Meine Damen und Herren, es ist 10.01 Uhr. Bitte nehmen Sie Ihre Plätze ein. Während Sie das tun, begrüße ich unsere Gäste: Schülerinnen und Schüler der Oberschule Schwanebeck. Herzlich willkommen im Landtag Brandenburg! Ich wünsche euch einen spannenden Vormittag.
Ihnen liegt der Entwurf der Tagesordnung vor. Es gibt noch einen Neudruck, weil bei Punkt 11 der angekündigte Entschließungsantrag entfällt. Dieser Neudruck wird in Kürze verteilt. Wer nach dieser Tagesordnung verfahren möchte, den bitte ich um zustimmendes Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor fast einem Jahr haben wir uns - damals noch auf dem Brauhausberg - mit dem Thema „Gute Arbeit in Brandenburg und Deutschland“ befasst.
Damals haben wir in einer Entschließung zehn Schwerpunkte benannt, um bessere bundesdeutsche Rahmenbedingungen für gute Arbeit zu schaffen. Heute können wir feststellen, dass wir dabei ein Stück des Weges vorangekommen sind, auch wenn das Schrittmaß noch nicht als ausreichend erscheint und wir unseren Blick auch verstärkt über den Tellerrand hinaus, auf die europäische Dimension richten müssen.
Immerhin können wir heute feststellen, dass es endlich gelungen ist, die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen
Damit ist die Umsetzung einer Forderung auf dem gesetzgeberischen Weg, die bereits vor mehr als zehn Jahren durch die damalige PDS erhoben wurde, die dann nach und nach bei den Gewerkschaften bahnbrechend war und heute quasi von allen Parteien - außer von der FDP - als „ihre“ Idee verkauft wird.
Leider bleiben bisher vier Wermutstropfen: 8,50 Euro garantieren schon heute nicht mehr eine armutssichere Rente. Dazu bedarf es mindestens 10 Euro. Bis 2017 sollen Ausnahmen für tariflich vereinbarte Entgelte unter 8,50 Euro möglich sein. Erst ab 2018 soll dann eine Anhebung ins Auge gefasst werden.
Es sollen Personengruppen wie Rentner, Langzeitarbeitslose, Praktikanten, Saisonkräfte oder Jugendliche unter 18 Jahren vom Mindestlohn ausgenommen werden. So ist jedenfalls die bisherige Diskussion. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist aber nichts anderes als eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, die wir ablehnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will es noch einmal ganz deutlich sagen: Wenn der Mindestlohn nicht ohne Wenn und Aber für alle Beschäftigten gilt, verdient er seinen Namen nicht, weil er seine Funktion als unmissverständliche Lohnuntergrenze verfehlt.
Im Land haben wir unsere Hausaufgaben zur Frage des Mindestlohnes gemacht. Im Vergabegesetz haben wir die Untergrenze von 8 Euro auf 8,50 Euro angehoben und per Landtagsbeschluss festgelegt, dass diese 8,50 Euro im Herbst dieses Jahres überprüft werden sollen.
Bekanntlich hatten die Gewerkschaften in der Mindestlohnkommission der Anhebung auf 8,50 Euro nicht zugestimmt. Wegen der zeitlichen Verzögerung der Kommissionsentscheidung und wegen der zweijährigen Laufzeit schlugen sie 9,37 Euro vor. Das entsprach bisher der untersten Entgeltgruppe im öffentlichen Dienst, die nach dem Abschluss des Tarifvertrages von vor zwei Tagen auch obsolet sein dürfte.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein wichtiger Aspekt guter Arbeit ist die Tarifbindung. Vor einem Jahr haben wir uns in der Entschließung mit der Allgemeinverbindlichkeitserklärung noch etwas schwergetan und einen Prüfauftrag erteilt. Im Koalitionsvertrag ist nunmehr die Feststellung verankert, dass der Geltungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes für alle Branchen geöffnet werden soll. Das ist eine wichtige Maßnahme, soziale Standards im europäischen Wettbewerb nicht zu unterbieten und die Tarifbindung wesentlich zu erhöhen.
