land Unterstützung, hier kann das Land aber auch noch mehr tun. Wir brauchen zum Beispiel endlich ein Mehrsprachigkeitskonzept des Landes, das Polnisch als Nachbarsprache besonders berücksichtigt.
Gerade in den Schulen der Grenzregion steigt der Bedarf an Polnischunterricht.
Trotz zahlreicher Kontakte und Beispiele erleben wir momentan in vielen Ländern Europas eine regelrechte Renaissance von Europafeindlichkeit und Nationalismus. Es geht wieder ein Gespenst um in Europa, das des Rechtspopulismus, und dieses
Gespenst scheint jetzt auch Deutschland zu erreichen. Von der FPÖ in Österreich, der Freiheitspartei in den Niederlanden, dem Front National in Frankreich bis zur UKIP in Großbritannien reicht das Spektrum. Diese Parteien eint EU-Feindschaft, Ausländerfeindlichkeit bis hin zu unverhohlenem Rassismus, die Ablehnung von Arbeitsmigration und das Schüren sozialer Abstiegsängste.
Herrn Büttner danke ich sehr für seine klaren Worte zum Asyl. Europa als Ort der Freiheit kann kein Bollwerk gegen Flüchtlinge sein.
Prognosen, dass bis zu einem Viertel der Sitze im künftigen Europaparlament von ausgewiesenen Feinden Europas eingenommen werden können, sind Anlass zu ernster Sorge. Wir begrüßen es daher sehr, dass dieses Hohe Haus im Anschluss einen Wahlaufruf zur Stärkung der Demokratie in Brandenburg und Europa verabschieden wird.
Nachdem die EU den Tiefpunkt der wirtschaftlichen Krise langsam zu überwinden scheint, droht Europa mit dem Ukraine-Konflikt die schwerste politische Krise seit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zerfall Jugoslawiens. Angesichts der Gefahr einer militärischen Eskalation, von Bürgerkrieg und Krieg in Europa wird vielen klar, wie wichtig ein geeintes, solidarisches Europa ist, um solchen Belastungen standzuhalten. Doch im Innern muss sich die EU mit den destabilisierenden Effekten des wachsenden Rechtspopulismus auseinandersetzen, nach außen mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim.
Mit großer Sorge sehen wir, dass die fortgesetzten Destabilisierungsversuche Russlands der Ukraine gegenüber Wirkung zeigen. Die selbstorganisierten Referenden vom Wochenende ohne jegliche rechtsstaatliche Grundlage, ohne klare Abstimmungsalternative und ohne internationale Beobachter sind haltlos. Nebenbei bemerkt: Das schönste proeuropäische Votum haben die 180 Millionen Zuschauer des European Song Contest abgegeben, die für Vielfalt und Freiheit in Europa stimmten.
Trotz der zunehmend außer Kontrolle geratenden Situation muss weiterhin an diplomatischen Lösungen gearbeitet und jeder Anheizung militärischer Gewalt Einhalt geboten werden. Oberstes Ziel muss weiterhin die Durchführung von Präsidentschaftswahlen an diesem 25. Mai unter Einbeziehung von OSZE-Beobachtern sein. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gelten unser Respekt und unser Dank für seine diplomatischen Bemühungen.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir sind gegen jegliche Art von militärischen Drohgebärden und Muskelspielen auch vonseiten der NATO; wir sehen Fehler auf beiden Seiten.
Wir sagen aber ebenso klar: Die zunehmende nationalistische
Ausrichtung Russlands, krude geostrategische Phantasien, Homophobie und Fremdenfeindlichkeit, ultrareaktionäre Frauenund Familienbilder unter dem Beifall des orthodoxen Klerus und die Unterdrückung bürgerlicher Freiheitsrechte sind mit dem Wertesystem von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unvereinbar.
Es sollte auch zu denken geben, dass Marine Le Pen und die extreme Rechte in Westeuropa ihre Liebe zu Russland entdeckt haben und offensichtlich in Moskau ein- und ausgehen. Für uns aber ist klar: Wir sind gegen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Antifeminismus und Unterdrückung demokratischer Freiheitsrechte, egal, ob sie in West- oder Osteuropa postuliert werden.
Vielleicht sollten einige Mitglieder der Linkspartei - eher nicht in diesem Haus, sondern woanders, und ich sage ganz bewusst „einige“ - mal ihr ideologisches Koordinatensystem putzen und sich fragen, wo genau sie denn stehen.
Das Friedensprojekt Europa ist nicht abgeschlossen, nein, es ist momentan akut bedroht. Die Europäische Union muss sich als Solidargemeinschaft auch in harten Zeiten von Schuldenkrise und außenpolitischen Krisen erweisen. Wir wollen nicht weniger Europa, sondern Ziel grüner Politik ist ein besseres Europa mit einer starken demokratischen Legitimation. Wir wollen mehr Beteiligung und Mitbestimmung für das Europaparlament, aber auch für nationale und regionale Parlamente, auch hier in Brandenburg.
Die europäische Wirtschaftskrise ist noch lange nicht ausgestanden. Wir wollen Millionen Menschen nicht durch eine verfehlte Sparpolitik in die Verelendung treiben, die Krise der Finanzmärkte gesamteuropäisch angehen und vor allem Jugendarbeitslosigkeit gemeinsam bekämpfen. Hier danke ich Ihnen, Frau Melior, ganz ausgesprochen für Ihre klaren Worte zur Jugendarbeitslosigkeit. Wir müssen der Jugend Europas eine gesicherte Lebensperspektive bieten, ihr die Vorzüge unseres gemeinsamen Europas von der Schulpartnerschaft über die Anerkennung von Hochschulabschlüssen bis zum gemeinsamen Arbeitsmarkt nahebringen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Europa ist am Elend des Nationalismus im 20. Jahrhundert fast zugrunde gegangen. Die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts können wir nur gemeinsam bewältigen. Was kann der Nationalstaat besser als ein vereintes Europa? Umwelt- und Klimaschutz kann nur supranational bewältigt werden, wenn wir eine Klimakatastrophe noch verhindern wollen. Ein Freihandelsabkommen muss gesamteuropäisch und vor allem transparent und öffentlich verhandelt werden, um Begehrlichkeiten multinationaler Konzerne gemeinsam abzuwehren und europäische Verbraucherschutz- und Sozialstandards zu verteidigen.
