Protocol of the Session on March 25, 2010

Meine Damen und Herren! Nach dem historischen Ereignis des „Ersten Spatenstichs“ für den Landtagsneubau sollten wir mit der 13. Plenarsitzung beginnen. Ich begrüße Sie herzlich zur Plenarsitzung. Ihnen liegt der Entwurf der Tagesordnung zur 13. Plenarsitzung am heutigen 25.03.2010 vor. Wer diesem Entwurf zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann können wir so verfahren, und ich eröffne die 13. Sitzung.

Ich möchte Ihnen mitteilen, dass Ministerpräsident Platzeck ganztägig nicht hier sein und von Minister Dr. Markov vertreten wird. Ab 14 Uhr wird uns Frau Ministerin Dr. Münch verlassen müssen. Außerdem haben ihre Abwesenheit die Abgeordneten Beyer, Folgart, Frau Fortunato, Frau Hackenschmidt, Frau Prof. Dr. Heppener und Dr. Luthardt angezeigt.

Bevor wir in die Fragestunde eintreten, begrüße ich ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Otto-Tschirch-Oberschule aus Brandenburg an der Havel. Herzlich willkommen! Außerdem haben wir heute Gäste aus der Freien Schule in Finow. Willkommen Ihnen allen!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, ich eröffne Tagesordnungspunkt 1:

Fragestunde

(Anhaltende Unruhe - Glocke der Vizepräsidentin)

Für die Dringliche Anfrage 12 (Einigung zur Reform der Job- center) erteile ich dem Abgeordneten Dr. Bernig das Wort.

Am vergangenen Wochenende hat sich die eingesetzte BundLänder-Arbeitsgruppe grundsätzlich über die Neuorganisation der Betreuung Langzeitarbeitsloser im Bereich des Sozialgesetzbuches II geeinigt. Bestandteile der Einigung sollen die Änderung des Grundgesetzes sowie eine Ausweitung der Anzahl sogenannter Optionskommunen von derzeit bundesweit 69 auf 110 sein. Gestern wurden diese Ergebnisse bestätigt.

Ich frage die Landesregierung, nach welchem Verfahren die Auswahl weiterer Kreise und kreisfreier Städte für das Optionsmodell erfolgen wird.

Das Wort erhält Minister Baaske.

Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Einen schönen guten Morgen!

(Zurufe: Guten Morgen, lieber Herr Baaske!)

In der Tat haben wir uns in der vergangenen Woche in einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf die Eckwerte geeinigt. Die Gesetzentwürfe liegen jetzt vor. Es wird also tatsächlich, wenn in diesem Jahr die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dafür stimmen wird, zu einer Einigung kommen, auch was die Jobcenter angeht. Wir haben uns in der vergangenen Woche darauf verständigt, dass es bei der Grundsicherung einen Regelfall und einen Ausnahmefall geben wird. Der Regelfall sind die Jobcenter, das heißt die gemeinsame Arbeit von Agenturen für Arbeit und Kommunen. Der Ausnahmefall ist die Optionskommune. Der Regelfall wird 75 % der Grundsicherungsträger umfassen, während die Ausnahmefälle 25 % ausmachen werden. Bei 439 Kommunen, das heißt kreisfreien Städten und Landkreisen, bedeutet das, dass wir am Ende 110 Gebietskörperschaften haben werden, die optieren können, also sogenannter zugelassener kommunaler Träger sein werden.

Es wird Eignungs- und Zulassungskriterien geben. Die Eignungskriterien werden unter anderem sein - ich fasse das kurz zusammen -, wie viel Herzblut der Landkreis oder die kreisfreie Stadt in der Vergangenheit in die Arbeitsmarktpolitik gesteckt hat, das heißt, welches Personal, welche Einrichtungen da sind und wie man auch in Zukunft gedenkt, mit dem Einigungstitel umzugehen.

Es wird aber auch Zulassungskriterien geben. Ein Zulassungskriterium ist zum Beispiel, dass man einen Beschluss in der Vertretungskörperschaft erreicht, der von zwei Dritteln der Mitglieder dieser Körperschaft getragen wird. Das gilt vor dem Hintergrund, dass man nicht möchte, dass nach der nächsten Kommunalwahl womöglich eine Rolle rückwärts gemacht wird und man kein optierender Landkreis mehr sein, sondern wieder mit der Agentur für Arbeit zusammenarbeiten möchte. Wir wollen diesbezüglich also Klarheit haben. Ein weiteres Zulassungskriterium ist, dass der Landkreis oder die kreisfreie Stadt sich verpflichten muss, 90 % der Mitarbeiter der Agenturen für Arbeit zu übernehmen. Auch das wird, wie ich glaube, einigen Landräten oder Oberbürgermeistern sehr schwerfallen. Aber man kann auch den Bund verstehen, dass er daran festhalten wird.

