Protocol of the Session on February 22, 2012

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 50. Plenarsitzung. Ich begrüße unsere Gäste, Schülerinnen und Schüler der Käthe-Kollwitz-Oberschule Potsdam. Herzlich willkommen im Landtag zu Brandenburg!

(Allgemeiner Beifall)

Ich teile Ihnen mit, dass die Anträge in den Drucksachen 5/4761 und 5/4799 von den Antragstellern zurückgezogen wurden, also nicht behandelt werden.

Der Entwurf der Tagesordnung liegt Ihnen vor. Wer nach ihr verfahren möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Damit ist die Tagesordnung beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Haushaltskonsolidierung und Steuersenkungen gehen Hand in Hand - Brandenburg darf die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen nicht blockieren

Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache 5/4755

Dazu liegen ein Entschließungsantrag der FDP-Fraktion Drucksache 5/4757 - sowie ein Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen - Drucksache 5/4806 - vor.

Wir beginnen mit dem Beitrag der antragstellenden Fraktion. Die Abgeordnete Vogdt spricht für die FDP-Fraktion.

(Unruhe im Saal - Beifall des Abgeordneten Jürgens [DIE LINKE] sowie Zwischenruf: Helau, helau!)

Nicht „Helau“. Ich warte nur, dass es ein bisschen leiser wird und die Begrüßungszeremonien beendet werden, damit wir beginnen können.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Gäste! Immer mehr Menschen in Deutschland zahlen den Spitzensteuersatz - Schlussfolgerung: Es gibt immer mehr Spitzenverdiener. Eine gute Nachricht? Alle am Wirtschaftsgeschehen Beteiligten haben alles richtig gemacht? Prima, weiter so! Wohlstand für alle!

Die Realität sieht leider anders aus: Dem Statistischen Bundesamt zufolge sind die Gehälter der tariflich Beschäftigten im letzten Jahr um 1,8 % gestiegen. Die Inflationsrate lag bei 2,3 %. Das heißt für die tariflich Beschäftigten, dass sie Realeinkommensverluste erleiden. Unser Steuersystem berücksichtigt die Preissteigerungen aber nicht, was eigentlich logisch wäre. Es legt also das höhere Einkommen zugrunde, und durch die Pro

gression rutscht der Steuerpflichtige in einen höheren Steuersatz. Das heißt, die Beschäftigten müssen nicht nur Realeinkommensverluste hinnehmen, sie müssen gleichzeitig höhere Steuern zahlen. Das ist die schlechte Nachricht.

Die noch schlechtere Nachricht: Die rot-rote Landesregierung will dafür sorgen, dass es so bleibt, dass auch die niedrigeren Realeinkommen höher besteuert werden. Im Bundesrat wird sie dabei von den Grünen unterstützt - ein klarer Beweis dafür, wie weit sich die drei Parteien von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entfernt haben.

(Beifall FDP und CDU - Lachen bei SPD und DIE LIN- KE - Holzschuher [SPD]: Es ist Aschermittwoch! Es ist doch längst zu spät für solch eine Rede!)

Mit sozial gerechter Steuerpolitik hat diese Verweigerungshaltung aber auch gar nichts zu tun. Die Menschen werden vor dem Fiskus reicher gemacht, als sie tatsächlich sind. Das Land bereichert sich auf Kosten der Brandenburger Bürgerinnen und Bürger, wenn Sie weiterhin darauf beharren, dass die sogenannte kalte Progression nicht abgeschafft wird. Zwischen 2001 und 2006 flossen dem Fiskus allein durch schleichende Steuererhöhungen rund 63 Milliarden Euro zusätzlich zu. 1958 musste ein Arbeitnehmer erst beim 21-fachen des durchschnittlichen Jahreseinkommens den Spitzensteuersatz zahlen; im Jahr 2000 war der Spitzensteuersatz schon beim 2-fachen durchschnittlichen Jahreseinkommen fällig, und es wird nicht besser.

Die FDP will, dass die Lohnerhöhungen bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommen. Sie sollen nicht doppelt zur Kasse gebeten werden - einmal aufgrund der Inflation und ein weiteres Mal aufgrund unseres Steuersystems.

(Beifall FDP und CDU)

Wir sind der Meinung, die Beschäftigten haben diese Steuergerechtigkeit mehr als verdient. Es handelt sich nämlich nicht um Geschenke, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer eine Lohnsteigerung erhalten. Die haben sie sich vielmehr hart erarbeitet.

(Beifall FDP und CDU)

Jetzt muss man darüber entscheiden, ob man den Menschen etwas von der Lohnerhöhung belassen möchte oder ob diese nur beim Staat ankommt. Denn darum geht es: Lohnerhöhungen gehören dem Bürger und nicht dem Staat.

(Beifall FDP und CDU - Bischoff [SPD]: Machen Sie mal Mindestlohn!)

Sie, meine Damen und Herren, sehen das offensichtlich anders. Wenn man im Antrag der Regierungsfraktionen liest, dass es bei dem Gesetzentwurf der Bundesregierung um die Entlastung der Besserverdienenden und Vermögenden geht, bleibt nur wieder festzuhalten: Leider nichts verstanden.

