Protocol of the Session on March 24, 2011

Ich eröffne die 33. Sitzung des Landtages Brandenburg. Zunächst darf ich die Gäste - Schülerinnen und Schüler der Käthe-Kollwitz-Oberschule in Potsdam - begrüßen. Herzlich willkommen im Landtag!

(Allgemeiner Beifall)

Der Entwurf der Tagesordnung liegt Ihnen vor. Gibt es hierzu Bemerkungen? - Das ist nicht der Fall. Wer gemäß dieser Tagesordnung verfahren möchte, den bitte ich um ein zustimmendes Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall. Dann ist die Tagesordnung so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Die Straßen in Brandenburg nach dem Winter - schnell sanieren und reparieren

Antrag der Fraktion der CDU

Drucksache 5/2906

Hierzu liegt ein Entschließungsantrag der CDU-Fraktion in der Drucksache 5/2939 vor. Die antragstellende Fraktion beginnt die Debatte mit dem Beitrag des Abgeordneten Genilke. Bitte, Herr Genilke.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben das Thema der Aktuellen Stunde aus aktuellem Anlass gewählt. Es geht um den Zustand unserer Straßen. Einige von Ihnen durften das auch heute wieder schmerzvoll erfahren.

(Widerspruch bei der SPD)

Sehr geehrte Frau Prof. Kunst, Sie sagten gestern in Ihrer Rede es kam zumindest einmal vor -, dass das Schnee von gestern sei. Da wir aber in unseren Breiten ganz selten Kunstschnee haben, möchte ich dies zu Beginn zum Anlass nehmen, auf die wirkliche Problematik hinzuweisen.

Der Winter 2010/2011 hat es eigentlich - von der Wetterlage her - recht gut mit uns gemeint. Er war anfangs sehr kalt und schneereich. Das ist aber gut so gewesen. Darüber waren wir sogar alle froh. Was für die Straßen schlecht ist und an der Substanz wirklich nagt, ist ein relativ schneller Wechsel von Tauund Frostwetter. Das war in diesem Jahr nicht ganz so gegeben, dennoch haben wir erhebliche Probleme mit unseren Straßen.

Wir haben einmal mehr gesehen, dass der Zustand unserer Straßen nicht von dem vorausgegangenen Winter abhängig ist, sondern dass es tatsächlich von der Struktur unserer Straßen abhängt, ob sie über einen Winter kommen oder nicht. Gute Straßen haben keine Winterschäden. Das gilt nur für schlechte Straßen.

Dennoch, wer derzeit in unserem Land auf den Straßen unterwegs ist - in einem Flächenland wie Brandenburg sind das natürlich auch zahlreiche Pendler; wir sind auch Transitland -, der sieht vielerorts, dass unsere Straßen inakzeptabel sind. Herr Vogelsänger, „inakzeptabel“ ist übrigens ein Wort, das nicht ich im Zusammenhang mit unseren Straßen gebraucht habe, sondern ein ehemaliges Mitglied der Regierung, und zwar der ehemalige Bildungsminister, Herr Rupprecht. Herr Rupprecht sagte im Zusammenhang mit der Sperrung der L 11 - da gebe ich ihm im Übrigen völlig Recht: „Die Sperrung ist inakzeptabel.“

(Beifall CDU)

Das ist zudem nicht die einzige Straße, die als Ultima Ratio gesperrt wurde. Wir haben inzwischen auch eine Sperrung der L 412. Frau Stobrawa kann ein Lied davon singen. Wir haben auch einen völlig inakzeptablen Zustand der L 35 mit der Ortsdurchfahrt Petersdorf. Zudem haben wir eine Sperrung der Landesstraße 60.

Herr Minister, Sie haben es als erster Minister des Landes Brandenburg geschafft, in nur sieben Monaten drei Landesstraßen zu sperren. Das ist zumindest ein Ansatz. Das wird aber hoffentlich noch besser.

(Beifall CDU)

Der Herr Finanzminister sagte einmal im Zusammenhang mit dem Haushaltsbeschluss der rot-roten Koalition etwas von „in Stein gemeißelt und finanztechnisch auskalkuliert“. Ich kann das gar nicht genau zitieren, der Finanzminister kann es sogar in mehreren Sprachen - ich weiß. Das ist gar keine Frage. Ich werde es deshalb nun umwidmen: Die Schlaglöcher und die gesperrten Straßen in unserem Land sind der in Asphalt gelöcherte Wille der rot-roten Koalition. So kann man Ihren Haushalt im Verkehrsbereich durchaus bezeichnen.