Ich möchte noch zwei Dinge zu den Fristen sagen, über die wir bisher verhandelt haben. Ich hoffe, dass Sie sie nachher im Gesetz auch so wiederfinden. Es wird zunächst so sein, dass die Träger, die optieren wollen, sich im Verlauf dieses Jahres anmelden können. Dann wird im nächsten Jahr oder sobald es möglich ist, darüber entschieden. Wirken wird das Gesetz erst zum 01.01.2012. Die Träger haben also ein Jahr Zeit, sich darauf vorzubereiten und die Arbeit anzugehen. Wir möchten nicht, dass Landkreise oder kreisfreie Städte sich jetzt Hals über Kopf entscheiden, sondern es soll auch noch eine zweite Antragsfrist geben, die bis zum 31.12.2015 gehen soll, sodass dann die Träger am 01.01.2017 ins Netz gehen können.

Die bisherigen 69 Optionskommunen sollen weiterhin im Netz bleiben, aber es kommt ein weiteres Zulassungskriterium hinzu: Sie müssen sich bereit erklären, den Ländern die Fachaufsicht über die Arbeit, die sie in den Einrichtungen leisten, zuzugestehen. - Zunächst war beabsichtigt - das hat ein wenig zu Verwirrung geführt -, dass der Bund die Fachaufsicht über die Optionskommunen ausübt. Das wird so nicht kommen, sondern wir Länder werden die Fachaufsicht ausüben. Wir werden mit dem Bund Zielvereinbarungen darüber abschließen, was in den Einrichtungen passieren soll, um schließlich selber Zielvereinbarungen mit den optierenden Kommunen schließen zu können.

Sollte es zu Gebietsreformen kommen, so wird in diesen Landkreisen eine erneute Beschlussfassung notwendig sein. Wenn ein Teil dieser neuen Gebietskörperschaft Optionskommune war und dann wieder ein Zweidrittelbeschluss zustande kommt, kann auch dort die Trägerschaft optierend weitergeführt werden.

Ich sehe Nachfragebedarf. Frau Kollegin Schier, bitte.

Herr Minister, ein Viertel darf optieren. Das heißt für unser Land, dass wir eigentlich nicht mehr optieren dürfen, weil wir bereits fünf Optionskommunen haben. Welche Kriterien werden jetzt angelegt und wo wird entschieden, in welchem Land neue Optionskommunen hinzukommen können?

In der Regelung, die derzeit im Gesetzentwurf steht, heißt es nicht „ein Viertel des Landes“, sondern „ein Viertel der Träger bundesweit“. Wenn es also bundesweit 110 Träger sein dürfen, dann können bundesweit - salopp gesprochen - 40 dazukommen. Wir haben uns darauf verständigt, dass wir zunächst einmal versuchen werden - so auch der Ministerpräsident heute in Berlin -, uns als Länder zu einigen, wie man das verteilen kann. Beim letzten Mal haben wir es nach dem Bundesratsschlüssel getan. Wir wissen, dass einige Länder dieses Mal gar nicht infrage kommen. So werden zum Beispiel Hamburg, Bremen und Berlin nicht optieren - das ist ziemlich sicher -, sodass deren Anteil optierender Kommunen zu uns kommen könnte. Auch bei einigen anderen Bundesländern ist es fraglich. Beim letzten Mal wollte zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern gar nicht zugreifen. Wir müssen also abwarten, was dabei herauskommt.

Es gibt derzeit zwei Verfahren, über die diskutiert wird. Ich denke, auch das wird heute bei der MPK entschieden. Es gibt eine Matrix, bei der aufgestellt wird, wer sich aufgrund seiner Vorstellungen, die er dort äußert, besonders gut eignet. Dann gibt es für jeden einzelnen Wert Punktzahlen und schließlich eine Gesamtsumme. Das möchte ich jetzt nicht im Detail erläutern. Anschließend erfolgt ein Ranking. Jetzt kann man überlegen, ob der Bund diese Stellen anhand eines bundesweiten Rankings vergeben soll, was ich nicht begrüßen würde. Ich fände es gut, wenn wir in den Ländern darüber entscheiden, nachdem wir uns abgesprochen haben, wie viele Optionskommunen pro Land infrage kommen. Wenn wir zwei, drei bekämen, hätten wir zweifelsohne etwas zu entscheiden. Die Entscheidung fiele dann - das ist abhängig von der genauen Regelung - im Landesoder im Bundesministerium. Letzteres fände ich nicht gut, weil wir unsere Schäflein vor Ort doch ein bisschen besser kennen und schon wissen, wie in der Vergangenheit gearbeitet wurde.