Die Übergriffe der NSA oder die Begehrlichkeiten von Internet-Giganten wie Google muss Europa gemeinsam stemmen, und die Regulierung der Finanzmärkte kann auch nur in einem gestärkten Europa gelingen. Auch die Herausforderungen der Außen- und Sicherheitspolitik müssen wir gemeinsam bewältigen. Der Prozess der demokratischen Transformation in Osteuropa muss gemeinschaftlich vorangetrieben werden.
Ja, das europäische Haus ist nicht vollkommen, seine Umbaumaßnahmen sind nicht abgeschlossen. Einige Räume warten noch auf neue Mieter. Am Dach bedarf es dringender Reparaturarbeiten. Die Gemeinschaftsräume müssen ausgebaut werden. Trotzdem dürfen wir nicht zulassen, dass nationalistische Brandstifter an unserer gemeinsamen Wohnstätte zündeln und sie in Schutt und Asche legen wollen. Bei aller Unvollkommenheit ist Europa ein Projekt, für das es sich zu kämpfen lohnt.
Wenn wir demokratische Wahlen aus Bequemlichkeit den Feinden Europas oder gar den Feinden der Demokratie überlassen, dann haben wir auf ganzer Linie verloren und versagt. - Ich danke Ihnen.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucher, Sie werden sich möglicherweise fragen, warum die Gesundheitspolitikerin der grünen Landtagsfraktion zu dem Thema „Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung“ das Wort ergreift. Ihrer Vermutung, dass es mit den nahenden Landtagswahlen zu tun haben könnte, würde ich nicht allzu vehement widersprechen wollen. Viel wichtiger ist mir aber, darauf hinzuweisen, dass wir ein dringendes gesundheitspolitisches Problem haben, nämlich die Zunahme von Antibiotikaresistenzen bei einer Vielzahl von Krankheitserregern, und dass wir dieses Problem nur durch eine Erweiterung unseres Blickwinkels wirksam bekämpfen können.
Dazu müssen wir nicht nur auf unsere Krankenhäuser schauen und von Hospitalismuskeimen, Krankenhaushygiene und Multimorbidität reden, sondern wir müssen unsere Blicke auch auf die Ställe, insbesondere auf die Intensivtierhaltung, richten. Im November letzten Jahres hat die Bundesregierung eine grundlegende Überarbeitung der deutschen Antibiotikaresistenzstrategie vorgestellt, mit der seit 2008 ressortübergreifend versucht wird, dem Problem zu begegnen. Dabei sagte der Staatssekretär im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Dr. Kloos:
„Wir sind uns alle bewusst, dass wir die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen gemeinsam bekämpfen müssen, Veterinär- und Humanmedizin Hand in Hand.“
Deshalb ist es von großer Bedeutung, dass zum 1. April 2014 die 16. Novelle des Arzneimittelgesetzes in Kraft getreten ist, mit der erstmals strategisch versucht werden soll, den Antibiotikaeinsatz in Mastbetrieben flächendeckend zu verringern und damit einen wesentlichen Beitrag im Kampf gegen die Resistenzproblematik zu leisten. Wie die Antwort auf unsere Kleine Anfrage ergeben hat, fehlt es ja auch in Brandenburg bisher an jeglicher systematischer Erfassung und Auswertung des Antibiotikaeinsatzes in der Nutztierhaltung. Antibiotika haben sich seit der Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming als eine ungeheure Erfolgsgeschichte der modernen Medizin erwiesen. Viele bislang tödlich verlaufenden Krankheiten konnten nun sicher und zuverlässig behandelt werden.
Seit einigen Jahrzehnten treten aber vermehrt antimikrobielle Resistenzen auf. Der erst vor zwei Wochen veröffentlichte globale Bericht der Weltgesundheitsorganisation kommt hier zu alarmierenden Ergebnissen. Weltweit nimmt die Zahl resistenter Keime zu - die WHO spricht bereits von einer „postantibiotischen Ära“ -, wenn nicht schnell und koordiniert gehandelt wird. Sonst könnten uns Zeiten drohen, in denen es bei bedrohlichen Infektionen keine Behandlungsoption mehr gibt. Die Zahl der Patienten, die schon heute allein in deutschen Krankenhäusern an Infektionen durch multiresistente Erreger sterben, wird auf bis zu 30 000 geschätzt.
Resistenzen entwickeln sich dort, wo der Antibiotikaeinsatz besonders hoch ist, und das sind halt nicht nur unsere Kranken
häuser, sondern das sind insbesondere die Anlagen der industriellen Tiermast. Jährlich werden in Deutschland ca. 800 t Antibiotika in der Humanmedizin, aber 1 600 t in der Veterinärmedizin eingesetzt - mehr als in jedem anderen europäischen Land. Die Menge der verabreichten Antibiotika pro erzeugter Tonne Fleisch ist in Deutschland fünfmal so hoch wie in Dänemark. Und immer mehr Reserveantibiotika werden in der Nutztierhaltung eingesetzt, obwohl sie dort überhaupt nichts zu suchen haben. Das ist gefährlich!
Auch die arzneimittelrechtlichen Kontrollen der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter in Brandenburg sind absolut unzureichend, wenn bei der jährlichen Überwachung 80 bis 90 % der Risikobetriebe, also die besonders viele Tiere halten, gar nicht kontrolliert werden.