Auch die Ausweitung der Tarifbestimmungen auf alle Beschäftigten einer Branche nach dem Tarifvertragsgesetz soll nunmehr erleichtert werden. Der Koalitionsvertrag bindet die Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht mehr zwingend an das
Kriterium der 50%igen Tarifbindung. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, der aber durch weitere ergänzt werden muss, zum Beispiel durch die Abschaffung des Vetorechts der Vertreter im Tarifausschuss.
Auch im Land hat sich etwas bewegt. Erst im Februar haben Arbeitsminister Günter Baaske und Arbeitssenatorin Dilek Kolat den neu ausgehandelten Tarifvertrag für die Beschäftigten des Elektrohandwerks in Berlin/Brandenburg für allgemein verbindlich erklärt. Insgesamt gelten in Berlin/Brandenburg inzwischen 101 Tarifverträge als allgemein verbindlich.
Diese positive Entwicklung für gute Arbeit kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Tarifbindung in Brandenburg noch zu gering ist. Nur 23 % der Betriebe sind tarifgebunden. Der Anteil der tarifgebundenen Beschäftigten liegt bei 51 %. Zählt man die Betriebe dazu, die sich bei der Entlohnung an einem Tarifvertrag orientieren, steigt die Zahl auf 51 % der Betriebe, wobei 73 % der Beschäftigten einbezogen sind.
Hier stellt sich allerdings die Frage: Wenn sich die Betriebe angeblich an einem Tarifvertrag orientieren - warum binden sie sich dann nicht gleich daran? - Diese Frage stellen sich auch die Sozialpartner im Sozialpartnerdialog, der seit Mai 2011 auf der Grundlage einer gemeinsamen Erklärung von Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgebern geführt wird. Dabei geht es um die Stärkung der Handlungsfähigkeit der Tarifparteien, die Erhöhung ihres Organisationsgrades und der Tarifbindung sowie um den Beitrag der Sozialpartner zu guter Arbeit und zur Fachkräftesicherung.
Um nicht nur zu reden, sondern auch zu handeln, hat das Arbeitsministerium im Dezember 2013 die Sozialpartnerrichtlinie erlassen, die in enger Abstimmung mit den Gewerkschaften und den Unternehmerverbänden erarbeitet wurde. Nach dieser Richtlinie können mit ESF-Mitteln zum Beispiel Projekte zur Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Pflege, für internes Weiterbildungs- und Ausbildungsmanagement, für die Entwicklung von flexiblen Arbeitszeitmodellen und zur Verbesserung der Aufstiegsmöglichkeiten für Frauen gefördert werden. Das sind alles wichtige Stichpunkte, die gute Arbeit ausmachen.
Insgesamt werden wir bei diesem Thema auch weiterhin nur gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden vorgehen und erfolgreich sein können. In diesem Zusammenhang weise ich auf die gerade laufenden regulären Betriebsratswahlen hin. Auch die Bildung von mehr Betriebsräten soll durch die Sozialpartnerrichtlinie befördert werden.
Einen wichtigen Beitrag für gute Arbeit leisten die Wirtschaftsförderrichtlinien des Landes. Bekanntlich haben wir die Vergabe von Fördergeldern an solche Kriterien wie Tarifbindung, Leiharbeiterquote und Zahl der Auszubildenden gebunden. So konnten allein im Jahr 2013 allein im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ 3 224 Arbeitsplätze gesichert und 698 neu geschaffen werden. An Ausbildungsplätzen wurden 107 erhalten und 58 neu geschaffen.
Hinsichtlich der Leiharbeit sind die Festlegungen des Koalitionsvertrages unbefriedigend. Unsere Forderungen, Leiharbeit
auf ihren eigentlichen Zweck zurückzuführen, gleichen Lohn für gleiche Arbeit ab der ersten Arbeitsstunde zu zahlen, die Mitbestimmung der Betriebsräte zu sichern und die Einsatzzeit im Unternehmen auf drei Monate zu beschränken, können damit nicht erfüllt werden. Hier gibt es also noch erheblichen Nachbesserungsbedarf.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im Landesdienst sind wir in der Frage „gute Arbeit“ ebenfalls vorangekommen. Für die Beamten wurde zwar das Tarifergebnis nicht 1:1 übernommen, dafür wurde aber eine Reihe weiterer Festlegungen - zum Beispiel für altersgerechte Arbeiten - getroffen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bezeichnet das Ergebnis als Durchbruch, da es erstmals gelungen ist, die Pflichtstunden für einen großen Teil der Lehrer abzusenken.
