Protocol of the Session on January 23, 2013

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 69. Sitzung des Landtages Brandenburg.

Ich habe heute die große Freude, eine ganz besondere Besuchergruppe bei uns willkommen zu heißen: elf Mann - genauer: zehn Mann und eine Dame - von der Fregatte „Brandenburg“ unter Fregattenkapitän Gerald Liebich. Schön, dass Sie im Rahmen Ihrer Partnerschaftsbesuche wieder einmal bei uns sind.

(Allgemeiner Beifall)

Ich freue mich besonders, dass Sie sich auch die Zeit nehmen, heute Abend beim Neujahrsempfang dabei zu sein; dann gibt es Gelegenheit für Plaudereien und Gespräche. Herzlich willkommen!

Gibt es zur vorliegenden Tagesordnung von Ihrer Seite Bemerkungen? - Wenn das nicht der Fall ist, teile ich Ihnen mit, dass gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 3 der Geschäftsordnung des Landtages der Ausschuss für Europaangelegenheiten und Entwicklungspolitik am 9. Januar 2013 die Abgeordnete Kaiser zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt hat. Herzlichen Glückwunsch und erfolgreiche Arbeit!

(Allgemeiner Beifall)

Nun können wir über den Entwurf der vorliegenden Tagesordnung abstimmen lassen. Wer ihm folgen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Beides ist nicht der Fall.

Wir haben heute ganztägig auf Minister Baaske und Minister Dr. Markov zu verzichten, die jeweils durch Minister Vogelsänger und Minister Christoffers vertreten werden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde

Thema: Energiepolitik als Scharnier zwischen Wirtschaftsund Sozialpolitik begreifen - Strompreise stabil halten!

Antrag der Fraktion der FDP

Drucksache 5/6693

Zudem liegen Ihnen vor: ein Entschließungsantrag der CDUFraktion in der Drucksache 5/6734, ein Entschließungsantrag der Fraktionen von SPD und DIE LINKE in der Drucksache 5/6737 sowie ein Entschließungsantrag der FDP-Fraktion in der Drucksache 5/6742. In Vorbereitung befindet sich ein Entschließungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der dann eine Drucksachennummer erhält und Ihnen zugeleitet wird.

Wir beginnen die Debatte mit der FDP-Fraktion. Es spricht der Abgeordnete Beyer zu uns.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist die erste Aktuelle Stunde im neuen Jahr - eine gute Gelegenheit, sich mit einem wahrlich dauerhaft aktuellen Thema zu beschäftigen. Tagesaktuell ist es vor allem angesichts der Stromrechnungen für viele Bürgerinnen und Bürger unseres Landes und natürlich für die Unternehmen, insbesondere für die Mittelständler. Denn einmal mehr werden die Stromkunden die Nebenwirkung der Energiewende zu spüren bekommen, und zwar in Form steigender Strompreise.

Es ist eine Binsenweisheit, dass die Akzeptanz für Großprojekte - wie die Energiewende, die zweifelsohne ein Großprojekt ist - dann abnimmt, wenn es beginnt, für Privathaushalte und Unternehmen finanziell wehzutun. Genau an einem solchen Punkt sind wir in Deutschland in Bezug auf die Energiefrage und die Energiewende angelangt.

Zu Beginn dieses Jahres werden die Strompreise durchschnittlich um 11 % steigen. Wenn ich von einem Durchschnitt von 11 % spreche, bedeutet das natürlich, dass für einige Verbraucherinnen und Verbraucher auch ein Anstieg um mehr als 20 % dabei sein wird.

Insofern wird man nicht müde, darauf zu verweisen, dass seit der Liberalisierung des Strommarktes die Möglichkeit besteht, den Anbieter zu wechseln. Es ist gut, dass diese Möglichkeit besteht. Zwar nehmen bisher nicht sehr viele Verbraucherinnen und Verbraucher - zumindest nicht so viele, wie erwartet - diese Möglichkeit wahr, jedoch wird sich das genau in dieser Situation sicherlich ändern. Das wäre zumindest ein kleiner Teilerfolg der Liberalisierung, die wichtig war.