Schauen wir uns einen bekannten Problemkeim an, den MRSA. In mehr als der Hälfte aller konventionellen Schweinemastanlagen in Deutschland tragen die Tiere eine spezielle Variante davon, in Sachsen laut einer parlamentarischen Anfrage in 78,1 % der Betriebe. Die Häufigkeit dieser MRSA in Mastbetrieben korreliert mit der Bestandsgröße. 86 % der beruflich dort Tätigen sind von demselben Keim besiedelt. Diese Daten stammen wohlgemerkt nicht von „angegrünten“ Weltuntergangsapologeten, sondern vom Robert-Koch-Institut. Eine Studie aus den Niederlanden, die auch im „Deutschen Ärzteblatt“ vorgestellt wurde, registriert steigende Raten dieser viehstallassoziierten MRSA-Keime auch bei Menschen, die nie Kontakt zu Tieren gehabt haben. Sie wohnten aber in Regionen, in denen sich besonders viele Viehmastanlagen befanden.
Das Robert-Koch-Institut listet in seinen Empfehlungen für ein Screening von Patienten mit einem hohen Risiko für MRSABesiedelung den Kontakt zur landwirtschaftlichen Tiermast auf. Noch problematischer sind die sogenannten ESBL-Darmkeime, die gegen eine Vielzahl von Antibiotikagruppen resistent sind. Bereits mehr als sechs Millionen Deutsche tragen diese Keime in sich, die ihre Resistenzinformationen auch an andere Darmkeime übergeben können. Solange die Menschen gesund sind, werden sie damit fertig. Lebensgefährlich wird es, wenn abwehrgeschwächte Menschen, Krebspatienten, Diabetiker, Frühgeborene oder Transplantierte von ihnen befallen werden.
Es wird von der Wissenschaft nicht mehr infrage gestellt, dass der breite Einsatz von Antibiotika in der industriellen Tiermast für die Verbreitung von Resistenzen bei Mensch und Tier gerade durch die beschriebenen Haut- und Darmkeime eine entscheidende Rolle spielt. Besonders gravierend ist die Situation in der Geflügelmast. Durch die unnatürliche Aufzucht in Massentierhaltung auf engstem Raum mit permanentem Stress sind die Tiere extrem infektionsanfällig. Bis zu 96 % aller Masthähnchen erhalten in ihrem Leben von nur gut einem Monat mehrmals Antibiotika. Bei der Größe der Bestände und der qualvollen Enge ist eine Einzelbehandlung kranker Tiere überhaupt nicht mehr möglich.
2006 wurde die prophylaktische Verfütterung von Antibiotika in Deutschland verboten. Trotzdem ist der Verbrauch in der Tiermast nicht zurückgegangen, sondern weiter gestiegen. Das muss einem zu denken geben. Denn unsere industrielle Fleischproduktion ist ohne Antibiotikagaben gar nicht mehr durchführbar. Das Preisdiktat der Supermärkte zwingt zu immer weitergehenden Rationalisierungen auf Kosten des Tierwohls.
Die industrielle Tierproduktion bringt nicht nur unerträgliches Leid für die Tiere mit sich. Die immensen Folgekosten durch Resistenzbildung und Umweltzerstörung tragen wir alle. Dieser Weg führt in eine Sackgasse. Es geht auch anders, wie ökologisch-bäuerliche Betriebe zeigen; denn, wie es Renate Künast formuliert hat: „Das System ist krank, nicht das Tier.“
Der äußerst dürftige erste Entwurf der Arzneimittelnovelle wurde im Vermittlungsausschuss zwar deutlich verbessert, grundsätzliche Verbesserungen der Haltungsbedingungen im Sinne des Tierwohls wurden aber leider nicht erreicht. Trotzdem wird mit dieser Novelle ein erster wichtiger Schritt zur Erfassung des ausufernden Antibiotikaeinsatzes gegangen. Es muss nicht mehr nur angezeigt werden, dass eine AntibiotikaAnwendung stattgefunden hat, sondern auch, wie viele Tiere wie oft mit welcher Substanz und welcher Menge behandelt wurden. Bei überdurchschnittlich hohem Antibiotikaverbrauch müssen Tierhalter gemeinsam mit dem Tierarzt Maßnahmen zur Reduktion vornehmen. Bei stark erhöhten Verabreichungen müssen schriftliche Maßnahmenpläne eingereicht werden.
Bisher fehlten den Tierhaltern, Ärzten und Veterinärämtern aber konkrete Vorgaben zur Umsetzung der neuen Regelung des Arzneimittelgesetzes. Datenbanken sind nicht funktionsfähig, rechtliche Fragen noch offen. Wir erwarten deshalb von der Landesregierung, dass sie schnellstmöglich die Umsetzung des novellierten Arzneimittelgesetzes voranbringt und die betroffenen Akteure umfassend und zeitnah informiert.
Eine zentrale Plattform auf der Homepage des Umwelt- und Verbraucherschutzministeriums mit allen relevanten Informationen sehen wir als eine Mindestmaßnahme an. Das neue AMG kann aber nur ein erster Schritt sein. Ob der Antibiotikaeinsatz damit wirklich sinkt, bleibt abzuwarten. Hierfür bedarf es wohl einer kompletten Trendwende hin zu einer artgerechten Haltung.
Die aktuell gestartete Volksinitiative gegen Massentierhaltung zeigt uns, dass es den Leuten nicht egal ist, was auf ihre Teller kommt. Die Initiatoren und Unterzeichnenden fordern ebenfalls eine Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes. Ich würde mich freuen, wenn auch Sie im Sinne der Verbraucherinnen und Verbraucher handeln und unserem Entschließungsantrag zur Aktuellen Stunde zustimmen würden.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Das am 01.05.2014 in Kraft getretene Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt stellt zweifelsohne ein begrüßenswertes Angebot für Frauen dar, die sich aufgrund einer unerwünschten Schwangerschaft in einer schweren psychosozialen Ausnahmesituation und Notlage befinden. Es schafft eine rechtssichere Alternative zu der sich in einer rechtlichen Grauzone befindlichen anonymen Geburt und der ebenfalls ohne gesetzliche Grundlage und ohne klare Qualitätsstandards geduldeten Babyklappe.
Die vertrauliche Geburt ermöglicht es einer verzweifelten Schwangeren, die Hilfe eines Krankenhauses oder einer Hebamme unter befristeter Wahrung der Anonymität in Anspruch zu nehmen.