(Beifall CDU - Widerspruch bei der Fraktion DIE LINKE)

Herr Minister Vogelsänger, Sie klagen immer wieder, dass Sie als Minister die meisten Kleinen Anfragen beantworten müssen. Ich kann Ihnen sagen: Dieser Zustand dürfte Sie nicht wirklich überraschen - zumindest dann nicht, wenn wir sehen, was in Bezug auf den Straßenzustand in Brandenburg erreicht worden ist.

Wir dürfen angesichts dieser Entwicklung nicht weiter die Augen vor der Realität verschließen. Ich sage ganz eindeutig: Uns bringen die beste Bildungspolitik und die beste Sozialpolitik nichts, wenn wir die Infrastruktur nebenbei verfallen lassen. Der Straßenbau ist eine der Kernaufgaben unseres Staates. Ohne eine intakte Infrastruktur fehlt uns eine entscheidende Grundlage für Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung.

(Beifall CDU)

Das Problem ist nicht neu. Das wissen wir. 2007 gab es einen Bericht des Landesrechnungshofes. Ende 2008 und Anfang 2009 haben sich der Landtag und der Verkehrsausschuss über die Erhaltungsstrategie des Landes unterhalten. Es gab eine interessante Präsentation im Ausschuss, und zwar über die geplante Fortschreibung der Erhaltungsstrategie für die Landesstraßen und die Anwendung eines sogenannten „pavement manage

ment systems“ im Landesbetrieb für Straßenwesen. Das ist ein sehr löblicher Bericht. Es ist zudem ein sehr ambitioniertes Ziel, die in diesem Bericht herausgearbeiteten Stellungnahmen letztlich Realität werden zu lassen.

Was sollte erreicht werden? - Erreicht werden sollte die Sicherung des durchschnittlichen Erhaltungszustandes und eine vordringliche Zustandsverbesserung für Abschnitte mit Überschreitung des Schwellenwertes von 4,5. 4,5 ist im Grunde ein Zustand - das wissen zumindest die Verkehrspolitiker in diesem Haus -, der eine sofortige Einleitung von Erhaltungsmaßnahmen oder Verkehrsbeschränkungen hervorruft. Eine Verkehrsbeschränkung ist im Notfall die Sperrung einer Straße.

Wenn man bedenkt, dass rund ein Viertel des Straßennetzes nämlich 26 % - diese Zustandsnote 4,5 bereits innehat, dann ist das bedenklich. 56 % unserer Straßen im Land Brandenburg haben eine Zustandsnote schlechter als 3,5. Wenn man das weiß, dann können wir uns vorstellen, welche Dimensionen mittlerweile der Investitionsstau aufweist.

Was hat die rot-rote Landesregierung seit eineinhalb Jahren unternommen? - Sie hat den Etat um 17 Millionen Euro gekürzt. Wenn wir die EU-Mittel noch herausrechnen, dann sind es sogar 22 Millionen Euro. Einiges brauchen wir aber für die Neubautitel.

(Senftleben [CDU]: Das ist ein Skandal!)

Im letzten Plenum habe ich zu diesem Thema bereits Ausführungen gemacht. Sie waren damals in Geberlaune in Bezug auf die Infrastruktur. Allerdings war das an den Bund gerichtet und nicht gegen die eigene Regierung. Das haben wir mittlerweile oft erfahren. Hier aber haben Sie eine eigene Verantwortung. Dieser Verantwortung müssen Sie sich stellen. Aber auch wir als Opposition müssen uns dieser Verantwortung stellen. Unser Entschließungsantrag beinhaltet keine bestimmte Summe. Ich denke vielmehr, zuvor ist eine gründliche Analyse nötig.

(Widerspruch bei der Fraktion DIE LINKE)

Wir wissen, dass wir ein grünes Netz haben. Wir wissen, dass wir ein Hauptnetz in Bezug auf die Landesstraßen haben. Wir wissen aber nicht, in welchem Straßennetz wir welche Investitionen tatsächlich brauchen.

Bei Brücken ist die Lage noch viel dramatischer. Eine Straße können Sie, wenn sie schlecht ist, für eine Geschwindigkeit von 30 km/h begrenzen. Wenn eine Brücke aber nicht mehr sicher ist, dann wird sie gesperrt.

Denken Sie dabei an den Regionalen Wachstumskern. Bei der L 11 handelt es sich um eine Straße, die in ein Gewerbegebiet führt; sie ist schon erwähnt worden. Herr Rupprecht war selbst vor Ort. Mehrere Minister waren schon da. Vielleicht müssen auch noch andere dorthin. Dieses Beispiel zeigt eindeutig, dass hier falsche Prämissen gesetzt wurden.