Das, was wir erleben, ist nicht nur ein Anstieg, der die Frage nach dem Warum aufwirft. Leider Gottes wird der Blick auf die Ursachen des Anstieges gern verstellt. Schätzungen des Bundesverbandes Energie- und Wasserwirtschaft zufolge wird sich die Gesamtbelastung durch Steuern und staatliche Abgaben hinsichtlich des Strompreises in diesem Jahr auf annähernd 30 Milliarden Euro erhöhen. Verglichen mit dem Jahr der Liberalisierung des deutschen Strommarktes - 1998 - entspricht das einem Anstieg von dem Dreizehnfachen. Ich wiederhole es: dem Dreizehnfachen. Dies beweist: Preistreiber sind nicht in erster Linie die Unternehmen, sondern Hauptpreistreiber für die Energiepreise ist letztlich der Staat.

Aus dieser unwiderlegbaren Tatsache leiten wir Liberale ab, dass nicht die Unternehmen, sondern der Staat und damit in erster Linie Politik und Verwaltung radikal umdenken müssen. Neben einer deutlichen Reduktion ihres Einflusses auf die Bildung des Strompreises müssen sie für einen entsprechenden Rechtsrahmen sorgen, der es ermöglicht, Strom verlässlich und vor allem zu bezahlbaren Preisen zu beziehen.

Das Hauptproblem dieser Entwicklung ist zweifelsohne das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das im Grundsatz gut konzipiert ist, da es den Marktzugang für die erneuerbaren Energien ermöglichte. Das EEG ist letztlich nichts anderes als ein Geschwindigkeitsbeeinflussungsgesetz, das in seiner Geburtsstunde ein richtiger Ansatz war. Schließlich ging es damals berechtigterweise darum, den Ausbau der regenerativen Energien zu beschleunigen und zu forcieren. Das war ausdrücklich richtig. Nach Eintreten des Erfolgs müssen wir nun aber feststel

len, dass der Leitungsausbau nicht hinterherkommt und daraus eine geradezu abenteuerliche Situation entsteht.

Ich möchte Ihnen ein kleines Beispiel nennen, um das zu verdeutlichen. Man stelle sich vor, ein Investor komme auf die Idee, eine Schiffswerft mitten in der Sahara zu bauen. Auf die Frage, wie er seine Schiffe dort wegbekomme, antwortet er: Na ja, irgendjemand wird schon kommen und einen Kanal bauen, um die Schiffe zum Meer zu transportieren. - Da der Absatz bis dahin natürlich nicht funktioniert und das Ganze ökonomisch nicht aufgehen kann, muss eine zweite Lösung her. Also spricht man mit der Politik, die daraufhin ein Gesetz beschließt, das die Reeder auf den Weltmeeren dazu verpflichtet, die Schiffe zu bezahlen, die dort in der Sahara auf Halde liegen.

Genau das ist die gegenwärtige Situation im Zusammenhang mit dem EEG. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die abgenommene und verbrauchte Ware ist in unserem Wirtschaftsleben die Leistung, die zu bezahlen ist; das ist ein elementarer Grundsatz. Die Bezahlung hergestellter, aber logistisch nicht erreichbarer Ware ergibt volkswirtschaftlich letzten Endes keinen Sinn und schädigt langfristig die Gesellschaft.

(Beifall FDP)

Dramatisch ist dabei, dass beim Strom die „Reeder“ die Stromkunden sind, also die Bürgerinnen und Bürger, was gleichzeitig den sozialen Unsinn des gegenwärtigen EEG-Ansatzes deutlich macht.

Momentan ist bei einem Geschwindigkeitsregulierungsgesetz in Bezug auf Strom Drosselung angesagt. Das ist das Entscheidende. Nichtsdestotrotz hat die Bundesregierung wichtige Rahmenbedingungen für das Gelingen der Energiewende geschaffen. Der Flickenteppich bei den Genehmigungsverfahren ist zugunsten einer bundesweiten Regelung abgeschafft worden - ganz anders in Brandenburg mit dem Kompetenzwirrwarr, das wir hier leider erleben.