Gleichzeitig erfährt das Recht eines jeden Kindes, Kenntnis über seine Abstammung zu erhalten, mit Vollendung des 16. Lebensjahrs erstmals eine Anerkennung. Die Kosten für eine vertrauliche Geburt trägt der Bund, es wird zusätzlich eine bundesweite Hotline für Schwangere in Notlagen eingerichtet das finde ich sehr gut -, und die Beratungsangebote werden entsprechend ausgeweitet.
Obwohl die Einführung der vertraulichen Geburt über Fraktionsgrenzen hinweg von vielen begrüßt wird, gibt es auch Kritik an dem neuen Gesetz. Einigen missfällt, dass nicht sofort auf die anonyme Geburt und die in ihrem Nutzen zur Prävention von Kindstötungen umstrittenen Babyklappen verzichtet wird oder wenigstens klare und einheitliche Qualitätsstandards zum Betrieb der Klappen eingeführt werden. Andere - dazu gehöre auch ich - sind skeptisch, ob das komplizierte Verfahren mit Hinterlegung der Daten beim Bundesamt für Familie und die spätere Aufgabe der Anonymität sich nicht als erhebliche Hürde erweisen werden. Besonders die Androhung, dass die Aufgabe der Anonymität gegen den Willen der betroffenen Frau vom Familiengericht erzwungen werden kann, erscheint mir problematisch. Die Zusicherung strikter Anonymität ist für viele dieser Frauen, die sich in einer Extremsituation befinden, unbedingte Voraussetzung, um Beratungs- und Unterstützungsangebote überhaupt an sich herankommen zu lassen.
Deshalb halte ich es für richtig und wichtig, dass die anonyme Geburt weiterhin möglich ist und die Babyklappen zunächst
weiter verfügbar bleiben, Daten zu allen drei Angeboten erhoben werden und nach drei Jahren eine umfassende Evaluation durchgeführt wird. Dann lässt sich hoffentlich belegen, wie Kindstötungen am ehesten verhindert werden können sowie dem Unterstützungsbedarf und den Rechten von Frauen und Kindern am besten Rechnung getragen werden kann.
Presse- und Fernsehberichten habe ich entnommen, dass die Umsetzung des Gesetzes zeitgerecht zum 1. Mai in Brandenburg in Angriff genommen wurde: Die Kliniken bieten die vertrauliche Geburt an, die Schulungen und Qualifizierungen der Mitarbeiterinnen der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen sind angelaufen. Das zuständige Mitglied der Landesregierung hat sich ebenfalls positiv zur vertraulichen Geburt geäußert. Die Erhebung von Gesundheits- und Sozialdaten läuft zwar im Lande öfter etwas schleppend; momentan kann ich aber nicht erkennen, dass es eines gesonderten Landtagsbeschlusses bedarf, um die Landesregierung zur zügigen Umsetzung dieser bundesgesetzlichen Regelung zu bewegen. Auch die Kenntnis des Gesetzes bei den damit befassten Landesbediensteten glaube ich einfach mal unterstellen zu können.
Ich danke der CDU-Fraktion, dass sie mit ihrem Antrag die Diskussion dieses so wichtigen Themas ermöglicht hat. Wir werden uns zu dem Antrag enthalten. - Danke.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Zum Ende der Wahlperiode und pünktlich zum angeforderten Termin legt uns die Landesregierung ihren Bericht vor und will die Älteren mit ihrer Politik des aktiven Alterns natürlich auch ein wenig hofieren. Die aktiven Alten sollen sogar zum Motor der gesellschaftlichen Entwicklung werden. Dafür schlägt die Landesregierung für die nächste Legislaturperiode ein neues pflegepolitisches Programm vor, das nur noch vier prioritäre Handlungsfelder enthalten soll: Pflege, Wohnen, Gesundheitsversorgung und Prävention sowie bürgerschaftliches Engagement.
Damit reduziert die Landesregierung in unseren Augen die Fortschreibung des Seniorenprogramms zu stark auf Pflegepolitik und konterkariert zumindest teilweise die Intention des aktiven Alterns. Seniorenpolitik ist doch aber vielfältiger. Dazu gehören Dinge wie der altersgerechte Stadtumbau und die Entwicklung des ländlichen Raumes, die Bildung, lebenslanges Lernen und die Arbeit - wie sie noch im Seniorenpolitischen Maßnahmenpaket zu finden waren. Gerade bei steigender Lebenserwartung der Menschen werden altersadäquate Arbeitsbedingungen doch immer bedeutsamer. Es wäre jammerschade, würden die interessanten Ergebnisse der Fachkräftestudie Pflege nur als pflegepolitisches Programm fortgeschrieben. Das Ziel, Seniorenpolitik mit Pflegepolitik zu verklammern, ist auf jeden Fall nicht der Weisheit letzter Schluss. Seniorenpolitik ist mehr als Pflege.
Maßnahme 1 des Seniorenpolitischen Maßnahmenpakets wurde gut abgearbeitet und einer umfangreichen Überprüfung und Bewertung der Altersgrenzen in den Rechtsvorschriften unterzogen. Hier konnte unsere Fraktion erreichen, dass der sehr instruktive Bericht in alle einschlägigen Ausschüsse überwiesen und dort diskutiert wurde, mit unterschiedlicher Tiefe zwar - wir hatten sehr gute Diskussionen im Innenausschuss und im Sozialausschuss -, aber immerhin, er wurde weitgehend diskutiert.
Wir kritisierten im Innenausschuss die Altersgrenzen bei kommunalen Wahlbeamten, denn in Brandenburg können nur Menschen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister werden, die bei der Wahl nicht älter als 62 Jahre sind. Die Altersgrenzen im Dienstrecht für Beamtinnen und Beamte sind teilweise sehr willkürlich und zu hinterfragen. Im Rechtsausschuss wiesen wir auf die Höchstaltersgrenzen für Verfassungsrichterinnen und -richter sowie Justizwachtmeister hin. Auch die Altersuntergrenze von 40 Jahren für den Landesrechnungshofpräsidenten wollen wir ändern. Im Gesundheits- und Sozialbereich
sprachen wir uns für eine Änderung der Altersgrenzen bei Kindern mit schweren Behinderungen auch schon vor dem ersten Lebensjahr aus. Ebenso ist die hälftige Zuerkennung von Blindengeld für Personen unter 18 Jahren kritisch zu sehen.