Der progressive Einkommensteuertarif wirkt sich nämlich bei niedrigen Einkünften durch den anfangs starken Tarifanstieg prozentual deutlich stärker aus als bei hohen Einkünften. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch Sozialbeiträge, die sich ebenfalls an der Einkommenshöhe orientieren. Der Vorschlag

der Bundesregierung hat ein Entlastungsvolumen von 6 Milliarden Euro. Das entspricht den Mehreinnahmen, die durch verdeckte Steuererhöhungen erzielt werden, ohne dass der Gesetzgeber irgendetwas tun muss.

Neben der Anhebung des Grundfreibetrags, der insbesondere Geringverdiener entlastet, soll eine Steuertarifanpassung erfolgen, die jedem Steuerzahler den gleichen Ausgleich für die Preisentwicklung gewährt. Lohnsteigerungen, die nur die Inflationsrate ausgleichen, führen damit nicht mehr zu einem Anstieg der steuerlichen Durchschnittsbelastung, also nicht mehr zu schleichenden Steuermehreinnahmen. Das ist ein wichtiger und richtiger Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit.

(Beifall FDP und CDU)

Für einen verheirateten Arbeitnehmer mit 2 Kindern und einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von etwa 25 000 Euro im Jahr bedeutet die Beseitigung der kalten Progression eine Senkung seiner bisherigen Steuerbelastung um rund 11 %.

Für einen verheirateten Arbeitnehmer mit zwei Kindern und einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von etwa 25 000 Euro im Jahr bedeutet die Beseitigung der kalten Progression eine Entlastung von rund 11 % seiner bisherigen Steuerbelastung. Ein Arbeitnehmer mit 53 000 Euro Einkommen wird hingegen um 3 % entlastet. Hohe Einkommen tragen also wie bisher entsprechend der Leistungsfähigkeit auch wesentlich stärker zum Steueraufkommen bei als untere Einkommen.

Der Bund kommt den Ländern mit seiner Gesetzesinitiative weit entgegen. Als finanziellen Ausgleich erhalten sie einen Festbetrag, der dem Durchschnitt ihrer Steuerausfälle in den Jahren ab 2014 entspricht. So verzichtet der Bund 2013 auf knapp 0,4 Milliarden und 2014 auf 1,2 Milliarden Euro. Schwarz-Gelb hilft den Ländern also beim Schuldenabbau.

(Beifall FDP und CDU)

Die Abschaffung der kalten Progression steht somit nicht im Widerspruch zur Haushaltskonsolidierung. Die Steuerentlastung wird nicht durch neue Schulden finanziert, es werden lediglich inflationsbedingte Steuererhöhungen vermieden. Oder wollen Sie, meine Damen und Herren der Regierung, versuchen, die hohe Landesverschuldung durch Begünstigung inflationärer Tendenzen abzutragen?

Wer die Haushaltskonsolidierung des Landes durch Steuererhöhung schaffen will, sollte ehrlich sein und dies den Bürgern offenlegen. Versteckte Steuererhöhungen, die der Bürger vermeintlich nicht merkt, sind der absolut falsche Weg.

(Beifall FDP und des Abgeordneten Burkardt [CDU])

Erklären Sie dem Facharbeiter und dem Angestellten, warum er durch Ihre vermeintlich sozial gerechte Steuerpolitik bei einer Lohnerhöhung noch weniger Netto vom Brutto in der Tasche hat! - Ich danke Ihnen.

(Beifall FDP und CDU)

Die Abgeordnete Geywitz setzt für die SPD-Fraktion fort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Morgen fängt wahrlich gut an. Ein „Lyriker“ der FDP-Fraktion hier im Hause hat sich alle Mühe gegeben - wahrscheinlich, weil Aschermittwoch ist -, denn unsere Aktuelle Stunde trägt den fast poetischen Titel „Haushaltskonsolidierung und Steuersenkung gehen Hand in Hand“. Als Lyrikerin sage ich: „Donnerwetter!“, als Mathematikerin habe ich dazu noch eine Frage.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Die Staatseinnahmen senken und gleichzeitig den Haushalt ausgleichen - das erinnert mich - vielleicht, weil heute die Fastenzeit beginnt - an jene Diätrezepte, die versprechen: „Essen, so viel man möchte und gleichzeitig Gewicht verlieren“.

(Beifall SPD und DIE LINKE - Frau Lehmann [SPD]: Das wäre gut!)

Das klingt super, und immer wieder geht der eine oder andere solchen Versprechen aus der Fernsehzeitschrift auch auf den Leim.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Aber nach kurzer Zeit sind die meisten von dieser Diät schwer enttäuscht, so enttäuscht wie die FDP-Wähler nach der letzten Bundestagswahl.

(Zustimmung bei SPD und DIE LINKE)

Werte Kollegen von der FDP! Inzwischen haben es sogar weite Teile der Liberalen eingesehen: Wer Steuereinnahmen des Staates kürzt, der hat anschließend kein Geld, um den Haushalt zu konsolidieren. Wer heute Steuern senkt, macht die Schulden für die Steuerzahler von morgen. Diesen Unsinn machen wir in Brandenburg aus diesem Grund und weil unser Weg erfolgreicher und besser ist, nicht mit.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Brandenburg steht nämlich finanzpolitisch in der Spitzengruppe der deutschen Bundesländer. 2011 haben wir als eines von vier Bundesländern in der Republik schwarze Zahlen geschrieben.