Es gibt weiteren Nachfragebedarf. Frau Abgeordnete Lehmann, Sie haben das Wort.

Herr Minster, ich glaube, Sie haben die Frage schon beantwortet; ich will sie dennoch stellen.

(Heiterkeit)

Haben Sie eine Vorstellung davon, wie viele Optionskommunen in Brandenburg dazukommen könnten?

Mir liegen sieben oder acht Schreiben von Oberbürgermeistern und Landräten vor. Einige von ihnen haben mir aber schon in der vergangenen Woche signalisiert: Wenn das Jobcenter wirklich so kommt, wie wir uns das vorstellen, der Geschäftsführer also tatsächlich entsprechende Handlungsvollmachten erhält und der Landrat auf Augenhöhe mit der Agentur für Arbeit verhandeln kann, würden sie davon absehen, zu optieren. - Wir müssen abwarten, was sich tatsächlich ergibt.

Vielen Dank, Herr Minister Baaske. - Wir kommen zur Frage 154 (Tempo 30 in allen deutschen Städten) , gestellt von der Abgeordneten Kircheis von der SPD-Fraktion.

In der „Berliner Zeitung“ vom 17. März war zu lesen, dass Berlin eine Bundesratsinitiative plant, wonach Tempo 30 in allen deutschen Ortschaften zur Regel werden soll - und jede höhere Geschwindigkeit zur Ausnahme. Begründet wird dieser Vorstoß mit höherer Verkehrssicherheit und Lärmschutz.

Ich frage daher die Landesregierung: Was hält sie von diesem Vorschlag?

Für die Landesregierung wird Minister Vogelsänger antworten.

Frau Vizepräsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Kircheis, grundsätzlich begrüßt die Landesregierung, dass von der Tempo-30-Regelung zunehmend Gebrauch gemacht wird. Das ist schon im jetzigen gesetzlichen Rahmen ohne Schwierigkeiten möglich. Die kreislichen Straßenverkehrsämter sind dafür zuständig. Ich denke, das ist eine gute Regelung. Wir sehen keine Notwendigkeit für eine Neuregelung.

Die Verhältnisse in einer Großstadt sind mit denen in einem Flächenland nicht vergleichbar. In Brandenburg sind die Durchgangs- und Erschließungsstraßen vielfach gleichzeitig Hauptverkehrsstraßen. Deshalb ist dort Tempo 50 angemessen.

Die folgenden Beispiele deutscher Großstädte zeigen, dass schon im Rahmen der heutigen Gesetzlichkeit die Möglichkeit zur Ausweisung von großen Tempo-30-Strecken besteht: Tempo 30 gilt auf 80 % der Münchner Straßen, auf 75 % der Berliner Straßen und auf 50 % der Straßen in Hamburg. Nun wird jeder denken, die Hamburger seien Raser. Die recht geringe Ausweisung von Tempo-30-Straßen in Hamburg hängt aber mit der dortigen strahlenförmigen Straßenstruktur mit dem Stadtzentrum als Ausgangspunkt zusammen. Das ist nicht mit Berlin und München vergleichbar.

Eine Anmerkung zur Historie: Die Tempo-50-Regelung hat sich in Deutschland Ost und in Deutschland West bewährt. In Westdeutschland wurde sie erst 1958 eingeführt. Davor galt „Freie Fahrt für freie Bürger!“ auch in Ortschaften. Es gab

jedoch in den 50er Jahren innerhalb von Ortschaften viele Unfälle, die wohl mit der VW-Käfer-Euphorie und generell mit der deutlich erhöhten Mobilität zusammenhingen. Deshalb war und ist es sinnvoll, innerhalb von Ortschaften Tempo 50 vorzusehen.

Im Jahr 1957 wurde in der DDR - ausgehend von Tempo 40 Tempo 50 innerhalb von Ortschaften eingeführt. Die Tempo40-Regelung ging noch auf die alte Reichsstraßenverkehrsordnung zurück.