Bei einigen der aufgeführten Beispiele hätte man schon in dieser Wahlperiode tätig werden können, zum Beispiel bei dem schon erwähnten Antrag der FDP-Fraktion bezüglich Altersgrenzen von kommunalen Wahlbeamten, den wir sehr unterstützt haben. Obwohl wir also erheblichen Handlungsbedarf sehen - bei mehr als den 16 als überarbeitungswürdig angesehenen Normen - und Änderungswünsche haben, wollten wir jetzt am Ende der Legislaturperiode nicht mit undiskutierten Schnellschüssen auf eine Beschlussfassung drängen, zumal einige dieser Änderungen doch mit erheblichen finanziellen und dienstrechtlichen Konsequenzen behaftet sind und sorgfältiger Beratung bedürfen.
Wir werden die Änderungen der Rechtsvorschriften im Auge behalten und in der nächsten Legislaturperiode auf Abarbeitung hinwirken. Besonders begrüßen wir den schon öfter erwähnten Check auf altersdiskriminierende Vorschriften, den sich ja jetzt alle Fraktionen auf ihre Fahnen geschrieben haben. Ich denke, das ist eine sehr gute Intention.
Abschießend noch ein kurzes Wort zum Handlungsfeld Arbeiten: Die wichtige Leitlinie „Erwerbstätigkeit ermöglichen“ befindet sich künftig nicht mehr unter den prioritären Handlungsfeldern, und das sehen wir als problematisch an. Wir wollten doch gerade erreichen, dass Ältere länger beschäftigt werden können - einerseits, um die Fachkräfteprobleme der Betriebe zu mindern, aber andererseits, um den Menschen die Möglichkeit zu geben, gesund und aktiv bis zum Rentenalter und - wenn sie wollen - noch darüber hinaus zu arbeiten. Die Unternehmen und Betriebe haben dieses Thema längst als prioritär erkannt, nur die Landesregierung zieht sich da etwas zurück. Ich meine, in der neuen Seniorenpolitik darf die Erwerbsarbeit als Handlungsfeld nicht fehlen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Ein bisschen Erheiterung muss ja nach einem so langen Arbeitstag auch mal sein.
Die CDU-Fraktion legt uns, passend zur vor der Tür stehenden Kommunalwahl, einen Antrag vor, der luftige Leitsätze formuliert, in seichten Gewässern segelt und dabei doch die Kernsätze der CDU-Rhetorik bedient. Es entsteht ein Landschaftsbild wie aus einem CDU-Wahlspot.
Es wurde nur noch verabsäumt, auch noch die Bundeskanzlerin als Schutzpatronin
der Brandenburger Kommunen unterzubringen.
Die CDU selbst fordert in diesem Antrag ein Bekenntnis des Landtages und entschwebt damit in fast schon esoterische Sphären.
Dass meine Fraktion solcher Rosamunde-Pilcher-Lyrik nicht zustimmen kann,
wird Sie hoffentlich nicht wundern. Denn dafür ist das Thema zu wichtig, als dass es mit diesen sechs Punkten hinreichend und richtig bedient werden könnte.
Auf komplexe Probleme bietet die CDU-Fraktion gar zu einfache Antworten. Das fängt schon im ersten Punkt an. Dass die kommunale Selbstverwaltung nicht nur das verfassungsrechtlich verankerte Grundprinzip ist, sondern auch bei parlamentarischen Entscheidungen gewürdigt werden muss, das ist so banal wie aussagelos. Wir könnten hier auch die Verfassung noch einmal in Antragsform beschließen.
Dass die CDU Sicherheit, Recht und Ordnung erst an dritter Stelle in diesem Antrag aufzählt, verwundert doch, hätte man diesen Punkt doch ganz vorne vermuten können.
Auch an dieser Stelle wird wieder vorgeschlagen, sich zu etwas zu bekennen, was gesetzlich geregelt ist.
Im vierten Punkt wird aufgezählt, dass leistungsfähige Infrastruktur, gute ärztliche Versorgung, schnelle Internetverbindungen und Kinderbetreuung wesentliche Bestandteile eines intakten und lebenswerten Umfeldes sind. Die anschließende Forderung lautet dann:
„Eine solche Daseinsvorsorge gilt es im ganzen Land aufrechtzuerhalten“.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, da sind Sie von Ihrer Heile-Welt-Lyrik aber ganz schön mitgerissen worden. Es wäre sehr schön, wenn diese Dinge im gesamten Land vorhanden wären. Gerade schnelle Internetverbindungen und mehr und mehr auch eine gute ärztliche Versorgung sind in einigen Landesteilen keineswegs vorhanden, sondern müssten erst noch geschaffen oder wiederhergestellt werden.
Politischer Kern des Antrages ist aber wohl der sechste und letzte Punkt. Dort taucht es dann endlich auf, das Wort Heimatgefühl.
Meine Heimat Brandenburg, würde wohl Herr Schierack in dem eingangs imaginierten Werbespot sagen. In Ihrer Begründung werden Sie fast schon gefährlich konkret, jedenfalls sagen Sie, was Sie nicht wollen: identitätslose Zentralgemeinden und anonyme Großkreise - was übrigens auch sonst niemand will. Aber Sie sagen nicht, was Sie wollen.
Ich nutze dieses Vakuum jetzt mal, erneut unsere grünen Positionen zu den Fragen vorzutragen.
Brandenburg braucht eine Reform der Verwaltungs- und Kommunalstrukturen, damit unsere Städte, Gemeinden und Landkreise auch in Zukunft leistungsfähig sind oder ihre Handlungsfähigkeit zurückerhalten. Anstatt viele kleine parallele Verwaltungen zu erhalten, muss die Daseinsvorsorge sichergestellt werden. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und der angestrebten Stärkung der kommunalen Ebene mit der Übertragung weiterer Aufgaben sind gemeindliche Verwaltungen, die bald nur noch 3 000 Einwohnerinnen und Einwohner haben werden, nicht zukunftsfähig. Eine Politik, die das Heimatgefühl an der Verwaltung einer Gemeinde festmacht, ist schon ziemlich gewagt. Ich habe übrigens unser Tiefbauamt nie als sonderlich identitätsstiftend wahrgenommen.