(Beifall CDU)

Es darf nicht sein, dass ein Unternehmen wie Eurostahl aufgrund der Sperrung dieser Straße daran denkt - das muss man sich einmal vorstellen -, dort wegzuziehen, nämlich nach Sachsen-Anhalt. Daran denken die. Das betrifft - ich wiederhole

mich - einen Wachstumskern. Es ist wirklich schwierig, gegenüber diesen Leuten Argumente zu finden, weshalb das Unternehmen vor Ort bleiben solle. Darauf müssen wir Antworten geben. Wir dürfen nicht immer erst dann reagieren, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Wir haben hier eine Verantwortung. Der wollen wir uns stellen. Das ist dringender denn je. Es ist unwahrscheinlich, dass dies mit weniger Mitteln passieren kann. - Sie könnten aber versuchen, mir dafür eine schlüssige Erklärung zu geben.

Hier setzt unser Entschließungsantrag an. Wir brauchen für beide Netze - die durchaus sinnvoll getrennt worden sind - eine kurzund mittelfristige, aber auch eine langfristige Strategie für den Erhalt dieser Landesstraßen. Sie müssen mit finanziellen Mitteln untersetzt sein, sonst bringt die beste Strategie letztlich nichts.

Ich denke, dass jeder Abgeordnete in diesem Haus ein Anrecht darauf hat, zu wissen, welchen Zustand die Straßen in seinem Wahlkreis haben und wie wir reagieren sollten.

(Widerspruch des Abgeordneten Krause [DIE LINKE])

- Herr Krause, ich weiß nicht, wo das Problem liegt. Wenn in der Uckermark eine Straße betroffen ist, dann sind Sie der Erste, der tönt, warum das alles nicht geht.

(Beifall CDU)

Ich möchte erneut aus dem Artikel zitieren, den ich vorhin im Zusammenhang mit dem Zitat von Herrn Rupprecht schon erwähnte. Dort hieß es sinngemäß: Außerdem werde er als Landtagsabgeordneter - die Rede ist von Thomas Domres - Gespräche mit den Ministern Jörg Vogelsänger und Anita Tack führen und für Motivation und für ein Einlenken werben.

(Beifall CDU)

Das setzt im Umkehrschluss natürlich voraus, dass wir eine unmotivierte Landesregierung haben - zumindest in Bezug auf den Straßenbau.

(Beifall CDU und FDP)

Ich denke, das spricht Bände. Herr Domres, da bin ich völlig bei Ihnen. So kann es jedenfalls im Straßenbau an der Stelle nicht weitergehen.

Herr Minister, Sie verbringen einen Großteil Ihrer Arbeitszeit damit, Landesstraßen auf Kreisstraßen herabzustufen. Da reden wir von maximal 50 km, die Sie in dieser Legislaturperiode schaffen können. Sollten Sie gleichwohl mehr schaffen, können Sie mir das sagen. Das ist nicht einmal 1 % unserer Landesstraßen.

Ich denke, es ist Aufgabe eines Infrastrukturministeriums, hier etwas zu bewegen. Sie hingegen verschieben sehr viel. Dabei denke ich an Ihre Reden im Ausschuss. Sie verschieben EUMittel. Wahrscheinlich handelt es sich nunmehr um ein „Umschichtungsministerium“. Vielleicht ist es auch ein „Schlaglochministerium“. Ich weiß es nicht genau. Wir brauchen aber vielmehr ein Ministerium, das sich neuen Herausforderungen stellt. Das gilt zum Beispiel in Bezug auf die Technologie zum Aufbau von Straßen. Da gibt es ein sogenanntes Kaltrecyclingverfahren. Das kann eine Möglichkeit sein.

Es gibt aber auch andere Nanotechnologien, mit denen die Oberflächen der Straßen wasserdicht gemacht werden können, wodurch das Wasser nicht in den Unterbau, in die Tragschichten bzw. in die Binnenschichten gelangen kann. Das sind Dinge, die bereits erprobt sind, beispielsweise auf der BrennerAutobahn. Da liegt sogar mehr Schnee als bei uns. Da herrschen zudem ganz andere klimatische Bedingungen. Ich denke, diese Maßnahmen müssen wir ergreifen. Es sind Einsparungen von 30 % möglich. Dies setzt jedoch voraus, dass man ein solches System tatsächlich einführen und anfänglich sicherlich auch Investitionen tätigen will. Im Nachgang können Sie dann 30 % für den Landesstraßenbau einsparen. Ich glaube, Ihre Zeit wäre sinnvoller genutzt, weniger darüber nachzudenken, wo 1 % unserer Landesstraßen untergebracht werden könnte, als vielmehr Ideen zu entwickeln, diese Straßen langfristig zu erhalten.