Bislang unterschiedliche Genehmigungsverfahren zwischen Freileitungen und Erdkabeln auf 110-Kilowatt-Ebene wurden zu einheitlichen Genehmigungsverfahren zusammengeführt. Zudem sind klare rechtliche Rahmenbedingungen für den Bau grenzüberschreitender Leitungen geschaffen worden. Für uns Liberale ist ein europäischer Energiemarkt nicht nur eine Worthülse. Nein, wir schaffen die Voraussetzungen für den europäischen Energiemarkt.

(Beifall FDP)

Wer angesichts dieser Maßnahmen sagt, die Bundesregierung handele nicht, betreibt Realitätsverweigerung. Die Verantwortung für das Gelingen der Energiewende liegt aber nicht nur beim Bund, sondern natürlich auch beim Land. Auch den Ländern - hierbei insbesondere Brandenburg als einem der großen Stromexporteure - kommt eine besondere Verantwortung zu, wenn es darum geht, die Ziele der jeweiligen Energiestrategie im Kontext einer gesamtdeutschen Energiestrategie umzusetzen. Es reicht nicht - wie es in der Energiestrategie 2030 des Landes leider der Fall ist -, nur eigene Ziele zu definieren. Ziel und Anspruch der Regierungspolitik in Brandenburg muss vielmehr sein, die in der Energiestrategie 2030 definierten und mit den anderen Bundesländern sowie dem Bund abgestimm

ten Ziele durch konkrete Maßnahmen zu untersetzen und damit einen klaren Fahrplan für die Energiewende im Land zu erstellen. Zu beurteilen, ob hierfür ein eigenes Energieministerium, etwa nach dem Vorbild von Schleswig-Holstein, Sinn macht, ist Aufgabe der Landesregierung.

Fakt ist: Wir benötigen neben Zielen sinnvolle und abgestimmte Maßnahmen zur Gestaltung der Energiewende. Deren Nutzen ist regelmäßig zu überprüfen, gegebenenfalls sind die Maßnahmen anzupassen. Zieldefinitionen, ohne das Wie zu berücksichtigen, werden die Energiewende nicht beschleunigen, sondern unnötig verzögern, und dafür haben wir letzten Endes keine Zeit.

Was wir in Brandenburg dringend brauchen, sind konkrete wirtschaftspolitische Maßnahmen, mit denen wir sicherstellen, dass der in Brandenburg erzeugte Strom auch vor Ort, in unseren Regionen, genutzt und abgenommen werden kann. Den Bau von Überleitungen können wir nur schwerlich beeinflussen, wir können aber dafür sorgen, dass es die entsprechenden Endverbraucher in Brandenburg gibt, und hier erwarten wir Aktivitäten von der Landesregierung. Wo ist eine intelligente Ansiedlungspolitik für stromintensive Unternehmen, Herr Minister? Das wäre die große Herausforderung, die sich stellt. Wo sind die Konzepte für regionale Kreisläufe und deren konkrete Unterstützung? Wir erwarten, dass sich die Landesregierung ihrer Verantwortung bewusst wird. Wir, ein Land mit vorangeschrittenem Ausbau der regenerativen Energien, tragen auch volkswirtschaftliche Verantwortung dafür, dass bereitgestellter Strom in unserer Region zur Nutzung kommt.

(Görke [DIE LINKE]: Wer ist denn dafür verantwortlich? Wer regiert denn da?)

- Sie sind für die Umsetzung hier verantwortlich! Wer denn sonst?

(Beifall FDP)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, bekennen Sie Farbe und lassen Sie uns gemeinsam Schluss machen mit stetig steigenden Strompreisen - im Interesse der Privathaushalte und im Interesse der Wirtschaft. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Wir setzen mit dem Beitrag der SPD-Fraktion fort. Die Abgeordnete Hackenschmidt spricht.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Herr Beyer, ich kann Ihnen zustimmen: ein tolles Thema für eine Aktuelle Stunde. Es ist so wichtig: Energie - Lebenssaft für die Menschen, für die Gesellschaft, für den Wohlstand.