Statt Bekenntnisse zu verfassen und ansonsten inhaltlich abzutauchen, setzen wir Grünen lieber auf klare Konzepte für die Lösung der Probleme hochverschuldeter Kommunen, auf mehr Bürgerbeteiligung auf kommunaler Ebene und auf die Umsetzung der Empfehlungen der Enquetekommission. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Der Kampf um den 8-Stunden-Tag hat 1886 den „Tag der Arbeit“ begründet. Fast 130 Jahre später ist gute Arbeit noch immer keine Selbstverständlichkeit. Immer mehr Jobs in Deutschland sind prekär. Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge, Praktika-Schleifen, Werkverträge und Minijobs erreichten in den letzten Jahren Rekordstände.
Deutschland liegt beim gestiegenen Anteil des Niedriglohnsektors im europäischen Vergleich ganz vorn: Mehr als jeder Fünfte arbeitet darin - jeder Fünfte, vor allem sind es Frauen. Der hohe Stand sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung verdeckt dabei die Abnahme von Normalarbeitsverhältnissen und die Zunahme von Teilzeit und befristeter Beschäftigung. Das ist allen bekannt, wird immer wieder kritisiert, führt aber zu keinem konsequenten Gegensteuern.
Dabei profitiert von guter Arbeit die gesamte Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die den sozialen Zusammenhang gewährleisten und soziale Verwerfungen vermeiden will, ist auf einen sozialen Ausgleich am Arbeitsmarkt angewiesen. Nur auf der Grundlage verlässlicher Beschäftigungsperspektiven und existenzsichernder Entlohnung können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihr Leben mit einem Mindestmaß an Sicherheit planen und gestalten.
Die jetzt geplante Einführung des Mindestlohnes in Deutschland ist ein richtiger Schritt zum Schutz vor Lohndumping und zur Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen gerade hier in Ostdeutschland. Er allein ist aber kein Garant für gute Arbeit und wird die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt nicht erleichtern.
Gerade in diesem für Sie so zentralen Politikfeld hat die rot-rote Landesregierung keine Erfolge aufzuweisen. Das Landesprogramm „Arbeit für Brandenburg“ ist grandios gescheitert. Es gibt große Schwierigkeiten bei der Mittelvergabe aus dem ESF für den sozialen Arbeitsmarkt, weil die Landesregierung am Bedarf vorbei geplant hat.
Gute Arbeitsmarktpolitik muss sich aller Möglichkeiten staatlicher Einflussnahme und Ressourcen bedienen, um jenen Menschen Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt zu eröffnen. Besonders jungen Menschen ist durch gute Bildung und Ausbildung von Beginn an die Chance zur Integration zu geben. Brandenburg hat laut dem Bildungs-Monitoring der Initiative „Neue soziale Marktwirtschaft“ aus dem letzten Jahr weiterhin noch beträchtliche Defizite und liegt im Bundesvergleich auf dem letzten Platz.
Gute Arbeitsmarktpolitik muss aber auch neue Perspektiven für Menschen schaffen, die bisher von Erwerbsarbeit weitgehend ausgeschlossen sind: Menschen mit Behinderungen, Migrantinnen und Migranten, Alleinerziehende, Schulabbrecher, Ältere, Langzeitarbeitslose und gering Qualifizierte dürfen nicht zurückgelassen werden.
Große Sorge bereiten uns auch die im Transatlantischen Freihandelsabkommen geplante weitere Liberalisierungen von Dienstleistungen, die mögliche Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens und die drohende Absenkung der Standards für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Gute Arbeit und einen Mindestlohn zu fordern ist das eine, Unternehmen zu haben, die solche Standards auch bieten können, das andere. Nach wie vor fließt der Löwenanteil der Brandenburger Wirtschaftsförderung in klassische Investitionsprojekte und nicht in die Köpfe und die Kreativität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir müssten aber dringend neue Ideen und Innovationen stärker fördern, damit die Unternehmen in der Lage sind, attraktive und gute Arbeitsplätze anzubieten, sonst wandern die hier gut ausgebildeten jungen Leute ab, und es kommen aus anderen Regionen Europas zu wenige zu uns. Einer Umfrage zufolge haben bisher nur 2,5 % der befragten Unternehmen in der Region Berlin-Brandenburg die Möglichkeiten der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit genutzt und sich um ausländisches Fachpersonal bemüht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, außer der angekündigten Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns hat sich in puncto gute Arbeit wenig getan. Auch Rot-Rot ist es bisher nicht
gelungen, nennenswerte Fortschritte zu erzielen. Die Chancen, die sich aus der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit ergeben könnten, werden in Brandenburg noch nicht genutzt. TTIP bedroht die sozialen Standards in unserem Land.
Noch immer lasten Massenarbeitslosigkeit und unerträgliche Jugendarbeitslosigkeit auf weiten Teilen Europas. Nein, von guter Arbeit in einem sozialen Europa sind wir noch weit entfernt. Da es aber auch 2015 wieder einen 1. Mai geben wird, sehe ich der Aktuellen Stunde nächsten April mit Freude entgegen. - Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste aus Finsterwalde, für deren Interessen sich Herr Genilke hier so lebhaft und engagiert in die Bresche geschlagen hat! Bereits im Jahr 2012 bekam der Masterplan für die Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg eine Reduzierung der Handlungsfelder verpasst. Statt zwölf gibt es nunmehr vier branchengeleitete Handlungsfelder, die von fünf Integrativthemen durchzogen werden.
Ich möchte einige Aspekte zur Medizintechnik, zum Gesundheitstourismus und zur Fachkräftesicherung ansprechen. In das Handlungsfeld Medizintechnik fällt der von Brandenburg mit 1,5 Millionen Euro geförderte Aufbau eines ganzen Telemedizin-Netzwerkes zur Versorgung von kardiologischen Hochrisikopatienten.