Für ältere Polizisten gibt es die Möglichkeit, die Arbeitszeit auf 80 % zu 85 % des Gehalts zu kürzen. Vom DGB wurde die Vereinbarung als beispielgebend für andere Länder gewürdigt. Vereinbart wurde auch, die Verhandlungen zum Tarifvertrag Umbau fortzusetzen. Zurzeit laufen die Gespräche zu solchen Themen wie der Erleichterung des Personalwechsels zwischen den Kommunen und dem Land, der Erhöhung der Attraktivität von Telearbeit und Wohnraumarbeitsplätzen, der Verbesserung der Mobilität, der Qualifizierungs- und Weiterbildungsangebote, der Ausgestaltung alters- und lebensphasengerechter Beschäftigungsbedingungen und der Maßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Neueinstellungen und der Erhöhung der Attraktivität des Landesdienstes für den Nachwuchs.
Ich verweise an dieser Stelle darauf, dass wir die Einstellungsund Ausbildungszahlen für Lehrer, Polizisten, Finanzbeamte, Justizbeschäftigte etc. inzwischen wesentlich erhöht haben und wieder in Größenordnungen ausbilden.
Weitere positive Beispiele für das Bemühen um gute Arbeit im Land sind unter anderem das Modellprojekt „Türöffner - Zukunft Beruf“, das Gleichstellungspolitische Rahmenprogramm, die Novelle des Landesgleichstellungsgesetzes und des Behindertenpolitischen Maßnahmenpakets, um nur einige wichtige Punkte zu nennen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zur Lage der Arbeitslosen im Land. Es läuft eine Reihe von Programmen, um diesen Menschen den Wiedereinstieg in Arbeit zu ermöglichen. Ich verweise auf die in den Landkreisen agierenden Integrationsbegleiter oder auf das jetzt aufgelegte neue Programm „JAA! Jobs für Ältere und Alleinerziehende“. Immerhin haben wir in Brandenburg eine konstant hohe Zahl von mehr als 50 000 Arbeitslosen über 50 Jahren und rund 12 000 alleinerziehenden Arbeitslosen, von denen 90 % Frauen sind.
Das neue Förderprogramm soll gezielt diesen Menschen helfen und ihre Chancen verbessern. Arbeitgeber sollen im Falle ihrer Einstellung für ein halbes bis zu einem Jahr einen Lohnkostenzuschuss in Höhe von 75 % erhalten. Dafür stehen bis März 2015 15 Millionen Euro aus dem Europäischen Sozialfonds zur Verfügung. Bedingung ist die Zahlung des Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist bei Weitem aber nicht ausreichend. Meine Fraktion richtet den Fokus auf eine Gruppe, die seit Langem - vor allem durch den Bund - keine Beachtung mehr findet: die besonders arbeitsmarktfernen, schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen mit multiplen Vermittlungshemmnissen. Für diese Menschen brauchen wir eine nachhaltige Neuauflage des öffentlich geförderten Beschäftigungssektors, der durch Kommunal-, Landes- und EU-Mittel finanziert wird, genauso aber auch durch Mittel des Bundes. Der Bund hat sich in den letzten Jahren immer weiter aus der Verantwortung gestohlen. Ich betone es an dieser Stelle ganz deutlich: Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit ist originäre Aufgabe des Bundes.
Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, wenn jetzt für diese Aufgabe vom Bund Mittel in Höhe von 1,4 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden sollen. Ich befürchte allerdings, dass das nicht ausreichen wird.
Im Land gibt es bereits gute Beispiele sozialen Unternehmertums, die beweisen: Wenn alle Akteure vor Ort - Kommunen, Jobcenter, Unternehmen sowie Arbeits-, Struktur- und Bildungsgesellschaften - zusammenarbeiten und die materiellen und finanziellen Ressourcen bündeln, dann ist es möglich, entsprechend den Bedingungen vor Ort gemeinwohlorientierte Arbeit anzubieten. Sie beweisen, dass es allemal besser ist, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Das trägt zur Integration und sozialen Teilhabe der Menschen bei und senkt auch die gesellschaftlichen Kosten.