Die Energiewende mit ihren Eckpunkten Atomausstieg und Förderung sowie Systemintegration erneuerbarer Energien ist richtig. Nach Fukushima gibt es in Deutschland keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr für die Nutzung von Atomenergie.

In Brandenburg bündeln sich wie in einem Brennglas viele Herausforderungen dieser Energiewende. Einerseits profitieren wir vom Ausbau der erneuerbaren Energien, was die erneute Verleihung des „Leitsterns“ eindrucksvoll belegt. Andererseits sind wir auch überproportional von den Kosten dieses Ausbaus betroffen. Zudem kommen harte gesellschaftliche Debatten über Windstrom, die Zukunft von Braunkohle oder den Netzausbau auf uns zu. Da Brandenburg immer schon Energieland war, setzen wir uns seit Langem intensiv mit der Energiepolitik auseinander, und mit der Energiestrategie 2030 wurden strategische Weichenstellungen für unser Land beschlossen.

Die weitergehenden Konsequenzen aus der eingeleiteten Energiewende werden uns allen vermutlich erst so richtig bewusst. Nicht mehr benötigte Atomkraftwerke müssen zurückgebaut werden. Mittelfristig brauchen wir fossile Reservekapazitäten. Der Ausbau der Stromnetze ist teuer und braucht vor allem viel Zeit, und auch dabei schwindet die Akzeptanz in der Bevölkerung. Bürgernetze, wie in Schleswig-Holstein angedacht - es gibt nichts mehr, was zu denken nicht möglich wäre. Nach verschiedenen Studien werden bis 2020 Möglichkeiten für 50 bis 60 Gigawatt neue Stromerzeugung vorhanden sein, aber es gibt nur für 12 Gigawatt neu installierte Übertragungsleitungen.

Das vor einem Jahrzehnt begonnene System der Förderung erneuerbarer Energien stößt an seine Grenzen und bedarf der umfassenden Überarbeitung. Steigende Energiepreise bedrohen die Akzeptanz der Energiewende und sind ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen.

Diese Konsequenzen alarmieren die Politik zu Recht. Gerade in der Politik gibt es aber die Unsitte, Komplexität zu ignorieren und reflexhaft nach kurzfristigen Gegenmitteln zu rufen. Ein Beispiel dafür steht in der Begründung des Antrags zu dieser Aktuellen Stunde. Nach Auffassung der FDP gibt es nur einen Verantwortlichen für die steigenden Energiepreise: das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das bestreite ich ganz einfach.

(Beifall SPD und DIE LINKE)

Hierzu möchte ich in Erinnerung rufen, dass die EEG-Umlage zwar hoch ist, aber dennoch 5,277 Cent pro Kilowattstunde beträgt, was bei einem Strompreis von bis zu 30 Cent einen Anteil von 15 bis 20 % ausmacht. Darüber hinaus haben wir die Tatsache zu beurteilen, dass das Angebot an Ökostrom die Preise an den Strombörsen sogar gesenkt hat. So einfach sollten wir es uns also nicht machen.

Ein anderes Beispiel für reflexhafte Vorschläge aus der Politik ist die Forderung nach Sozialtarifen. Es mag ja sein, dass dadurch für einen begrenzten Kreis von Begünstigten die Preise gedeckelt werden können. Aber wer zahlt denn die Differenz zu den Marktpreisen? Sollen etwa aus öffentlichen Haushalten die Gewinne von Energiekonzernen finanziert werden? Ich glaube, nein.

(Beifall des Abgeordneten Goetz [FDP])

Diese Beispiele zeigen: Wir brauchen ein neues Energiesystem, das zur Erreichung der Ziele der Energiewende beiträgt, darüber hinaus die Kosten in den Blick nimmt und einen gerechten Ausgleich von Nutzen und Kosten der Energiewende gewährleistet. Das erfordert in erster Linie ein gemeinsames Vorgehen, nicht aber Schnellschüsse.