Zwischen dem Carl-Thiem-Klinikum Cottbus, dem Städtischen Klinikum Brandenburg sowie der Charité Berlin wurde ein Versorgungsnetz zur Betreuung von Patientinnen und Patienten mit Herzschwäche etabliert. Dieses Projekt prüft bis zum Jahr 2015 in einer Studie mit 1 500 Teilnehmern, ob mithilfe der Telemedizin Krankenhauseinweisungen vermieden werden können, ob die telemedizinische Mitbetreuung ein Lösungsansatz für Patientinnen und Patienten im ländlichen Raum ist und inwieweit die Betreuungsqualität für Herz-KreislaufErkrankte verbessert wird.
Solche Projekte halte ich insbesondere für die peripheren Räume Brandenburgs für unerlässlich, in denen eine zunehmend ältere, multimorbide und auch in ihrer Mobilität eingeschränkte Bevölkerung mit einer tendenziellen Unterversorgung an Haus- und Fachärzten konfrontiert ist.
Im Handlungsfeld Gesundheitsförderung, Prävention und Gesundheitstourismus finden sich einige Hinweise auf Gesundheitszieleprozesse, was auch gut so ist. Dazu gehören unter anderem „Gesund älter werden im Land Brandenburg“ sowie das Netzwerk „Gesunde Kinder“.
Über den Gesundheitstourismus erfahren wir aber leider gar nichts. Dabei ist Brandenburg doch das Reha-Land und ideal für den klassischen Gesundheitstourismus. Das Kooperationsnetzwerk „Gesundheits- und Wellnesstourismus Land Brandenburg“ sollte das Ziel verfolgen, die Alleinstellungsmerkmale der Gesundheitsregion aufzuzeigen und damit die Nachfrage nach gesundheitstouristischen Angeboten zu verbessern. Jedoch wird darüber nichts berichtet.
Ganz anders hört sich das für Berlin an. Zu lesen ist, dass in der Hauptstadtregion der Gesundheitstourismus boomt. Immer mehr Menschen kommen zur Behandlung nach Deutschland, vor allem nach Berlin. Das kann die Bundeshauptstadt auch gut erfüllen, zumal sie mit 18 000 Fachärzten und Spezialisten sowie 121 000 Hotelbetten, sechs großen Kongresszentren und -hallen sowie modernsten Wellnessanwendungen eine hervorragende Infrastruktur für Medizin- und Gesundheitsreisen bereithält.
Wenn die Großstadt Berlin die Voraussetzung für den internationalen Zustrom von Patienten ist, dann spielt der Patientenund Gesundheitstourismus für Brandenburg offensichtlich nur eine völlig untergeordnete Rolle. Am besten sollten wir eine Zielrevision im Cluster Gesundheitswirtschaft, Handlungsfeld Gesundheitstourismus vorschlagen, weil Berlin ja sowieso nicht einzuholen ist.
Ähnlich verhält es sich mit der Absicht, Brandenburg als RehaLand zu stärken. Die Kapazitäten reichen für die Versorgung aller Berliner und Brandenburger aus. Obwohl es laut Bericht keinen Raum für zusätzliche Rehabilitationskliniken geben dürfte, gehen diese in Berlin munter ans Netz. Mit der Zusammenarbeit hapert es wohl auch in diesem Feld noch erheblich.
Um die Gesundheitsversorgung sicherzustellen, brauchen wir ausreichend Fachkräfte, insbesondere für die Pflege im Rehabilitationsbereich und in der häuslichen Versorgung. Pflegefachkräfte wachsen leider nicht auf den Bäumen. Zwar wurden die neuen Modellstudiengänge Pflegewissenschaft und Therapiewissenschaft an der BTU am Standort Senftenberg eingerichtet, aber davon sind die Pflegekräfte noch nicht verfügbar. Leider hören wir auch nichts über die Unterstützung für die häuslich Pflegenden.
Der Landtagsbeschluss vom Juni 2013 hatte den etwas hochtrabenden Titel „Gesundheitsregion Berlin-Brandenburg - Die gesundheitliche Versorgung der Bevölkerung steht im Mittelpunkt“. Doch genau dies ist offensichtlich nicht der Fall. Mir als Ärztin ist sowieso immer etwas zwiespältig zumute, wenn ich von Gesundheitswirtschaft höre.
Zwischen Gewinnerwartungen der Gesundheitswirtschaft und indikationsgerechter Versorgung gibt es häufig erhebliche Spannungen. Beim Masterplan Gesundheitsregion scheint mir klassische Wirtschaftsförderung eindeutig Vorrang vor Versorgungsfragen zu haben.
Wie heißt es so schön in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus Berlin:
„Vor allem aber ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Gesundheitswirtschaft um eine Branche handelt, die im globalen Wettbewerb agieren muss.“
Für die Unterstützung familialer Pflege bleibt da offensichtlich wenig Raum.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste! Sehr verehrte Frau Dr. Lemmermeier! Wir erhalten auf 78 Seiten differenzierte Vorschläge und realitätstaugliche Ansätze zur Brandenburger Integrationspolitik. Sie zeigen, wie Brandenburg durch Zuwanderung und Integration offener, attraktiver, lebenswerter und zukunftsfähiger gestaltet werden kann.
Das umfangreiche Integrationskonzept enthält Aufgaben für uns alle - für den Landtag, für die Landesregierung, für die Kommunen, Betriebe und Gewerkschaften, für die Krankenhäuser sowie für die Alten- und Krankenpflegekräfte, Universitäten, Schulen und Kitas, aber auch für jede und jeden von uns. Es ist nämlich unsere Aufgabe, Menschen mit Migrationshintergrund die gleiche Teilhabe an gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Prozessen zu ermöglichen. Dazu müssen sich nicht nur die Asylbewerberinnen und Asylbewerber sowie Migrantinnen und Migranten bewegen, sondern auch wir müssen uns bewegen. Das heißt: Wir müssen uns auf die Menschen zubewegen und eine Willkommenskultur in Brandenburg etablieren.