Im europäischen Maßstab ist festzustellen, dass in fast allen Ländern Tempo 50 bzw. Tempo 48 innerhalb von Ortschaften gilt. Die Zahl „48“ hängt mit dem Meilensystem in Großbritannien und Irland zusammen. Ich halte den Unterschied zwischen 48 und 50 aber für nicht so gravierend. Lediglich in der Slowakei und - wenn auch nur nachts - in Polen gilt Tempo 60 innerhalb von Ortschaften.

Ich fasse zusammen: Wir sehen keinen Handlungsbedarf. Unsere Nachbarstaaten haben ähnliche Regelungen, die sich im Grundsatz bewährt haben. Tempo 30 kann bereits heute angeordnet werden, wenn es dafür gute Gründe gibt. - Herzlichen Dank.

Danke, Herr Minister. - Der Abgeordnete Senftleben hat eine Nachfrage.

Ich dachte, ich hätte zu dem Thema sehr detailliert ausgeführt. Aber ich beantworte gern eine Nachfrage.

Ich kann die Frage von Kollegin Kircheis gut nachvollziehen. Es ging nicht darum, ob wir mit Tempo 50 innerhalb von Ortschaften im europäischen Kontext im Mittelfeld liegen, sondern um die Verkehrssicherheit. Ich verweise auf die traurigen Botschaften der vergangenen Wochenenden: Es gab insbesondere im Süden Brandenburgs viele Verkehrsunfälle mit Todesopfern. Gerade junge Verkehrsteilnehmer waren beteiligt. Für die Angehörigen, Freunde und Bekannten waren das leidvolle Erfahrungen.

Deswegen meine konkrete Frage: Welche Maßnahmen sind aus Ihrer Sicht dringend notwendig, um die Verkehrssicherheit in Brandenburg zu erhöhen? Anders formuliert: Gibt es die Absicht, darüber nachzudenken, gerade an Alleen von Bundesstraßen mit Geschwindigkeitsbegrenzungen und anderen Maßnahmen schweren Unfällen vorzubeugen? Denn jeder Unfall mit den genannten Folgen ist mit Sicherheit ein Unfall zu viel.

Herr Abgeordneter Senftleben, ich bedanke mich für die Nachfrage. Der Themenkomplex wird jetzt ein Stück weit größer als in der Ursprungsfrage, die nur Tempo 30 innerhalb von Ortschaften zum Gegenstand hatte.

Von der heutigen Sitzung sollte die Botschaft ausgehen: Das Wichtigste ist nicht die Tempobegrenzung, sondern ein angemessenes eigenes Fahrverhalten. Dazu kann jeder seinen Beitrag leisten.

Dass unsere schönen Alleen auch einen Gefahrenpunkt darstellen, ist einfach so. Wir haben schon ein Leitplanken-Sonderprogramm aufgelegt. Ob weitere Geschwindigkeitsbegrenzungen notwendig sind, müssen wir sehen.

Ich füge aber hinzu: Auch wenn man auf einer Allee Tempo 60 vorsieht, ist die Gefahr, durch das Fahren gegen einen Baum schwer zu verunglücken, selbst bei dieser Geschwindigkeit noch hoch. Deshalb ist es das Wichtigste, dass wir ein anderes Bewusstsein für das eigene Fahrverhalten bekommen. Wir sollten uns gemeinsam dafür einsetzen, dass die Menschen rücksichtsvoller fahren und dass sie wissen, welche Gefahren mit Mobilität verbunden sind.

Auch im Ausschuss sollte ein entsprechender Tagesordnungspunkt vorgesehen werden, um zu erörtern, welche Möglichkeiten wir zur Erhöhung der Verkehrssicherheit haben. Die Diskussion können wir parteiübergreifend führen, weil wir uns auch gemeinsam für eine Erhöhung der Verkehrssicherheit einsetzen wollen. - Ich bedanke mich auch sehr für die Nachfrage.

Vielen Dank, Herr Minister Vogelsänger. - Die Frage 155 (Auswertung der U18-Wahl in Brandenburg) stellt der Abgeordnete Peer Jürgens von der Fraktion DIE LINKE.

Kurz vor der Bundestagswahl, am 18.09.2009, konnten bundesweit Kinder und Jugendliche ähnlich wie bei der Bundestagswahl abstimmen. Sie sollten damit näher an die Politik herangeführt und für diese begeistert werden. In Brandenburg haben sich ungefähr 4 600 Jugendliche an der U18-Jugendwahl beteiligt.