Das Landesintegrationskonzept arbeitet mit dem Begriff der interkulturellen Öffnung. Interkulturelle Öffnung beschreibt einen langfristigen Prozess der Organisationsentwicklung, durch den sich Verwaltungen wie das Jobcenter und die Ausländerbehörden, kleine und mittlere Betriebe, soziale Dienste, Bildungseinrichtungen und Wohlfahrtsverbände auf die heutige, von Migration geprägte Gesellschaft einstellen sollen. Hierfür werden Trainerinnen und Trainer mit Migrationshintergrund für Fortbildungen gebraucht und mit dem Ziel eingesetzt, dass die Mitarbeitenden kulturelle Vielfalt als gesellschaftliche Normalität anerkennen und wertschätzen.
Zuwanderung und Integration bieten Chancen für Brandenburg. Brandenburg wird 2030 eine Bevölkerung haben, deren Altersdurchschnitt bei 53 Jahren liegt, in den peripheren Räumen gar noch höher. In unseren Betrieben steigt der Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften. Der sich voraussichtlich weiter verschärfende Fachkräftemangel macht es unerlässlich, Fachkräfte durch Zuwanderung zu gewinnen.
Aber auch die hier lebenden ca. 60 000 Ausländerinnen und Ausländer sowie die 143 000 Menschen mit Migrationshintergrund bilden ein wichtiges Potenzial für unseren Arbeitsmarkt. Viele der Zugewanderten verfügen über gute berufliche Qualifikationen, die sie über das bundesrechtlich geregelte Berufsqualifikationsfeststellungsgesetz anerkennen lassen. Für landesrechtlich geregelte Berufe sind zwei Stellen beim MASF angesiedelt. Sie wenden sich an Unternehmerinnen und Unternehmer mit Migrationshintergrund und ausländische Studierende und bieten Fortbildung und Beratung für ausländische Fachkräfte.
Das Landesintegrationskonzept greift auch die Residenzpflicht für Asylsuchende und Geduldete wieder auf und benennt Initiativen zur Abschaffung derselben als Ziel. Ja, Herr Baaske, Brandenburg hatte im Juli 2010 gemeinsam mit Berlin Lockerungen erlassen und sich auch im Bundesrat für die Abschaffung der Residenzpflicht eingesetzt. Aber wir könnten noch besser werden. Es eröffnen sich inzwischen die Handlungs
spielräume, die die anderen Länder - Hamburg, SchleswigHolstein und Bremen; ich höre jetzt auch Niedersachsen wahrnehmen wollen. Sie lassen Asylsuchende und Geduldete frei reisen, sofern sich nicht der Wohnsitz ändert, die Reise lediglich kurzfristig und vorübergehend ist und keine Ausschlussgründe wie die Verurteilung wegen Straftaten vorliegen.
Generalerlaubnis für Kurzreisen in das übrige Bundesgebiet ist ohne Änderung von Bundesrecht möglich - nach § 58 Asylverfahrensgesetz. Wir sehen auch Spielräume hier in Brandenburg. Immer noch gilt der Erlass 5/2013 - Verstoß gegen Mitwirkungspflichten. Dies sollte gestrichen werden, um den Asylsuchenden mehr Bewegungsfreiheit zu verschaffen. Deshalb bitten wir um Zustimmung zum vorliegenden Entschließungsantrag „Residenzpflicht weiter lockern“. Da geht noch etwas.
Dem sehr guten Landesintegrationskonzept müsste nun schnell die Novelle des Landesaufnahmegesetzes folgen, um die Wohnungsunterbringung von Flüchtlingen zu fördern und soziale Betreuung und Beratung weiter zu verbessern.
Für das sehr gute Konzept auch von unserer Fraktion herzlichen Dank.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Büchel, langsam habe ich den Eindruck, dass Rot-Rot nichts anderes mehr einfällt, als die Zuständigkeit des Bundes zu beklagen,
und dann zu sagen, für den Vollzug seien immer nur die Kommunen im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung zuständig. Wieso brauchen wir dann eigentlich Landesebenen?
Langsam frage ich mich wirklich, ob wir die Landesverwaltung nicht doch reduzieren könnten.
Schon im September 2012 haben die Abgeordneten Monika Schulz-Höpfner und Beate Blechinger nach einem Brandenburger Konzept für den Einsatz von Familienhebammen im Kontext der Frühen Hilfen gefragt. Die Antwort lautete, dass für den flächendeckenden Ausbau des präventiven Kinderschutzes der Einsatz der Familienhebammen geplant sei und in regionale Fachkonzepte integriert werde.
Heute bin ich sehr erschrocken, wie wenig überhaupt passiert ist. Was wurde getan, um die präventiven Ansätze zum Kinderschutz durch die professionellen Angebote der Familienhebammen zu stärken? Wo bleibt die Zusammenarbeit der Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, Geburtskliniken, Krankenhäuser, Frauen- und Kinderärztinnen- und -ärzte sowie Einrichtungen der Frühförderung und Ehrenamtsstrukturen mit den Familienhebammen? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der regionalen Netzwerke Gesunde Kinder mit den Jugendämtern der Kreise und kreisfreien Städte in Bezug auf die Arbeit der Familienhebammen? Werden die Familienhebammen überhaupt eingesetzt und bezahlt oder werden ihre Dienste gar nicht angefordert?
Mich ärgert das Fehlen einer Gesamtkonzeption für den landesweiten Einsatz der Familienhebammen gewaltig. Wir wissen, in Brandenburg fehlen nicht nur freiberuflich tätige Hebammen, die Geburtshilfe anbieten, sondern es fehlen uns auch Familienhebammen. Verstärkt wird die Situation durch die hier bereits mehrfach angesprochene Haftpflichtproblematik.
Der Bedarf für die Kommunen wurde auf circa 50 Hebammen geschätzt. In Kreisen und kreisfreien Städten wurden bisher lediglich zehn Hebammen eingesetzt und für ihre Arbeit bezahlt.